BGE 83 II 18 |
4. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Februar 1957 i. S. Gresser gegen Baumgartner. |
Regeste |
Unverbindlichkeit wegen Irrtums, Art. 23 ff. OR. Die Bestimmungen über Irrtum sind neben denjenigen über die Gewährleistung (Art. 197 ff. OR) alternativ anwendbar (Erw. 1). |
Grundlagenirrtum (Art. 24 Ziff. 4 OR) liegt vor beim Irrtum über die Brauchbarkeit einer Maschine (Erw. 3, 4). |
Bei Unverbindlichkeit eines zweiseitig verpflichtenden Vertrages sind die gegenseitigen Leistungen Zug um Zug zurückzuerstatten (Erw. 7). |
Sachverhalt |
"Garantie erstreckt sich auf die Dauer von 6 Monaten vom Versandtage ab in der Art, dass für alle während dieser Frist sich zeigenden Mängel gehaftet wird, insofern sie vom Käufer sofort nach Entdeckung angezeigt werden und nachweislich von schlechtem Material, fehlerhafter Bauart oder mangelhafter Ausführung herrühren. Sind diese Mängel reparierbar, so kann der Käufer nur deren unentgeltliche Beseitigung durch Ersetzung der schadhaften Teile oder durch sonstige Reparatur verlangen.... Sind die Mängel nicht reparierbar, so kann der Käufer nur die unentgeltliche Lieferung einer dem Vertrag entsprechenden Ersatzmaschine beanspruchen."
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Vor dem Vertragsschluss hatte der Käufer die Maschine beim Verkäufer besichtigt; eine Vorführung im Betrieb fand indessen nicht statt. Die Presse wurde am 12./13. Februar 1952 geliefert und bezahlt und am 26. Februar 1952 vom Käufer in Betrieb genommen. Dabei zeigten sich verschiedene Mängel, die vom Verkäufer auf Begehren des Käufers hin behoben wurden. In der Folge traten jedoch erneute Schwierigkeiten auf. Die mit der Maschine ausgeführten Furnierarbeiten fielen häufig fehlerhaft aus und waren unbrauchbar. Gresser liess deshalb im Herbst 1952 die Presse durch einen Fachmann des Maschinenbaus begutachten. Dieser kam zum Schluss, dass die Maschine schwere, nicht behebbare konstruktive Fehler aufweise und deshalb für den vorgesehenen Gebrauch ungeeignet sei. Von diesem Gutachten gab Gresser dem Verkäufer unter Erhebung einer schriftlichen Mängelrüge am 11. Dezember 1952 Kenntnis und verlangte die Lieferung einer vollwertigen Ersatzmaschine. Der Verkäufer lehnte dieses Ansinnen jedoch ab mit der Begründung, die vertraglich vereinbarte Garantiefrist von 6 Monaten sei abgelaufen. |
Mit Schreiben vom 21. Februar 1953 erklärte daraufhin Gresser dem Baumgartner, er betrachte den Kaufvertrag vom 28. Dezember 1951 wegen absichtlicher Täuschung und wesentlichen Irrtums als unverbindlich.
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B.- Mit Klage vom 24. Februar/20. April 1953 belangte Gresser den Baumgartner auf Rückerstattung des Kaufpreises von Fr. 9800.-- nebst 5% Zins seit 13. Februar 1952. Zur Begründung dieses Begehrens machte er geltend, der Kaufvertrag über die Presse sei wegen absichtlicher Täuschung und wegen Grundlagenirrtums für ihn unverbindlich; überdies habe er wegen Mängeln der Kaufsache Anspruch auf Wandelung des Geschäftes.
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Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt das Vorliegen der behaupteten Willensmängel und wandte ein, die Anfechtung des Vertrags wegen solchen wie auch die Berufung auf Mängel der Kaufsache wären übrigens verspätet erfolgt.
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C.- Das Bezirksgericht Zürich kam auf Grund eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens zum Schluss, dass die vom Beklagten gelieferte Furnierpresse wegen ihr anhaftender Konstruktionsmängel für den vorausgesetzten Gebrauch untauglich sei. Mit Rücksicht hierauf erklärte das Gericht die Berufung des Klägers auf Grundlagenirrtum als begründet, da die Brauchbarkeit der Maschine eine notwendige Grundlage des Kaufvertrages gebildet habe. Im weiteren nahm das Gericht auch Unverbindlichkeit des Vertrages wegen absichtlicher Täuschung des Klägers durch den Beklagten an. Ob dem Kläger auch noch kaufrechtliche Gewährrleistungsansprüche zu Gebote ständen, liess das Gericht dagegen offen. Demgemäss schützte das Bezirksgericht mit Urteil vom 22. Dezember 1955 die Klage, jedoch mit dem Zusatz, dass der Beklagte den Kaufpreis nur Zug um Zug gegen die unbeschwerte Herausgabe der Furnierpresse durch den Kläger zurückzuerstatten habe.
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E.- Das Obergericht Zürich wies mit Urteil vom 17. Mai 1956 die Klage ab, im wesentlichen mit der folgenden Begründung: Eine absichtliche Täuschung des Klägers durch den Beklagten sei nicht nachgewiesen. Die Vorschriften über den Irrtum beim Vertragsschluss seien im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Bestimmungen über die Gewährleistung nicht anwendbar. Ansprüche aus Gewährrleistung aber könne der Kläger mangels rechtzeitiger Prüfung und Mängelrüge nicht geltend machen.
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F.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Kläger an seinem Klagebegehren fest.
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Der Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
2. Der Beklagte glaubt die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages wegen Irrtums sei im vorliegenden Fall zu verneinen, weil die in Ziff. 8 der Lieferungsbedingungen vereinbarte Beschränkung der Garantiefrist auf 6 Monate zugleich eine vertragliche Abkürzung der Verwirkungsfrist des Art. 31 OR darstelle; diese Frist habe der Kläger unbenützt verstreichen lassen. Diese Ansicht ist jedoch irrtümlich. Die zeitliche Einschränkung der Gewährspflicht des Verkäufers durch Ziff. 8 der Lieferungsbedingungen stellt eine Nebenbestimmung des Kaufvertrages dar. Als solche steht und fällt sie mit dem Vertrag. Ist dieser wegen Irrtums für den Kläger unverbindlich, so fällt auch die darin enthaltene Sonderbestimmung über die Garantieleistung dahin. |
Dasselbe gilt für den in der Berufungsantwort weiter eingenommenen Standpunkt, ein Grundlagenirrtum könne nicht bestehen, solange der Beklagte verpflichtet sei, die Mängel zu reparieren oder eine Ersatzmaschine zu liefern und solange er gemäss Vertrag zu nichts anderem verpflichtet werden könne, wie das hier gemäss Ziff. 8 der Lieferungsbedingungen der Fall sei. Der Kläger hätte nur behauptet, sich über die Tauglichkeit der Maschine geirrt zu haben, nicht aber auch darüber, dass er bei Untauglichkeit der Maschine darauf beschränkt sei, die Beseitigung der Mängel oder Lieferung einer Ersatzmaschine zu verlangen. Die Unbrauchbarkeit der Maschine sei also vertraglich geregelt; darüber habe sich der Kläger nicht geirrt. - Auch hier übersieht der Beklagte, dass der Vertrag mit allen darin enthaltenen Vereinbarungen dahinfällt, wenn er wegen Willensmangels unverbindlich, d.h. nicht gültig zustande gekommen ist.
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a) Der Beklagte bestreitet einen solchen Irrtum. Er macht geltend, wenn er im Laufe der Kaufsunterhandlungen dem Kläger erklärt habe, die Presse sei für dessen Zwecke ideal und preislich wie wirtschaftlich sehr günstig, so habe es sich dabei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht um eine Zusicherung, sondern lediglich um eine reklamehafte Anpreisung gehandelt. Allein der Irrtum des Klägers betraf nicht diese "Zusicherung", sondern bezog sich auf die Brauchbarkeit der Presse überhaupt, d.h. ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauch. Diese muss der vom Beklagten gelieferten Presse aber abgesprochen werden. Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Ausführungen des von der ersten Instanz zugezogenen Sachverständigen festgestellt, dass die Presse ungenügend sei und ein richtiges Arbeiten nicht gestatte, weshalb ihre Abnahme dem Kläger an sich nicht zugemutet werden könnte. Nach den erwähnten Ausführungen des Sachverständigen weist die Presse verschiedene im einzelnen beschriebene Konstruktionsmängel auf, die zur Folge haben, dass mit ihr nur mühsam und kümmerlich und auch nicht gefahrlos gearbeitet werden kann und dass das Arbeitsergebnis fortwährend gefährdet wird. Infolge der konstruktiven Mängel muss sodann auch mit einer übermässigen Abnützung der einzelnen Teile der Presse gerechnet werden, die zu einer raschen Verschlechterung ihrer Tauglichkeit und zu vorzeitiger Unbrauchbarkeit führen. Die Brauchbarkeit der Presse bildete aber eine notwendige Grundlage des Vertrages, die vom Kläger nach Treu und Glauben im Geschäftsleben als gegeben vorausgesetzt werden durfte und bei objektiver Betrachtung vom Standpunkt des loyalen Geschäftsverkehrs aus als unerlässlich erscheint. Der Irrtum des Klägers bildet daher einen Grundlagenirrtum im Sinne des Art. 24 Ziff. 4 OR, der geeignet war, die Unverbindlichkeit des Vertrags zu bewirken (vgl. hiezu BGE 82 II 424 Erw. 7 und dort erwähnte Entscheide) ... |
4. Die Geltendmachung der Unverbindlichkeit des Vertrages durch den Kläger erfolgte innert der Frist des Art. 31 OR, d.h. innerhalb eines Jahres seit Entdeckung der Mängel der Maschine, welche den Tatbestand des Grundlagenirrtums begründet haben. Der Kläger hat die Anfechtungserklärung erstmals in rechtsgenüglicher Form im Schreiben seines Anwalts vom 21. Februar 1953 abgegeben. Da der Kläger die Maschine, wie nicht streitig ist, am 26. Februar 1952 in Betrieb nahm, steht fest, dass die Anfechtungserklärung vor Ablauf eines Jahres seit der Entdeckung des Irrtums erfolgte; denn diese war natürlich erst nach der Inbetriebnahme der Maschine möglich. In welchem Zeitpunkt zwischen dieser und der Anfechtungserklärung der Kläger seinen Irrtum entdeckte, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Dass der Kläger den Vertrag in Kenntnis der Mängel je genehmigt hätte, muss aus den vom Bezirksgericht dargelegten Gründen verneint werden. Nicht bestritten ist schliesslich, dass die Rückforderung innerhalb eines Jahres seit der Entdeckung des Irrtums erfolgte (Art. 67 OR). Damit sind alle Voraussetzungen für die Unverbindlichkeit des streitigen Kaufvertrages nach Art. 24 OR erfüllt... |
Zu entscheiden bleibt dagegen noch, ob die Klageforderung so wie eingeklagt gutzuheissen ist (Bezahlung von Fr. 9800.-- nebst Zins) oder nur mit dem vom Bezirksgericht beigefügten Zusatz, dass die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen unbeschwerte Herausgabe der Furnierpresse durch den Kläger zu erfolgen habe.
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Das Bezirksgericht hat diesen Zusatz, der die Zahlungspflicht des Beklagten an die Bedingung der Herausgabe der Presse durch den Kläger knüpft, in seinem Urteil nicht begründet. Es ging offensichtlich von der an sich richtigen Überlegung aus, dass wegen der Unverbindlichkeit des Kaufvertrages nicht nur die Zahlung, sondern auch die Übereignung des Kaufgegenstandes rechtlich grundlos erfolgt sei und dass deshalb in beiden Richtungen Rückleistungen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erfolgen müssten.
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Mit der Berufung verlangt der Kläger, wie schon mit seiner Anschlussappellation beim Obergericht, die Streichung dieses Zusatzes. Er macht geltend, die unbeschwerte Herausgabe Zug und Zug mit der Rückzahlung sei gemäss Formulierung der Streitfrage nicht Gegenstand des Prozesses. Diese Begründung ist unbehelflich; denn wenn die materielle Rechtslage das gebietet, so darf ein Rechtsbegehren auf unbedingte Leistung auch bloss beschränkt zugesprochen werden, sei es nur teilweise, sei es unter einer Modalität, wie z.B. unter einer Bedingung. |
Im weiteren wendet der Kläger ein, der genannte Zusatz wirke sich rechtlich in unzulässiger Weise zu seinem Nachteil aus. Wenn nämlich der Vertrag unverbindlich sei, so sei der Beklagte Eigentümer der Maschine geblieben. Ausser der Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises habe jedoch der Kläger noch weitere Forderungen zu stellen, für die ihm ein Retentionsrecht zustehe. So habe er u.a. Ersatz für Miete zur Unterbringung der Maschine seit der Aufgabe seines Betriebes zu fordern und ferner weitere Forderungen geltend zu machen, welche nicht in diesem Verfahren zu behandeln seien.
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Nun liesse sich allerdings die Auffassung vertreten, dass infolge der Unverbindlichkeit des Vertrages die beidseitigen Leistungen ohne Rechtsgrund erfolgten, was zur Folge habe, dass Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung, allenfalls Vindikationsansprüche entstehen, die selbständiger Art und von einander unabhängig seien, weil die dem zweiseitig verpflichtenden Vertrag eigentümliche Verknüpfung der beidseitigen Leistungen infolge der Unverbindlichkeit des Vertrages nie entstanden und somit auch nach geltend gemachter Unverbindlichkeit nicht vorhanden sei. Damit würde jedoch der Tatsache nicht genügend Rechnung getragen, dass die grundlosen Leistungen wegen eines vermeintlich gültigen, zweiseitig verpflichtenden Vertrages gemacht wurden; daher ist die ursprüngliche Verknüpfung und Abhängigkeit der Leistungen auch in der Phase der Wiederherstellung des früheren Zustands, also bei der Rückerstattung, zu beachten. Das führt zur Verpflichtung zu Rückerstattung der Leistungen "Zug um Zug" (so auch VON TUHR/SIEGWART OR 1 S. 297 bei N. 38).
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Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts Zürich, I. Zivilkammer, vom 17. Mai 1956 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Fr. 9800.-- samt 5% Zins seit 13. Februar 1952 zu bezahlen, Zug um Zug gegen unbeschwerte Herausgabe der Furnierpresse durch den Kläger.
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