BGE 138 I 468 |
40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Gemeinde Wangen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_518/2012 vom 23. November 2012 |
Regeste |
Art. 49 Abs. 1 und Art. 91 Abs. 1 BV; Art. 5, 6, 14 und 22 StromVG, Art. 4 StromVV; Art. 7a EnG; Bundesrechtswidrigkeit von kommunalen (oder kantonalen) Preisbestimmungen bzw. eines Genehmigungsvorbehalts nach Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes. |
Sachverhalt |
A. Die Gemeinde Wangen/SZ als Konzessionsgeberin und die X. AG als Konzessionärin schlossen am 30. Mai 1996 einen Konzessionsvertrag ab betreffend teilweise Versorgung der Gemeinde Wangen mit elektrischer Energie. Die X. AG erhält dadurch das Recht und die Pflicht, ein festgelegtes Gebiet der Gemeinde Wangen mit elektrischer Energie zu erschliessen und zu beliefern. Art. 12 des Konzessionsvertrags regelt die Tarifordnung. Danach erstellt die X. AG eine Tarifordnung, für welche hinsichtlich aller Bezügergruppen und Tarifarten die Prinzipien der Rechtsgleichheit, der Kostendeckung, der Äquivalenz und der Verhältnismässigkeit gelten. Das Werk ist berechtigt, nach dieser Tarifordnung von den Strombezügern Anschlusskosten, Netzanschlussgebühren und wiederkehrende Gebühren zu verlangen. Die Tarifordnung des Werks unterliegt nach Art. 12 Abs. 4 des Konzessionsvertrags der Genehmigung durch den Gemeinderat. |
B. Mit Eingabe vom 30. Juni 2011 beklagten sich Strombezüger der X. AG beim Gemeinderat Wangen, dass die Stromtarife der X. AG über 25 % höher seien als die Stromtarife des EW Wangen. Der Gemeinderat holte eine Stellungnahme der X. AG ein und verfügte am 1. Dezember 2011 wie folgt:
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"Die Tarife der X. AG für das Jahr 2012 werden mit folgender Änderung genehmigt: Alle Endpreise vor Mehrwertsteuer sind so zu berechnen, dass die Tarife der X. AG maximal nur noch 15 Prozent höher liegen als diejenigen des EW Wangen. Liegen die von der X. AG eingereichten Tarife bereits jetzt unter dieser Marke, so gelten diese tieferen Ansätze." |
C. Die X. AG erhob dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Sie beantragte, der Gemeinderatsbeschluss vom 1. Dezember 2011 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass eine Genehmigungs- und Preisbildungspflicht ihrer Strom- und Netznutzungspreise durch den Gemeinderat Wangen gemäss Art. 12 des Konzessionsvertrags mit Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes am 1. Januar 2008 nicht mehr zulässig sei.
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Das Verwaltungsgericht nahm mit Urteil vom 18. April 2012 die Eingabe als Klage aus Konzessionsverhältnis entgegen und wies sie im Sinne der Erwägungen ab. Es erwog, auch nach dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes sei der Konzessionsvertrag nicht bundesrechtswidrig, was auch für die Tarifgenehmigungskompetenz des Gemeinderates gelte.
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D. Mit Eingabe vom 29. Mai 2012 erhebt die X. AG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und wiederholt die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren. (...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
Erwägung 2 |
2.3.1 Der Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht nach Art. 49 Abs. 1 BV schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht im Einklang steht (BGE 137 I 31 E. 4.1 S. 41 mit Hinweis). |
2.3.4 Die ElCom bringt vor, die eidgenössische Stromversorgungsgesetzgebung regle sowohl die Netz- als auch die Energiekomponente der Elektrizitätstarife umfassend und abschliessend. Die Massnahmen nach Art. 14 Abs. 4 StromVG seien durch die Kantone und nicht durch die Gemeinden zu treffen. Die Tarifordnung gemäss Art. 12 des Konzessionsvertrags widerspreche in verschiedener Hinsicht der eidgenössischen Stromversorgungsgesetzgebung; namentlich orientiere sich der Tarif nicht an den Gestehungskosten, sondern knüpfe an den Referenzpreis eines anderen Werkes an, was möglicherweise dazu führen könnte, dass die Beschwerdeführerin ihre eigenen Kosten nicht mehr decken könne, was bundesrechtswidrig wäre. Zudem könnte die Tarifgenehmigung durch den Gemeinderat in Konflikt treten mit der Zuständigkeit der ElCom im Bereich der Elektrizitätstarife. |
Vorliegend geht es aber nicht um eine solche Abgabe, sondern um den Tarif für die Energielieferung. Zwar sind in Bezug auf den Energiepreis die Vorschriften der Bundesgesetzgebung nicht so detailliert wie in Bezug auf die Netznutzung. Insbesondere legt das Bundesrecht nicht eindeutig fest, was unter einem "angemessenen" Tarif zu verstehen ist (WEBER/MANNHART, Neues Strompreisrecht, ZBl 109/2008 S. 463 f.; WEBER/KRATZ/MANNHART, Stromversorgungsrecht, Ergänzungsband Elektrizitätswirtschaftsrecht, 2009, S. 25 f.). Vorgeschrieben ist nur, aber immerhin, dass für feste Endverbraucher mit gleichartiger Verbrauchscharakteristik ein einheitlicher Tarif festzulegen ist (Art. 6 Abs. 3 StromVG), für den Tarifbestandteil der Energielieferung eine Kostenträgerrechnung zu führen ist (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 StromVG) und sich der Tarif an den Gestehungskosten einer effizienten Produktion und an langfristigen Bezugsverträgen, maximal aber am Marktpreis, orientiert (Art. 4 Abs. 1 der Stromversorgungsverordnung vom 14. März 2008 [StromVV; SR 734.71]). Materiell stehen diese Grundsätze zwar nicht unbedingt im Widerspruch zu den Kriterien, die in Art. 12 Ziff. 1 des Konzessionsvertrags festgelegt sind (Rechtsgleichheit, Kostendeckung, Äquivalenz und Verhältnismässigkeit). Auch die Stossrichtung ist durchaus vergleichbar, geht es doch in beiden Regelungen darum, überhöhte Elektrizitätspreise zu verhindern. Ein Konflikt kann sich aber insbesondere in Bezug auf die Zuständigkeiten ergeben: Nach Bundesrecht unterliegen die Elektrizitätstarife der Aufsicht der ElCom. Der Verteilnetzbetreiber muss gegenüber Endverbrauchern mit Grundversorgung Erhöhungen oder Senkungen der Elektrizitätstarife begründen (Art. 4 Abs. 2 StromVV); er muss Erhöhungen der Tarife auch der ElCom mit der den Endverbrauchern mitgeteilten Begründung melden (Art. 4 Abs. 3 StromVV). Die ElCom kann die Tarife überprüfen (zu den Prüfkriterien und -methoden vgl. WEBER/MANNHART, a.a.O., S. 462 ff.) und Absenkungen verfügen oder Erhöhungen untersagen (Art. 22 Abs. 2 lit. b StromVG). Eine zusätzliche Tarifaufsicht durch eine kantonale Behörde würde hier zu Doppelspurigkeiten und potenziellen Widersprüchen führen, wie die ElCom mit Recht ausführt. |
2.6 Trotz grundsätzlich abschliessender bundesrechtlicher Regelung bestehen kantonale Zuständigkeiten weiterhin, soweit sie in der einschlägigen Bundesgesetzgebung ausdrücklich vorgesehen sind. So hat das Bundesgericht im erwähnten BGE 138 I 454 E. 3.6.3 S. 463 auf den Vorbehalt von Art. 14 Abs. 4 StromVG hingewiesen, wonach die Kantone die geeigneten Massnahmen zur Angleichung unverhältnismässiger Unterschiede der Netznutzungstarife in ihrem Gebiet treffen. Indessen betrifft Art. 14 Abs. 4 StromVG nur Unterschiede in den Netznutzungstarifen, die vorliegend gar nicht Streitgegenstand bilden (vgl. nicht publ. E. 1), nicht aber die hier zur Diskussion stehenden Energiepreise. |
2.8 Die Vorinstanz begründet eine solche Zuständigkeit mit dem Konzessionsverhältnis. Richtig ist zwar, dass der Konzessionsvertrag als solcher mit dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes nicht hinfällig geworden ist, sieht doch Art. 5 Abs. 1 StromVG vor, dass die Kantone Netzgebiete bezeichnen und zuteilen, was mit einem Leistungsauftrag verbunden werden kann (RECHSTEINER/WALDNER, Netzgebietszuteilung und Konzessionsverträge für die Elektrizitätsversorgung, Aktuelle Fragen und kommende gesetzliche Vorgaben, AJP 2007 S. 1289 f.). Diese Netzzuteilung kann mit bestehenden Konzessionen oder mit einer Sondernutzungskonzession für die Benützung des öffentlichen Grundes kombiniert werden (vgl. BBl 2005 1678 f. Ziff. 5.4; RECHSTEINER/WALDNER, a.a.O., S. 1293; TRÜEB/ZIMMERLI, Keine Ausschreibungspflicht für Sondernutzungskonzessionen der Verteilnetzbetreiber, ZBl 112/2011 S. 126 ff.; FUCHS/MORGENBESSER, Besteht eine Ausschreibungspflicht für die Erteilung von Verteilnetzkonzessionen?, AJP 2010 S. 1099 ff.). Der Vorinstanz ist somit insofern zuzustimmen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Konzessionsvertrag mit dem Inkrafttreten der Stromversorgungsgesetzgebung nicht generell bundesrechtswidrig geworden ist. Gestützt auf den Vertrag ist die Beschwerdeführerin nach wie vor Netzbetreiberin im Sinne von Art. 5 Abs. 1 StromVG auf dem darin bezeichneten Gebiet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz bedeutet dies aber nicht, dass auch die Tarifgenehmigungskompetenzen weiterhin unverändert bestehen bleiben. Der von der Vorinstanz zitierte Art. 5 Abs. 4 StromVG bezieht sich nur auf die Bedingungen und Kosten des Anschlusses, nicht aber auf die Energietarife. Diese sind nach der heutigen Rechtslage - wie bereits oben dargelegt - bundesrechtlich durch die Stromversorgungsgesetzgebung und die ElCom reguliert, womit eine parallele kantonale oder kommunale Tarifgenehmigungskompetenz ausgeschlossen ist. |
Grundsätzlich zulässig bleiben weiterhin auch vertragliche Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Dritten. So kann etwa ein kommunales Werk, das selber keinen Strom produziert, einen Stromlieferungsvertrag mit einem anderen, Strom produzierenden Werk abschliessen und darin einen Preis festlegen; dieser vertraglich festgelegte Strompreis präjudiziert (unter Vorbehalt der Kontrolle der ElCom) dann den Preis, den das einkaufende Werk von seinen Kunden verlangt.
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