BGE 84 II 114
 
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1958 i.S. Burgergemeinde Burgdorf und Ramseier gegen Einwohnergemeinde Eriz.
 
Regeste
Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG).
2. Art. 10 lit. b: Rechtsgeschäfte zum Ersatz von Liegenschaften, die für öffentliche usw. Aufgaben verkauft worden sind: Eine Alpweide kommt nicht als Ersatz für verkauftes städtisches Bauland in Betracht.
 
Sachverhalt


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A.- Mit Vertrag vom 27. September 1954 verkaufte Fritz Ramseier der Burgergemeinde Burgdorf seine Liegenschaften in der Gemeinde Eriz, nämlich die Grundstücke Nr. 233 "oberer und unterer Scheidzaun" mit Wohnhaus,

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Scheune und Ställen (6183 Aren) und Nr. 246, hälftiger Anteil an der Besitzung Rotmoos (0,50 Aren), zum Preise von Fr. 220'000.--.
In der Folge machte die Einwohnergemeinde Eriz gegenüber den Kaufvertragsparteien das Vorkaufsrecht geltend, das gestützt auf Art. 17 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) Art. 6 Ziff. 2 des bernischen Einführungsgesetzes dazu mit Bezug auf Alpweiden zugunsten der Gemeinde der gelegenen Sache vorsieht. Da die Kaufsparteien das Vorkaufsrecht bestritten, erhob die Einwohnergemeinde Eriz binnen der ihr hiefür gesetzten Frist beim Amtsgericht Thun Klage mit dem Antrag, das von ihr geltend gemachte Vorkaufsrecht sei als zu Recht bestehend anzuerkennen, der Verkäufer Ramseier zu verurteilen, der Klägerin das Eigentum an den Liegenschaften zu den Bedingungen des Kaufvertrags zu übertragen, und die Klägerin zu ermächtigen, das Eigentum im Grundbuch auf ihren Namen eintragen zu lassen.
Die beklagten Vertragsparteien beantragten Abweisung der Klage. Sie wenden ein, die Scheidzaunbesitzung sei keine Alpweide im Sinne von Art. 17 EGG/Art. 6 EG, vielmehr ein landwirtschaftliches Bergheimwesen mit Alpweide, das einer Bauernfamilie ganzjährigen Wohnsitz und Existenz biete. Selbst wenn es sich aber um eine Alpweide handelte, könnte die Gemeinde Eriz ihr Vorkaufsrecht zufolge Art. 10 lit. b EGG nicht ausüben, weil die Burgergemeinde Burgdorf den Landerwerb zum Ersatz von Liegenschaften tätige, die sie seit 1931 in Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben abgegeben habe.
B.- Sowohl das Amtsgericht Thun als der Appellationshof des Kantons Bern haben die Klage gutgeheissen und das Vorkaufsrecht der Gemeinde Eriz geschützt. Gestützt auf das durchgeführte Beweisverfahren mit Augenschein, namentlich in Würdigung dreier Gutachten (vom Amtsgericht eingeholtes Gutachten von Karrl Wyss, von

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der Klägerin eingelegtes privates Gutachten eines Viererkollegiums Dr. Tschumi/Kunz/Lanz/Rubin, Gegengutachten der Beklagten von Ing. agr. E. Lauener) sind die Vorinstanzen dazu gelangt, den Charakter der Scheidzaunliegenschaft als einer Alpweide zu bejahen. In tatsächlicher Hinsicht stellen sie darüber fest:
Das Hauptgrundstück von 61 ha, wovon ca. 54 ha Weideland, liegt im Alpgebiet der Gemeinde Eriz in mehreren Höhenlagen gestaffelt. Der "untere Scheidzaun" auf 1200 m ü.M. weist das aus der ursprünglichen Sennhütte allmählich ausgebaute Hauptgebäude auf, bestehend aus Küche (mit Plättliboden, Holzkochherd und Boiler), einer Wohnstube, fünf Schlafräumen, einem Stall und einer Heubühne; in der Nähe befinden sich noch ein Materialschopf (mit Garage und Waschküche) sowie ein Schattstall. Etwa 100 m höher stehen eine Sennhütte und ein Stall. Bis 1930 war der Scheidzaun als Alpweide (Vor- und Sömmerungsweide) zusammen mit dem Ramseierschen Talheimwesen in Thun bewirtschaftet worden. Bei der Erbteilung war das letztere vom Bruder, der Scheidzaun von Fritz Ramseier übernommen worden, der nun mangels eines andern Wohnsitzes mit der Familie das ganze Jahr auf dem Scheidzaun zu wohnen begann und zu diesem Zwecke die Sennhütte allmählich zum heutigen Stande ausbaute. Er hat in den letzten Jahren dort oben 15 bis 16 Stück eigenes Vieh überwintert und im Sommer neben diesem durchschnittlich 70 fremde Rinder gesömmert; daneben hielt er ein Pferd, Schafe, Schweine und Hühner. Im Lauf der Jahre hat Ramseier in der günstigsten Lage seiner Besitzung die Graseinschläge, wie sie regelmässig auf Alpbetrieben bestehen, bis auf ca. 20 Jucharten vergrössert, um Heu für die Überwinterung des eigenen Viehs zu gewinnen. Ausserdem baute er für die Selbstversorgung Kartoffeln und zeitweise auch etwas Getreide an. Die Scheidzaunbesitzung bildet eine Einheit.
Zur Entscheidung der Rechtsfrage, ob der Scheidzaun "im heutigen Zustand als Ganzes eine zweiteilige Alpweide

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oder ein selbständig existenzfähiger Ganzjahresbetrieb mit Alpweide" sei, ging die Vorinstanz angesichts des gemischten Charakters der Besitzung davon aus, was gesamthaft betrachtet überwiege. Gerade im Gebiet des Oberemmentals und der Voralpen seien die Übergänge zwischen Bergheimwesen und Alpbetrieben häufig verschwommen.
Bei der Beantwortung der Frage stellte der gerichtliche Experte Wyss auf Erfolgsberechnungen für den Ganzjahres- und den Sömmerungsbetrieb ab, mit dem Ergebnis, dass die Besitzung in Ansehung der Ertragsverhältnisse, der Höhenlage, der Oberflächengestaltung, der Absatz- und Verkehrsverhältnisse auch heute noch die typischen Merkmale eines Alpbetriebes aufweise; wenigstens sei er vorwiegend ein solcher.
In der Methode hievon abweichend ging das Gutachten Tschumi und Mitexperten von der Ermittlung der Möglichkeiten für den Besatz des Scheidzaunes nach Grossvieheinheiten aus, indem es eine ideelle Teilung nach Sömmerung und Winterung vornahm und feststellte, dass auf den Sömmerungsanteil (Alpbetrieb und Vorweide) wirtschaftlich betrachtet 2/3 bis 3/4 des Betriebserfolges entfallen. Nach Höhenlage, Oberflächengestaltung, Boden- und Klimabedingungen, Absatz- und Verkehrsverhältnissen zeige die Besitzung die typischen Merkmale einer Alpweide mit Vorweide.
Demgegenüber war der private Experte der Beklagten - aber, wie die Vorinstanz feststellt, ohne eingehendere Begründung - der Ansicht, der Scheidzaun habe den Charakter eines Heimwesens, das einer Bauernfamilie eine Jahresexistenz biete.
Die Vorinstanz hat sich den Schlussfolgerungen der beiden nach verschiedenen Methoden zum gleichen Resultat gelangenden Gutachten Tschumi und Wyss angeschlossen, den Scheidzaun als Alpweide betrachtet und das Vorkaufsrecht der Klägerin geschützt. Im weitern spricht die Vorinstanz dem Landerwerb der Burgergemeinde Burgdorf die Eigenschaft ab, als Ersatz für Landveräusserungen zu

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öffentlichen, gemeinnützigen oder kulturellen Zwecken zu dienen.
C.- Mit der vorliegenden Berufung beantragen die beklagten Kaufparteien Aufhebung dieses Urteils und Abweisung der Klage der Gemeinde Eriz. Sie machen geltend, die Vorinstanz habe in zwei Punkten Bundesrecht verletzt, nämlich
a) Art. 17 Abs. 1 EGG durch Misskennung des Begriffes "Alpweiden",
b) Art. 10 lit. b EGG durch Misskennung des Begriffes der Rechtsgeschäfte, die dem Ersatz von zu den dort genannten Zwecken veräusserten Liegenschaften dienen.
Zum Hauptpunkte wird in der Berufung ausgeführt, der Begriff "Alpweide" im bernischen EG sei identisch mit dem gleichen bundesrechtlichen Begriff in Art. 17 EGG. Die unrichtige Subsumtion des Scheidzauns unter denselben bedeute daher eine Bundesrechtsverletzung. Mangels einer sicheren Begriffsumschreibung müsse man von der feststehenden Definition des "landwirtschaftlichen Heimwesens" und eines "Bergbauernbetriebes im Berner Oberland" (BGE 81 I 107 ff., 255) ausgehen; was hierunter falle, könne e contrario keine Alpweide sein. Nun habe der gerichtliche Experte Wyss die Frage, ob der Scheidzaun ohne die Alpweiden einer Bauernfamilie eine genügende Existenzgrundlage biete, entschieden bejaht. Sei aber der Scheidzaun ohne Alpweiden ein landwirtschaftliches Heimwesen, so sei er es mit diesen erst recht, also könne er selber keine Alpweide sein. Der Experte habe offensichtlich, aber zu Unrecht Alpbetrieb mit Alpweide gleichgesetzt. Die Detailergebnisse des Beweisverfahrens bestätigten den Schluss auf ein landwirtschaftliches Heimwesen. Der Verkäufer Ramseier habe in 25jähriger Pionierarbeit und Überwindung der Natur aus einer früheren Alpweide einen Bauernhof geschaffen. Das Institut des Vorkaufsrechts an Alpweiden bilde eine Ausnahme vom Regelfall des Freiverkaufs und einen schweren Einbruch in die nach unserer Rechtsordnung grundsätzlich herrschende Vertrags- und

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Eigentumsfreiheit, weshalb von dem Recht sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen sei. Nur bei klaren Verhältnissen, wenn es sich zweifellos um eine Alpweide handle, solle das Vorkaufsrecht beansprucht werden können. Der Scheidzaun stelle nun auch nach Auffassung der Vorinstanz einen Grenzfall dar. Das Hauptziel des EGG sei die Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe; dieser agrarpolitischen ratio legis hätten sich allfällige andere Bestrebungen einzelner Nebenbestimmungen unterzuordnen. Die Zielsetzung des Art. 17, die Schaffung öffentlich-rechtlicher Alpweiden, müsse ihre Grenze finden an dem kategorischen Gebot, dass ohne zwingenden Grund kein Bauernbetrieb untergehen dürfe. Dieses Los aber wäre dem Scheidzaun beschieden, wenn die Gemeinde Eriz ihn bekäme, denn sie würde ihn wieder zu einer Alpweide degenerieren lassen, sodass die jahrzehntelange Aufbauarbeit Ramseiers zunichte gemacht würde, welcher Schildbürgerstreich allen Massnahmen für Bauernhilfe Hohn spräche.
D.- Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung an.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Frage, ob der Scheidzaun eine Alpweide im Sinne des Art. 17 EGG und des Art. 6 des bernischen EG zu diesem sei, ist eine Rechtsfrage, da es sich um die Auslegung eines gesetzlichen Begriffes handelt; und zwar ist sie eine Rechtsfrage des Bundesrechts, da Art. 17 EGG, der die Rechtsgrundlage für den Erlass des Art. 6 EG bildet, den Begriff enthält, der im kantonalen Recht der gleiche sein muss. Insoweit das kantonale Recht über den ihm durch Art. 17 EGG gezogenen Rahmen hinausginge, wäre es durch diesen nicht gedeckt und könnte keine Geltung beanspruchen. Das EGG definiert den Begriff "Alpweide" nicht, und dieser lässt sich auch nicht aus andern Bundesgesetzen ableiten. Der Hauptbestandteil der Wortverbindung, das Wort "Weide", bedeutet zum Weiden des Viehs - im Gegensatz zur Heugewinnung für die

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Winterfütterung - bestimmtes Land, während das Bestimmungswort "Alp" voraussetzt, dass die Weide auf einer gewissen Meereshöhe liege (über den Begriff Alp vgl. A. STRÜBY, Die Alp- und Weidewirtschaft in der Schweiz, Solothurn 1914, S. 23 ff.; F. SCHNEITER, Alpwirtschaft, Graz 1948, S. 231 ff.). Zum Begriff "Weide" gehört an sich nur das Land, Gebäude sind nicht nötig. Dagegen wird man für den Begriff "Alp, Alpweide" im wirtschaftlichen Sinne die für den Alpbetrieb erforderlichen Baulichkeiten miterfordern, wozu die Alp- oder Sennhütte gehört. Auf jeden Fall aber gehört zur Alp oder Alpweide, da sie regelmässig nur im Sommer bewirtschaftet wird, nicht ein eigentliches Wohnhaus. Nun aber weist das Hauptgebäude des Scheidzaunes, namentlich auch angesichts seiner innern Einrichtung, zweifellos den Charakter eines Wohnhauses, nicht mehr den einer blossen Sennhütte auf, und Ramseier führte dort einen Ganzjahresbetrieb mit erheblichem eigenen Viehstand und entsprechender Heugewinnung, mit Kartoffel- und sogar Getreidebau, und wohnte mit seiner Familie das ganze Jahr dort. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass der untere Scheidzaun mit dem Hauptgebäude, dem eigenen Viehstand und den Nebenbetrieben (Getreide- und Kartoffelbau, Schaf-, Schweine- und Hühnerhaltung) für sich allein betrachtet, trotz der Berglage als landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG angesprochen werden müsste, während dem obern Teil, wäre er abgetrennt, der Charakter einer Alpweide nicht bestritten werden könnte. Es handelt sich mithin, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, um einen ausgesprochenen Grenzfall.
Wenn das Bundesgesetz solche Fälle gemischten Charakters nicht auch noch mit besonderen Bestimmungen berücksichtigt hat, so liegt darin keine Lücke des Gesetzes. Im Rahmen des bundesrechtlichen Begriffes der "Alpweide" können die besonderen regionalen Verhältnisse hinsichtlich der Besiedelungs- und Bewirtschaftungsformen der Berggebiete eine Rolle spielen und bei der

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Subsumtion eines Grenzfalles berücksichtigt werden. Der einheitliche Begriff schliesst nicht aus, dass in einem Kanton ein in eine von jeher als Alpweide betriebene Bergliegenschaft im Laufe der Jahre gleichsam hineingewachsenes Bergheimwesen die vorherrschende Eigenschaft des Ganzen als einer Alpweide unverändert lässt, ohne dass damit für einen andern Fall in einem andern Bergkanton mit vielleicht ganz anderen Formen der alpinen Siedlung und Landwirtschaft ein Präjudiz geschaffen würde.
Für die Beantwortung der Frage, unter welche der beiden in Betracht fallenden Kategorien, Alpweide oder landwirtschaftliches Gewerbe, der Grenzfall "Scheidzaun" zu subsumieren sei, hat die Vorinstanz darauf abgestellt, was nach der Meinung der Experten von Merkmalen der einen oder der andern Kategorie überwiege, und ist zum Ergebnis des Überwiegens der Alpweide-Komponente gelangt. Die Beklagten wenden demgegenüber ein, das Streitobjekt weise die typischen Merkmale eines landwirtschaftlichen Heimwesens bzw. eines bäuerlichen Gewerbes auf, wie sie in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung umschrieben wurden; was aber ein solches sei, könne keine Alpweide sein. Es erscheint indessen nicht ausser jedem Zweifel, ob diese Abgrenzung so exklusiv ist und ob sich nicht vielmehr Fälle denken lassen, wo sich die beiden Kategorien überschneiden. Art. 6 Abs. 2 des bernischen EG bestimmt, dass das Vorkaufsrecht (an Alpweiden) dahinfällt, wenn ein Verwandter sein Vorkaufsrecht ausübt. Da nach Art. 6 mit Bezug auf Alpweiden nur Körperschaften, keine natürlichen Personen vorkaufsberechtigt sind, kann es sich bei dem konkurrierenden Vorkaufsrecht des Verwandten nur um dasjenige gemäss Art. 6 EGG/Art. 3 EG an landwirtschaftlichen Gewerben handeln; es ist offenbar an den Fall gedacht, wo eine Alpweide einen wesentlichen Teil eines landwirtschaftlichen Gewerbes bildet und vermöge dieses Zusammenhanges in der Konkurrenz der beiden Vorkaufsrechte demjenigen des Verwandten am Heimwesen vor dem der Körperschaft an der Alpweide der

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Vorzug zukommt. Ähnlich ist aber auch denkbar, dass beim Verkauf eines gemischten Besitzes wie des Scheidzauns ein Verwandter das Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG gestützt auf die tatsächlich ja auch gegebene Eigenschaft eines landwirtschaftlichen Betriebes, anderseits eine Körperschaft dasjenige gemäss Art. 17 im Hinblick auf den vorwiegenden Alpweidecharakter des ganzen Besitzes geltend machen würden, sodass die beiden Vorkaufsrechte in Konkurrenz ständen. In diesem Falle kann sich fragen, ob das Überwiegen des Alpcharakters des Ganzen die Bevorzugung des Vorkaufsrechts an Alpweiden und die Verdrängung desjenigen am Heimwesen zu rechtfertigen vermöchte, oder ob nicht das letztere in Ansehung der ratio legis als das qualitativ stärkere geschützt werden müsste, wie es Art. 6 Abs. 2 des bern. EG tut.
So aber liegt die Sache hier nicht; es macht kein Verwandter das Vorkaufsrecht auf das Heimwesen geltend, und die Gemeinde Eriz steht mit ihrem Anspruch aus dem Titel der Alpweide allein den Kaufparteien gegenüber. Wenn bei dieser Situation die Vorinstanz gestützt auf die Gutachten auf den wirtschaftlich überwiegenden Betriebstypus abgestellt, den Alpweidecharakter bejaht und das Vorkaufsrecht der klagenden Gemeinde geschützt hat, kann von einer Verletzung von Bundesrecht nicht gesprochen werden. Bei der Auslegung eines aus dem praktischen Leben herausgewachsenen Rechtsbegriffes wird der Tatsachenrichter mit Recht nicht ohne Not von der Auffassung der Fachleute abweichen, ebensowenig die Berufungsinstanz vom Beweiswürdigungs- und Ermessensentscheid des kantonalen Gerichts. Bei dieser Subsumtion kommt es übrigens weniger auf die Ertragsberechnungen in Zahlen an, als auf den allgemeinen Charakter der ganzen Liegenschaft. Bis 1930 war der Scheidzaun zweifellos ein reiner Alpbetrieb. Seither ist er in seinem oberen Teil ein solcher geblieben, während im untern Teil ein Jahresbetrieb geschaffen wurde. Würden der obere und der untere Scheidzaun voneinander getrennt, so ist klar, dass der obere als

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Alpweide, der untere als Bergheimwesen betrachtet würden und bezüglich des obern das Vorkaufsrecht nach Art. 17, bezüglich des untern das - hier nicht geltend gemachte - nach Art. 6 EGG anwendbar wäre. Verkauft wurde aber in casu das ganze Besitztum, und mit Bezug auf dieses Ganze wird das Vorkaufsrecht geltend gemacht. Mit Bezug auf das ganze Besitztum aber ist der Charakter als Alp durch die seit 1930 im untern Teil eingetretene Änderung der Bewirtschaftung nicht geändert worden. Nach dem Gutachten Tschumi entspricht die ursprüngliche und die gegenwärtige Nutzungsart und Bewirtschaftungsweise derjenigen vieler hochgelegener Objekte des Oberemmentals, wo auf zahlreichen Alpweiden das ganze Jahr ein Hirt haust, der den Sommer über die fremden Sömmerungsrinder besorgt, daneben eigenes Vieh halten kann, für dessen Überwinterung Dürrfutter gewinnt und zur Selbstversorgung etwas Ackerbau betreibt. Auch wenn im Eriz und im angrenzenden Emmental hinsichtlich der Betriebsformen alle Übergänge vom eigentlichen Heimwesen zum Alpbetrieb vorkommen, so darf nach den Experten mit Fug angenommen werden, dass es sich beim Scheidzaun entsprechend den natürrlichen und betriebswirtschaftlichen Bedingungen um eine solche Alpweide mit Hirtsystem handelt.
Der Einwand der Beklagten, dass durch die Anwendung des Vorkaufsrechts nach Art. 17 EGG dem Hauptgedanken des Gesetzes, nämlich der Erhaltung bäuerlicher Betriebe, zuwidergehandelt würde, trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die klagende Gemeinde Eriz macht ihr Vorkaufsrecht nicht gegenüber einem bäuerlichen, sondern gegenüber einem ebenfalls kommunalen Käufer, nämlich der Burgergemeinde Burgdorf geltend; und da kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Bejahung des Vorkaufsrechts im Sinne der Landwirtschaftsgesetzgebung liegt, welche die Überführung privater Alpweiden in das Eigentum der Gemeinden fördern will (Art. 17 Abs. 1 EGG), aber - nach Art. 6 des bern. EG - nicht auswärtiger Gemeinden, sondern

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laut Ziff. 2 "der Gemeinde der gelegenen Sache" und gegenüber "ausserhalb des Berggebietes" wohnenden Käufern. Art. 17 bezweckt, den Bergbauern die für ihre Existenz unentbehrlichen Sömmerungsalpen dauernd zu erhalten, da ohne Alpbestossung ein Kleinbetrieb im Tal meist nicht wirtschaftlich existenzfähig wäre (JOST, Handkommentar zum EGG, Art. 17 N. 1). Die Schaffung von Gemeindealpen zur Nutzung der ortsansässigen kleinen Bergbauern, die sich nicht eigene private Alpweiden leisten, anderseits ihr Vieh nicht in die Ferne zur Sömmerung schicken könnten, verfolgt zweifellos auch ethische, die Erhaltung landwirtschaftlicher Heimwesen fördernde Zwecke. Die Gemeinde, in deren Gebiet die Alpweide liegt und die ihrer in diesem Sinne für ihre eigenen selbständigen Bauern bedarf, verdient nach Sinn und Geist des Gesetzes den Vorzug vor einer auswärtigen Stadt, die in erster Linie eine Kapitalanlage sucht.
Der Hinweis darauf, mit dem Schutz des Vorkaufsrechts der Gemeinde Eriz werde das Pionierwerk des Verkäufers Ramseier dem Untergang geweiht, ist unbehelflich. Die Frage, ob das Alpheimwesen auf dem untern Scheidzaun als solches weiter ganzjährig betrieben werde, ist durchaus offen; die Gemeinde Eriz kann es so gut wie die Gemeinde Burgdorf an einen Landwirt verpachten, der das Heimwesen in der bisherigen Weise betreibt und daneben das Vieh seiner Erizer Gemeindegenossen sömmert. Es steht keineswegs fest, dass der Scheidzaun in der Hand der Klägerin wieder zu einer ausschliesslichen Alpweide und das Wohnhaus zu einer Alphütte absinke.
Noch weniger ist der Einwand am Platze, der Beklagte Ramseier persönlich habe dieses Schicksal seines Werkes nicht verdient. Der Verkäufer wird durch die Ausübung des Vorkaufsrechts in seiner Freiheit und seinen Interessen nicht berührt. Er war frei zu entscheiden, ob er den Scheidzaun ungeteilt als Ganzes oder nur einen Teil oder beide Teile getrennt verkaufen wollte. Er hat nicht an eine ihm nahestehende Person verkauft, und keine solche macht ein

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Vorkaufsrecht nach Art. 6 EGG geltend. Er erhält von der Klägerin den Preis, den er von der Käuferin erhielte.
Es muss mithin bei der Subsumtion der Vorinstanz sein Bewenden haben.
Die Vorinstanz hat die - unter den Parteien ebenfalls streitige - grundsätzliche Frage offen gelassen, ob diese Bestimmung des Art. 10 EGG in Ansehung ihrer Stellung im Gesetze - vor dem Art. 17 betreffend Alpweiden - und der Verweisung darauf in Art. 6 Abs. 3 lit. b überhaupt auf das Vorkaufsrecht gemäss Art. 17 anwendbar sei, weil selbst im Falle der Anwendbarkeit die Voraussetzung des Ersatzerwerbes hier fehle. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Bei der Auslegung der gleichlautenden Voraussetzungen in Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG betreffend Nichtanwendbarkeit des Einspruchsverfahrens hat das Bundesgericht entschieden, es genüge nicht, dass der Erwerb der öffentlichen Hand lediglich im Hinblick auf noch unbestimmte öffentliche Bedürfnisse, wie Schaffung einer Landreserve, getätigt werde, vielmehr sei eine Widmung für konkrete, bestimmte Zwecke gemeint (BGE 80 I 413 E. 4, BGE 83 I 70 E. 2). Ein solcher enger, konkreter Zusammenhang muss auch beim Ersatzerwerb im Sinne von Art. 10 verlangt werden. In der Tat liegt - unter Berücksichtigung des Zweckes des Gesetzes - im Sinn des Wortes Ersatz das Erfordernis, dass das Ersatzgrundstück seiner Natur nach gleiche oder mindestens ähnliche Eigenschaften aufweise und zu einem analogen kommunalen Zwecke verwendbar sei wie das zu ersetzende Land. Es leuchtet nun

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nicht ein, inwiefern die Erwerbung des Scheidzauns im Eriz im Bezirke Thun, in mehr als 40 km Entfernung von Burgdorf, dieser Burgergemeinde als Ersatz dienen könnte für Land, das sie im Laufe der letzten 25 Jahre für städtische Zwecke abgegeben haben mag, in der Hauptsache an die Einwohnergemeinde Burgdorf und an Burgdorfer Baugenossenschaften, also im Stadtgebiet gelegene Baugrundstücke. Die Exemptionsbestimmung des Art. 10 EGG kann keinesfalls den Sinn haben, dass den Gemeinden ein Privileg für die blosse Wiederinvestierung freigewordener Kapitalien in Liegenschaften verschafft werden soll. Als "Ersatz" für abgegebene Grundstücke können nur solche in Betracht kommen, die nach Lage und Beschaffenheit gerade das, was weggegeben werden musste, hinsichtlich der speziellen Funktionen desselben im Gemeindehaushalt zu ersetzen geeignet sind. Veräussertes Bauland im Stadtgebiet von Burgdorf kann in diesem funktionellen Sinne nicht durch eine Alpweide mit Bergheimwesen im hintersten Emmental auf 1200-1400 m ü.M. ersetzt werden. Und so weit die Burgergemeinde Burgdorf den Scheidzaun selber zu Weidzwecken zu verwenden beabsichtigen sollte, hat eben die Gemeinde der gelegenen Sache nach Art. 6 bern. EG das Vorrecht vor der Stadt im Unterland.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 3. Juli 1957 bestätigt.