BGE 80 III 86
 
17. Entscheid vom 22. Juni 1954 i. S. Plattner.
 
Regeste
Arrestvollzug bei gattungsmässiger Umschreibung der Gegenstände im Arrestbefehl ("Depots und Guthaben"). Erweist es sich im Laufe der Arrestbetreibung, dass keine zur angegebenen Gattung gehörenden Gegenstände vorhanden sind, so ist der Arrest als erfolglos aufzuheben (Erw. 1 und 2).
 
Sachverhalt


BGE 80 III 86 (86):

A. - Der Rekurrent fordert von der Colonie du Congo Belge Zinse aus einem Anleihen von 1901. Er liess in Basel beim Schweizerischen Bankverein (am 19./20. Oktober 1953) und bei der Schweizerischen Volksbank (am 6. November 1953) Depots und Guthaben der erwähnten Schuldnerin arrestieren. Als diese aber die beiden Banken von der Schweigepflicht entband, teilten sie dem Betreibungsamte mit, es bestünden bei ihnen keine Depots oder Guthaben der Colonie du Congo Belge. Ein Kontokorrentguthaben des belgischen Kolonialministeriums in Brüssel beim Schweizerischen Bankverein berührt nach Ansicht dieser Bank den vorliegenden Arrest nicht, da sich dieser nicht gegen den belgischen Staat richtet. Gestützt auf diese Mitteilungen hob das Betreibungsamt beide Arreste als erfolglos auf.


BGE 80 III 86 (87):

B. - Darüber beschwerte sich der Gläubiger, um die Aufrechterhaltung der Arreste zu erwirken. Von der kantonalen Aufsichtsbehörde am 4. Juni 1954 abgewiesen, hält er mit vorliegendem Rekurs an der Beschwerde fest. Eventuell verlangt er die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu ergänzender Feststellung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Erweisen sich die im Arrestbefehl angegebenen Arrestgegenstände beim Vollzug als nicht existent, so muss der Arrestvollzug als gescheitert gelten (vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch S. 828,BGE 28 I 202= Sep.-Ausg. 5 S. 106). So verhält es sich immer, wenn körperliche Sachen arrestiert werden sollten, die sich dann aber nicht vorfinden. Bei unkörperlichen Gegenständen, wie z.B. einem Erbanteil (vgl.BGE 54 III 42ff.) oder einer nicht in einem Wertpapier verkörperten Forderung, ist die Existenz mitunter nicht in gleicher Weise einwandfrei feststellbar, zumal wenn die rechtlichen Voraussetzungen umstritten sind. Daher kann es zur Arrestierung wie auch gegebenenfalls zur Pfändung und Verwertung bestrittener Recht kommen. Voraussetzung hiefür ist aber die genaue Umschreibung des zu verwertenden Rechtes, bei Forderungen also des Rechtsverhältnisses, aus dem sie hergeleitet werden, und des sie rechtfertigenden Grundes. Diese Bezeichnung des einzelnen Verwertungsgegenstandes ist nun in der Arrestbetreibung grundsätzlich Sache des Gläubigers. Denn zu arrestieren sind nur die im Arrestbefehl gemäss den Angaben des Arrestbewilligungsgesuches angeführten Gegenstände (Art. 274 Ziff. 4 SchKG).
2. Die Praxis lässt allerdings eine gattungsmässige Umschreibung der zu arrestierenden Gegenstände zu. Doch soll normalerweise beim Arrestvollzug eine genaue Spezifizierung erfolgen, gemäss den der bezeichneten Gattung entsprechenden Gegenständen, die tatsächlich

BGE 80 III 86 (88):

vorgefunden werden. Wenn die neuere Rechtsprechung diesen Grundsatz weiterhin in dem Sinne gemildert hat, dass die Spezifierung nicht unbedingt schon beim Arrestvollzug erfolgen muss (BGE 63 III 63ff.), so steht doch der Vollzug eines sog. Gattungsarrestes unter der Voraussetzung, dass sich im Laufe der Arrestbetreibung, zumal bei der Pfändung, genaue Feststellungen machen lassen. Gattungsarreste werden denn auch vornehmlich bei Banken vollzogen, die anlässlich der Arrestnahme keine Auskunft zu geben pflegen, dann aber diese Zurückhaltung aufgeben, wenn es zur Pfändung kommt, die Arrestforderung also anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist oder mindestens provisorische Rechtsöffnung erteilt wurde (vgl.BGE 75 III 106ff.). Ein Gattungsarrest erfasst aber immer nur Gegenstände, die dann wirklich vorgefunden werden, und wenn es sich um Forderungen handelt, nur solche, die beim Dritten festgestellt werden können, sich also in den Büchern oder sonstigen Papieren der als Drittschuldnerin bezeichneten Bank aufgeführt finden, wenn auch allenfalls mit Vorbehalt von Einreden und Gegenansprüchen. Forderungen aber, die weder im Arrestbefehl einzeln aufgeführt noch beim Dritten, bei dem der Arrestschuldner "Guthaben" besitzen soll, festzustellen sind, können auf Grund eines blossen Gattungsarrestes nicht in Betracht gezogen werden. Führt der Vollzug eines solchen Arrestes, namentlich die als beweiskräftig erachtete Auskunft des Dritten zur Feststellung, dass keine der angegebenen Gattung entsprechenden Werte vorhanden sind, so ist der Gattungsarrest als erfolglos aufzuheben, wie dies im vorliegenden Falle geschehen ist.
a) Er weist auf die Rolle sowohl des Schweizerischen Bankvereins wie auch der Schweizerischen Volksbank als Emissionsbanken (neben sieben andern) für ein neues

BGE 80 III 86 (89):

Anleihen von 1953 der Arrestschuldnerin hin. Danach seien diese Banken Schuldner der Arrestschuldnerin geworden, und zwar einerseits infolge der bei ihnen erfolgten Anleihenszeichnungen, anderseits infolge der festen Übernahme des Anleihens, laut dem Anleihensprospekt.
Nun hat aber die Arrestierung schon am 20. Oktober 1953 (beim Bankverein) und am 6. November (bei der Volksbank) stattgefunden. Sie konnte die Verpflichtungen somit nicht treffen, die den Banken aus den bei ihnen während der Liberationsfrist (vom 18.-28. November) eingehenden Zahlungen gegenüber der Arrestschuldnerin erwuchsen. Und dass die feste Übernahme des Anleihens durch die Emissionsbanken etwas anderes als die Garantie für einen durch die Zeichnungen nicht gedeckten Restbetrag nach Schluss der Emission bedeutet habe, ist nicht dargetan.
b) Als Guthaben der Kongokolonie möchte der Rekurrent wenigstens das vom Schweizerischen Bankverein nebenbei erwähnte Kontokorrentguthaben des belgischen Kolonialministeriums in Brüssel betrachtet wissen; denn diesem Ministerium komme nicht Rechtspersönlichkeit zu, somit sei Titular des Guthabens eben die Kongokolonie.
Die Vorinstanz stellt jedoch fest, dass das - freilich nicht mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete - Kolonialministerium (gleichwie andere Ministerien) eine Abteilung der belgischen Regierung, also ein Organ des belgischen Staates ist, und dass deshalb ein auf den Namen dieses Ministeriums gebuchtes Guthaben dem belgischen Staate zuzuschreiben ist, dem das Ministerium angehört, unbeschadet seiner Aufsichts- und Vertretungsbefugnisse gegenüber der Kongokolonie. Diese im wesentlichen auf der Anwendung ausländischen Rechtes beruhende Entscheidung ist vom Bundesgerichte nicht nachzuprüfen (BGE 53 III 57).
Bietet aber demnach der auf den Namen des Kolonialministeriums beim Schweizerischen Bankverein in Basel geführte Kontokorrent gleichfalls keine Grundlage zur

BGE 80 III 86 (90):

Annahme eines Guthabens der Kongokolonie bei dieser Bank, so bleibt es bei der Feststellung der Nichtexistenz der im Arrestbefehl angeführten "Depôts und Guthaben" der Arrestschuldnerin, die vorerst in Bausch und Bogen (eben unter Vorbehalt der Feststellung ihrer Existenz) arrestiert worden waren. Damit erweist sich der Rekurs, soweit darauf einzutreten ist, in Haupt- und Eventualantrag als unbegründet.
Ob beim Vorliegen arrestierbarer Gegenstände völkerrechtliche Hindernisse einer Arrestnahme bestünden (vgl.BGE 56 I 237), braucht bei dieser Sachlage nicht geprüft zu werden.
4. Mit der Feststellung über die Einordnung des Kolonialministeriums unter die Behörden des belgischen Staates hat die Vorinstanz den Bereich ihrer Zuständigkeit nicht überschritten. Wie es sich damit verhält, musste angesichts der gegenteiligen Behauptung des Rekurrenten entschieden werden. Das Ergebnis schliesst es aus, die Gutschrift einer Forderung auf den Namen des erwähnten Ministeriums als Anerkennung einer Forderung der Kongokolonie zu betrachten. Gegen den belgischen Staat aber hat der Rekurrent keinen Arrest herausgenommen, weshalb das in Frage stehende Kontokorrentguthaben hier als Arrestgegenstand ausser Betracht fällt. Anders wäre es, wenn der Rekurrent selber von einer Gutschrift zugunsten des belgischen Staates ausgegangen wäre, aber behauptet hätte, es handle sich in Wirklichkeit um eine Forderung der Kongokolonie; sie sei nur zum Schein auf den Namen des Kolonialministeriums (oder eben genauer: des belgischen Staates) gebucht oder zu Unrecht vom belgischen Staate beansprucht oder nicht gültig auf ihn übertragen worden - was im Widerspruchsverfahren hätte abgeklärt werden müssen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Soweit auf den Rekurs eingetreten werden kann, wird er abgewiesen.