BGE 71 II 69 - Heimwesen Buchwald
 


BGE 71 II 69 (69):

19. Urteil der II. Zivilabteilung
vom 25. Januar 1945 i.S. Lingg gegen Steinmann und Konsorten.
 
Regeste
Erbrecht. Ausgleichungspflicht, Art. 626 ZGB.
I. Der Vater rechnete den Söhnen bei der Übernahme des Bauerngewerbes auf den Kaufpreis einen Betrag als Lohn für im väterlichen Betrieb (ohne Dienstvertrag) geleistete Arbeit an. Keine Ausgleichungspflicht hierfür: weder aus Art. 633 ZGB, der nur Mindestanspruch mangels anderer Vereinbarung gewährt (Erw. 1), noch nach Art. 626 Abs. 2, weil die Zuwendung, auch soweit sie über vernünftige Vergütung hinausgeht, also Schenkung ist, durch die Bezeichnung als Lohn von der Augsleichungs

BGE 71 II 69 (70):

pflicht entbunden ist (Erw. 2-3). Keine Herabsetzung nach Art. 527 Ziff. 1 (Auslegung dieser Bestimmung), aber ev. nach Ziff. 3 (Erw. 4).
II. Auf solche Entlöhnung einzelner Kinder ist bei der Bemessung der Ausgleichung nach Art. 633 zugunsten anderer Kinder Rücksicht zu nehmen.
III. Vereinbarung, wonach die Tochter die Bürgschaftszahlung des Vaters für ihren Mann sich als Vorempfang auf ihren Erbteil anrechnen lasse, bedarf, um Ausgleichungspflicht nach Art. 626 zu begründen, der Genehmigung gemäss Art. 177 Abs. 3 ZGB (ev. der Form des Erbverzichtvertrages).
 


BGE 71 II 69 (71):

Sachverhalt
 
A.
Mit Kaufvertrag vom 27. Februar 1931 überliess der Landwirt Alois Lingg sein Heimwesen Buchwald in Grossdietwil, das er mit Hilfe seiner Söhne Johann und Alfred bewirtschaftet hatte, samt Inventar dem erstern, blieb jedoch auf dem Hofe wohnen. Der Kaufpreis von Fr. 80,000.- war zahlbar: a) durch Übernahme der auf der Liegenschaft haftenden Grundpfandschulden von Fr. 17,528.94, b) "durch Anrechnung des Lohnguthabens des Käufers von Fr. 20,000.-", c) "durch Übernahme der Lohnforderung des Bruders des Käufers, Alfred Lingg, an dessen Vater von Fr. 20,000.-". Der Rest von Fr. 22,471.06 war dem Vater nicht zu verzinsen, solange dieser weiterhin beim Käufer auf dem Heimwesen lebte. Am 21. März 1939 quittierte Alfred Lingg für den Empfang der im Kaufvertrag sub c) genannten Lohnforderung von Fr. 20,000.- an den Bruder.
Am 11. August 1941 starb die Mutter und am 6. Oktober des gleichen Jahres der Vater Lingg. Dieser hinterliess ein Testament vom 30. Mai 1941, wonach dem Sohne Johann vom Nachlassvermögen "vorweg und unbeschadet seines sonstigen gesetzlichen Erbanspruchs ein Viertel zu Eigentum zufallen soll, da er von mir im Jahre 1931 die Liegenschaft Buchwald zu übersetztem Preise erwerben musste".
Bezüglich der Erbteilung entstand Uneinigkeit zwischen den beiden Söhnen einerseits -- ein dritter Sohn war ausgekauft -- und den vier verheirateten, bis auf eine verwitweten Töchtern Lingg. Von den zahlreichen von beiden Parteien ans Recht gesetzten Streitpunkten sind vor Bundesgericht folgende noch streitig:
1) Die Klägerinnen verlangten, dass jeder Beklagte den Betrag, um den die ihm im Kaufvertrag angerechnete Lohnforderung von Fr. 20,000.- übersetzt gewesen sei,

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zur Ausgleichung zu bringen habe, nämlich Johann Fr. 9280.- und Alfred Fr. 10,120.-. Das Obergericht des Kantons Luzern hat die aus diesem Titel auszugleichenden Beträge auf Fr. 7000.- bezw. 8000.- festgesetzt.
2) Die Klägerinnen 1-4 erhoben ihrerseits Lidlohnansprüche gemäss Art. 633 ZGB, die das Obergericht in der von den Beklagten anerkannten Höhe von Fr. (1) 760.-, (2) 760.-, (3) 620.- und (4) 3000.- zugesprochen hat.
3) Die beklagten Söhne verlangten, dass die Klägerinnen für verschiedene Vorempfänge ausgleichungspflichtig zu erklären seien. Die Vorinstanz hat die Ausgleichungspflicht bezüglich Frau Koller-Lingg für Fr. 3441.- und bezüglich Frau Rölli-Lingg für Fr. 300.- bejaht und im übrigen verneint.
 
B.
Vor Bundesgericht beantragen:
zu 1) die beklagten Söhne mit Hauptberufung: Befreiung von der Ausgleichungspflicht für die Fr. 7000.- bezw. 8000.-, die Klägerinnen mit Anschlussberufung: Erhöhung dieser Ausgleichungsbeträge auf die verlangten Fr. 9280.- bezw. 10,120.-;
zu 2) die Anschlussberufungsklägerinnen Erhöhung ihrer Lidlohnansprüche auf Fr. 2174.60 bezw. 2174.60 bezw. 1774.- bezw. 9842.60;
zu 3) die Hauptberufungskläger: die 4 Schwestern seien für Vorempfänge mit den vor der Vorinstanz geltend gemachten höhern Beträgen ausgleichungspflichtig zu erklären, und die Anschlussberufungsklägerin Frau Koller: Befreiung von der Ausgleichungspflicht für die Fr. 3441.-.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
I. AUSGLEICHUNGSPFLICHT DER BEKLAGTEN.
1. Die Vorinstanz stellt fest, dass die Söhne Johann, geb. 1893, und Alfred, geb. 1895, seit ihrer Jugend bis zur Übernahme der Liegenschaft durch den ersteren in Hausgemeinschaft mit dem Vater lebten und ihm von ihrer Mündigkeit an während 17 Jahren und 2 Monaten bezw.

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15 Jahren und 8 1/2 Monaten ihre Arbeit zuwendeten, und führt aus: Solche Dienstleistungen mündiger Kinder im väterlichen landwirtschaftlichen Betrieb, wobei sie mit den Eltern in Hausgemeinschaft leben, begründen regelmässig keinen obligationenrechtlichen Lohnanspruch gegenüber dem Vater, sondern einen erbrechtlichen Ausgleichungsanspruch im Sinne von Art. 633 ZGB. Ein dienstvertraglicher Lohnanspruch würde eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung voraussetzen. Auf eine Lohnabrede lasse sich nicht schon aus der Tatsache des Bestehens einer dauernden Haus- und Arbeitsgemeinschaft zwischen Vater und Kindern schliessen (BGE 67 II 203). Vorliegend sei mit dem Hinweis auf die Anrechnung von "Lohnguthaben" der zwei Söhne im Kaufvertrag von 1931 eine Lohnvereinbarung zwischen ihnen und dem Vater noch nicht dargetan. Von einem Dienstvertrag sei weder früher noch damals die Rede gewesen. Die Stellung der Söhne im väterlichen Betriebe, in die sie als Kinder hineingewachsen seien und die sie auch nach Erreichung der Mündigkeit innegehabt hätten, spreche gegen die Konstruktion einer Lohnvereinbarung nach obligationenrechtlichen Gesichtspunkten. Dass der Ausgleich für ihre Arbeitsleistungen den Söhnen noch zu Lebzeiten des Vaters zukommen und die vom ältern übernommene Lohnschuld an den jüngern verzinslich sein sollte, zwinge nicht zur Annahme eines Dienstvertrages. Es sei dem Vater nicht verwehrt gewesen, schon zu Lebzeiten einen Ausgleich nach Art. 633 ZGB vorzunehmen, sofern dadurch die Erbansprüche der übrigen Erben nicht verletzt wurden. Mangels Nachweises eines Dienstvertragsverhältnisses könnten die Söhne für die seit ihrer Mündigkeit geleistete Arbeit die in jener Bestimmung vorgesehene billige Ausgleichung verlangen, die in einem angemessenen Verhältnis zum teilbaren Nachlass stehen solle. Mit Rücksicht darauf, dass die beiden Söhne viel zur Vermehrung des Vermögens des Vaters beigetragen und auch ihre Ehefrauen während vieler Jahre im Betrieb mitgearbeitet hätten, rechtfertige

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sich eine Erhöhung der nach den Unterlagen des Bauernsekretariats sich ergebenden, an sich maximalen Ansätze (von Fr. 10,720.- bezw. 9808.-) auf Fr. 13,000.- bezw. 12,000.-. Die darüber hinausgehenden Beträge von Fr. 7000.- bezw. 8000.- stellten Schenkungen dar und unterlägen daher der Ausgleichung; dies auch wenn der Erblasser damit sich hätte erkenntlich zeigen und eine angebliche Benachteiligung des Johann infolge zu teuren Erwerbs der Liegenschaft gutmachen wollen; denn er habe nicht ausdrücklich die Befreiung von der Ausgleichungspflicht verfügt (Art. 626 Abs. 2 ZGB).
Indem die Vorinstanz in dieser Weise untersucht, wieviel von der Zuwendung von Fr. 20,000.- als Lidlohnanspruch nach Art. 633 ZGB begründet sei, und den Mehrbetrag der Ausgleichung unterstellt, gibt sie dem Art. 633 eine Anwendung, die ihm nach seinem Sinn und Zweck im Gesetze nicht zukommt. Er will für die Vergütung der von mündigen Hauskindern den Eltern zugewendeten Dienste oder Einkünfte nicht die allgemein gültige Regel bedeuten. Vielmehr stellt er eine subsidiäre Ordnung dar, die dort in die Lücke treten soll, wo nicht die Parteien selber über das fragliche Rechtsverhältnis etwas anderes vereinbart haben. Die "billige Ausgleichung", auf die Art. 633 dem Haussohn Anspruch gibt, stellt nur ein Minimum dar, das er erhalten soll, wo er ohne diese Bestimmung überhaupt leer ausginge. Keineswegs aber will Art. 633 den Vater hindern, dem Sohn für seine Arbeit eine über diesen Notanspruch hinausgehende, ihrem wirklichen Werte entsprechende Vergütung zuzuhalten, sei es zu Lebzeiten in Form laufender Zahlung eines zum voraus vereinbarten Lohnes oder der Hingabe einer einmaligen pauschalen Vergütung, sei es durch Verfügung von Todes wegen. Wo immer eine Abgeltung unter diesem Titel stattgefunden hat, kann Art. 633 höchstens zu einer Erhöhung, nie aber zu einer Herabsetzung derselben herangezogen werden. Andernfalls hätte in solchen Fällen die Bestimmung, die als Notbehelf den Schutz der Hauskinder be

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zweckt, gerade die Wirkung, diese schlechter zu stellen, als sie ohne das Vorhandensein der Schutzbestimmung -- dank dem Rechtsgefühl und der Umsicht des Vaters -- daständen, was vom Gesetze nicht gewollt sein kann. Der Art. 633 fällt mithin hier als Massstab zur Bemessung dessen, was der Vater den Söhnen rechtsgültig und ohne Ausgleichungspflicht als Arbeitsvergütung geben durfte, gänzlich ausser Betracht.
 
Erwägung I.2
2. Ob und inwieweit die Söhne die empfangenen Fr. 20,000.- über ihre Erbteile hinaus behalten können, hängt von der rechtlichen Qualifikation dieser Zuwendungen ab. Sie waren anlässlich des Liegenschaftskaufs als Lohn für die geleisteten Dienste gegeben und entgegengenommen bezw. verrechnet worden. Gegen die nachträgliche Vereinbarung und Hingabe eines Lohnes für Dienste, die ohne Begründung eines eigentlichen Vertragsverhältnisses bereits geleistet worden sind und nach Natur und Umfang normalerweise nur gegen einen Lohn geleistet zu werden pflegen, lässt sich nichts einwenden. Im Zeitpunkte der Liegenschaftsübernahme war übrigens das faktische Dienstverhältnis zwischen Vater Lingg und den beiden Söhnen nicht etwas Abgeschlossenes und als Ganzes der Vergangenheit Angehörendes; vielmehr hatte es eben bis zu dieser Handänderung angedauert und wurde erst durch sie beendet; mit der Abrede eines Lohnes wurde mithin ein noch laufendes, gegenwärtiges Verhältnis in den Rang eines Dienstvertrages erhoben, freilich mit Rückwirkung auf dessen bereits abgelaufenen Teil, für welchen der Dienstpflichtige schon erfüllt hatte. Es ist nicht einzusehen, wieso ein Vater nicht auch für eine zurückliegende Zeit ein Verhältnis so sollte regeln dürfen, wie er es nach gewonnenem Überblick über dessen Ergebnis für recht und billig und als seine sittliche Pflicht erachtet.
 
Erwägung I.3
3. Als eigentliche Lohnzahlungen können die Zuwendungen von je Fr. 20,000.- jedoch nur bis zu dem Betrag anerkannt werden, der einer vernünftigen Vergütung der geleisteten Dienste, unter Berücksichtigung des

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von den Empfängern und ihren Ehefrauen im väterlichen Haushalt bezogenen Lebensunterhaltes, entspricht. Insoweit unterliegen sie der Ausgleichungspflicht nach Art. 626 ZGB selbstverständlich nicht; die Zahlung einer Schuld des Vaters an den Sohn vermindert den Nachlass definitiv. Aber auch soweit die Zuwendungen diesen gerechtfertigten Betrag übersteigen und daher in Wirklichkeit nicht Lohn, sondern eine Schenkung darstellen, greift die Ausgleichung nicht Platz. Aus Art. 626 Abs. 1 folgt sie nicht, weil die Zuwendung auch bezüglich dieses Mehrbetrages eben als Schuldzahlung, also gerade nicht "auf Anrechnung an den Erbteil" erfolgte. Aus Abs. 2 aber kann die Ausgleichungspflicht ebensowenig abgeleitet werden. Weder als Schuldzahlung, als welche sie gewollt, noch als Schenkung, was sie in Wirklichkeit ist, gehört die Mehrleistung zu den in Abs. 2 beispielsweise aufgezählten Zuwendungsgeschäften, in denen ohne ausdrückliche gegenteilige Verfügung eine teilweise Vorwegnahme des Erbgangs gesehen werden muss und die daher der Ausgleichungspflicht unterliegen. Wollte man aber noch die Zuwendung, soweit sie durch keine Gegenleistung gerechtfertigt ist, als unentgeltliche zu den Geschäften nach Abs. 2 zählen, so müsste doch in der Bezeichnung der ganzen je Fr. 20,000.- als Lohn eine hinreichend ausdrückliche Entbindung von der Ausgleichungspflicht durch den Erblasser erblickt werden. Mit der causa solvendi ist dieser Verfügungswille so eindeutig erklärt, dass eine besondere Nennung der Nichtausgleichbarkeit selbst nicht nötig ist (BGE 44 II 360). Dem steht die bisherige Praxis nicht entgegen, wonach bei einer im Gewand eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes versteckten Vermögensabtretung das Motiv der Erkenntlichkeit für geleistete Dienste die ausdrückliche Erklärung nach Art. 626 Abs. 2 nicht zu ersetzen vermag (BGE 45 II 520); denn das Motiv der Vergütung geleisteter Dienste erscheint im vorliegenden Falle nicht in einem zu niedrigen Liegenschaftsübernahmepreis versteckt, sondern in Form der ausdrücklichen Vereinbarung und Anrechnung eines be

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stimmt bezifferten Dienstlohnes an den eher zu hohen Kaufpreis klar ausgesprochen. Dass allenfalls nicht der ganze Zuwendungsbetrag als Lohn anerkannt werden kann, macht diese causa hinsichtlich des Mehrbetrags nicht fiktiv, sondern es liegt einfach eine zu hohe Bemessung vor, die an der Wirksamkeit der Entbindung von der Ausgleichungspflicht nach Art. 626 Abs. 2 nichts ändert.
 
Erwägung I.4
a) Die Ausdrucksweise des Art. 527 Ziff. 1 ZGB ist insofern widerspruchsvoll, als "Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil" als Heiratsgut etc. immer bereits der Ausgleichung unterworfen sind und daher der Herabsetzung gar nicht mehr bedürfen, abgesehen von dem Falle, wo der Zuwendungsempfänger nicht Erbe wird und daher nicht ausgleichen muss. Nach richtiger Auslegung fallen jedoch unter Ziffer 1 alle Zuwendungen der beispielsweise genannten Arten, die nach ihrer Natur gemäss Art. 626 Abs. 2 der Ausgleichung unterständen, ihr aber zufolge gegenteiliger Verfügung des Erblassers entgehen (vgl. Komm. Tuor, zu Art. 527 N. 3-4, Escher, N. 7-8). Die vorliegend streitigen Zuwendungen sind aber, wie oben dargetan, nicht nur vom Erblasser ausdrücklich von der Ausgleichung befreit worden, sondern sie gehören zum vornherein nicht zu den Geschäften, hinsichtlich deren nach Art. 626 Abs. 2 die Ausgleichungspflicht vermutet wird. Es handelt sich also nicht um Zuwendungen "auf Anrechnung an den Erbteil" in dem erwähnten Sinne des Art. 527 Ziff. 1, weshalb dieser Herabsetzungsgrund nicht zutrifft.
Für die Anwendung der Ziff. 4 -- offenbar fraudulöse

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Vermögensentäusserung -- liegen keine Anhaltspunkte vor.
Kann demnach auch die Herabsetzung nicht verlangt werden, so erübrigt sich die Bezifferung des angemessenen, über den blossen Ausgleichungsanspruch nach Art. 633 hinausgehenden Lohnes zwecks Ermittlung des der Herabsetzung unterliegenden Mehrbetrags bis auf Fr. 20,000.-, und es muss bei der Aufhebung der von der Vorinstanz ausgesprochenen Ausgleichungspflicht für die Fr. 7000.- bezw. 8000.- sein Bewenden haben.
 
II. LIDLOHNANSPRÜCHE DER KLÄGERINNEN.
Die Vorinstanz hat diese Ansprüche der 4 Klägerinnen in den nach den Unterlagen des Bauernsekretariates errechneten und von den Beklagten anerkannten Beträgen zugesprochen und nur der Viertklägerin für ihre qualifizierte Arbeitsleistung eine Erhöhung von Fr. 2240.- auf Fr. 3000.- zugebilligt. Die von den Klägerinnen mit Rücksicht auf die den Söhnen im Kaufvertrag zugewendeten Lohnvergütungen von je Fr. 20,000.- verlangte Verdoppelung der errechneten Ausgleichungsbeträge lehnt die Vorinstanz mit dem Hinweis darauf ab, dass die Beklagten jene Zuwendungen gemäss Urteil zum Teil zur Ausgleichung bringen müssen. Nachdem dies nun nicht der Fall ist, muss in der Tat bei der Bemessung der Lidlohnbeträge der Klägerinnen auf den Massstab Rücksicht genommen werden, nach welchem der Vater die Dienste der Söhne mit der Zuwendung von Fr. 20,000.- abgegolten hat. Eine Ausgleichung der Töchter nur in Höhe der Ansätze des Bauernsekretariates erscheint nicht billig, nachdem die Söhne eine die für sie errechneten Ziffern beinahe um das doppelte übersteigende Vergütung erhalten haben und behalten dürfen. Hätten die Söhne zur Zeit der Mitarbeit der Töchter laufend einen so erheblichen Lohn bezogen, wie sie ihn nachträglich erhalten haben, so hätten wohl die Töchter ohne eine entsprechende Entlöhnung sich geweigert, weiter ihre Arbeit der Hausgemein

BGE 71 II 69 (79):

schaft, also im Effekt den Brüdern zuzuwenden. Bei der Bemessung ihres Ausgleichsanspruches ist aber zu berücksichtigen, dass, wie oben sub I, 1 ausgeführt, ein Hausvater mit einer Lohnabfindung inter vivos über das hinausgehen darf, worauf Art. 633 Anspruch gibt. Das angemessene Verhältnis der beiderseitigen Vergütungen nach diesen Gesichtspunkten ziffernmässig zu bestimmen, ist Ermessenssache, weshalb die Akten zu diesem Zwecke an die Vorinstanz zurückzuweisen sind.
 
III. VOREMPFÄNGE DER KLÄGERINNEN.
Die Beklagten haben von den Klägerinnen Ausgleichung verschiedener Beträge verlangt, die nicht diese selbst vom Vater empfangen haben, sondern die der Vater zufolge Bürgschaft für ihre Ehemänner bezahlt hat.
 
Erwägung III. 1
b) Die Beklagten werfen den Klägerinnen als gegen Treu und Glauben verstossend und Rechtsmissbrauch vor,

BGE 71 II 69 (80):

die Erbschaften ihrer Ehemänner ausgeschlagen zu haben, weil sie damit der Erbschaft des Vaters Lingg die Möglichkeit nahmen, gegenüber jeder Klägerin mit ihrem Pflichtteilsanspruch zu verrechnen, was sie der Erbschaft als Erbin ihres Mannes schuldete. Die Akten bieten indessen keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Klägerinnen bei der Ausschlagung der überschuldeten Erbschaften ihrer Ehemänner diese Überlegung angestellt haben. Übrigens könnte darin, dass eine Ehefrau die Erbschaft ihres zahlungsunfähigen Mannes ausschlägt, um nicht für dessen Schulden zu haften -- und wären es Schulden gegenüber ihrer väterlichen Erbschaft -- kein Rechtsmissbrauch erblickt werden.
c) Gewisse Schulden der Ehemänner der Klägerinnen hat die Vorinstanz als zufolge Zustimmung des Erblassers zum Nachlassvertrag seiner Schwiegersöhne (bezw. ihrer Erben) erloschen betrachtet. Dem halten die Beklagten entgegen, in dem -- von der Tochter mitunterzeichneten -- Verzicht des Vaters auf die Geltendmachung der Forderung gegen deren Ehemann zu dessen Lebzeiten liege vielmehr "ein neues ausgleichspflichtiges Element zu Lasten der Tochter"; es komme nur darauf an, dass die ausgleichspflichtige Zuwendung nie zurückgeflossen und daher der Ausgleichungsanspruch nicht untergegangen sei. Dies träfe jedoch nur zu, wenn die väterliche Leistung, die der Schuld des Schwiegersohnes zu Grunde liegt, wirklich der Tochter zugekommen wäre. Gerade das aber ist vorliegend nicht festgestellt und von den Beklagten nicht einmal behauptet.
Hinsichtlich aller dieser Ausgleichungsbegehren muss es bei der vorinstanzlichen Abweisung sein Bewenden haben.
 
Erwägung III.2
Der Vater Lingg verbürgte seinem Schwiegersohne Alois Koller ein bei der Sparkasse Willisau aufgenommenes Dar

BGE 71 II 69 (81):

lehen von Fr. 3000.-. Im Zusammenhang damit unterzeichneten die Eheleute Koller-Lingg am 19. März 1922 folgenden
    "Verpflichtungsakt.
    Die unterzeichneten Eheleute Alois Koller und seine Ehefrau Anna geb. Lingg ... verpflichten sich anmit, dass, sofern ihr Schwiegervater resp. Vater das bei der Sparkasse Filiale Zell verbürgte Anleihen von Fr. 3000.- für den Ehemann Alois Koller bezahlen müsste, sich den genannten Betrag als Vorempfang anrechnen zu lassen, also als Vorempfang zu gelten hätte."
In der Folge zahlte Vater Lingg zufolge dieser Bürgschaft in den Jahren 1928 und 1929 der Sparkasse im ganzen Fr. 3411.- (bezw. richtig 3461.-).
Es ist davon auszugehen, dass die Ausgleichungspflicht nach Art. 626 ZGB als eine gesetzliche Pflicht nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen eintritt. Voraussetzung ist eine Zuwendung des Erblassers an den Erben bezw. Nachkommen. Nur was dieser selber, nicht ein Dritter, vom Erblasser empfangen hat, untersteht der Ausgleichungspflicht. Sie wäre gegeben, wenn Vater Lingg den Geldbetrag für die Bürgschaftszahlung seiner Tochter auf Anrechnung an ihren Erbteil in bar ausgehändigt und diese ihn ihrerseits an ihren Mann weitergegeben hätte. Tatsächlich fand jedoch nur eine Leistung des Vaters an die Bank bezw. -- durch Zahlung der Schuld des Schwiegersohnes -- eine mittelbare Zuwendung an diesen statt. Mit dem Verpflichtungsakt wollten die Parteien zum voraus der zukünftigen Zahlung des Vaters den Charakter einer Zuwendung an die Tochter verleihen. Dies entsprach aber nur dann der Wahrheit, wenn die Leistung des Vaters an die Bank sie von einer Schuld befreite, was wiederum voraussetzte, dass die Tochter entweder die Schuld ihres Mannes an die Bank oder dessen eventuelle Bürgenregresspflicht gegenüber dem Vater übernommen habe, allerdings -- im

BGE 71 II 69 (82):

Hinblick auf die gewollte Anrechnung -- nur bis zum Betrage ihres dereinstigen Erbteils (Urteil vom 14. Oktober 1943 i.S. Bovay c. Allamand). Bei beiden Annahmen enthält also die Operation nach ihrem Sinn und Zweck (BGE 62 II 2) eine Verpflichtung der Ehefrau zugunsten des Ehemannes, die nur dann der Genehmigung nach Art. 177 Abs. 3 ZGB nicht bedurfte, wenn ihr die Erfüllung auf dem Fusse folgte (BGE 59 II 218, 61 II 5 Erw. 6). Dies war jedoch nicht der Fall, wurde doch die Abrede gemäss Verpflichtungsakt nur für die Eventualität getroffen, dass Vater Lingg seine Bürgschaftspflicht einmal einlösen müsse, welche Bedingung erst 6 Jahre später eintrat. Gerade wegen dieses ihres bedingten Charakters war die Abrede von 1922 dazu angetan, die Ehefrau Koller die Tragweite ihrer Handlungsweise verkennen zu lassen. Die Abrede liess ihr immer noch die Hoffnung, ihr Mann werde selber die Bank befriedigen können, der Vater daher nicht zahlen müssen, und wenn doch, Koller werde noch vor dem Erbfall für den Bürgenregress aufkommen. Diese Momente der Ungewissheit lassen die ratio legis der Genehmigungspflicht nach Art. 177 Abs. 3 ZGB in casu als zutreffend erscheinen.
An der Auffassung der Vorinstanz, entgegen ihrem Wortlaut enthalte die Vereinbarung vom 19. März 1922 hinsichtlich der Frau Koller keine Verpflichtung, sondern eine Verfügung, indem sie bis zum Betrage einer allfälligen Bürgschaftszahlung des Vaters auf ihren Anteil an dessen Erbschaft (bedingt) verzichtet habe, ist soviel richtig, dass der von den Parteien gewollte Zweck -- Verminderung des dereinstigen Erbteils der Tochter um jenen Betrag -- unabhängig von der Frage eines ausgleichspflichtigen Vorempfanges nach Art. 626 durch einen entsprechenden, abstrakten Erbverzicht hätte erreicht werden können. Ein solcher hätte jedoch der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung bedurft (Art. 495/512 ZGB).
Der Ausgleichungsanspruch gegen Frau Koller bezüglich der Fr. 3441.- ist daher abzuweisen.


BGE 71 II 69 (83):

Hinsichtlich der Ausgleichungspflicht der Frau Rölli-Lingg für die Fr. 300.- ist die Rechtslage gleich; mangels eines bezüglichen Anschlussberufungsbegehrens bleibt es jedoch beim Entscheid der Vorinstanz.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Es werden teilweise gutgeheissen:
1. die Hauptberufung dahin, dass in Dispositiv 3 lit. a) des angefochtenen Urteil die Ausgleichungspflicht der Beklagten Johann und Alfred Lingg für die Beträge von Fr. 7000.- bezw. 8000.- aufgehoben wird;
2. die Anschlussberufung dahin, dass
a) in Dispositiv 3 lit. a) die Ausgleichungspflicht der Drittklägerin Frau Anna Koller-Lingg für den Betrag von Fr. 3441.- aufgehoben, und
b) die Sache zu neuer Bestimmung der Höhe der Ausgleichungsansprüche der vier Klägerinnen gemäss Dispositiv 3 lit. b) an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Im übrigen werden die Berufungen abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.