BGE 100 III 57 |
16. Entscheid vom 30. März 1974 i.S. Bifiac AG und Wirtschaftsbank Zürich. |
Regeste |
1. Art. 841 ZGB und Art. 117 VZG. |
2. Die Betreibungs- und Konkursämter sind berechtigt, sich im Beschwerde- und Rekursverfahren vor den Aufsichtsbehörden durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen (Erw. 3). |
Sachverhalt |
A.- Im Konkurs über die Kommanditgesellschaft W. Fuchs & Co., die Eigentümerin des Hotels Continental in Lausanne gewesen war, wurde die IBZ Finanz AG als Gläubigerin und Inhaberin verschiedener Schuldbriefforderungen auf dieser Liegenschaft kolloziert. Diese Schuldbriefe waren der Bifiac AG und der Wirtschaftsbank Zürich als Faustpfänder übergeben worden zur Sicherung ihrer Forderungen gegen die IBZ Finanz AG, welche die Schuldbriefforderungen übersteigen. Die Faustpfandrechte, die unbestritten sind, wurden im Lastenverzeichnis für das Hotel Continental angemerkt. |
Am 25. März 1969 wurde die Hotelliegenschaft durch das Konkursamt Lausanne im Auftrage des Konkursamtes Altstetten-Zürich öffentlich versteigert. Dabei kamen eine Anzahl Bauhandwerker mit gesetzlichen Grundpfandrechten im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB zu Verlust. Innert der ihnen vom Konkursamt Altstetten-Zürich gemäss Art. 132 und 117 Abs. 1 VZG angesetzten Frist von zehn Tagen leiteten mehrere Bauhandwerker beim zürcherischen Handelsgericht gegen die IBZ Finanz AG und andere vorgehende Grundpfandgläubiger gemäss Art. 841 Abs. 1 ZGB Klage ein. Die Konkursmasse der IBZ Finanz AG entschlug sich der Prozessführung, worauf an ihrer Stelle verschiedene Abtretungsgläubiger im Sinne von Art. 260 SchKG in die Beklagtenrolle eintraten. Da das Bundesgericht mit Urteil vom 30. Oktober 1970 letztinstanzlich die Zuständigkeit der zürcherischen Gerichte verneinte, wurden die gleichen Klagen innert zehn Tagen in Lausanne anhängig gemacht. Die verschiedenen Prozesse wurden in der Folge beim Kantonsgericht Waadt vereinigt, wo sie noch pendent sind.
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B.- Im Dezember 1972 verlangten die Firma Bifiac AG und die Wirtschaftsbank Zürich beim Konkursamt Altstetten-Zürich, es seien ihnen aus den auf die Schuldbriefe entfallenden Treffnissen die ihnen gemäss den anerkannten Faustpfandrechten zustehenden Anteile von insgesamt Fr. 786 383.95 auszuzahlen. Sie beriefen sich auf die Tatsache, dass sie von keinem der Bauhandwerker gestützt auf Art. 841 Abs. 1 ZGB belangt worden seien. Da das Konkursamt ihrem Begehren nicht entsprach, erhoben sie beim Bezirksgericht Zürich als der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Das Bezirksgericht wies die Beschwerde am 7. September 1973 ab. Den von der Bifiac AG und der Wirtschaftsbank Zürich hiegegen eingereichten Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 20. Februar 1974 ab, mit der Begründung, bis zur rechtskräftigen Erledigung der von Bauhandwerkern eingereichten Klagen könne eine Auszahlung nicht erfolgen.
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C.- Die Firma Bifiac AG und die Wirtschaftsbank Zürich fechten den Entscheid des Zürcher Obergerichts mit einem Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts an. Sie beantragen, das Konkursamt Altstetten-Zürich anzuweisen, aus der Konkursmasse W. Fuchs & Co. unverzüglich der Bifiac AG den Betrag von Fr. 203 069.45 und der Wirtschaftsbank Zürich den Betrag von Fr. 583 314.50 nebst den seit der Pfandverwertung auf diesen Beträgen aufgelaufenen Zinsen auszuzahlen, eventuell die Beträge an die Schweizerische Revisionsgesellschaft AG als Konkursverwaltung im Konkurse IBZ Finanz AG zuhanden der Rekurrentinnen zu überweisen. Zur Begründung machen sie wiederum geltend, sie seien, soweit ihr Faustfpandrecht an den Schuldbriefen reiche, als "vorgehende Pfandgläubiger" im Sinne von Art. 841 Abs. 1 ZGB zu betrachten. Die Bauhandwerker hätten daher sie belangen müssen. Da gegen sie keine solche Klage eingereicht worden sei, könne ihnen gegenüber Art. 117 VZG nicht zur Anwendung gelangen. Die in den pendenten Prozessen betreffend die Bauhandwerkerpfandrechte zu erwartenden Urteile vermöchten für die Rekurrentinnen, welche nicht als Partei daran beteiligt seien, keinerlei Rechtswirkungen zu entfalten. Aus dem gleichen Grunde könne in diesen Prozessen auch nicht darüber entschieden werden, jedenfalls nicht mit Rechtskraftwirkung für die Rekurrentinnen, ob eine Klage aus Art. 841 Abs. 1 ZGB gegen sie oder die Grundpfandgläubigerin bzw. deren Abtretungsgläubiger allein oder nur gegen alle gemeinsam erhoben werden könne. Der Auffassung des Obergerichts, die Rekurrentinnen hätten an den Schuldbriefen nur in dem Umfange Faustpfandrechte erwerben können, als dem Verpfänder daran Rechte zugestanden hätten, stehe der Schutz des gutgläubigen Erwerbers von Wertpapieren entgegen. |
D.- Das Konkursamt Altstetten-Zürich lässt Abweisung des Rekurses beantragen.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: |
1. Nach Art. 117 Abs. 1 VZG hat das Betreibungsamt den Bauhandwerkern, deren Pfandforderungen bei der Verteilung zu Verlust kommen, eine Frist von zehn Tagen zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aus Art. 841 ZGB auf dem Wege des ordentlichen Zivilprozesses anzusetzen. Die Rekurrentinnen haben die Frage, ob diese zehntägige Klagefrist im vorliegenden Fall eingehalten worden sei, obwohl die Klagen der Bauhandwerker von den zürcherischen Gerichten von der Hand gewiesen und hierauf am Gerichtsstand Lausanne neu angehoben wurden (vgl. dazu BGE 96 III 141 letzter Absatz), weder im Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden noch vor Bundesgericht aufgeworfen. Da diese Frage ohne jeden Zweifel nicht von Amtes wegen zu prüfen ist (BGE 93 III 87 und BGE 98 III 39 mit Zitaten), muss darauf nicht weiter eingegangen werden. Es ist somit einzig zu entscheiden, ob den Rekurrentinnen ihr Verwertungsanteil vorenthalten werden darf, obschon gegen sie unbestrittenermassen keine Klage aus Art. 841 ZGB eingereicht worden ist. Diese Entscheidung hängt davon ab, wer für Klagen aus Art. 841 ZGB passivlegitimiert ist und inwiefern den Betreibungs- und Konkurs- bzw. den Aufsichtsbehörden eine Prüfung dieser materiellrechtlichen Frage zusteht. |
Unter den "vorgehenden Pfandgläubigern" im Sinne von Art. 841 ZGB und Art. 117 VZG sind in erster Linie Grundpfandgläubiger zu verstehen. Ob an ihre Stelle im Falle der Verpfändung von Grundpfandtiteln auch Faustpfandgläubiger treten können, ist eine materiellrechtliche Frage, welche nicht eindeutig geklärt ist. Sie ist zwar in den von der Vorinstanz zitierten beiden Entscheidungen des Zürcher Obergerichts (ZR 17 Nr. 149) und des Bundesgerichts (BGE 43 II 609 = Praxis Bd. 7 Nr. 19 S. 44) bejaht worden. Beiden Urteilen lag jedoch der Umstand zugrunde, dass der Grundeigentümer von ihm errichtete Inhaberschuldbriefe selbst zu Faustpfand gegeben hatte. Ein Grundpfandgläubiger, der aus Art. 841 ZGB hätte ins Recht gefasst werden können, war daher gar nicht vorhanden. Dass in einem solchen Fall ein Faustpfandgläubiger an einem Inhaberschuldbrief gleich zu behandeln ist wie ein Grundpfandgläubiger, liegt auf der Hand und wird auch in Art. 35 und 126 VZG sowie in Art. 76 KV vorgeschrieben.
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Hat ein Grundpfandgläubiger den ihm zustehenden Titel einem Dritten als Faustpfand übergeben, kommen dem Faustpfandgläubiger bei der Verwertung des Grundpfandes ebenfalls weitgehende Rechte zu (Art. 81 VZG; BGE 64 III 70). Indessen hat in diesem Falle das Betreibungs- bzw. das Konkursamt in erster Linie den Grundpfandgläubiger als am Verfahren beteiligt zu betrachten. Streitigkeiten zwischen diesem und seinem allfälligen Faustpfandgläubiger sind nach der Rechtsprechung ausserhalb des Lastenbereinigungs- und Kollokationsverfahrens auszutragen (BGE 56 III 16 und BGE 87 III 70). Daraus folgt, dass sich der Betreibungs- bzw. der Konkursbeamte nicht darum zu kümmern hat, ob nur der Grundpfandgläubiger oder auch allfällig hinter ihm stehende weitere Berechtigte Anspruch auf den ganzen oder teilweisen Verwertungserlös haben und in welchem Verhältnis dieser unter sie aufzuteilen ist. Er muss sämtlichen Personen, die solche Rechte anmelden, im Verwertungsverfahren Parteirechte einräumen und es diesen überlassen, sich über allfällige Differenzen auseinanderzusetzen. Wird daher gegen den Grundpfandgläubiger eine Klage aus Art. 841 ZGB eingereicht, so ist das auf die Grundpfandforderung entfallende Verwertungsergebnis im Sinne von Art. 117 VZG bis zum Ausgang des Prozesses zurückzubehalten. In dem Umfange, in welchem die Bauhandwerker mit ihrer Klage durchdringen, ist der auf das Grundpfand entfallende Verwertungserlös den Bauhandwerkern zuzuweisen. Machen Faustpfandgläubiger des Grundpfandinhabers geltend, der Erlös dürfe den Bauhandwerkern nicht ausbezahlt werden, weil sie ihre Klage nicht gegen den Grundpfandgläubiger, sondern gegen dessen Faustpfandgläubiger allein oder zusammen mit dem Grundpfandgläubiger hätten anstrengen müssen, so hat das Betreibungs- bzw. das Konkursamt den streitigen Teil des Verwertungserlöses zu hinterlegen und es den Parteien zu überlassen, sich darüber gütlich oder gerichtlich auseinanderzusetzen (BGE 56 III 14, BGE 87 III 71 mit Hinweisen). Es ist somit auch nicht Sache der Aufsichtsbehörden, über einen diesbezüglichen Streit zu entscheiden. |
2. Die Argumentation der Rekurrentinnen, die Bauhandwerker hätten gegen sie keine Klage eingereicht, so dass nie ein Urteil ergehen werde, das ihnen gegenüber in Rechtskraft erwachsen könne, vermag nicht durchzudringen. Ob die Urteile in den von den Bauhandwerkern angehobenen Prozessen für die Rekurrentinnen materiellrechtliche Wirkung haben werden, hängt von der umstrittenen Frage ab, ob die Klage aus Art. 841 ZGB bloss obligatorischer oder aber dinglicher Natur ist (BGE 96 III 137 ff. Erw. 8 mit Hinweisen). Beachtliche Gründe sprechen für die Auffassung, der Anspruch aus Art. 841 ZGB stelle jedenfalls eine Realobligation dar, die das Grundpfandrecht zum vorneherein belaste. In diesem Falle müsste sich ein gutgläubiger Erwerber oder Pfandrechtinhaber an einem Grundpfandtitel die Ansprüche der Bauhandwerker entgegenhalten lassen. Von der Beantwortung dieser verschiedenen materiellrechtlichen Fragen hängt es ab, ob im Prozess über die Ansprüche aus Art. 841 ZGB der vorgehende Grundpfandgläubiger allein oder auch allfällige am Grundpfandtitel berechtigte Faustpfandgläubiger ins Recht gefasst werden können oder müssen. |
Schliesslich ist im vorliegenden Fall noch weiter zu berücksichtigen, dass sich die Konkursmasse der IBZ Finanz AG als Grundpfandgläubigerin der Führung des Prozesses gegen die Bauhandwerker entschlagen hat. Die Konkursverwaltung hat daher einerseits den Konkursgläubigern, zu denen auch die beiden Rekurrentinnen gehören, die Abtretung der Prozessführung im Sinne von Art. 260 SchKG angeboten und anderseits den Inhabern von Faustpfandrechten an den Grundpfandtiteln den Streit verkündet. Die Rekurrentinnen haben von diesen Möglichkeiten, in den hängigen Prozess einzutreten, keinen Gebrauch gemacht. Damit stellt sich die Frage, ob daraus nicht nach kantonalem Prozessrecht oder nach Art. 63 Abs. 2 KV ein Verzicht auf allfällige Einwendungen gegenüber den Ansprüchen der Bauhandwerker abgeleitet werden müsste. Auch der Entscheid über diese Fragen kann weder der Konkursverwaltung noch den Aufsichtsbehörden obliegen, sondern bleibt dem ordentlichen Zivilrichter vorbehalten. Bis zum Abschluss der Bauhandwerkerprozesse muss daher die Auszahlung der auf die Grundpfandtitel entfallenden Anteile am Verwertungserlös aufgeschoben werden. Das Konkursamt hat demnach diese Anteile mit Recht zurückbehalten. Der Rekurs erweist sich damit als unbegründet.
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3. Beide kantonalen Instanzen haben beanstandet, dass sich das Konkursamt für die Vernehmlassung in den Beschwerde- und Rekursverfahren durch einen Anwalt vertreten liess. Die Vorinstanz führte aus, das Betreibungs- und Konkursamt sei im Verfahren vor den Aufsichtsbehörden nicht Partei im eigentlichen Sinne, sondern trete regelmässig nur in amtlicher Eigenschaft auf. Seine Beschwerdeantwort stelle daher keine Parteivorkehr, sondern eine amtliche Auskunftserteilung dar, die vom Amte selber ausgehen müsse und grundsätzlich nicht einem vertraglichen Vertreter übertragen werden dürfe. Das Obergericht des Kantons Luzern hat aus den gleichen Erwägungen die Vertretung des Betreibungsbeamten durch einen Anwalt als unzulässig erklärt (BlSchK Bd. 11 S. 142 Nr. 46). |
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Zwar ist es richtig, dass der Betreibungs- und der Konkursbeamte im Beschwerdeverfahren nicht als Partei, sondern in ihrer amtlichen Eigenschaft auftreten (BLUMENSTEIN, Die Anwendung des Gesetzes durch den Betreibungs- und Konkursbeamten, ZBJV 68 S. 371; SORG, Das Beschwerdeverfahren in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Kanton Zürich, S. 59). Das ändert aber nichts daran, dass der Betreibungs- und Konkursbeamte berechtigt ist, nach Bedarf Hilfskräfte heranzuziehen bzw. anzustellen. Ebensowenig kann es ihm verwehrt sein, zur Lösung schwieriger Rechtsfragen - wozu auch die Abfassung einer Vernehmlassung in einem Beschwerdeverfahren gehören kann - einen rechtskundigen Berater beizuziehen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, nur einer Vernehmlassung des Beamten selbst komme amtlicher Charakter zu. Wenn die Aufsichtsbehörde Wert darauf legt, über bestimmte Fragen die Ansicht des Beamten selbst kennenzulernen, kann sie ihn besonders auffordern, sich dazu zu äussern, wie sie dies auch tun muss, wenn der Beamte auf eine Vernehmlassung überhaupt verzichtet hat.
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Ungerechtfertigt war sodann auch der im angefochtenen Entscheid erhobene Vorwurf, es sei besonders unangebracht gewesen, dass das Konkursamt den früheren Anwalt von Bauhandwerkern mit der Vertretung beauftragt habe. Es steht fest, dass dies erst geschehen ist, nachdem das Konkursamt seine Verfügung bereits getroffen hatte und es lediglich noch darum ging, diese im Beschwerdeverfahren zu rechtfertigen. Aus dem Beizug des betreffenden Rechtsanwaltes, der in jenem Zeitpunkt das Mandat der Bauhandwerker überdies nicht mehr innehatte, konnte deshalb in keiner Weise die Gefahr einer Interessenkollision oder gar der Verdacht auf mangelnde Objektivität des Konkursamtes abgeleitet werden.
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Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
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