BGE 85 II 318 |
52. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1959 i.S. B. gegen T. |
Regeste |
Gewöhnliche Vaterschaftsklage. |
Wohnsitz einer Braut, die sich zur Vorbereitung der Heirat an den als eheliches Domizil in Aussicht genommenen Ort begeben hat (Art. 23 ZGB). |
Sachverhalt |
A.- Frl. B., geb. 1934, und das von ihr am 14. Juni 1957 in Thun geborene Kind leiteten am 22. Januar 1958 beim Friedensrichteramte Zollikon und am 8. April 1958 beim Bezirksgerichte Zürich gegen den in Rom wohnhaften italienischen Staatsangehörigen T., geb. 1920, mit dem die Erstklägerin verlobt gewesen war, Vaterschaftsklage ein. Das Hauptbegehren dieser Klage ging auf Zusprechung des Kindes mit Standesfolge und Verurteilung des Beklagten zu Vermögensleistungen an die Mutter und das Kind, das Eventualbegehren nur auf Vermögensleistungen. |
B.- Am 13. November 1958 wies das Bezirksgericht Zürich die "Klagen" von der Hand, weil die Hauptklage als Statusklage der Gerichtsbarkeit der Heimat des Beklagten unterliege und die Eventualklage nur für den Fall erhoben worden sei, dass die Hauptklage als materiell unbegründet abgewiesen würde.
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Gegen diesen Entscheid rekurrierten die Klägerinnen an das Obergericht mit dem Antrag, er sei bezüglich der Vonderhandweisung der Eventualklage aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, diese an Hand zu nehmen. Der Beklagte beantragte Gutheissung des Rekurses in dem Sinne, dass das Bezirksgericht anzuweisen sei, über die gegenüber der Eventualklage erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zu entscheiden. Am 3. Februar 1959 wies das Obergericht (II. Zivilkammer) in Gutheissung des Rekurses die Vorinstanz (das Bezirksgericht) an, "sich mit der von den Klägerinnen als Eventualklage erhobenen Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen zu befassen und vorweg über ihre örtliche Zuständigkeit für diese Klage zu entscheiden". |
C.- Das Bezirksgericht verneinte daraufhin seine örtliche Zuständigkeit für die Beurteilung der Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen und wies diese am 11. Juni 1959 von der Hand, weil die Erstklägerin zur Zeit der Geburt ihres Kindes nicht im Gerichtsbezirk Zürich, sondern in Rom Wohnsitz gehabt habe, wo sie in der ersten Hälfte Dezember 1956 die vom Beklagten im Hinblick auf die geplante Heirat gemietete und zum Teil mit ihrem Geld eingerichtete Wohnung an der Via Nomentana bewohnt hatte.
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Auf neuen Rekurs der Klägerinnen hin hat das Obergericht (II. Zivilkammer) diesen Entscheid am 7. August 1959 aufgehoben und das Bezirksgericht angewiesen, "auf die von den Klägerinnen als Eventualklage erhobene Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen materiell einzutreten", weil die Erstklägerin in Rom keinen Wohnsitz begründet, sondern mindestens bis zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes ihren früheren Wohnsitz in Zollikon beibehalten habe.
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D.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt der Beklagte wie im kantonalen Verfahren, die zürcherischen Gerichte seien als örtlich unzuständig zu erklären. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
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Erwägungen: |
1. Die einfache, nur auf Vermögensleistungen gerichtete Vaterschaftsklage kann nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 312 ZGB auch dann am schweizerischen Wohnsitz der klagenden Partei zur Zeit der Geburt angebracht werden, wenn der Beklagte, wie es hier zutrifft, ein im Ausland wohnhafter Ausländer ist (BGE 82 II 572 Erw. 2 und dortige Hinweise, BGE 84 II 605 Erw. 2 am Ende, BGE 85 II 82). Ob die klagende Partei im Sinne von Art. 312 ZGB zur Zeit der Geburt des Kindes in der Schweiz Wohnsitz gehabt und wo sich gegebenenfalls dieser Wohnsitz befunden habe, beurteilt sich nach schweizerischem Recht. |
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Erstklägerin, bevor sie sich nach Rom begab, in Zollikon Wohnsitz hatte. Sie besass dort vom 1. April 1956 bis Ende Februar 1957 eine Wohnung. Ebenso ist unbestritten, dass sie in der Zeit zwischen der Rückkehr von ihrem letzten Aufenthalt in Rom (der vom 12. November bis gegen Mitte Dezember 1956 gedauert hatte) und der Geburt ihres Kindes (14. Juni 1957) keinen neuen Wohnsitz begründete. Vorausgesetzt, dass sie dies auch in Rom nicht getan hatte, war also gemäss Art. 24 Abs. 1 ZGB zur Zeit der Geburt des Kindes immer noch Zollikon ihr Wohnsitz. Hatte sie dagegen in Rom einen Wohnsitz erworben, so war ihr Wohnsitz zur Zeit der Geburt nicht mehr Zollikon, sondern hat als solcher Rom oder, falls sie den dortigen Wohnsitz inzwischen aufgegeben hatte, gemäss Art. 24 Abs. 2 ZGB der Ort zu gelten, wo sie sich zur Zeit der Geburt aufhielt, also Thun. Für den Entscheid über die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Zürich, in dessen Amtskreis Zollikon liegt, ist also ausschlaggebend, ob die Erstklägerin in Rom einen Wohnsitz erworben habe oder nicht.
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3. Zu dieser Frage hat die Vorinstanz im wesentlichen ausgeführt, Art. 23 Abs. 1 ZGB stelle für die Begründung eines Wohnsitzes zwei Erfordernisse auf: ein objektives, äusseres, den Aufenthalt, und ein subjektives, inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Das erste Erfordernis habe die Erstklägerin mit Bezug auf Rom erfüllt, indem sie sich nach ihrer am 8. November 1956 erfolgten polizeilichen Abmeldung von Zollikon ungefähr von Mitte November bis Mitte Dezember 1956 in Rom aufgehalten und dabei ungefähr 14 Tage lang sogar die im Hinblick auf die Eheschliessung gemietete Wohnung benützt habe. Dagegen fehle es am zweiten Erfordernis, der Absicht dauernden Verbleibens. Ein Mädchen, das an den Wohn- und Arbeitsort des Bräutigams übersiedle in der Absicht, ihn zu heiraten, werde zwar regelmässig den Willen haben, sich dort dauernd niederzulassen. Diese Absicht bestehe jedoch nicht, wenn die Braut noch nicht sicher mit der Heirat rechne und für den Fall, dass diese nicht zustandekomme, einen weitern Aufenthalt am neuen Ort nicht in Betracht ziehe. So verhalte es sich hier. Da erhebliche äussere und innere Widerstände gegen die beabsichtigte Heirat vorhanden gewesen seien und die Erstklägerin dann im Dezember 1956 unvermittelt in die Schweiz zurückgekehrt sei, wo sie ihre bisherige Wohnung beibehalten hatte, verbiete sich die Annahme, dass sie von vornherein mit der festen und bestimmten Absicht nach Rom gezogen sei, dort unter allen Umständen für längere Zeit zu verweilen. Aus ihren Äusserungen und ihrem sonstigen Verhalten sei vielmehr zu schliessen, dass sie nie gewillt gewesen sei, schon vor dem Zustandekommen der Heirat mit dem Beklagten sich dauernd in Rom niederzulassen und dort Wohnsitz zu nehmen. Daher habe sie in Rom keinen Wohnsitz begründet. |
Die Feststellungen über das Verhalten der Erstklägerin und andere äussere Tatsachen, welche die Vorinstanz mit diesen Ausführungen getroffen hat, sind gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich. Das gleiche gilt aber auch für die Feststellungen über die innere Einstellung der Verlobten und ihrer Umgebung zur geplanten Heirat und über die aus äussern und innern Momenten erschlossenen Absichten, welche die Erstklägerin hegte, als sie sich im November 1956 nach Rom begab und ungefähr einen Monat lang dort verweilte; denn auch diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse. Was der Beklagte gegen diese Feststellungen einwendet, bedeutet eine Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz, die gemäss Art. 55 lit. c OG nicht gehört werden kann. Ist demnach davon auszugehen, dass die Erstklägerin nur in dem von ihr als ungewiss betrachteten Falle einer Heirat mit dem Beklagten dauernd in Rom zu bleiben gedachte, so ist der rechtlichen Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass die Erstklägerin in Rom keinen Wohnsitz begründet habe, auf jeden Fall dann beizupflichten, wenn man mit der Vorinstanz annimmt, bei der nach Art. 23 Abs. 1 ZGB erforderlichen Absicht dauernden Verbleibens handle es sich um ein subjektives, inneres Moment, m.a.W. es sei damit die bestimmte innere Absicht der betreffenden Person gemeint, an einem Orte dauernd (d.h. nicht bloss vorübergehend) zu verbleiben. |
Der angefochtene Entscheid ist aber auch dann zu bestätigen, wenn man das Erfordernis der Absicht dauernden Verbleibens an einem Aufenthaltsorte dahin auslegt, dass die in Frage stehende Person an diesem Orte objektiv den Mittelpunkt oder Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen haben muss (vgl. in diesem Sinne z.B.BGE 38 II 254,BGE 41 I 453,BGE 64 II 403,BGE 69 I 14oben,BGE 69 II 280,BGE 77 I 118, BGE 82 II 574 vor lit. b, BGE 83 II 500 oben). Es kann keine Rede davon sein, dass die Erstklägerin von Mitte November 1956 an ihren Lebensmittelpunkt in Rom gehabt habe; denn ihr dortiger Aufenthalt diente einstweilen nur einem begrenzten Sonderzwecke, der Vorbereitung der Heirat (Einrichtung der Wohnung, Konversion). Erst mit der Heirat, die nicht zustandekam, wäre Rom zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen geworden (was freilich nicht zum Erwerb eines selbständigen Wohnsitzes geführt hätte, da sie von der Heirat an unter Vorbehalt von Art. 25 Abs. 2 ZGB von Gesetzes wegen den Wohnsitz des Ehemannes geteilt hätte). Auch wenn man bei der Anwendung von Art. 23 ZGB in Übereinstimmung mit den angeführten Präjudizien auf das erwähnte objektive Kriterium abstellt, kann also nicht angenommen werden, dass die Erstklägerin im November/Dezember 1956 in Rom einen Wohnsitz begründet habe. Es widerspricht einer natürlichen Betrachtungsweise, den Wohnsitzwechsel schon vor dem für die Gestaltung der Lebensverhältnisse entscheidenden Ereignis der Heirat eintreten zu lassen, wenn sich eine Braut nur deshalb schon vor der Heirat an den als eheliches Domizil in Aussicht genommenen Ort begibt, um dort Vorbereitungen für die Heirat zu treffen. |