BGE 94 I 52
 
9. Urteil vom 24. Januar 1968 i.S. Benninger und Isler gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
 
Regeste
Natur- und Heimatschutz.
a) Wann stellt das Verbot anderer als landwirtschaftlicher Bauten einen besonders schweren Eingriff in das Eigentum dar und prüft deshalb das Bundesgericht frei, ob die gesetzliche Grundlage genüge? (Erw. 2 a).
b) Begriff der (schutzwürdigen) Landschaft im Sinne von § 182 Abs. 1 zürch. EG zum ZGB (Erw. 2 b).
2. Erfordernis des öffentlichen Interesses.
Erhaltung der noch unberührten Umgebung eines Naturschutzreservates im Kanton Zürich als im öffentlichen Interesse liegend. Abwägung dieses öffentlichen Interesses mit den entgegenstehenden privaten Interessen der betroffenen Grundeigentümer (Erw. 3).
3. Tragweite und Bedeutung des Verbots anderer Bauten als solcher, die für die Ausübung der "herkömmlichen" Land- und Waldwirtschaft notwendig sind (Erw. 4).
 
Sachverhalt


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A.- Das Zürcher EG/ZGB bestimmt in § 182 Abs. 1:
Der Regierungsrat ist berechtigt, auf dem Verordnungsweg zum Schutz und zur Erhaltung von Altertümern, Naturdenkmälern und seltenen Pflanzen, zur Sicherung der Landschaften, Ortschaftsbilder und Aussichtspunkte vor Verunstaltung und zum Schutze von Heilquellen die nötigen Verfügungen zu treffen und Strafbestimmungen aufzustellen.
Gestützt auf diese Bestimmung erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich am 16. März 1967 eine "Verordnung zum Schutze des Eigentales", welche dieses im Gebiet der Gemeinden Bassersdorf, Kloten, Nürensdorf und Oberembrach gelegene Tal als geschütztes Gebiet erklärt. Das Eigental ist ein nicht ganz 3 km langes Tal, durch dessen meist schmale Sohle eine Strasse II. Klasse führt. Im obern Talende befindet sich ein Weiher, der durch Aufstau entstanden ist. Von den beiden ziemlich steilen Talhängen ist der westliche gänzlich bewaldet. Der östliche Hang weist in der Mitte des Tales eine grössere Lichtung mit dem Weiler Eigental auf; am obern Talende befindet sich eine weitere Lichtung mit einer etwa 50 m über der Talsohle gelegenen Geländeterrasse, auf welcher der aus drei Gehöften bestehende Weiler Obholz liegt.
Das Schutzgebiet umfasst die Talsohle und die beiden Hänge mit Einschluss der Weiler Eigental und Obholz. Es wird durch die Verordnung in drei Zonen eingeteilt. In die Zone I (Naturschutzgebiet) fällt (neben zwei kleineren Grundstücken im obern Teil des Westhanges) der Weiher in der Talsohle mit seiner unmittelbaren Umgebung; hier sind alle Vorkehren verboten, welche Pflanzen oder Tiere schädigen, gefährden oder stören oder die Beschaffenheit des Bodens verändern könnten. Zur Zone III gehört aller Wald. Das übrige, nicht bewaldete Schutzgebiet ist der Zone II (Landschaftsschutzgebiet) zugewiesen. Für diese Zone bestimmt die Verordnung in § 7 Abs. 2:

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"Bauten sind nur zulässig, soweit sie für die Ausübung der herkömmlichen Land- und Waldwirtschaft notwendig sind und sich zudem gut in das Landschaftsbild einfügen."
Ferner ist nach § 8 eine Bewilligung der Direktion der öffentlichen Bauten erforderlich "für alle Vorkehren und Einrichtungen, die im Landschaftsbild in Erscheinung treten", und diese Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn "die beabsichtigten Vorkehren weder das Landschaftsbild beeinträchtigen noch in anderer Weise den Wert des Schutzgebietes vermindern". Nicht bewilligungspflichtig sind nach § 9 "die für die herkömmliche Bestellung von Wald, Feld und Garten nötigen Vorkehren".
B.- Mit Eingabe vom 6. Mai 1967 haben die drei Grundeigentümer des Weilers Obholz staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie und des Art. 4 BV erhoben. Sie beantragen, die Verordnung sei insoweit aufzuheben, als darin ihre Grundstücke, eventuell die über der Höhenkurve 550 liegenden, der Zone II zugeteilt wurden; ferner beantragen sie für den Fall, dass die Zone II ganz oder teilweise belassen werden sollte, Streichung des Ausdrucks "herkömmlich" in § 7 Abs. 2 und § 9 der Verordnung. Sie anerkennen die Schutzwürdigkeit der Zone I (Naturschutzgebiet), bestreiten aber die Verfassungsmässigkeit der Vorschriften über das Landschaftsschutzgebiet, indem sie geltend machen, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage und an einem hinreichenden öffentlichen Interesse für eine so schwere Beschränkung des Eigentums. Das Landschaftsschutzgebiet stehe weder in einem Zusammenhang mit dem Naturschutzgebiet noch sei es für sich allein schutzwürdig, da das Eigental und insbesondere das Gebiet von Obholz keinen höheren Schönheitswert als die nähere und weitere Umgebung aufwiesen und wegen der schlechten Wege und der Entfernung von grossen Städten auch nicht als Erholungsraum für einen grösseren Kreis von Personen zu dienen vermöchten. Eventuell sei das über 550 m gelegene Gebiet um den Weiler Obholz von der Schutzzone auszunehmen, weil von dort keine Sichtverbindung mit dem Naturschutzgebiet in der Talsohle bestehe. Einen besonders schweren und unzulässigen Eingriff in das Eigentum stelle das erstmals in einer Naturschutzverordnung enthaltene Verbot anderer als der für die "herkömmliche" Land- und Waldwirtschaft nötigen Bauten dar, da die Landwirtschaft

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ohnehin mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen habe und für ihre Existenz eine intensivere und hauptsächlich spezialisiertere Bewirtschaftung des Bodens als bisher von ausschlaggebender Bedeutung sein werde.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde. Der Schutz des Eigentals dränge sich auf, da es sich um eine am Rande der Siedlungsgebiete der Städte Zürich und Winterthur verbliebene, noch unberührte Geländekammer von unverkennbarem Reiz handle, die als Erholungslandschaft zu erhalten sei. Das Naturschutzreservat in der Talsohle, dessen Berechtigung auch von den Beschwerdeführern anerkannt werde, benötige einen Schutz der angrenzenden Talhänge; seine Schönheit und wissenschaftliche Bedeutung seien nur zu erhalten, wenn die Überbauung und auch eine besonders intensive landwirtschaftliche Bodennutzung in einer genügenden Entfernung Halt machten.
D. - In Replik und Duplik halten die Parteien an ihren Anträgen und deren Begründung fest.
E.- Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat am 16. Oktober 1967 mit den Parteien einen Augenschein durchgeführt. Für dessen Ergebnis wird auf die nachstehenden Erwägungen verwiesen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Entschädigungsfrage wird mit der vorliegenden Beschwerde mit Recht nicht aufgeworfen, da vom Gemeinwesen bestrittene Entschädigungsansprüche wegen materieller Enteignung gemäss § 183ter zürch. EG/ZGB in dem in den §§ 32 ff. des Abtretungsgesetzes vorgesehenen Verfahren zu beurteilen sind und die Eigentumsgarantie nicht verletzt ist, solange dieser Rechtsweg offen steht (BGE 93 I 250 Erw. 2 mit Verweisungen).
2. Nach Auffassung der Beschwerdeführer ermangeln die

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für die Zone II aufgestellten Eigentumsbeschränkungen der gesetzlichen Grundlage, weil nach § 182 EG/ZGB nur Landschaften von bedeutendem Schönheitswert unter Schutz gestellt werden dürfen und diese Voraussetzung für den Weiler Obholz und seine nähere Umgebung nicht erfüllt sei.
a) Die Frage, ob die von der kantonalen Behörde angerufene gesetzliche Grundlage genüge, kann das Bundesgericht dann, wenn der Eingriff besonders schwer ist, frei, andernfalls nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür prüfen (BGE 91 I 332 Erw. 1, BGE 93 I 341 Erw. 5). Auf den der Zone II zugewiesenen Grundstücken der Beschwerdeführer ist nach §§ 8 und 9 für alle Vorkehren und Einrichtungen., die im Landschaftsbild in Erscheinung treten und nicht für die herkömmliche Bestellung von Wald, Feld und Garten nötig sind, eine Bewilligung der kantonalen Baudirektion erforderlich. Neben dieser Beschränkung, deren Tragweite sich erst bei der Behandlung von Bewilligungsgesuchen genau abschätzen lässt, bestimmt § 7 Abs. 2, dass auf diesen Grundstücken Bauten nur zulässig sind, soweit sie "für die Ausübung der herkömmlichen Land- und Waldwirtschaft notwendig sind". Ein so weitgehendes und auf unbegrenzte Zeit erlassenes Bauverbot würde nur dann keinen besonders schweren Eingriff in das Eigentum darstellen, wenn in diesem Gebiet die Erstellung anderer als der verbotenen Bauten in absehbarer Zeit ohnehin nicht in Frage käme. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar dürfte sich der Bau von Ferien- und andern Wohnhäusern zur Zeit schon auf Grund der für die Beseitigung der Abwasser geltenden Vorschriften verhindern lassen. Immerhin ist, wie der Augenschein gezeigt hat, im heutigen Schutzgebiet unweit des Weilers Obholz vor offenbar nicht langer Zeit ein Ferienhäuschen erstellt worden. Sodann erstreckt sich das Baugebiet der benachbarten, zur Gemeinde Nürensdorfgehörenden Ortschaft Birchwil bis auf eine Entfernung von nur etwa 300 m gegen den Weiler Obholz. Es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass das Gebiet von Obholz oder ein Teil davon in einem späteren Zeitpunkt an das für Birchwil geplante Kanalisationsnetz angeschlossen werden kann. Unter diesen Umständen liegt in dem in Frage stehenden Bauverbot ein besonders schwerer Eingriff, zumal den Beschwerdeführern damit auch verwehrt wird, in der Nähe ihrer Gehöfte Wohnungen zu erstellen für nahe Angehörige, die nicht mehr in der dortigen Landwirtschaft tätig sind,

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sondern auswärts ihrem Verdienst nachgehen. Es ist somit frei zu prüfen, ob sich die Verordnung auf § 182 Abs. 1 EG/ZGB stützen lässt.
b) Nach dieser Bestimmung ist der Regierungsrat u.a. berechtigt, zur Sicherung von Landschaften, Ortschaftsbildern und Aussichtspunkten vor Verunstaltung auf dem Verordnungswege die nötigen Verfügungen zu treffen. Von dieser Ermächtigung hat der Regierungsrat zunächst in allgemeiner Weise Gebrauch gemacht durch Erlass der Natur- und Heimatschutzverordnung vom 9. Mai 1912, nach deren §§ 1-4 die "in der freien Natur befindlichen Gegenstände, denen für sich allein oder in ihrem Zusammenhang ein wissenschaftliches Interesse oder ein bedeutender Schönheitswert zukommt", einen dort näher umschriebenen Schutz geniessen. Neben dieser allgemeinen Verordnung hat der Regierungsrat im Laufe der Zeit eine Reihe besonderer Verordnungen zum Schutze bestimmter Gebiete wie des Greifensees, des Türlersees, des Pfäffikersees, des Neeracherriedes, der Katzenseen usw. erlassen. Diese Schutzverordnungen, von denen mehrere beim Bundesgericht angefochten worden sind (vgl. BGE 81 I 340; ZBl 51/1950 S. 308, 58/1957 S. 460, 60/1959 S. 100), stützten sich nicht auf die Natur- und Heimatschutzverordnung, sondern - wie diese selber - unmittelbar auf § 182 EG/ZGB. Es ist daher sowohl denkbar, dass sie den Schutz an weniger strenge Voraussetzungen knüpfen als diese allgemeine Verordnung, wie auch, dass sie auf der Annahme beruhen, es handle sich bei jenen Landschaften um solche von "bedeutendem Schönheitswert".
Das Bundesgericht hat in dem den Schutz des Neeracherriedes betreffenden Urteil vom 12. Juni 1957 (ZBl 58/1957 S. 463) "aus Sinn und Zweck des Rechtssatzes" geschlossen, dass unter Landschaft im Sinne des § 182 EG/ZGB nicht jede beliebige Gegend zu verstehen sei; diese Bestimmung sei vorwiegend programmatischer Natur und überlasse die Umschreibung des Inhalts des Heimatschutzes der vom Regierungsrat zu erlassenden Verordnung (BGE 41 I 486), weshalb auch unmittelbar auf § 182 nur Massnahmen zum Schutze von Landschaften mit bedeutendem Schönheitswert gegründet werden könnten. Von dieser Auffassung ist das Bundesgericht jedoch in BGE 93 I 263 Erw. 3 b abgegangen. Dort wurde ausgeführt, wenn § 182 von der "Sicherung der Landschaften" spreche, so sei nicht einzusehen, weshalb als Schutzobjekt nur

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Landschaften mit bedeutendem Schönheitswert in Betracht kämen und es dem Regierungsrat verwehrt wäre, auch andere Landschaften vor Verunstaltung zu bewahren. Hieran ist festzuhalten. Die in § 182 EG/ZGB enthaltene Delegation erschöpft sich nicht in der Ermächtigung, zum Schutz einzelner, ausnahmsweise und besonders schöner Landschaften Vorschriften zu erlassen; vielmehr hat sie den Schutz der Landschaft überhaupt zum Inhalt (vgl. auch BGE 90 I 341 /2). Sie erlaubt esdaher, zum Schutzjedes natürlichen Landschaftsbildesvor gewissen schweren Beeinträchtigungen, z.B. durch die Anlage von Kiesgruben, einschränkende Vorschriften aufzustellen (BGE 93 I 264). Ferner gestattet sie auch den Erlass von Vorschriften, die ein durch bestimmte Vorzüge ausgezeichnetes, eine Einheit bildendes Gebiet in seiner natürlichen Beschaffenheit und Schönheit erhalten sollen, sei es als Erholungsraum für den Menschen in einem Kanton mit immer stärker zunehmender Verstädterung, sei es als Freistätte für seltener werdende Tiere und Pflanzen. Diese weite Auslegung des Begriffs der "Landschaft" in § 182 EG/ZGB hat nicht etwa zur Folge, dass jede beliebige Gegend geschützt werden dürfte und jede denkbare Schutzmassnahme zulässig wäre. Einmal sind nach § 182 Abs. 1 nur Massnahmen zulässig, die dazu bestimmt sind, eine Verunstaltung, d.h. eine schwere Beeinträchtigung der Landschaft zu verhindern, nicht auch solche zu andern Zwecken, z.B. zur Sicherung der für öffentliche Bauten nötigen Flächen. Sodann folgt unmittelbar aus der bundesrechtlichen Eigentumsgarantie, dass ein hinreichendes öffentliches Interesse vorliegen muss sowohl für den Schutz der in Frage stehenden Landschaft als auch für die zu diesem Zwecke getroffenen Massnahmen.
c) Geht man hievon aus, so gehen die §§ 7-11 der Verordnung zum Schutze des Eigentals nicht über die in § 182 EG/ZGB umschriebene Ermächtigung hinaus, denn sie dienen der Erhaltung einer bisher unberührten Landschaft von begrenztem Umfange (das ganze Schutzgebiet umfasst nur 185 ha). Auch sind die hiefür getroffenen Massnahmen aus diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere für die in § 8 vorgesehene Bewilligungspflicht für alle im Landschaftsbild in Erscheinung tretenden Vorkehren und Einrichtungen. Dass auch das Verbot anderer Bauten als solcher, die für die Ausübung der Land- und Waldwirtschaft dienen und sich zudem gut in das Landschaftsbild einfügen, eine nach § 182 EG/ZGB

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zulässige Massnahme des Landschaftsschutzes ist, hat das Bundesgericht schon wiederholt erkannt (ZBl 51/1950 S. 315/6, 58/1957 S. 464/5, 60/1959 S. 105). Nicht anders verhält es sich mit der hier angeordneten Beschränkung auf die "herkömmliche" Bewirtschaftung. Alle diese Mittel sind geeignet, das gesetzte Ziel der Bewahrung der Landschaft im heutigen Zustand zu sichern.
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vermag nicht jedes beliebige öffentliche Interesse einen Eingriff in das Privateigentum zu rechtfertigen. Es muss sich um ein erhebliches öffentliches Interesse handeln, das bei der Abwägung mit dem ihm gegenüberstehenden privaten Interesse überwiegt, und es darf der Eingriff in das Privateigentum nicht weiter gehen, als es dieses öffentliche Interesse erheischt (BGE 91 I 335 Erw. 2, BGE 93 I 250 Erw. 3). Beim Entscheid darüber, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat sich das Bundesgericht von jeher Zurückhaltung auferlegt, da den kantonalen Behörden bei der Würdigung der für die Interessenabwägung massgebenden tatsächlichen Verhältnisse ein erheblicher Ermessensspielraum einzuräumen ist (vgl. in bezug auf den Landschaftsschutz BGE 87 I 517, in bezug auf öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen im allgemeinen BGE 91 I 335 Erw. 2, BGE 92 I 283 Erw. 3, BGE 93 I 251).
a) Das Schutzgebiet Eigental weist, wie der Augenschein gezeigt hat, keinen "bedeutenden Schönheitswert" im Sinne einer besondern landschaftlichen Attraktion auf. Doch handelt es sich unbestreitbar um eine harmonische und ansprechende Landschaft, deren besonderer Reiz in ihrer Unberührtheit liegt und jeden aufgeschlossenen Betrachter erfreut. Zur Zeit scheint das Eigental zwar noch nicht allgemein bekannt zu sein und noch von verhältnismässig wenig Wanderern aufgesucht zu werden. Die Behörden dürfen indes auch die sich schon heute abzeichnende zukünftige Entwicklung in Betracht ziehen, die im Kanton Zürich in der Richtung einer starken Zunahme der Bevölkerung und damit der Überbauung und Verstädterung geht. Schon im Hinblick hierauf und auf die geringe Entfernung des Eigentals von den grossen Städten Zürich und Winterthur darf ein beachtliches Interesse daran angenommen werden, dass dieses Tal in seiner Unberührtheit erhalten und nicht mit Ferien- und andern Wohnhäusern überbaut wird (vgl. BGE 91 I 336).


BGE 94 I 52 (60):

Dazu kommt, dass sich in der Talsohle ein Naturschutzreservat befindet, das aus einem nicht sehr grossen Weiher sowie aus Sumpf- und Riedland besteht, nach Mitteilung von Fachleuten eine reiche und interessante Fauna und Flora aufweist und zum grossen Teil Eigentum des Zürcher Kantonalverbandes für Vogelschutz ist, der für den Erwerb des Landes bereits mehr als Fr. 180'000.-- aufgewendet hat. Der Weiher beherbergt zahlreiche Wasservögel und dient auch Zugvögeln als Aufenthaltsort. An der Erhaltung dieses Reservates besteht, wie die Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreiten, neben dem allgemeinen naturschützlerischen auch ein wissenschaftliches Interesse. Zum Gedeihen eines solchen Reservates aber bedarf dieses auch des Schutzes vor Störungen seiner Ruhe durch zu nahe Siedelungen. Diesen Schutz gewährleistet gegen Westen der Wald und gegen Osten die für den unbewaldeten Teil vorgesehene Landschaftsschutzzone, welche die ganze Talflanke und die Talschulter mit dem Weiler Obholz umfasst und offenbar vor allem verhindern soll, dass in diesem Gebiet Wochenend- und Ferienhäuschen und andere Bauten entstehen.
b) Diesen öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes an der Erhaltung des Eigentals im bisherigen Zustand ist das private Interesse der Beschwerdeführer daran gegenüberzustellen, dass ihre Grundstücke nicht mit dem von der Verordnung vorgesehenen weitgehenden Bauverbot belegt werden.
aa) Soweit es sich um Land unterhalb des Weilers Obholz am verhältnismässig steilen Talhang handelt, erscheint das Interesse der Beschwerdeführer nicht als sehr gewichtig, da die Überbauung dieses Gebiets mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Insbesondere liesse sich das Gebiet jetzt und auch in absehbarer Zeit kaum an ein Kanalisationsnetz anschliessen, und auf andere Weise ist die Abwasserfrage erfahrungsgemäss nur für vereinzelte Bauten zu lösen. Mit dem Verbot wird also den Eigentümern ein Gebrauch des Landes untersagt, den sie auch sonst, zum mindesten in erheblichem Umfange, nicht ausüben können. Unter diesen Umständen kann aber ohne weiteres angenommen werden, bei dem unmittelbar an das Naturschutzreservat angrenzenden Land am Talhang wiege das öffentliche Interesse schwerer als das ihm entgegenstehende private.
bb) Anders liegen die Verhältnisse auf der Höhe des Weilers

BGE 94 I 52 (61):

Obholz. Die bauliche Erschliessung dieser Geländeterrasse in absehbarer Zeit erscheint nicht als ausgeschlossen, da das Land im Süden an das Lorenhölzli und das daneben bzw. dahinter liegende Baugebiet von Birchwil grenzt, das in voller Überbauung begriffen ist und wo eine Kanalisation entweder schon vorhanden ist oder bald erstellt werden wird. Ob und wann in dieses zu einer Nachbargemeinde gehörende Kanalisationsnetz später allfällige Abwässer aus Häusern im Gebiet von Obholz aufgenommen werden, ist freilich noch ungewiss. Abgesehen von einer umfangreichen Überbauung der Geländeterrasse von Obholz ist indes auch an die Möglichkeit zu denken, dass sich beim einen oder andern Grundeigentümer das Bedürfnis einstellt, dort für auswärts arbeitende Angehörige ein Wohnhaus zu erstellen, wobei sich die Abwasserfrage für eine solche Einzelbaute unter Umständen auch ohne Kanalisationsanschluss lösen lässt. Die privaten Interessen, die durch das Bauverbot betroffen werden, erscheinen demnach auf der Höhe des Weilers Obholz erheblich grösser als am Talhang, wogegen das öffentliche Schutzinteresse hier offensichtlich wesentlich geringer ist. Nicht nur fehlt teilweise die Sichtverbindung mit dem Tal, sondern es ist auch die Entfernung von diesem gross genug, dass eine Störung der Ruhe des Reservates nicht mehr zu befürchten ist. Die Höhe von Obholz ist vor allem von der Strasse Gerlisberg-Nürensdorf, d.h. von der Höhe auf der andern Talseite aus einzusehen. Der Blick von dort auf die ursprüngliche Häusergruppe ausschliesslich landwirtschaftlichen Charakters ist zwar erfreulich, doch wird die in Gang befindliche Überbauung des unmittelbar angrenzenden Gebiets von Birchwil das Bild völlig verändern und Obholz nicht mehr als einsamen Weiler, sondern eher als einen Teil oder eine Fortsetzung der halbstädtischen Ortschaft Birchwil erscheinen lassen.
Unter diesen Umständen ist jedenfalls für einen Teil der Geländeterrasse von Obholz ein eigentliches Missverhältnis zwischen den gegeneinander abzuwägenden öffentlichen und privaten Interessen anzunehmen. Das Ziel des Schutzes des Eigentals wird auch erreicht, wenn die Grenze des Schutzgebietes an das von Birchwil nach Obholz führende Strässchen hinab verlegt wird, da die südöstlich dieses Strässchens errichteten Bauten vom Tal aus nicht sichtbar sein werden und von der gegenüberliegenden Talseite, wie bereits ausgeführt, als

BGE 94 I 52 (62):

Teil oder Fortsetzung des angrenzenden Baugebiets von Birchwil erscheinen werden. Dagegen besteht für das Land nördlich von Obholz sowie südlich vom Strässchen bis zu der von den Beschwerdeführern eventuell als Grenze beantragten Kote 550 m über Meer kein Anlass, den Schutz fallen zu lassen, da Bauten in diesem Gebiet vom Tal aus eingesehen werden könnten und auch sonst geeignet wären, das ursprüngliche Bild des Eigentals erheblich zu beeinträchtigen.
4. Für den Fall, dass ihr Land ganz oder teilweise in der Zone II belassen werden sollte, beantragen die Beschwerdeführer die Streichung des Ausdrucks "herkömmlich" in § 7 Abs. 2 und § 9 der Verordnung, d.h. die Aufhebung der Beschränkung auch der landwirtschaftlichen Bauten und Vorkehren auf solche für die "herkömmliche" Bewirtschaftung. Nach den Erklärungen, welche die Vertreter des Regierungsrates am Augenschein abgegeben haben und bei denen dieser zu behaften ist, wollen diese Bestimmungen nicht eine Änderung der Kulturen oder eine rationellere Bewirtschaftung des Landes ausschliessen, sondern nur eine eigentliche Industrialisierung, z.B. den Betrieb einer Grossgärtnerei oder einer Grossmästerei, verhindern. Angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit, dass gerade die Eigentümer der Höhe von Obholz in absehbarer Zeit zu solchen Betriebsformen übergehen wollen, kann nicht gesagt werden, das öffentliche Interesse sei nicht gewichtig genug, sie im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, die sie zur Folge hätten, zu verbieten. Sollten die zuständigen Behörden von den fraglichen Bestimmungen einen übermässigen Gebrauch machen, so stünde den Betroffenen hiegegen immer noch die Beschwerde an das Bundesgericht offen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden werden teilweise gutgeheissen und die Verordnung zum Schutz des Eigentals vom 16. März 1967 wird mit Bezug auf die südöstlich des Strässchens Birchwil-Obholz liegenden Parzellen als nicht anwendbar erklärt.