BGE 101 III 99 |
22. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. November 1975 i.S. Schweizerische Kreditanstalt gegen Bank Widemann & Co. AG in Nachlassliquidation. |
Regeste |
Konkursaufschub (Art. 725 Abs. 4 OR). |
1. Die Bewilligung des Konkursaufschubes ist amtlich zu publizieren (Erw. 4). |
2. Wird die Publikation des Konkursaufschubes unterlassen, so ist für den Ausschluss der Verrechnung gemäss Art. 316m SchKG und Art. 32 VNB die tatsächliche Kenntnis des Gläubigers vom Konkursaufschub massgebend (Erw. 5). |
Sachverhalt |
A.- Am 24. April 1972 meldete die Bank Widemann & Co. AG beim Handelsgerichtspräsidenten des Kantons Zürich auf Betreiben der Eidgenössischen Bankenkommission ihre Überschuldung an und stellte gleichzeitig das Gesuch, die Konkurseröffnung sei bis 31. Mai 1972 aufzuschieben. Der Handelsgerichtspräsident entsprach diesem Gesuch mit Verfügung vom 26. April 1972, bestellte die Kontroll- und Revisions AG, Basel, zur Sachwalterin und stellte die Weiterführung der Bankgeschäfte unter deren Aufsicht, wobei sinngemäss die Vorschrift von Art. 32 BankG gelte. Eine öffentliche Bekanntmachung des Konkursaufschubes erfolgte nicht. Mit Verfügung vom 12. Juni 1972 verlängerte der Handelsgerichtspräsident den Konkursaufschub bis 30. Juni 1972. Auf ein erneutes Verlängerungsgesuch hin wurde das Verfahren am 13. Juli 1972 mit Wirkung ab 1. Juli 1972 "sistiert". In beiden Verlängerungsgesuchen hatte die Bank Widemann & Co. AG das Eventualbegehren gestellt, es sei ein Nachlassstundungsverfahren einzuleiten. Da die Sanierungsbemühungen erfolglos blieben, wurde mit Verfügung vom 23. August 1972 die "Sistierung" aufgehoben und die Einleitung des Nachlassstundungsverfahrens vorgemerkt. Am 29. September 1972 gewährte das Handelsgericht des Kantons Zürich der Bank eine Nachlassstundung, worauf am 18. Oktober 1972 das Konkursaufschubsverfahren als gegenstandslos geworden abgeschrieben wurde. Am 28. Februar 1974 wurde der von der Bank vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung bestätigt. Zur Liquidatorin wurde die frühere Sachwalterin ernannt. |
B.- Mit Eingabe vom 13. November 1972 an die Sachwalterin hatte die Schweizerische Kreditanstalt eine Forderung von DM 1'000'000.-- gegen die Bank Widemann & Co. AG angemeldet und gleichzeitig Verrechnung mit Guthaben der Nachlassschuldnerin von Fr. 297'663.65 und US$ 10'582.95 geltend gemacht. Dabei handelte es sich um die am 31. Oktober 1972 bestehenden Saldi des US$-Kontos und des sFr.-Kontos, die die Bank Widemann & Co. AG bei der Schweizerischen Kreditanstalt unterhielt. Die Sachwalterin stellte sich auf den Standpunkt, sie könne die Verrechnung nur für Fr. 30'936.35 und US$ 939.85 anerkennen. Die darüber hinausgehenden Beträge von Fr. 266'727.30 und US$ 9'643.10 seien aus Operationen nach dem 27. April 1972 entstanden und könnten deshalb gemäss Art. 32 der Verordnung des Bundesgerichtes betreffend das Nachlassverfahren von Banken und Sparkassen vom 11. April 1935 (VNB) nicht zur Verrechnung zugelassen werden. Schliesslich einigten sich die Parteien dahin, dass eine Forderung von DM 718'886.20 kolloziert werde, wobei die Nachlassschuldnerin sich vorbehielt, die Verrechnung für den Betrag von Fr. 266'727.30 anzufechten. Warum auf die Anfechtung des streitigen Dollarbetrages verzichtet wurde, ist den Akten und dem vorinstanzlichen Urteil nicht zu entnehmen. |
Die Schweizerische Kreditanstalt war in der Zeit zwischen dem ersten Konkursaufschub vom 26. April 1972 und der Bewilligung der Nachlassstundung vom 29. September 1972 stets der Meinung gewesen, sie sei Schuldnerin der Bank Widemann & Co. AG. Im Oktober/November 1972 entdeckte sie jedoch, dass sie dieser einen Betrag von DM 1'000'000.-- irrtümlich doppelt gutgeschrieben hatte. Erst auf Grund der Berichtigung dieser Falschbuchung stellte sie fest, dass in Wirklichkeit die Bank Widemann & Co. AG während der ganzen Zeit seit Februar 1972 stets ihre Schuldnerin gewesen war.
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C.- Am 10. Januar 1975 belangte die Bank Widemann & Co. AG in Nachlassliquidation die Schweizerische Kreditanstalt vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich auf Bezahlung von Fr. 266'727.30 nebst 8% Zins seit 13. November 1972. Das Handelsgericht hiess die Klage mit Urteil vom 4. Juni 1975 im wesentlichen mit folgender Begründung gut:
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Gemäss Art. 32 VNB gelte das Verrechnungsverbot von Art. 213 Abs. 2 SchKG im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung einer Bank vom Zeitpunkt der Bekanntmachung eines allfälligen Konkursaufschubes im Sinne von Art. 725 Abs. 4 OR an. Für diese Bekanntmachung seien die Formen von Art. 35 SchKG (öffentliche Bekanntmachung durch das Kantonale Amtsblatt, das Schweizerische Handelsamtsblatt und allfällige weitere Blätter) massgebend. Im vorliegenden Falle sei eine solche Publikation zwar unterblieben. Doch habe die Beklagte vom Konkursaufschub gleich nach dessen Gewährung durch die Presse Kenntnis erhalten. Diese Kenntnisnahme sei jener durch eine amtliche öffentliche Bekanntmachung gleichzustellen, weil deren Zweck darin bestehe, den guten Glauben Dritter zu zerstören. Die Verrechnung sei daher unzulässig. |
D.- Mit ihrer Berufung ans Bundesgericht beantragt die Beklagte, das Urteil des Handelsgerichtes sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; eventuell sei die Sache zur Ergänzung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des handelsgerichtlichen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Die Beklagte bemerkt in der Berufungsschrift, der Streitwert ergebe sich aus den Berufungsanträgen. Damit will sie offenbar sagen, er stimme mit der von der Vorinstanz geschützten Klageforderung von Fr. 266'727.30 überein. Das trifft indessen nicht zu. Wird die Klage im Sinne des Berufungsantrages abgewiesen, so bleibt es bei der Kollozierung der Beklagten mit einer Forderung von DM 718'886.20. Wird dagegen, wie es das Handelsgericht getan hat, die Verrechnungsmöglichkeit für den Betrag von Fr. 266'727.30 verneint, so muss zwar die Beklagte diesen Betrag an die Klägerin bezahlen, kann aber anschliessend verlangen, dass sie mit dem zur Verrechnung nicht zugelassenen Teil ihrer Forderung nachträglich noch kolloziert wird (BGE 56 III 248). Sie würde in diesem Falle auf dem Betrag von Fr. 266'727.30 die aus dem Nachlassverfahren resultierende Dividende erhalten. Der Streitwert ist also in Wirklichkeit mit der Differenz zwischen der Klageforderung und der auf sie voraussichtlich entfallenden Nachlassdividende identisch. Wie hoch die letztere ist, lässt sich dem vorinstanzlichen Urteil nicht entnehmen. In der heutigen Verhandlung war von einer mutmasslichen Dividende von 20% die Rede. Wie zuverlässig diese Angabe ist, kann dahingestellt bleiben. Es darf mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Beklagte im Falle der Gutheissung der Klage auf dem streitigen Betrag von Fr. 266'727.30 ihrer Forderung einen Verlust von weit über Fr. 15'000.-- erleiden wird, so dass der für die Berufung bzw. für eine mündliche Berufungsverhandlung erforderliche Streitwert auf jeden Fall überschritten ist (Art. 46 und 62 Abs. 1 OG). |
Dieses Argument schlägt indessen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass für eine "Sistierung des Verfahrens", wie sie vom Handelsgerichtspräsidenten am 13. Juli 1972 verfügt worden war, keine gesetzliche Grundlage bestand. Vielmehr hätte dieser entweder dem Gesuch um Verlängerung des Konkursaufschubes entsprechen, das Eventualbegehren um Einleitung des Nachlassstundungsverfahrens schützen oder aber die Konkurseröffnung aussprechen müssen. Eine andere Möglichkeit bestand nicht. Der Konkursaufschub konnte aber auch nicht hinfällig werden, weil ja die Klägerin im Sinne von Art. 725 Abs. 3 OR die Überschuldung angemeldet hatte und demzufolge nur Konkurseröffnung oder Konkursaufschub (oder allenfalls ein Nachlassverfahren) in Frage kamen. Die Sistierungsverfügung des Handelsgerichtspräsidenten konnte daher in Wirklichkeit lediglich bedeuten, dass der Konkursaufschub nochmals verlängert werde. Das war denn offensichtlich auch ihr Sinn, weil der Handelsgerichtspräsident vorerst noch die Stellungnahmen der Bankenkommission und der Sachwalterin abwarten wollte. Nachdem diese vorlagen und aus ihnen hervorging, dass die Sanierungsbemühungen als gescheitert betrachtet werden mussten, hob der Handelsgerichtspräsident die Sistierung auf, setzte indessen das Konkurserkenntnis im Hinblick auf die erfolgte Einleitung des Nachlassverfahrens abermals aus. Damit aber hatte im Ergebnis der Konkursaufschub vom 26. April 1972 an bis zur Einleitung der Nachlassstundung gedauert. Ein "Interregnum", wie sich die Beklagte ausdrückt, während welchem weder ein Konkursaufschub bestanden hätte, noch das Nachlassverfahren eingeleitet gewesen wäre, bestand daher nicht, und die Anwendbarkeit von Art. 32 VNB konnte demzufolge auch nicht wegen eines solchen Zwischenstadiums hinfällig werden. |
"Für die Zulassung von Verrechnungen gilt Art. 213 SchKG. An Stelle der Konkurseröffnung tritt die Publikation der Nachlassstundung.
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Art. 214 SchKG ist anwendbar."
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Dieser Entwurf wurde in der Folge einer kleinen Expertenkommission zur Vorberatung unterbreitet. Der Kommissionsentwurf sah in Art. 31 unter dem Randtitel "Verrechnung" folgende Bestimmung vor:
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"Für die Verrechnung gelten die Bestimmungen von Art. 213, ausgenommen Ziff. 3, und 214 SchKG. An Stelle der Konkurseröffnung tritt die Bekanntmachung der Nachlassstundung, allfällig des vorausgegangenen Konkursaufschubes gemäss Art. 657 Abs. 3 OR. Die Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren ist zulässig, wenn und soweit der Gläubiger nachweist, dass er letztere in gutem Glauben vor der Bekanntmachung der Nachlassstundung erworben hat."
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Eine Begründung für die Änderung gegenüber dem Vorentwurf Jaeger findet sich weder in den Protokollen der Expertenkommission noch in den übrigen Materialien. Bei den Beratungen in der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer wurde die genannte Bestimmung mit unverändertem Wortlaut zum heute geltenden Art. 32 VNB. Bei der Revision des Aktienrechtes im Jahre 1936 ist der frühere Art. 657 Abs. 3 OR durch den gleich lautenden heutigen Art. 725 Abs. 4 OR ersetzt worden. |
Im Gegensatz zu der Bestimmung von Art. 32 über die Verrechnung wird in Art. 31 VNB mit Bezug auf die paulianische Anfechtung nicht auf die Publikation der Nachlassstundung oder des Konkursaufschubes, sondern auf deren Bewilligung abgestellt und überdies auch ein Fälligkeitsaufschub oder eine Bankenstundung im Sinne von Art. 29 ff. BankG einbezogen, wobei ebenfalls die Bewilligung und nicht die Bekanntmachung dieser Massnahmen für die Fristbestimmung massgebend ist. Der Unterschied zwischen den beiden Regelungen ist offensichtlich gewollt, obwohl die Materialien auch darüber keinen klaren Aufschluss geben.
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In der Folge wurde die Regelung der VNB durch die bundesrätlichen Verordnungen über vorübergehende Milderungen der Zwangsvollstreckung (VMZ) vom 17. Oktober 1939 (AS 1939 S. 1211) und vom 24. Januar 1941 (AS 1941 S. 61) auf sämtliche Nachlassverträge mit Vermögensabtretung anwendbar erklärt (Art. 45 der VMZ 1939 und Art. 51 der VMZ 1941). Die SchKG-Revision vom Jahre 1949 diente unter anderem dazu, das Notrecht in die ordentliche Gesetzgebung überzuführen. Dabei wurde die Regelung von Art. 32 VNB in Art. 316m SchKG und jene von Art. 31 VNB in Art. 316s SchKG übernommen. Soweit die entsprechenden Vorschriften in ihrem Wortlaut nicht ganz übereinstimmen, handelt es sich um bloss redaktionelle Anpassungen an andere in die Revision einbezogene Bestimmungen des SchKG und an die inzwischen erfolgte Revision des Aktienrechtes im OR, wobei ausser dem Art. 725 richtigerweise auch noch die Art. 817 und 903 OR aufgeführt wurden. Eine Begründung für die Verschiedenheit der massgebenden Stichtage (Publikation der Stundung etc. im Falle der Verrechnung, Bewilligung im Falle der Anfechtungsklage) findet sich auch in den Materialien zur SchKG-Revision nicht.
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4. In den Art. 725, 817 und 903 OR ist eine Publikation des Konkursaufschubes nicht ausdrücklich vorgesehen. Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG setzen aber offensichtlich eine Publikationspflicht voraus. Diese beiden Bestimmungen haben nur dann einen vernünftigen Sinn, wenn davon ausgegangen wird, der Konkursaufschub werde - wie die Nachlassstundung (Art. 296 SchKG) - in jedem Falle öffentlich bekannt gemacht. Wenn der Gesetzgeber als massgebenden Zeitpunkt für das Verrechnungsverbot die Bekanntmachung der Nachlassstundung bzw. des Konkursaufschubes bezeichnete, so wollte er damit verhindern, dass während der Dauer dieser Massnahmen ein Wettlauf der Gläubiger um die Schaffung von Verrechnungsmöglichkeiten stattfinde, weil dadurch die geordnete Durchführung des Verfahrens und die Gleichbehandlung aller Gläubiger im Liquidationsfall gefährdet werden könnten. Wäre der Gesetzgeber der Meinung gewesen, die Publikation des Konkursaufschubes sei dem Ermessen des Konkursrichters überlassen, so hätte er den Stichtag für das Verrechnungsverbot zweifellos in anderer Weise festgesetzt, weil sonst der von ihm angestrebte Zweck nur in einem Teil der Fälle hätte erreicht werden können. |
Die Publikation des Konkursaufschubes erscheint aber auch abgesehen von Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG als geboten. Das Konkursaufschubsverfahren bezweckt, Zeit für eine allfällige Sanierung der überschuldeten Gesellschaft zu gewinnen. Trotz des Vorliegens eines Konkursgrundes wird im Interesse der Gläubiger und der Gesellschaft selbst von der sofortigen Konkurseröffnung abgesehen. Der Konkursaufschub kommt damit einer Stundung gleich. Zwar hat das Bundesgericht in BGE 77 III 38 die Frage offen gelassen, ob der Konkursaufschub wie die Nachlassstundung (Art. 297 SchKG) von Rechts wegen die Wirkung eines Rechtsstillstandes habe. Es entschied jedoch, in Pfändungsbetreibungen für Steuerforderungen gemäss Art. 43 SchKG sei während des Aufschubs jedenfalls die Verwertung ausgeschlossen, da sonst die angestrebte Sanierung zum vornherein verunmöglicht würde. Umso weniger kann es den Gläubigern gestattet sein, während des Konkursaufschubes neue Konkursbegehren zu stellen (BÜRGI, N. 24 zu Art. 725 OR). Der Zweck des Konkursaufschubes würde vereitelt, wenn der Konkurs während der Dauer des Verfahrens aus einem andern Grunde eröffnet werden müsste. Hat aber der Konkursaufschub im Ergebnis die Wirkung einer Stundung, so muss er vernünftigerweise gleich wie die Nachlassstundung (Art. 296) und die Bankenstundung (Art. 32 Abs. 3 BankG) öffentlich bekannt gemacht werden.
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Eine Publikation des Konkursaufschubes verlangen sodann auch die vom Konkursrichter zu treffenden Massnahmen zur Erhaltung des Gesellschaftsvermögens. So muss der Öffentlichkeit insbesondere mitgeteilt werden, ob ein Sachwalter bestellt worden ist und gegebenenfalls welche Befugnisse diesem übertragen worden sind. Allerdings kann die Bekanntmachung des Konkursaufschubes dazu führen, dass die Geschäftspartner der Gesellschaft das Vertrauen in diese verlieren, was zumal bei Banken die Sanierung gefährden könnte. Diese Erwägung hat indessen zurückzutreten vor dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Information darüber, dass eine Gesellschaft überschuldet ist und dass ihr damit die Kreditbasis fehlt. Es wäre geradezu eine Täuschung des Publikums, wenn der Konkursrichter diesem die Kenntnis von der Überschuldung vorenthielte und es dadurch dazu verleitete, der konkursiten Gesellschaft weiterhin Kredit zu gewähren. Aus all diesen Gründen war die Publikation des Konkursaufschubes denn auch schon vor dem Inkrafttreten von Art. 316m SchKG die Regel (vgl. MARMY, L'intervention du juge en cas d'insolvabilité de la société anonyme, Diss. Fribourg 1950, S. 37). |
a) Nach dem in Erw. 4 Gesagten ging der Gesetzgeber beim Erlass von Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG davon aus, der Konkursaufschub werde in allen Fällen öffentlich bekannt gemacht. Wenn er unter diesen Umständen als massgebenden Stichtag für das Verrechnungsverbot die Publikation des Konkursaufschubes wählte, so wollte er damit den Ausschluss der Verrechnung nicht von der Bedingung der Publikation abhängig machen, sondern es ging ihm dabei nur um eine Zeitbestimmung, die ihm aus irgendeinem Grund als geeignet erschien. Wenn nun die Publikation des Konkursaufschubes irrtümlicherweise unterlassen wird, so kann daraus nicht gefolgert werden, die Verrechnung sei während der ganzen Dauer des Aufschubes zulässig. An diesen Fall hat der Gesetzgeber offensichtlich gar nicht gedacht. Die ratio von Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG verlangt im Gegenteil, dass während des Konkursaufschubes die Verrechnung auch in einem solchen Fall ausgeschlossen sein soll. Würde man anders entscheiden, so könnte der vom Gesetzgeber missbilligte Aufkauf von Forderungen gegen den Schuldner während des Aufschubes nicht vollständig verhindert werden, da Art. 214 SchKG und die paulianische Anfechtungsklage gegen derartige Machenschaften nur ungenügenden Schutz bieten (LUDWIG, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, Diss. Bern 1970, S. 93; GERSBACH, Der Nachlassvertrag ausser Konkurs nach dem schweizerischen Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, Diss. Zürich 1937, S. 134). Fraglich kann somit nur sein, von welchem Zeitpunkt an die Verrechnung nicht mehr zugelassen werden soll. |
b) Wenn der Gesetzgeber in Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG auf die Publikation der Nachlassstundung bzw. des Konkursaufschubes abstellte, so wollte er damit entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, oder doch nicht nur, einen klaren, für alle Gläubiger einheitlichen Stichtag festsetzen. Wäre dies seine Absicht gewesen, so hätte er vernünftigerweise wie bei der Bestimmung des für die paulianische Anfechtung massgebenden Zeitpunktes in Art. 31 VNB und Art. 316s SchKG und entsprechend der Regelung des Verrechnungsverbots beim Konkurs (Art. 213 SchKG) die Bewilligung der Stundung bzw. des Konkursaufschubes als wesentlich erklärt. Wenn er statt dessen, und zwar bewusst (vgl. Erw. 3), davon absah und für den Beginn des Verrechnungsverbotes die Publikation als massgebend bezeichnete, so kann dies nur den Sinn haben, dass es ihm als erheblich erschien, dass die Gläubiger von der Stundung bzw. dem Konkursaufschub Kenntnis haben sollen, um von der Verrechnung ausgeschlossen zu sein.
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c) Wo das Gesetz eine Rechtsfolge von einer öffentlichen Bekanntmachung abhängig macht, verfolgt es damit in der Regel den Zweck, diese Rechtsfolge unabhängig davon eintreten zu lassen, ob die betroffenen Dritten von der publizierten Tatsache tatsächlich Kenntnis haben. Ihre Kenntnisnahme wird vielmehr fingiert. Diese Fiktion erübrigt sich aber, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Dritte von der betreffenden Tatsache Kenntnis erhalten hat. In einem solchen Fall besteht kein zwingender Grund, die Rechtsfolge nicht schon mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme eintreten zu lassen. Wohl ist gemäss Art. 35 Abs. 1 SchKG für die Berechnung von Fristen und für die Feststellung der mit einer öffentlichen Bekanntmachung verbundenen Rechtsfolgen grundsätzlich das Datum der Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt massgebend. Das setzt aber voraus, dass eine Publikation überhaupt erfolgt ist. Sodann enthält das Gesetz selbst Ausnahmen von diesem Grundsatz. So bewirken z.B. Zahlungen an den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung, aber vor der öffentlichen Bekanntmachung des Konkurses keine Befreiung von der Schuldpflicht, wenn dem Leistenden die Konkurseröffnung bekannt war (Art. 205 SchKG). Ferner sind Wechselzahlungen des Gemeinschuldners nach Art. 204 Abs. 2 SchKG nach der Konkurseröffnung nur dann ungültig, wenn der Wechselinhaber von der Konkurseröffnung Kenntnis hatte. Ein weiteres Beispiel bietet Art. 213 Abs. 2 SchKG. Danach ist im Konkurs die Verrechnung mit Forderungen aus Inhaberpapieren zulässig, wenn der Gläubiger nachweist, dass er die Papiere in gutem Glauben vor der Konkurseröffnung erworben hat. Gutgläubig im Sinne dieser Bestimmung kann nur derjenige Gläubiger sein, der vom Konkursaufschub und damit von der Überschuldung des Gemeinschuldners keine Kenntnis hat. Wer also in Kenntnis des Konkursaufschubes, aber vor dessen öffentlicher Bekanntmachung, Inhaberpapiere erwirbt, kann diese Forderungen im Konkurs des Gemeinschuldners nicht zur Verrechnung bringen. In Analogie zu diesen Fällen drängt es sich auf, dass die Verrechnung einem Gläubiger gegenüber, der vom Konkursaufschub Kenntnis hat, ausgeschlossen sein soll, wenn der Aufschub irrtümlicherweise überhaupt nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist. Das Abstellen auf diesen Zeitpunkt trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Gesetzgeber für den Verrechnungsausschluss die Kenntnis vom Konkursaufschub wesentlich schien. |
d) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieses Ergebnis nicht unbillig. Wenn derjenige Gläubiger, der vom Konkursaufschub Kenntnis hat, hinsichtlich der Verrechnung schlechter gestellt ist als der unwissende, so lässt sich dies dadurch rechtfertigen, dass er die Möglichkeit hat, Gegenmassnahmen zu treffen. Wer sich dagegen in Kenntnis des Konkursaufschubes zum Schaden der Masse und der Gesamtheit der Gläubiger Verrechnungsmöglichkeiten verschafft, verdient keinen Schutz. Abgesehen davon verhält es sich im vorliegenden Fall nicht so, dass die Beklagte während der Dauer des Konkursaufschubes im Vertrauen darauf, dereinst verrechnen zu können, bestimmte Dispositionen getroffen hätte, glaubte sie doch stets, Schuldnerin der Klägerin zu sein. Insbesondere hat sie dieser keine neuen Kredite gewährt. Ihre Gläubigerposition hat sich im Gegenteil im Laufe des Aufschubes beträchtlich abgeschwächt. Dies geschah ohne ihr Zutun, da sich ihre Tätigkeit darauf beschränkte, die zugunsten der Klägerin eingehenden Überweisungen dieser gutzuschreiben. Wohl wurden auf dem Konto der Klägerin auch einzelne Belastungen vorgenommen. Hätte sich die Beklagte jedoch geweigert, die Überweisungsaufträge der Klägerin durchzuführen und deren Konto entsprechend zu belasten, so wäre der Kontokorrentverkehr zweifellos zusammengebrochen und die Beklagte wäre nicht besser gestellt als sie es heute ist. Dass die Beklagte ohne ihr Zutun in die Lage geriet, verrechnen zu können, hilft ihr nicht; die Billigkeit gebietet nicht, dass sie von diesem Zufall soll profitieren können. Ebensowenig kann sie etwas daraus ableiten, dass sie erst bei Entdeckung der Falschbuchung, also erst nach Abschluss des Konkursaufschubsverfahrens, auf den Gedanken kam, die Verrechnung zu erklären. Dieser Umstand beweist nur, dass die Beklagte in guten Treuen gehandelt hat, lässt aber den Ausschluss der Verrechnung nicht als unbillig erscheinen. Das Verrechnungsverbot in Art. 32 VNB und Art. 316m SchKG setzt nicht voraus, dass dem Gläubiger in jedem Fall unlautere Machenschaften vorgeworfen werden müssten, sondern es will generell gelten.
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e) Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass bei Unterlassung der Publikation des Konkursaufschubes als Stichtag für das Verrechnungsverbot im Sinne von Art. 213 SchKG die tatsächliche Kenntnisnahme vom Aufschub massgebend ist. Wie es sich verhielte, wenn der Konkursaufschub ordnungsgemäss veröffentlicht worden wäre, ist damit nicht entschieden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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