51. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1966 i.S. Aktiengesellschaft für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno und Gysin gegen Eidg. Amt für das Handelsregister.
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Regeste
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Handelsregister, nationale Bezeichnung in einer Firma; Art. 944 Abs. 2 OR, Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV.
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Frage der Zulässigkeit des Zusatzes "Verkauf Schweiz" für ein Unternehmen, das sich als Tochtergesellschaft eines schweizerischen Fabrikationsunternehmens mit dem Vertrieb von dessen Erzeugnissen im Gebiete der Schweiz befassen soll (Erw. 3, 4).
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Sachverhalt
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BGE 92 I 293 (293):
A.- Die "AG für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno" setzt etwa 20% ihrer Erzeugnisse in der Schweiz ab. Sie beabsichtigt, diesen Teil des Verkaufes durch eine neu zu gründende Tochtergesellschaft mit Sitz in Luzern besorgen zu lassen, die sie "AGIE Verkauf Schweiz" nennen will. Am 24. Mai 1966 ersuchte ihr Anwalt das eidgenössische Amt für das Handelsregister um Bewilligung dieser nationalen Bezeichnung. Das Amt wies dieses Gesuch am 22. Juni 1966 ab, nachdem es gestützt auf Art. 45 Abs. 2 HRegV die Meinungsäusserung des Vororts des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins eingeholt hatte, der sich gegen die Erteilung der Bewilligung aussprach.
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BGE 92 I 293 (294):
Am 24. Juni 1966 reichte die Gesuchstellerin ein Wiedererwägungsgesuch ein. Das Amt trat darauf ein, wies es aber nach nochmaliger Anhörung des Vororts am 14. Juli 1966 ab.
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B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 12. August 1966 beantragen die AG für industrielle Elektronik und ihr als Mitgründer der geplanten Verkaufsgesellschaft auftretender Verwaltungsratspräsident dem Bundesgericht, diesen Entscheid aufzuheben und die nationale Bezeichnung in der Firma "AGIE Verkauf Schweiz" zu gestatten.
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Das eidgenössische Amt für das Handelsregister beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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2. Der Bundesrat hat auf Grund von Art. 944 Abs. 2 OR den Einzelfirmen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften verboten, in ihrer Firma nationale Bezeichnungen zu verwenden. Das eidgenössische Amt für das Handelsregister kann jedoch Ausnahmen gestatten, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV). Das bedeutet nicht, das Amt dürfe die Bewilligung nach Belieben erteilen oder verweigern. Wenn "besondere Umstände" vorliegen, muss es die Ausnahme bewilligen. Auch die Frage, wann die Umstände "besondere" seien, darf es nicht nach Gutdünken beantworten. Es hat sich von sachlichen Gesichtspunkten und den Grundsätzen von Recht und Billigkeit leiten zu lassen (Art. 4 ZGB). Ein Entscheid, der diesen Anforderungen nicht entspricht, fällt aus dem Rahmen des Ermessens und verstösst im Sinne des Art. 104 Abs. 1 OG gegen Bundesrecht (BGE 81 I 384, BGE 86 I 248, BGE 91 I 216).
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Dieser Name eignet sich hierzu in der Tat. Er ist dahin zu verstehen, die Gesellschaft veräussere Erzeugnisse der Beschwerdeführerin 1) und beschränke den Verkauf auf das Gebiet der Schweiz. Dass alle Erzeugnisse der Beschwerdeführerin in der Schweiz abgesetzt würden, kann daraus nicht abgeleitet werden.
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Es drängt sich gegenteils der Schluss auf, AGIE-Erzeugnisse würden auch exportiert, aber nicht durch die "AGIE Verkauf BGE 92 I 293 (295):
Schweiz". Das eidgenössische Amt für das Handelsregister sieht daher zu Unrecht im Umstand, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sich weitgehend auf ausländischen Märkten abspielt, ein Hindernis für die Gestattung der Firma "AGIE Verkauf Schweiz".
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Diese Firma lässt auch nicht den Gedanken aufkommen, der Sitz der Beschwerdeführerin befinde sich im Ausland. Dieser Schluss wäre nur möglich, wenn ausschliesslich Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen Zusätze wie "Verkauf Schweiz", "(Schweiz)" und dergl. in die Firma aufnehmen dürften. Eine dahin gehende Praxis, wie das eidgenössische Amt sie offenbar anstrebt, wäre jedoch verfehlt. Es ist nicht zu ersehen, weshalb nur ausländische Gesellschaften die Firmen ihrer Tochtergesellschaften mit Hinweisen auf das Land ihrer geschäftlichen Tätigkeit sollten versehen dürfen. Die unterschiedliche Behandlung wäre geradezu willkürlich. Damit ist nicht gesagt, dass jede von einer schweizerischen Muttergesellschaft gegründete schweizerische Verkaufsgesellschaft Anspruch auf einen Zusatz wie z.B. "Verkauf Schweiz" habe. Wenn die Muttergesellschaft überhaupt nur für den schweizerischen Markt arbeitet, wirkt ein solcher Zusatz reklamehaft und führt sogar zum unrichtigen Schluss, die Erzeugnisse der Muttergesellschaft würden auch in das Ausland geliefert. Die Befürchtung des Amtes, es müsste den Zusatz zahllosen schweizerischen Verkaufsorganisationen schweizerischer Produktionsgesellschaften gestatten, ist daher nicht begründet. Im übrigen darf auf die Zahl der Firmen, die sich in gleicher Lage befinden wie die Beschwerdeführerin und die "AGIE Verkauf Schweiz", nichts ankommen; der Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung der Bewilligung ist ausschliesslich nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen.
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Der Zusatz "Verkauf Schweiz" sagt nichts über die Höhe des Grundkapitals, weshalb das Argument des Vorortes des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins, die zu gründende Gesellschaft werde nur ein Grundkapital von Fr. 50 000.-- haben, zur Verweigerung der Bewilligung nicht taugt.
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Der erwähnte Zusatz erweckt auch nicht etwa den Gedanken, die Gesellschaft besitze eine sich auf das ganze Gebiet der Schweiz erstreckende Organisation, ein Netz von Zweigniederlassungen, Verkaufsstellen oder Handelsreisenden. "Verkauf Schweiz" sagt nichts darüber aus, wie der Verkauf organisiert sei, an welchen Orten der Schweiz er stattfinde und welchen BGE 92 I 293 (296):
Umfang er habe. Die Wendung unterscheidet sich in dieser Hinsicht z.B. vom Wort "schweizerisch", dessen Verwendung in einer Firma die Meinung aufkommen lässt, ihr Träger sei in der ganzen Schweiz tätig.
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Unter dem Gesichtspunkt der Firmenwahrheit lässt sich daher gegen den Zusatz "Verkauf Schweiz" nichts einwenden. Er wirkt auch nicht reklamehaft oder marktschreierisch. Er dient einem berechtigten und Treu und Glauben im Geschäftsverkehr nicht widersprechenden Zweck. Ob er der zu gründenden Gesellschaft ein Gewicht verleihe, das ihr im Wettbewerb nützen kann, wie das Amt glaubt, ist unerheblich. Man darf einen den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragenden, wahren und auch sonst berechtigten Zusatz nicht deshalb verweigern, weil er sich für den Inhaber der Firma im Wettbewerb günstig auszuwirken vermag.
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Das Amt verkennt, dass auch eine Gesellschaft, die ausschliesslich in der Schweiz Erzeugnisse absetzt, in die Lage kommen kann, mit dem Ausland zu verkehren. Die Gesellschaft hat ein berechtigtes Interesse, dass jedermann, nicht nur das schweizerische Publikum, ohne weiteres erkenne, dass sie sich nur mit dem Verkauf in der Schweiz befasst. Die Bezeichnung "Verkauf Schweiz" gibt hierüber klar Auskunft, während den Wendungen "Verkauf Inland" oder "Inlandmarkt" dieser Sinn nur durch eine Schlussfolgerung entnommen werden kann. Diese ist nur Personen möglich, die wissen, dass die Gesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hat. Dazu kommt, dass die Firma "AGIE Verkauf Schweiz" die Gesellschaft unmittelbar und deutlich auch von Verkaufsgesellschaften abhebt, welche die Beschwerdeführer allenfalls im Ausland errichten und durch die Abkürzung AGIE und einen Hinweis auf das Absatzgebiet kennzeichnen könnten. Von Wendungen wie "Verkauf Inland" oder "Inlandmarkt" kann das nicht gesagt werden. Sie könnten sogar Verwirrung stiften, wenn auch ausländische Staaten verlangen BGE 92 I 293 (297):
würden, dass die in ihrem Gebiet niedergelassenen Tochtergesellschaften an Stelle einer nationalen Bezeichnung eine solche Wendung zu gebrauchen hätten.
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Die Überlegung, die Beschwerdeführer könnten den Zweck, den sie mit dem Zusatz "Verkauf Schweiz" verfolgen, ebensogut durch einen anders lautenden erreichen, ist übrigens kein Grund zur Verweigerung der Bewilligung. Sonst dürften überhaupt nationale Bezeichnungen nie Bestandteil einer Firma sein. Namentlich dürfte das Wort "schweizerisch" nicht mehr vorkommen, denn der Gedanke, den es in einer Firma ausdrückt, lässt sich immer durch "inländisch" oder eine ähnliche Wendung äussern. Der Vorort des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins müsste sich z.B. "Vorort des inländischen Handels- und Industrie-Vereins" nennen, und Namen wie "Schweizerische Bankgesellschaft" müssten durch "Inländische Bankgesellschaft" und dergl. ersetzt werden. Es kann indessen nicht der Sinn des Art. 944 Abs. 2 OR und des Art. 45 HRegV sein, nationale Bezeichnungen seien nur zuzulassen, wenn sie unvermeidbar sind. Diese Normen wollen nur Missbräuchen vorbeugen. Ein solcher liegt hier nicht vor, denn die Beschwerdeführer haben ein schützenswertes Interesse, der zu gründenden Gesellschaft den Namen "AGIE Verkauf Schweiz" zu geben, und das Publikum kann durch ihn nicht irregeführt werden. Darin liegen die "besonderen Umstände" im Sinne des Art. 45 Abs. 1 HRegV. Es kann nicht gesagt werden, bei dieser Auslegung der Bestimmung werde die Bewilligung der nationalen Bezeichnung zur Regel, während sie nach dem Willen der Verordnung die Ausnahme sein solle. Dass das Amt "Ausnahmen" gestatten kann, heisst nicht, es müsse dafür sorgen, dass nationale Bezeichnungen in Firmen möglichst selten vorkämen. Es hat nach sachlich einleuchtenden Grundsätzen zu entscheiden, selbst auf die Gefahr hin, dass die Zahl der Bewilligungen jene der Verweigerungen übersteige.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des eidgenössischen Amtes für das Handelsregister vom 14. Juli 1966 aufgehoben und den Beschwerdeführern gestattet, den Bestandteil "Verkauf Schweiz" in die Firma der zu gründenden Tochtergesellschaft der AG für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno aufzunehmen.
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