BGE 102 II 292 |
43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Mai 1976 i.S. Birchler & Co. gegen Lattoflex Degen AG. |
Regeste |
Unlauterer Wettbewerb. |
Das trifft dann zu, wenn der gute Ruf eines Mitbewerbers oder seines Erzeugnisses ausgebeutet wird (Erw. 7). |
Sachverhalt |
A.- Die Lattoflex Degen AG stellt Untermatratzen her, die sie unter dem Namen "Lattoflex" auf den Markt bringt. Auch die Birchler & Co. AG fabriziert seit 1971 Untermatratzen und verkauft sie unter der Bezeichnung "Bico-flex". Dafür wurde ihr auf Gesuch vom 9. Februar 1971 hin das Patent Nr. 513'623 erteilt.
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B.- Am 19. März 1973 klagte die Lattoflex Degen AG gegen die Birchler & Co. AG u.a. auf Feststellung, dass die Beklagte durch Versendung des Schreibens: "Betrifft: Bicoflex-Untermatratze-Muba 1972" vom 7. April 1972 gegen Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG verstossen habe.
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Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen schützte am 30. Juni 1975 das Feststellungsbegehren nach Art. 1 Abs. 1 UWG und sprach der Klägerin Fr. 10'000.-- Schadenersatz zu.
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Auf Berufung der Beklagten bestätigte das Bundesgericht das vorinstanzliche Urteil.
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Aus den Erwägungen: |
"Betrifft: bico-flex - Untermatratze - MUBA 72
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Sehr geehrte Herren,
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Wir haben eine neue, sensationelle Untermatratze als Gegenprodukt zur "Lattoflex" entwickelt, unsere neue bico-flex-Matratze (+ Patent Nr. 513'623).
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6. Die Beklagte bezeichnet die Ansicht des Handelsgerichts, das streitige Schreiben verstosse nicht gegen Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG, sondern gegen die Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG, als widersprüchlich. Ob diese Rüge zutrifft, hängt davon ab, ob die vergleichende Reklame, die weder unwahr, irreführend noch unnötig verletzend ist, gegen Art. 1 Abs. 1 UWG verstossen kann (vgl. auch GERMANN, Vergleichende Reklame, WuR 1954 S. 269 und 275; GERMANN, zum Leistungsprinzip im Wettbewerbsrecht, WuR 1968 S. 157). Das Bundesgericht bezeichnet im Entscheid 94 IV 38 die vergleichende Werbung als zulässig, wenn sie weder unwahr, irreführend noch unnötig herabwürdigend ist. Es nimmt dabei Bezug auf das Urteil 87 II 116, wo es an der Rechtsprechung zu "Art. 48 OR" (richtigerweise Art. 50 aOR und Art. 48 rev. OR) festhielt. Dabei führte es insbesondere aus, das UWG erlaube jedem, den andern mit der eigenen Leistung zu übertreffen und im Wettkampf zu schlagen (Leistungsprinzip), sofern er dadurch nicht gegen Treu und Glauben verstosse. Art. 1 Abs. 2 UWG nenne denn auch die vergleichende Werbung nicht als Beispiel des unlauteren Wettbewerbs, obwohl sich bei Erlass des Gesetzes die Frage ihrer Zulässigkeit gestellt habe. Gegenteils sei aus Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG zu schliessen, dass der Gesetzgeber nur bestimmte Formen der vergleichenden Werbung habe verbieten wollen. Diese Vorschrift untersage dem Bewerber Äusserungen über die Konkurrenten, ihre Waren, Werke und Leistungen oder Geschäftsverhältnisse nicht schlechthin, sondern nur, wenn sie unrichtig, irreführend oder unnötig verletzend seien. |
Diese Argumentation überzeugt mindestens insofern nicht, als sie die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung bloss unter dem Gesichtswinkel des Art. 1 Abs. 2 lit. a (und wohl auch lit. b) UWG beurteilt. Nach der Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG ist unlauterer Wettbewerb jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. Art. 1 Abs. 2 lit. a-h UWG nennt Fälle unlauteren Wettbewerbs. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend. Auch andere Handlungen können unlauter sein, wenn sie der Umschreibung des Art. 1 Abs. 1 UWG entsprechen und den Mitbewerber im Sinne des Art. 2 UWG in seiner Kundschaft, in seinem Kredit oder beruflichen Ansehen usw. schädigen oder gefährden (BGE 72 II 390 /91). Unwahre, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen sind also nicht die einzigen Mittel, die geeignet sein können, eine vergleichende Werbung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Gerade weil Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG die vergleichende Werbung nicht eigens nennt, hindert nichts, sie nicht bloss nach den besonderen Merkmalen dieser Bestimmung, sondern umfassend im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben zu würdigen, ohne dass sie schlechthin als unlauter abzulehnen ist. Dass sie im Wettbewerb üblich sei und sich allgemein durchgesetzt habe, wie die Beklagte behauptet, ändert nichts. Es mag zutreffen, dass ihre Verpönung nur unter den in Art. 1 Abs. 2 lit. a und b umschriebenen Voraussetzungen der Vorzug einer klaren und leicht zu handhabenden Regelung hat. Die Sondertatbestände des UWG können aber, so vollständig sie auch scheinen mögen, die Generalklausel nicht ersetzen (vgl. GERMANN, Zur Generalklausel des UWG SJZ 40 S. 286). Diese allein erlaubt, die Vielfalt des Wettbewerbes zu erfassen, daher den vollen Schutz des Gesetzes zu gewähren.
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Diese Erkenntnis liegt verschiedenen Entscheiden vor und nach Erlass des Wettbewerbsgesetzes zugrunde. So führte das Bundesgericht i.S. Migros AG c. Henkel AG (BGE 58 II 461 /62) u.a. aus, die Beklagte habe in der Reklame in erster Linie deshalb ständig auf das Waschpulver der Klägerin Bezug genommen, um sich dadurch den guten Ruf der Mitbewerberin beim Publikum zunutze zu machen; ein Gewerbetreibender, der sich mit einem Erzeugnis bekannt gemacht habe, brauche sich aber nicht gefallen zu lassen, dass Mitbewerber bei der Anpreisung ihrer Waren ständig auf seinen Namen oder sein Erzeugnis hinweisen, um so seine mit Mühe und Geld erzielten Erfolge kostenlos für sich auszubeuten; es widerspreche unter den gegebenen Umständen den Regeln eines lautern Konkurrenzkampfes, dass sich die Beklagte in ihrer Reklame Ausdrücken wie, "Ersatz für Persil", "Kein Persil aber gleich gut" und dergleichen bediente. BGE 70 II 249 ff. prüft u.a. unter persönlichkeits- und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten, ob der Ruf der "Unip"-Klingen zugunsten der "Unic"-Apparate ausgenützt werde. BGE 72 II 390 /91 anerkennt, dass unlauterer Wettbewerb nach der Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG in der Ausnützung des bekannten Rufes eines Konkurrenten liegen kann. Im Entscheid 72 II 397/98 sagt ferner das Bundesgericht, insbesondere könne unlauterer Wettbewerb "auch erfüllt sein durch die Ausnützung einer Verkehrsgeltung, die nicht als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller, sondern als Hinweis auf eine bestimmte Qualität der Ware wirkt...", und es genüge "schon jede Massnahme, die dazu angetan ist, den guten Ruf des Mitbewerbers auszubeuten und ihn dem eigenen Angebot des Nachahmers als Vorspann dienstbar zu machen". Nach BGE 79 II 182 ff. kann der Gebrauch einer gesetzmässigen Firma unter Umständen unlauterer Wettbewerb sein, wobei nicht klar gesagt wird, ob im konkreten Fall gegen Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG oder allgemein gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen wurde. Dass das Bundesgericht auch die Generalklausel als verletzt betrachtete, ergibt sich aber aus dem Vorwurf (a.a.O. S. 191), die Wahl der Firma "Laboratoire André de Trey S.A. Genève" verstosse deshalb gegen Treu und Glauben, weil damit die Beklagte missbräuchlich den Ruf, den die Klägerin unter der Bezeichnung "de Trey frères S.A." erlangt hatte, auszunützen trachtete. Diese Rechtsprechung schafft zu BGE 87 II 114, der sich mit ihr nicht auseinandersetzt, keinen Gegensatz, sondern fasst den Anwendungsbereich des Gesetzes weiter. Das gilt auch für zwei neuere Urteile, wo das Bundesgericht die Frage stellte und offen liess, ob planmässige Annäherung an eine fremde Warenausstattung in der Absicht, den guten Ruf des Konkurrenzerzeugnisses auszunützen, als unlauterer Wettbewerb nach der Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG zu werten sei (BGE 95 II 198 /99, BGE 95 II 469 /70). Wie in diesen Entscheiden, so geht es im Urteil BGE 87 II 114 um sogenannte anlehnende Werbung. Sie ist als besondere Spielart der vergleichenden Werbung nach Art. 1 Abs. 1 UWG mindestens dann als missbräuchlich zu verwerfen, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt und verletzend in der Form ist (vgl. GERMANN, Zur Generalklausel des Wettbewerbsgesetzes, a.a.O. S. 288; GERMANN, Vergleichende Werbung, a.a.O. S. 288 ff.; GERMANN, Zum Leistungsprinzip im Wettbewerbsrecht, a.a.O. S. 160 ff.; TROLLER, Immaterialgüterrecht II, 2. Aufl. S. 1063 ff.; ferner REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht II, 4. Aufl. S. 214 ff.; TETZNER, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl. S. 121 ff.). |
Es steht fest, dass die Beklagte im Jahre 1971 die Herstellung ihres bewusst als Gegenprodukt zur "Lattoflex"-Matratze geschaffenen Liegemöbel-Gestells aufgenommen und es unter der Bezeichnung "Bico-flex" zu vertreiben begonnen hat. Sie begnügte sich im Schreiben nicht mit dem Hinweis auf ihre Neuentwicklung, sondern fügte bei, dass es sich um ein "Gegenprodukt" zur Lattoflex handle, das dieser in jeder Beziehung ebenbürtig, ja sogar überlegen, aber um mehr als 20% billiger sei. Die Beklagte macht im streitigen Schreiben keine Angaben über Beschaffenheit und Preis ihres Möbels. Sie schreibt vielmehr die offenbar als bekannt vorausgesetzten Eigenschaften der Lattoflex-Matratze ihrem Erzeugnis zu und versucht mit diesem "Gegenprodukt" die Gunst der Kaufinteressenten für sich zu gewinnen. Sie hat es augenscheinlich darauf abgesehen, den guten Ruf eines Mitbewerbers und seines auf dem Markte eingeführten Erzeugnisses der eigenen Werbung dienstbar zu machen. Das ist nach Art. 1 Abs. 1 UWG nicht zulässig. |