BGE 125 II 10 - Stäfa |
2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 9. November 1998 |
i.S. X. gegen Erben von A.Y. sowie B.Y. und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich |
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) |
Regeste |
Art. 98a Abs. 3 OG und Art. 103 lit. a OG, Art. 33 Abs. 2 RPG und Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG; zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung von kantonalen Nichteintretensentscheiden wegen Verletzung bundesrechtlicher Legitimationsvorschriften. |
Wird ein kantonaler Nichteintretensentscheid wegen Verletzung von Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG angefochten, ist diese Rüge nur dann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorzutragen, wenn nach Art. 34 Abs. 1 RPG und der Rechtsprechung hiezu die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Sache selbst gegeben ist; andernfalls kann nur staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden (E. 2). |
Ist in der Sache selbst die Anwendung von Normen umstritten, welche - wie kantonale Vorschriften über den Heimatschutz oder über die Verkehrssicherheit - nicht als Ausführungsbestimmungen im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG gelten können, so entfaltet Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG keine Wirkung (E. 3b). |
Sachverhalt |
Der Gemeinderat Stäfa erteilte A.Y. und B.Y. die baurechtliche Bewilligung für die Erstellung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage an der Z.-Strasse. In seinem Beschluss hielt der Gemeinderat fest, dass die Sichtweite bei der Garagen-Ausfahrt in die Z.-Strasse beidseitig ungenügend sei, da die Sicht durch die bestehende Rebmauer, die nur im Bereiche der Ausfahrt abgebrochen werden soll, eingeschränkt werde. Da es sich jedoch bei der Z.-Strasse nur um eine Zufahrts- bzw. Sackstrasse handle und die bestehende Rebmauer als wertvoller Bestandteil der unteren Z.-Strasse möglichst weitgehend zu erhalten sei, könne für die Ausfahrt gemäss § 6 der kantonalen Verordnung über die Anforderungen an die Verkehrssicherheit und die Sicherheit von Strassenkörpern vom 15. Juni 1983 (Verkehrssicherheitsverordnung) eine Ausnahmebewilligung erteilt werden. |
Gegen die Baubewilligung erhob X., Eigentümer einer vom Baugrundstück rund 280 m entfernten Liegenschaft an der Z.-Strasse, Rekurs bei der kantonalen Baurekurskommission. Diese hiess den Rekurs teilweise gut und verpflichtete die Bauherrschaft, auf der gegenüberliegenden Seite der Ausfahrt einen Verkehrsspiegel anzubringen. Im Übrigen sprach die Baurekurskommission dem Rekurrenten die Rekurslegitimation ab. Das hierauf von X. angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Zürich trat auf die Beschwerde gestützt auf § 338a des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975/20. Mai 1984 (PBG) mangels Rechtsmittelbefugnis des Beschwerdeführers nicht ein.
|
Gegen den Nichteintretensbeschluss des Zürcher Verwaltungsgerichts hat X. beim Bundesgericht sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Verletzung von Art. 98a Abs. 3 OG in Verbindung mit Art. 103 lit. a OG und Art. 33 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) gerügt. Sofern die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht gegeben sein sollte, wird mit der staatsrechtlichen Beschwerde Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV in Verbindung mit Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG sowie von Art. 4 BV und Art. 6 EMRK geltend gemacht.
|
Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein und weist die staatsrechtliche Beschwerde ab.
|
Auszug aus den Erwägungen: |
Aus den Erwägungen:
|
Erwägung 2 |
a) Gemäss Art. 97 OG i.V.m. Art. 5 VwVG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 bis 102 OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für gemischtrechtliche Verfügungen, die sowohl auf kantonalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (BGE 123 II 231 E. 2 S. 233; 121 II 72 E. 1b mit Hinweisen). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann ferner selbst gegenüber einem ausschliesslich auf kantonalem Recht beruhenden Nichteintretensentscheid geltend gemacht werden, formelles oder materielles Bundesverwaltungsrecht sei zu Unrecht nicht angewendet worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist in diesem Falle allerdings, dass der angefochtene Nichteintretensentscheid in einer Angelegenheit ergangen ist, die grundsätzlich der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit untersteht (vgl. BGE 123 II 231 E. 2 S. 234; 121 II 190 E. 3a; 120 Ib 379 E. 1b S. 382; 118 Ib 381 E. 2b/bb S. 391, E. 3b S. 395 f., je mit Hinweisen). |
Über die Vorschriften des OG hinaus gehend wird in Art. 33 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a RPG bestimmt, dass im kantonalen Rechtsmittelverfahren gegen Verfügungen und Nutzungspläne, die sich auf das Raumplanungsgesetz und seine kantonalen und eidgenössischen Ausführungsbestimmungen stützen, die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu gewährleisten ist, und zwar auch für die Fälle, in denen allein die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht gegeben ist. Die Verletzung von Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG ist daher mit unterschiedlichen Rechtsmitteln zu rügen, je nachdem, welchen Rechtsmittelweg das Raumplanungsgesetz in der Sache selbst vorsieht. Soweit Art. 34 Abs. 1 RPG und die Rechtsprechung hiezu die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht als zulässig erklären - also insbesondere auf dem Anwendungsgebiet von Art. 5 und 24 RPG sowie bei natur- und umweltschutzrechtlichen Fragen im Rahmen der Nutzungsplanung - ist auch ein kantonaler Nichteintretensentscheid in diesem Sachbereich gestützt auf Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten, gleich wie wenn eine Verletzung von Art. 103 oder Art. 98a OG gerügt würde (vgl. Entscheid vom 8. April 1997 in Sachen Y. und Mitb., E. 2a und 3a, publ. in Praxis 1/1998 S. 29 ff.; s.a. BGE 120 Ib 379 E. 3d S. 384). Soweit dagegen nach Art. 34 Abs. 3 RPG in der Sache selbst nur staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden kann, muss auch der Vorwurf, die prozessuale Mindestgarantie von Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG sei nicht eingehalten worden, mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts und/oder formelle Rechtsverweigerung) erhoben werden, da sonst die besondere Rechtsmittelordnung des Raumplanungsgesetzes unterlaufen würde (vgl. sinngemäss BGE 121 II 171 E. 2; s.a. Entscheid vom 9. September 1992 i.S. H. publ. in ZBl 95/1994 S. 66 ff. E. 2a und b). |
c) Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer vor dem Zürcher Verwaltungsgericht einerseits auf die Bestimmungen über den Natur- und Heimatschutz - insbesondere § 203 PBG - berufen und andererseits eine Verletzung von § 6 der kantonalen Verkehrssicherheitsverordnung gerügt. Streitigkeiten über die Anwendung solcher kantonalrechtlicher Bestimmungen sind keine Angelegenheiten des Bundesverwaltungsrechts und insbesondere keine, die gemäss Art. 34 Abs. 1 RPG der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstünden. Ist aber in der Sache selbst die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen, so kann nach dem Gesagten auch der Nichteintretensentscheid nicht mit diesem Rechtsmittel angefochten werden. Auf die eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht einzutreten. |
Erwägung 3 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Zürcher Verwaltungsgerichts hängt die Rechtsmittelbefugnis des Nachbarn in Bausachen davon ab, ob für ihn einerseits eine hinreichend enge nachbarliche Raumbeziehung zum Baugrundstück bestehe und ob er andererseits durch die Erteilung der Baubewilligung mehr als irgendjemand oder die Allgemeinheit in eigenen Interessen berührt sei. In Anwendung dieser Grundsätze, die der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 103 OG entsprechen (vgl. BGE 120 Ib 48 E. 2a und 379 E. 4b; 112 Ia 119 E. 4a), hat das Gericht im vorliegenden Fall sowohl die enge nachbarliche Raumbeziehung als auch die qualifizierte persönliche Betroffenheit verneint. Es hat hiezu ausgeführt, dass zwar unter Umständen auch bei einer Distanz von 280 m zwischen Baugrundstück und Liegenschaft des Beschwerdeführenden, wie sie hier gegeben sei, von einer engen nachbarlichen Beziehung ausgegangen werden könne. Das sei jedoch nur dann der Fall, wenn sich die projektierte Baute beispielsweise durch Staub-, Rauch- oder andere Immissionen grossflächig auszuwirken vermöge. Vorliegend werde jedoch nur im Zusammenhang mit der bewilligten Garagen-Ausfahrt ein Verstoss gegen die Verkehrssicherheitsverordnung gerügt. Inwiefern sich die beanstandete Garagen-Ausfahrt auf die rund 300 m entfernte Liegenschaft des Beschwerdeführers nachteilig auswirken könnte, sei aber schlechterdings nicht zu erkennen. Damit fehle es zugleich an der besonderen Betroffenheit des Beschwerdeführers. Dieser werde durch die angeblich gefährliche Situation nicht mehr berührt als jeder andere Benützer der Z.-Strasse. Mit den Einwendungen bezüglich der Verkehrssicherheit würden öffentliche Interessen verfochten, die mit Rekurs und Beschwerde nicht geltend gemacht werden könnten. Gleiches gelte hinsichtlich des Begehrens um Erhaltung der alten Rebmauer. Was in dieser Hinsicht im Rechtsmittelverfahren vorgebracht worden sei, laufe auf eine verpönte Popularbeschwerde hinaus. |
Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind weder offensichtlich unhaltbar, noch stehen sie mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch; sie halten daher vor dem Willkürverbot stand. Daran ändert nichts, dass die Baurekurskommission der Meinung ist, die an der gleichen Zufahrtsstrasse Wohnenden würden durch die Einfahrts- und Ausfahrtsverhältnisse an dieser mehr betroffen als die übrigen Strassenbenützer. Beide Auffassungen sind vertretbar. Welche vorzuziehen wäre, ist, wie dargelegt, vom Bundesgericht im Rahmen der Willkürprüfung nicht zu beurteilen.
|
aa) Wie das Bundesgericht in BGE 118 Ib 26 E. 4b S. 30 f. dargelegt hat, fällt es nicht leicht, den Bereich der kantonalen Ausführungsbestimmungen des Raumplanungsgesetzes zu umschreiben. Als solche wurden in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorerst jene Normen bezeichnet, die zur Hauptsache raumplanerische Züge tragen, indem sie der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedelung des Landes dienen. Später sind auch kantonale und kommunale Bauvorschriften, denen die Eigenschaft als Ausführungsrecht zunächst abgesprochen wurde, im Hinblick darauf als Ausführungsbestimmungen zum RPG betrachtet worden, dass sie der planungsrechtlichen Zonenordnung erst ihren konkreten Inhalt geben. In diesem Sinne wird den Vorschriften über die Ausnützung, die Abstände und die Grösse der Bauten ebenfalls raumplanerischer Charakter zuerkannt, sofern nicht eine andere Zielsetzung klar im Vordergrund steht. Keine raumplanerische Funktion kommt dagegen in der Regel den vorwiegend technischen Normen über die baustatische Sicherheit, die Verkehrssicherheit, den Brandschutz usw. zu, aber auch den Bestimmungen über die Hygiene und die innere Erschliessung der Räume sowie den Ästhetikvorschriften (vgl. den zitierten Entscheid mit zahlreichen Verweisungen; s.a. BGE 121 II 171). |
bb) Der Beschwerdeführer hat vor Verwaltungsgericht, wie bereits erwähnt, die Bestimmung von § 203 PBG über die Natur- und Heimatschutzobjekte angerufen, nach welcher die umstrittene Rebmauer erhalten bleiben müsse. Weiter hat er eine Verletzung von § 6 der Verkehrssicherheitsverordnung und damit zusammenhängend unrichtige Sachverhaltsfeststellung gerügt. Diesen Normen kommt jedoch nach dem Gesagten klarerweise keine raumplanerische Funktion zu. Sie können daher nicht als kantonale Ausführungsbestimmungen zum Raumplanungsgesetz im Sinne von Art. 33 Abs. 2 RPG gelten.
|
Verhält es sich so, ist der kantonale Richter nicht verpflichtet, die Beschwerdelegitimation im kantonalen Verfahren von Bundesrechts wegen im gleichen Umfang wie für die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu gewähren. Auch steht das Bundesrecht einer kantonalen Praxis, die eine mit Art. 103 lit. a OG übereinstimmende Vorschrift des kantonalen Prozessrechts in einem gegenüber der Rechtsprechung des Bundesgerichts engeren Sinne anwendet, nicht entgegen, sofern - wie hier - die Schranke der Willkür respektiert wird (vgl. BGE 112 Ia 119 E. 3 S. 122, mit Hinweis). Schliesslich vermag dem Beschwerdeführer auch die Anrufung von Art. 6 EMRK nicht zu helfen, da diese Konventionsbestimmung dem Verfahrensbeteiligten keinen Anspruch auf einen von prozessualen Voraussetzungen unabhängigen Zugang zum Richter verleiht. Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach abzuweisen.
|