BGE 105 II 61
 
10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1979 i.S. Sandoz AG gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 100 lit. i OG, Art. 91 Abs. 1 und 106 PatG.
 
Sachverhalt


BGE 105 II 61 (62):

A.- Die Sandoz AG unterbreitete dem Eidg. Amt für geistiges Eigentum am 22. November 1977 ein Patentgesuch. Die drei Patentansprüche lauten auf chemische Stoffe (1) sowie auf ein Verfahren zu deren Herstellung (2) und deren Verwendung (3). Mit Rücksicht auf den letzten Anspruch wurde das Gesuch nach Art. 87 Abs. 2 lit. a aPatG der amtlichen Vorprüfung unterstellt. Die Sandoz AG war damit einverstanden. In einer Beanstandung der Prüfungsstelle vom 1. Juni 1978 wurde sie aufgefordert, wegen des Stoffanspruches 1, der gemäss Art. 2 Ziff. 4 aPatG nicht patentierbar sei, im Sinne von Art. 144 Abs. 1 PatG einer Verschiebung des Anmeldedatums auf den 1. Januar 1978 zuzustimmen oder das Gesuch auf die Ansprüche 2 und 3 zu beschränken.
In ihrer Antwort vom 21. Juli 1978 wollte die Sandoz AG die Verschiebung nur für den Stoffanspruch 1 gelten lassen, wodurch das Gesuch zwei Anmeldedaten erhalten hätte. Die Prüfungsstelle erläuterte in ihrer Stellungnahme vom 7. Dezember 1978 einlässlich, dass und warum einem solchen Begehren nicht entsprochen werden könne; sie stellte eine Zwischenverfügung in Aussicht, womit das Anmeldedatum für das ganze Gesuch auf den 1. Januar 1978 verschoben werde. In einer Eingabe vom 29. Dezember 1978 hielt die Sandoz AG an ihrer Auffassung fest. Am 5. März 1979 erliess die Prüfungsstelle die angekündigte Verfügung, mit der das Anmeldedatum des Gesuches auf den 1. Januar 1978 verlegt, das ursprüngliche Datum vom 22. November 1977 als massgebend für die Bestimmung des Vorrangs im Sinne von Art. 7 lit. a PatG erklärt und für Nachforschungen eine Gebühr von Fr. 1'200.- erhoben wurde. Die Prüfungsstelle fügte bei, dass ihre Verfügung bei der dem Amt angegliederten Beschwerdekammer angefochten werden könne.
B.- Die Sandoz AG machte von dieser Möglichkeit vorsorglich Gebrauch. Sie führt zudem Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Begehren, das Anmeldedatum ihres Patentgesuches nur bezüglich des Patentanspruches 1 auf den 1. Januar 1978 zu verschieben, das ursprüngliche Datum vom 22. November 1977 für die Ansprüche 2 und 3 sowie für die Bestimmung des Vorrangs aufrechtzuerhalten und die Gebühr für Nachforschungen fallenzulassen.
In einem Begleitschreiben vertritt die Sandoz AG den Standpunkt, das Bundesgericht sei ungeachtet der in Art. 100 lit. i OG enthaltenen Vorschrift zur Beurteilung der Beschwerde zuständig. Es gehe um formalrechtliche Probleme allgemein

BGE 105 II 61 (63):

patentrechtlicher Natur und damit um Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 49 lit. a VwVG; die Streitfragen lägen ausserhalb des Bereiches der amtlichen Vorprüfung gemäss Art. 87 PatG oder beträfen Begehren, die dieser Prüfung nicht unterstellt seien.
C.- Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, da die Beschwerdekammer des Amtes über angefochtene Verfügungen der Prüfstelle zu entscheiden habe.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Aus Art. 49 lit. a VwVG kann die Beschwerdeführerin nichts für ihren gegenteiligen Standpunkt ableiten. Die in dieser Bestimmung erwähnte Verletzung von Bundesrecht ist ein im Verwaltungsverfahren allgemein gültiger Beschwerdegrund. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht dagegen ist besonders geregelt und untersteht eigenen Voraussetzungen. Gegen welche Verfügungen sie zulässig und gegen welche sie ausgeschlossen ist, ergibt sich aus Art. 98 bis 102 OG. Und was mit ihr gerügt werden kann, wird in Art. 104 OG gesagt.
Gemäss Art. 101 lit. i OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber gerade auf dem Gebiet der Erfindungspatente nicht zulässig, wenn es um "Verfügungen im Rahmen der amtlichen Vorprüfung" geht. Eine solche liegt hier vor. Der angefochtene Entscheid wurde von der Prüfungsstelle des Amtes gefällt, und zwar nachdem das Gesuch wegen des Patentanspruches 3 mit Zustimmung der Beschwerdeführerin der amtlichen Vorprüfung unterstellt worden war. Einen solchen Entscheid kann der Patentbewerber, der ganz oder teilweise abgewiesen worden ist, innert zwei Monaten an die Beschwerdekammer weiterziehen (Art. 91 Abs. 1 und 106 PatG); diese entscheidet innerhalb ihrer Zuständigkeit endgültig (Art. 92 Abs. 3 PatG), ist insoweit also dem Bundesgericht als Beschwerdeinstanz in Verwaltungssachen gleichgestellt (BGE 100 Ib 118, BGE 94 I 187 /8 E. 3).


BGE 105 II 61 (64):

Das entspricht nicht nur dem Sinn und Wortlaut der angeführten Bestimmungen, sondern auch der Botschaft zur Revision des PatG (BBl 1976 II 89 ff.). Danach sollte durch die revidierten Art. 88 Abs. 1, 89 Abs. 1, 90 Abs. 1 und 106 PatG eine durch Art. 100 lit. i OG geschaffene Ungewissheit beseitigt werden. Entgegen GRISEL (Droit administratif, S. 501/2) sei nämlich nie beabsichtigt gewesen, mit Art. 100 lit. i OG den Art. 63 PatV2, der die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Patentsachen teilweise zulässt, aufzuheben. Das Bundesgericht sei denn auch sowohl nach wie vor der Revision des OG auf solche Beschwerden gegen Verfügungen des Amtes, welche nicht den technischen Inhalt eines der Vorprüfung unterstellten Patentgesuches bestrafen, eingetreten (Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Mai 1967 i.S. Erard und BGE 100 Ib 126). Indem Art. 88 Abs. 1 PatG die Prüfungsstellen und die Einspruchsabteilungen für die Durchführung der amtlichen Vorprüfung zuständig erkläre, werde verdeutlicht, dass unter den von Art. 100 lit. i OG erfassten Verfügungen solche zu verstehen seien, die von den genannten Organen gemäss Art. 89 Abs. 1 und 90 Abs. 1 PatG getroffen werden. Art. 106 PatG stimme damit überein. Art. 89 Abs. 1 PatG sodann stelle klar, dass die Prüfungsstellen nur für die technische Prüfung der Patentgesuche zuständig seien. Dagegen brauche nicht eigens hervorgehoben zu werden, dass Verfügungen, die im Vorprüfungsverfahren nicht von den Prüfungsstellen oder den Einspruchsabteilungen, sondern vom Amt schlechthin erlassen werden, mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden können (Botschaft, a.a.O., S. 91/92 und 97).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.