BGE 97 I 624 - Enteignungsentschädigung |
88. Auszug aus dem Urteil |
vom 22. September 1971 |
i.S. Mangana AG gegen Gemeinde Murten und Kantonsgericht Freiburg. |
Regeste |
Verjährung von Entschädigungsansprüchen aus materieller Enteignung. |
Der Entschädigungsanspruch für ein Bauverbot, das im Kanton Freiburg in einem 1945 erlassenen und vom Staatsrat 1948 genehmigten Gemeindebaureglement aufgestellt wurde, veraährte, wie ohne Willkür angenommen werden kann, auch mangels einer ausdrücklichen Vorschrift nach Ablauf von zehn Jahren seit dem Inkrafttreten des Baureglements. |
Sachverhalt |
Aus dem Sachverhalt:
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Der Gemeinderat von Murten erliess am 3. Dezember 1945 ein Baureglement (BauR), das vom Staatsrat des Kantons Freiburg am 27. Februar 1948 genehmigt wurde und in Art. 13 bestimmt:
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"Zum Schutze der näheren Umgebung des Murtenschlachtdenkmals darf südlich der Bahnlinie kein Bau in einer kleineren Entfernung als 150 Meter von der Denksäule erstellt werden. Seeseits der letzteren ist alles zu unterlassen, was das jetzige Bild verändern oder sonstwie nachteilig beeinflussen könnte."
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Die 1924 gegründete Mangana AG hat ihren Sitz in Bern und befasst sich mit dem Erwerb und der Verwaltung von Liegenschaften. Im Jahre 1935 erwarb sie ein etwa 29 ha haltendes Grundstück in Murten, das am westlichen Rand des Gemeindegebietes liegt und bis heute landwirtschaftlich genutzt wird. Durch das in Art. 13 BauR enthaltene Bauverbot sind nach Angabe der Eigentümerin ca 20'995 m2 Boden unüberbaubar geworden. Die Mangana AG behauptet, dieses Land wäre, wenn es überbaut werden könnte, Fr. 40.- je m2 wert, sei aber infolge des Bauverbotes nur noch Fr. 5.- wert, so dass sie einen Schaden von rund Fr. 735'000.-- erleide. |
Am 16. März 1966 ersuchte die Mangana AG den Gemeinderat von Murten um Ausrichtung einer Minderwertsentschädigung. Als der Gemeinderat dies ablehnte, reichte sie Klage ein mit dem Begehren, es sei die Ungültigkeit des Bauverbotes festzustellen, eventuell sei ihr für die Einräumung des Bauverbots eine richterlich zu bemessende Entschädigung zu bezahlen. Das Zivilgericht des Sensebezirks und nach ihm das Kantonsgericht Freiburg, dieses mit Urteil vom 1. April 1969, wiesen die Klage ab in der Annahme, dass das Bauverbot gültig und ein allfälliger Entschädigungsanspruch verjährt sei.
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Gegen dieses Urteil hat die Mangana AG staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie rügt Verletzungen der Eigentumsgarantie (Art. 22 ter BV), der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV) und des rechtlichen Gehörs (Art. 4 BV).
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, inbezug auf die Frage der Verjährung der Entschädigungsforderung aus folgenden
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Auszug aus den Erwägungen: |
Erwägungen:
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Erwägung 5 |
Die Entschädigungspflicht bei enteignungsähnlichem Eingriff ergibt sich aus der Eigentumsgarantie. Diese wird heute durch Art. 22ter BV gewährleistet. Früher wurde sie mit gleichem Inhalt zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes gerechnet (BGE 89 I 98 mit Hinweisen und seitherige Rechtsprechung), vielfach aber, und namentlich zur Zeit des Erlasses des BauR (BGE 69 I 240/41, 74 I 150, 76 I 334) nur als Bestandteil des kantonalen Verfassungsrechts betrachtet. Das ist indessen insofern unerheblich, als der Inhalt der in der Freiburger KV enthaltenen Eigentumsgarantie von der des Bundesverfassungsrechts nicht verschieden ist.
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Da die Entschädigungspflicht bei enteignungsähnlichem Eingriff aus einem Verfassungsgrundsatz folgt, kann ihr der Art. 67 des freiburg. Strassengesetzes vom 24. Februar 1923, der jede Entschädigung für Bauverbote ausschloss, nicht entgegengehalten werden. Ebensowenig schliesst der Umstand, dass die Beschwerdeführerin das Bauverbot im Anschluss an den Erlass des BauR nicht angefochten hat, die Entschädigungspflicht der Gemeinde Murten aus, denn die Entschädigungspflicht wegen materieller Enteignung ist die Folge der rechtmässig zustandegekommenen Eigentumsbeschränkung. Dagegen würde sich die Prüfung der Frage, ob das Bauverbot die Beschwerdeführerin wie eine Enteignung treffe, erübrigen, wenn eine allfällige, einmal entstandene Entschädigungsforderung aus irgendeinem Grunde untergegangen wäre. Das hat das Kantonsgericht angenommen, indem es erklärt, sie sei verjährt. Es rechtfertigt sich daher, die Frage der Verjährung vorweg zu prüfen. |
Erwägung 6 |
a) Das öffentliche Recht des Kantons Freiburg enthielt zur Zeit des Erlasses des BauR keine Verjährungsvorschrift, die unmittelbar oder analog auf Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung anwendbar gewesen wäre. In der schweizerischen Verwaltungsrechtsprechung wie auch in der Rechtslehre wird jedoch, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, seit längerer Zeit angenommen, dass öffentlichrechtliche Ansprüche auch dann, wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich vorsieht, der Verjährung unterliegen, da das öffentliche Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit dies gebietet. Und zwar gilt dies für Forderungen des Gemeinwesens an den Bürger wie für solche des Bürgers an das Gemeinwesen (BGE 94 I 517 E. 1, 95 I 516 E. 3 je mit Hinweisen auf frühere Urteile; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 121 II und dort angeführte kantonale Entscheide; GRISEL, a.a.O. S. 347; auch die gegenteilige bernische Praxis ist im Jahre 1970 aufgegeben worden, ZBl 72/1971 S. 329 ff.). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung und Lehre kann die Auffassung des Kantonsgerichts, dass Entschädigungsansprüche aus materieller Enteignung im Kanton Freiburg trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vorschrift der Verjährung unterliegen, keinesfalls als willkürlich bezeichnet werden, sondern erscheint auch bei freier Überprüfung als haltbar. Was die Beschwerdeführerin hiegegen und gegen die Annahme einer Verjährungsfrist von 10 Jahren vorbringt, ist nicht stichhaltig. |
b) Das gilt zunächst für den Einwand, der Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung sei, als ein unmittelbar aus dem Eigentum folgender Anspruch, ebenso unverjährbar wie das Eigentum selber und die daraus fliessenden Befugnisse. Das Grundeigentum ist kein höchstpersönliches, unverlierbares Recht wie etwa die persönliche Freiheit (vgl. BGE 88 I 271), sondern ein veräusserliches und veränderliches Recht. Wie Forderungen aus Rechtsgeschäften über Grundeigentum (BGE 81 II 143) verjähren auch Schadenersatzansprüche aus Eigentumsstörung (MEIER-HAYOZ, N. 74 zu Art. 641 ZGB) und andere Entschädigungsansprüche des Eigentümers (BGE 81 II 445/46). Es ist kein Grund ersichtlich, die Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung von dem im ganzen Bereich des öffentlichen Rechts geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verjährung auszunehmen. Das öffentliche Interesse an der Rechtssicherheit, das bei andern öffentlichrechtlichen Forderungen für die Verjährung spricht, rechtfertigt auch eine zeitliche Begrenzung der Geltendmachung von Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung. Es ist einer Gemeinde, die Bauvorschriften und Zonenpläne mit zum Teil weitgehenden Eigentumsbeschränkungen erlässt, nicht wohl zuzumuten, auf unbestimmte Zeit im ungewissen darüber zu sein, ob wegen solcher Beschränkungen Forderungen aus materieller Enteignung gegen sie erhoben werden und welche Beträge diese erreichen. Neuere Erlasse sehen denn auch eine Frist für die Geltendmachung solcher Ansprüche ausdrücklich vor (§ 183 des Zürcher EG/ZGB, Art. 48 des Freiburger Baugesetzes vom 15. Mai 1962 [BauG], Art. 27 Abs. 3 des Nationalstrassengesetzes). |
Beginn und Dauer der Verjährungsfrist sind, wie das Bundesgericht wiederholt erklärt hat, beim Fehlen besonderer Vorschriften ebenfalls nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu bestimmen (BGE 93 I 672 und dort angeführte frühere Urteile). Im vorliegenden Falle hat das Kantonsgericht die längste in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts angewandte Verjährungsfrist von 10 Jahren (Art. 127 OR) als zutreffend bezeichnet. Das ist nicht zu beanstanden. Die (übrigens erstmals vor Bundesgericht vertretene) Auffassung der Beschwerdeführerin, eine Verjährungsfrist müsste entsprechend der Ersitzung von Grundstücken (Art. 662 ZGB) 30 Jahre betragen, wird nicht näher begründet und ist abzulehnen, da sich die Ersitzung des Eigentums an einem Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen oder dessen Eigentümer daraus nicht ersichtlich ist, nicht vergleichen lässt mit dem Untergang einer Geldforderung infolge Verjährung.
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Betrug die Verjährungsfrist 10 Jahre, so ist die Entschädigungsforderung der Beschwerdeführerin auch dann vor Inkrafttreten des BauG untergegangen, wenn man diese Frist am letztmöglichen Termin beginnen lässt, nämlich mit der am 24. Juli 1948 erfolgten zweiten Publikation der Genehmigung des BauR durch den Staatsrat. Spätestens an diesem Tage trat das Bauverbot gemäss Art. 13 BauR in Kraft. Wie das Bundesgericht in BGE 93 I 144 ff. dargelegt hat, hängt es von der rechtlichen und wirtschaftlichen Qualifikation des Grundstücks in diesem Zeitpunkt ab, ob der Eingriff enteignungsähnlich ist. Von diesem Zeitpunkt an ist die Forderung fällig und kann sie der Betroffene geltend machen. Ein allfälliger Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin war daher spätestens am 25. Juli 1958 verjährt. |
Daran hat sich nichts geändert mit dem Erlass des BauG vom 15. Mai 1962, das in Art. 48 für enteignungsähnliche Eingriffe Entschädigungen und für diese eine Verjährung von fünf Jahren vom Inkrafttreten des Planes an vorsieht und nach Art. 76 lit. a auch auf Bebauungspläne anwendbar ist, die vor seinem Inkrafttreten genehmigt wurden. Danach mag für Entschädigungsforderungen aus früher erlassenen Baubeschränkungen die Verjährung des Art. 48 erst am 1. August 1962 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des BauG) zu laufen begonnen haben (vgl. BGE 82 I 57/58, 87 I 413), aber nur, soweit diese Forderungen nicht, wie die der Beschwerdeführerin allenfalls zustehende, schon verjährt waren. Dass das BauG bereits verjährte Entschädigungsansprüche hätte wiederaufleben lassen, ist in der Beschwerde, offensichtlich zu Recht, nicht behauptet worden.
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