BGE 102 III 109
 
19. Entscheid vom 21. Januar 1976 i.S. B.
 
Regeste
Betreibungshandlungen während der Nachlassstundung (Art. 297 SchKG).
2. Werden in einer Betreibung für Mietzinsforderungen die auf Begehren des Vermieters retinierten Gegenstände während der Stundung durch ein Bardepot ersetzt, so darf dieses Depot dem betreibenden Vermieter einstweilen nicht ausbezahlt werden (Erw. 2).
 
Sachverhalt


BGE 102 III 109 (110):

A.- In der Betreibung Nr. 9228/Retention Nr. 391 retinierte das Betreibungsamt Seftigen auf Begehren des Mietzinsgläubigers G. am 13. August/9. September 1975 bei der Schuldnerin X. AG diverse Gegenstände im Schätzungswert von Fr. 63'692.--. Am 9. September 1975 wurde der Schuldnerin der Zahlungsbefehl zugestellt. Rechtsvorschlag wurde nicht erhoben. Mit Verfügung vom 10. September 1975 bewilligte der Gerichtspräsident von Seftigen der Schuldnerin für die Dauer von vier Monaten eine Nachlassstundung.
Am 9. Oktober 1975 leisteten Drittpersonen beim Betreibungsamt Seftigen ein Bardepot in der Höhe von Fr. 58'000.--. Hierauf verfügte das Betreibungsamt, dieser Betrag trete an die Stelle der retinierten Gegenstände.
B.- Mit Schreiben vom 21. Oktober 1975 verlangte der Mietzinsgläubiger vom Betreibungsamt die Auszahlung der Betreibungsforderung aus dem geleisteten Bardepot. Das Betreibungsamt wies das Begehren mit Verfügung vom 18. November 1975 ab mit der Begründung, gemäss Art. 297 SchKG dürften während der Dauer der Stundung gegen den Schuldner Betreibungen weder angehoben noch fortgesetzt werden. Mit Entscheid vom 23. Dezember 1975 bestätigte die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern diese Verfügung.
C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts stellt B., dem die in Betreibung gesetzte Forderung abgetreten worden ist, folgenden Antrag:


BGE 102 III 109 (111):

"Das Betreibungsamt Seftigen in Belp sei anzuweisen, dem Rekurrenten die
Forderungssumme nebst Zins und Kosten gemäss unbestrittenem Zahlungsbefehl
Nr. 9228 BA Seftigen in Belp, ausmachend Fr. 56'069.40 nebst Zins zu 5%
seit 8.9.75, Fr. 54.-- Retentionskosten und Fr. 40.--
Zahlungsbefehlskosten, aus dem in Retention Nr. 391 BA Seftigen in Belp
geleisteten Bardepot von Fr. 58'000.-- auszubezahlen."
 
Die Schulbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Der Rekurrent macht vor allem geltend, entgegen der Ansicht der Vorinstanz könne eine Betreibung auf Faustpfandverwertung während der Nachlassstundung fortgesetzt werden. Das Betreibungsamt dürfe daher die Verteilung des deponierten Betrages nicht verweigern. Diese Auffassung widerspricht indessen dem klaren Wortlaut von Art. 297 SchKG. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung kann während der Nachlassstundung gegen den Schuldner eine Betreibung weder angehoben noch fortgesetzt werden. Grundsätzlich ist demnach während der Stundung jede Betreibungshandlung verboten (vgl. auch Art. 56 Ziff. 4 SchKG). Der erst anlässlich der Revision von 1949 ins Gesetz aufgenommene Art. 297 Abs. 2 SchKG enthält die Ausnahmen von diesem Grundsatz. Danach ist auch während der Stundung die Betreibung auf Pfandverwertung für grundpfändlich gesicherte Forderungen zulässig. Die Betreibung auf Faustpfandverwertung wird dagegen in der Ausnahmebestimmung nicht erwähnt und füllt daher unter das Verbot von Abs. 1. Diese unterschiedliche Behandlung von Grund- und Faustpfandforderungen lässt sich dadurch rechtfertigen, dass es den Grundpfandgläubigern gestattet sein muss, auch während der Stundung die Ausdehnung der Pfandhaft auf die Miet- und Pachtzinsforderungen (Art. 806 ZGB) zu erreichen. Angesichts der langen Verwertungsfristen bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung erscheint es zudem als sinnvoll, dass die Gläubiger durch die Stundung nicht daran gehindert werden, die spätere Verwertung der Pfandliegenschaft durch das Betreibungsamt in die Wege zu leiten (BGE 84 III 111). Dieser Gesichtspunkt spielt bei der Faustpfandbetreibung nicht die gleiche Rolle.


BGE 102 III 109 (112):

wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben. Denn dieses Depot wurde erst am 9. Oktober 1975, also nach Bewilligung der Nachlassstundung, geleistet. Im Zeitpunkt der Stundungsbewilligung war demnach die Retentionsbetreibung noch nicht so weit gefördert, dass sie im Sinne von BGE 83 III 135 ff. ohne weitere Förmlichkeit durch Ausbezahlung der an die Stelle der retinierten Gegenstände getretenen Summe hätte beendet werden können. War aber in jenem Zeitpunkt die Verwertung noch nicht durchgeführt bzw. das Depot noch nicht geleistet, so durfte die Betreibung auf jeden Fall nicht fortgesetzt werden. Die spätere Ersetzung der retinierten Gegenstände durch einen Barbetrag ändert daran nichts.
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.