BGE 92 III 6
 
2. Auszug aus dem Entscheid vom 30. März 1966 i.S. Glauser.
 
Regeste
Lohnpfändung. Art. 93 SchKG.
 
Sachverhalt


BGE 92 III 6 (6):

Aus dem Tatbestand:
A.- Dem Rekurrenten, von Beruf Gartenarchitekt, steht gegen W. von Aesch eine restliche Forderung von Fr. 20 000.-- zu als Entgelt für persönliche Arbeit aus den letzten Jahren. In einer gegen den Rekurrenten hängigen Betreibung erklärte das Betreibungsamt Thun diese Forderung als unpfändbar.
B.- Mit Entscheid vom 9. März 1966 hat die kantonale Aufsichtsbehörde eine Beschwerde des Gläubigers dahin gutgeheissen, dass von der Forderung des Schuldners von Fr. 20'000.-- gegen W. von Aesch ein Teilbetrag von Fr. 16'124.-- zu pfänden sei. Dieser Entscheid bemisst das gegenwärtige (im einzelnen bezifferte) Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie (Ehepaar und vier Kinder) auf monatlich Fr. 1'337.20 und berücksichtigt ferner die beruflichen Spesen von monatlich Fr. 600.--. Die Einkommensverhältnisse des Schuldners seien undurchsichtig, und es sei unwahrscheinlich,

BGE 92 III 6 (7):

dass er über keine andern Einkünfte verfüge als diejenigen aus der im Dezember 1965 übernommenen neuen Vertretung. Die ihm von W. von Aesch geschuldeten Fr. 20'000.-- möchte er übrigens nach eigenen Aussagen nicht nur für den Lebensunterhalt, sondern auch zur Bezahlung von Darlehensschulden verwenden. Bei dieser Sachlage sei ihm von dieser Forderung - in analoger Anwendung von Art. 92 Ziff. 5 SchKG - lediglich der zur Deckung des Notbedarfs und der beruflichen Spesen zweier Monate freizugeben, also ein Betrag von 2 x Fr. 1'938.-- = Fr. 3'876.--. Im Notbedarf seien die Nahrungs- und Feuerungsmittel gleichfalls enthalten, so dass der nach Art. 93 SchKG bemessene Notbedarf nicht durch eigentliche Anwendung von Art. 92 Ziffer 5 SchKG noch zu erhöhen sei.
C.- Mit vorliegendem Rekurs hält der Schuldner am Begehren fest, die ganze ihm gegen W. von Aesch zustehende Forderung von Fr. 20'000.-- sei als unpfändbar zu erklären.
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
...
3. Das Guthaben von Fr. 20'000.-- ist eine längst verdiente, jedoch streitig gewesene und nun erst als Ergebnis eines Rechtsstreites verfügbar gewordene Arbeitsvergütung. Normalerweise wäre ein solches Guthaben des weiterhin berufstätigen und unvermindert erwerbsfähigen Schuldners in vollem Umfange pfändbar; zur Bestreitung seines laufenden Lebensaufwandes wäre er auf das gegenwärtige und künftige Einkommen zu verweisen. Mit Recht hat jedoch die Vorinstanz berücksichtigt, dass der Rekurrent, der im Dezember 1965 eine neue Vertretung übernahm, sich zur Zeit vermutlich "in einem finanziellen Engpass befindet". Bei dieser Sachlage war ihm ein Teil jenes Guthabens als unpfändbarer Zuschuss zum nicht genau feststellbaren, wohl nicht ganz ausreichenden laufenden Einkommen zu belassen. Wenn die Vorinstanz den Umfang dieser Freigabe auf den ganzen Notbedarf des Schuldners und seiner Familie während zweier Monate samt dem auf diese Zeitdauer entfallenden Aufwand zur Erzielung des Einkommens bemessen hat, so ist sie im Rahmen des ihr nach Art. 93 SchKG zustehenden Ermessens geblieben. Sie konnte sich dabei an ein Präjudiz (BGE 53 III 76Erw. 3) anlehnen, wonach sogar bei völliger Verdienstlosigkeit des Schuldners der ihm aus einem Guthaben

BGE 92 III 6 (8):

freizugebende Betrag mit Hinweis auf Art. 92 Ziff. 5 SchKG in solcher Weise begrenzt wurde. Diese Bemessung wäre gewiss zu knapp bei dauernder Erwerbsunfähigkeit des Schuldners, unter Umständen auch schon bei stark verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl.BGE 63 III 78/79,BGE 78 III 110/111), wovon hier aber nicht die Rede ist.
Der Umstand endlich, dass der Schuldner sich zeitweilig gezwungen sah, sich die Mittel zum Lebensunterhalt durch Aufnahme von Darlehen zu beschaffen, rechtfertigt es nicht, ihm das in Frage stehende Guthaben in grösserem Umfange freizugeben. Es geht nicht an, die Rechte des pfändenden Gläubigers zugunsten anderer, die nicht im Genuss vorgehender oder (gemäss Art. 110/111 SchKG) gleicher Pfändungsrechte stehen, zu schmälern; ganz abgesehen davon, dass keine Gewähr für die Art der Verwendung des dem Schuldner über den Notbedarf hinaus belassenen Geldes bestünde (vgl.BGE 78 III 117/18). Den Darlehensgläubigern steht es anheim, ebenfalls auf dem Betreibungswege vorzugehen, sofern sie wegen Gefährdung ihrer Forderungen dazu Veranlassung haben.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.