BGE 121 III 441 (443):
aa) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtes in bezug auf die Unterhaltsregelung eines geschiedenen Ehegatten, der den Haushalt besorgt und sich der Betreuung der Kinder widmet, kann nicht unbesehen auf die Verwandtenunterstützungspflicht übertragen werden. Diese Rechtsprechung beruht nämlich nicht nur auf der Überlegung des Kindeswohls, sondern auch darauf, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte aufgrund nachehelicher Beistandspflichten seine Lebensgewohnheiten nach der Scheidung nicht ohne Not soll ändern müssen. Im Fall der um die Verwandtenunterstützung nachsuchenden ledigen Mutter kann demgegenüber nicht von einem eigenen Anspruch der Mutter ausgegangen werden, grundsätzlich von einer Erwerbstätigkeit befreit zu sein und sich ausschliesslich dem Haushalt und der Kinderbetreuung widmen zu können. Es kann auch nicht einfach im Belieben der um Unterstützung nachsuchenden Mutter stehen, ob sie selber ihr Kind versorgen möchte. Massgebend ist vielmehr, ob aus Gründen des Kindeswohls eine Versorgung durch die Mutter persönlich erforderlich und insoweit eine Erwerbstätigkeit unzumutbar ist. Dies kann mit Rücksicht auf das Alter des Kindes und mangels geeigneter Versorgungsmöglichkeiten der Fall sein. Dabei ist speziell zu beachten, dass Kleinkinder nach kinderpsychiatrischen Erkenntnissen in den ersten Lebensmonaten empfindlich auf jeden Wechsel der Pflegeperson reagieren, insbesondere wenn damit auch ein Wechsel in der häuslichen Umgebung verbunden ist, was zu schwerwiegenden Folgen in der Gefühlsentwicklung des Kleinkindes führen kann. Je jünger ein Kind ist, desto besser muss gesichert sein, dass eine geeignete und voraussichtlich nicht wechselnde Person ganztags zur persönlichen Betreuung zur Verfügung steht (FRIEDRICH ARNTZEN, Elterliche Sorge und Umgang mit Kindern, 2. Auflage, München 1994, S. 14 ff.; UDO RAUCHFLEISCH, Dissozial, Entwicklung, Struktur und Psychodynamik dissozialer Persönlichkeiten, Göttingen 1981, S. 63 ff. mit weiteren Hinweisen; LOTTE SCHENK-DANZINGER, Entwicklungspsychologie, 20. Auflage, Wien 1988, S. 94, S. 101 ff.; RAINER TÖLLE, Psychiatrie, 10. Auflage, Berlin usw. 1994, S. 47; GOLDSTEIN/FREUD/SOLNIT, Jenseits des Kindeswohls, Frankfurt a.M. 1974, S. 33 f. gehen von einer kritischen Zeitspanne von etwa 18 Monaten aus; FRANÇOISE DOLTO, Lorsque l'enfant paraît, Paris 1977, S. 181 geht sogar von einer Dauer von 24 bis 30 Monaten, längstens drei Jahren aus). Solange Kleinkinder einer persönlichen Betreuung bedürfen und eine qualitativ vergleichbare individuelle Betreuung durch Drittpersonen nicht gewährleistet ist, kann daher einer ledigen Mutter je nach den
BGE 121 III 441 (444):
konkreten Verhältnissen für die erste Zeit nach der Geburt im Interesse des Kindes nicht zugemutet werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.