BGE 107 II 484
 
76. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1981 i.S. Eucordina AG gegen Bankhaus Hesse Newman & Co. (Berufung)
 
Regeste
Internationales Privatrecht, Wirkungen eines ausländischen Konkurses.
2. Tragweite des Grundsatzes der Territorialität des Konkurses (E. 2).
3. Anwendbares Recht bei der Abtretung von Forderungen und beim Schulderlass (E. 4 und 5).
 
Sachverhalt


BGE 107 II 484 (484):

A.- Die Eucordina AG beteiligte sich seinerzeit mit einer Einlage von DM 400'000.-- als Kommanditistin an der SB "mehr Wert" Selbstbedienungs Gross- und Einzelhandels GmbH & Co. Grossvertrieb KG, Düsseldorf. Im Sommer 1976 erhielt sie von dieser DM 200'000.-- ausbezahlt.
Die Bankhaus Hesse Newman & Co. war für erhebliche Beträge Wechselgläubigerin der SB "mehr Wert". In einem Wechselprozess vor dem Landgericht Hamburg wurde diese verurteilt, jener DM 1'993'464.80 zu bezahlen. Am 13. September 1976 wurde über die SB "mehr Wert" der Konkurs eröffnet.


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Im August 1976 hatte die Bankhaus Hesse Newman & Co. gegen die SB "mehr Wert" einen Arrest erwirkt. Dessen Prosequierung führte unter anderem zur Pfändung einer Forderung von DM 80'000.--, die der Schuldnerin gegenüber der Eucordina AG zustand. Das Betreibungsamt Zug ermächtigte am 14. März 1977 die Bankhaus Hesse Newman & Co., diesen Anspruch gemäss Art. 131 Abs. 2 SchKG einzutreiben.
Der Konkursverwalter über das Vermögen der SB "mehr Wert" trat am 1. Dezember 1978 sämtliche Ansprüche aus § 171 HGB gegen die Eucordina AG an die Bankhaus Hesse Newman & Co. ab.
B.- Im Dezember 1977 klagte die Bankhaus Hesse Newman & Co. gegen die Eucordina AG auf Zahlung von DM 200'000.-- nebst 5% Zins seit 13. August 1976.
Das Kantonsgericht des Kantons Zug hiess die Klage gut. In den Erwägungen wird festgehalten, dass vom zugesprochenen Betrag DM 80'000.-- vorab zur Deckung der Auslagen und der Forderungen der Klägerin dienen, während die restlichen DM 120'000.-- der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Treuhänderin des Konkursverwalters beziehungsweise der Gläubigergesamtheit zustehen.
Auf Appellation der Beklagten setzte das Obergericht des Kantons Zug am 23. Dezember 1980 die der Klägerin zugesprochene Parteientschädigung herab und bestätigte im übrigen das erstinstanzliche Urteil.
Das Bundesgericht weist die von der Beklagten gegen das obergerichtliche Urteil erhobene Berufung ab, soweit es auf sie eintritt.
 
Aus den Erwägungen:
Nach dem schweizerischen Recht, das als lex fori heranzuziehen ist, beschlägt der zur Beurteilung stehende Sachverhalt das Verhältnis zwischen einem Kommanditär und den Gläubigern der Kommanditgesellschaft. Die Beziehungen zwischen Gesellschaft

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und Gesellschafter sowie deren Verantwortlichkeit gegenüber Dritten beurteilen sich gemäss schweizerischem IPR nach dem Personalstatut der Gesellschaft (BGE 102 Ia 410, BGE 99 II 260, BGE 95 II 448, BGE 80 II 59). Somit gelangt vorliegend das Recht der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung, in der die SB "mehr Wert" ihren Sitz hatte und ihre Tätigkeit ausübte. Das vom Obergericht folglich zu Recht angewandte deutsche Recht kann vom Bundesgericht auf Berufung hin nicht überprüft werden. Insoweit die Beklagte im Zusammenhang mit dieser Rechtsanwendung behauptet, die Vorinstanz habe Art. 8 ZGB verletzt, kann sie nicht gehört werden. Diese Bestimmung gilt nur im Gebiete des Bundesprivatrechts, nicht auch in jenem des ausländischen Rechts (BGE 97 III 14 /15 mit Hinweisen). Ebenfalls unzulässig in einem Berufungsverfahren ist die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs (BGE 98 II 370 E. 2).
Das schweizerische Recht befolgt im allgemeinen den Grundsatz der Territorialität des Konkurses. Lehre und Rechtsprechung treten indes in zunehmendem Masse für eine Einschränkung des Vorrangs dieses Prinzips zugunsten jenes der Universalität ein (BGE 103 III 58, BGE 102 III 76, BGE 100 Ia 23 ff., BGE 95 III 89, BGE 94 III 48; HIRSCH, Aspects internationaux du droit suisse de la faillite, Recueil de travaux publié à l'occasion de l'assemblée de la Société Suisse des Juristes à Genève 1969, S. 69 ff.; DALLÈVES, Universalité et territorialité de la faillite dans la perspective de l'intégration européenne BlSchK 1973, S. 161 ff.; HANISCH, Deux problèmes de faillite internationale, Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, Nr. 50 (1976), S. 107 ff.; NUSSBAUM, Das internationale Konkursrecht der Schweiz, Diss. Bern 1980, S. 110). Auf diesen Problemkreis braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Ist der deutsche Konkurs wegen des Grundsatzes der Territorialität in der Schweiz unbeachtlich, so kann die Klägerin als Gesellschaftsgläubigerin die Kommanditistin nach wie vor aufgrund von § 171 Abs. 1 HGB in Anspruch nehmen (SCHLEGELBERGER-GESSLER, N. 5 zu § 171 HGB). Werden der Konkurs und seine Wirkungen dagegen in der Schweiz berücksichtigt, so ist

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nicht mehr der einzelne Gläubiger, wohl aber die Konkursverwaltung gemäss § 171 Abs. 2 HGB forderungsberechtigt. Weil der Konkursverwalter vorliegend seine Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten hat, steht dieser somit auf jeden Fall ein Forderungsrecht zu, sei es als Gläubigerin in eigenem Recht oder als Zessionarin der Rechte des Konkursverwalters. Da die Vorinstanz die Gültigkeit dieser Abtretung in Anwendung deutschen Rechts bejaht hat, kann sie im Berufungsverfahren nicht überprüft werden. Wenn das Obergericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht, hat es deshalb den Grundsatz der Territorialität des Konkurses unabhängig von der Tragweite, welche diesem Prinzip beigemessen wird, nicht verletzt.
Insoweit der angefochtene Entscheid auf der Anwendung schweizerischen Rechts fusst und überprüft werden kann, liegt keine Verletzung von Bundesrecht vor. Gemäss heutiger Rechtslage bleiben in der Schweiz gelegene Vermögenswerte eines im Ausland in Konkurs gefallenen Schuldners grundsätzlich den Gläubigern zwecks Arrestierung, Prosequierung und Verwertung nach schweizerischem Recht vorbehalten (BGE 102 III 74, BGE 54 III 28, BGE 40 III 367, BGE 37 II 587, BGE 35 I 812; NUSSBAUM, a.a.O., S. 101).
Wie das Obergericht stillschweigend annimmt, beurteilt sich die Gültigkeit der in der Bundesrepublik Deutschland zwischen deutschen Gesellschaften erfolgten Zession und Rückzession nach deutschem Recht als dem Recht der zu übertragenden Forderung (BGE 95 II 113 mit Hinweisen; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Obligationenrecht, Allgemeine Einleitung, N. 376-378; VISCHER, Schweizerisches Privatrecht I, S. 706 f.). Dass insofern eine Verletzung

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von Art. 8 ZGB nicht gerügt werden kann, wurde bereits ausgeführt.
Die befreiende Wirkung eines Schulderlasses beurteilt sich gemäss herrschender Lehre nach dem Recht, unter dem die aufzuhebende Verpflichtung steht (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 364; VISCHER, a.a.O., S. 704). Somit gelangt hier deutsches Recht zur Anwendung, welches auf Berufung hin nicht überprüft werden kann. Nicht anders verhält es sich übrigens, wenn mit der Beklagten angenommen wird, es handle sich um eine Leistung ohne Gegenleistung. Ein solches Gefälligkeitsgeschäft ist dem Recht des Wohnsitzes des Schenkers als desjenigen, der die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt, unterstellt (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 271; VISCHER, a.a.O., S. 674). Im Gebiete des deutschen Rechts findet Art. 8 ZGB keine Anwendung, weshalb auch die Rüge seiner Verletzung unbehelflich ist.