BGE 123 III 35 |
6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. August 1996 i.S. Z. AG gegen B. AG und F. GmbH (Berufung) |
Regeste |
Internationales Privatrecht; Konsens und Auslegung eines Verweisungsvertrags; Widerklage und Zuständigkeit. |
Die ausschliessliche Gerichtsstandsvereinbarung für eine mit Widerklage geltend gemachte Forderung derogiert der gesetzlichen Widerklagezuständigkeit. Für die Widerklage ist eine vorbehaltlose Einlassung gemäss Art. 6 IPRG möglich (E. 3). |
Sachverhalt |
A.- Die B. AG und die F. GmbH (nachfolgend Klägerinnen) schlossen sich am 16. März 1987 mit der A. AG unter der Bezeichnung "Arbeitsgemeinschaft Tiefgarage X.-gasse Konstanz" (nachstehend ARGE) zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB zusammen mit dem Zweck, für die Stadt Konstanz schlüsselfertig eine Tiefgarage zu erstellen. Mit Bauwerkvertrag vom 15. Juli 1987 übertrug die ARGE die Werkausführung der A. AG als Subunternehmerin und verpflichtete sie, zur Absicherung aller sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen eine "selbstschuldnerische, verlängerbare Ausführungsbürgschaft der Z. AG" in der Höhe von DM 2'000'000.-- zu stellen. |
Am 13. August 1987 sandte die Z. AG (nachfolgend Beklagte) der A. AG eine Police für eine Baugarantieversicherung (Ausführungsgarantie) über eine Garantiesumme von Fr. 1'000'000.-- (Nr. 1.988.444-001) zu. am 8. September 1987 stellte sie einen Ersatzantrag für eine Ausführungsgarantieversicherung (Bürgschaft) mit einer Garantiesumme von DM 2'000'000.-- aus, welchen die A. AG gegenzeichnete. Am 15. September 1987 schliesslich errichtete sie eine Police (Nr. 1.988.444-002) für eine Baugarantieversicherung (Ausführungsgarantie) über eine Garantiesumme von Fr. 1'670'000.--, welche die erstgenannte Police ersetzte und als Unternehmerin die A. AG, als Bauherrin die ARGE nannte.
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Bereits am 11. September 1987 hatte die Beklagte der ARGE eine erste Bürgschaftserklärung ausgestellt, welche diese jedoch nicht akzeptierte. Am 25. September 1987 gab sie eine zweite Erklärung ab, in der sie sich als Solidarbürgin bis zum Höchstbetrag von DM 2'000'000.-- gegenüber der AGRE verpflichtete für den Fall, dass die A. AG dem Bauvertrag vom 15. Juli 1987 nicht vollständig nachkomme. Weiter teilte sie wörtlich mit:
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"Die Bürgschaftssumme ist auf erste Anforderung zahlbar.
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Die "Z. AG" verzichtet auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§ 770, Abs. 1 und 2, § 771 BGB).
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Die Verpflichtung aus dieser Bürgschaft erlischt, sobald der "Z. AG" diese Urkunde zurückgegeben wird, spätestens jedoch, wenn die "Z. AG" bis zur Fertigstellung des Werkes nicht in Anspruch genommen wurde.
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Diese Bürgschaftserklärung ersetzt diejenige vom 11.09.1987."
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B.- Nach dem Beginn der Bauarbeiten im Herbst 1988 stellten sich verschiedene Mängel und Schwierigkeiten ein, die zu Differenzen unter den Mitgliedern der ARGE führten. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1989 trat die A. AG ohne Präjudiz für ihren Rechtsstandpunkt vom Bauwerkvertrag zurück. Damit erklärte sich die ARGE nicht einverstanden, setzte die A. AG unter Fristansetzung für die Sanierung des Werks in Verzug und drohte ihr für den Fall der Nichteinhaltung die Kündigung des Bauwerkvertrags an. Die A. AG widersetzte sich der Inverzugsetzung und beharrte auf ihrer Vertragskündigung. Nach weiteren Fristansetzungen beschloss die ARGE am 15. März 1990 mit den Stimmen der Klägerinnen, den Subunternehmervertrag aus wichtigen Gründen zu kündigen und die Ersatzvornahme selbst vorzunehmen. Mit gültigem Beschluss vom 29. Oktober 1990 schlossen die Klägerin die A. AG aus der ARGE aus.
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C.- In der Folge belangten die Klägerinnen die Beklagte vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich auf Zahlung von DM 2'000'000.-- nebst Zins. Die Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und machte als Zessionarin widerklageweise eine Werklohnteilforderung der A. AG von DM 2'585'623.-- nebst Zins geltend, welche sie eventualiter zur Verrechnung stellte. Mit Beschluss und Urteil vom 27. Mai 1994 trat das Handelsgericht auf die Widerklage nicht ein und hiess die Klage mit Ausnahme eines Mehrwertsteuerbetreffnisses auf dem Zinsbetrag gut. Eine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 4. September 1995 ab, soweit es darauf eintrat.
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Zur gleichen Zeit führten die Klägerinnen ein Prozessverfahren gegen die A. AG in Deutschland. Vor dem Landgericht Konstanz klagten sie auf Schadenersatz, welcher ihnen mit Urteil vom 23. Dezember 1992 im Umfang von DM 3'000'000.-- zugesprochen wurde. Die Widerklage der A. AG und der ihr in gewillkürter Parteierweiterung beigetretenen Beklagten auf Zahlung von Werklohn wies das Landgericht mit der Begründung ab, einerseits habe die Beklagte den Prozessstoff bereits vor dem Handelsgericht Zürich zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht, und anderseits stehe der A. AG keine Werklohnforderung mehr zu. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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Aus den Erwägungen: |
a) Nach früherer Rechtsprechung, jedenfalls seit Aufgabe der sogenannten grossen Vertragsspaltung mit BGE 78 II 74 (E. 5), wie nach geltendem kodifiziertem Internationalem Privatrecht (Art. 116 IPRG) belässt die kollisionsrechtliche Privatautonomie den Parteien - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - die Freiheit, das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Sachrecht selbst zu bestimmen (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 196 ff. in Allgemeine Einleitung vor Art. 1 OR; VISCHER, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. I, .S. 666 ff.; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, in: Heini et al. (Hrsg.), IPRG Kommentar, N. 26 ff. zu Art. 116; AMSTUTZ/VOGT/WANG, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, N. 1 ff. zu Art. 116; DUTOIT, Droit international privé suisse, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, N. 1 ff. zu Art. 116).
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Streitig ist, ob und mit welchem Inhalt die Parteien im Jahre 1987 einen Verweisungsvertrag geschlossen haben. Da der massgebende Sachverhalt sich zeitlich vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht verwirklicht hat, ist er altrechtlich zu beurteilen (Art. 196 IPRG). Entsprechend der damals herrschenden Rechtsauffassung entscheidet sich nach der lex fori, d.h. nach schweizerischem Recht, ob der Vertragstatbestand verwirklicht ist (BGE 79 II 295 E. 1d S. 300; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 202 in Allgemeine Einleitung vor Art. 1 OR; VISCHER, a.a.O. S. 666; zum altrechtlichen Meinungsstand auch KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., N. 23 zu Art. 116 IPRG; AMSTUTZ/VOGT/WANG, a.a.O., N. 33 zu Art. 116 IPRG; DUTOIT, a.a.O. N. 1 zu Art. 116 IPRG;). Damit kann offen bleiben, wie es sich nach geltendem Recht verhielte, welches die Konsensfrage grundsätzlich dem gewählten bzw. dem beabsichtigten Sachrecht unterstellt (Art. 116 Abs. 2 Satz 2 IPRG; AMSTUTZ/VOGT/WANG, a.a.O, N. 34 zu Art. 116 IPRG; SCHWANDER, Urteilsanmerkung zu Bundesgerichtsurteil vom 28. April 1993 [BGE 119 II 173 ], in AJP 1993 S. 863 f.), indes das anwendbare Recht nicht ausdrücklich bestimmt, wenn alternativ die Wahl zweier Sachrechte streitig ist. Offen bleiben kann weiter, in welchem Verhältnis - namentlich im Bereich des normativen Konsenses (dazu BGE 119 II 173 E. 1b) - nach der geltenden Ordnung die zwingend schweizerischem Recht unterstehenden äusseren Deutlichkeitserfordernisse (Art. 116 Abs. 2 Satz 1 IPRG) zu den in die lex causae verwiesenen inneren Konsensanforderungen stehen (zur Abgrenzung Heini, Die Rechtswahl im Vertragsrecht und das neue IPR-Gesetz, in: Beiträge zum neuen IPR des Sachen-, Schuld- und Gesellschaftsrechts, Festschrift für Rudolf Moser, S. 67 ff., 77; AMSTUTZ/VOGT/WANG, a.a.O., N. 37 zu Art. 116 IPRG; DUTOIT, a.a.O., N. 14 zu Art. 116 IPRG). Die Beklagte macht geltend, das Handelsgericht habe zu Unrecht die parteiautonome Wahl schweizerischen Rechts verneint, welches auf die Frage des Zustandekommens eines Verweisungsvertrags selbst dann anwendbar wäre, wenn sie auch altrechtlich von der lex causae beherrscht würde. |
Ist der streitige Vertragstatbestand nach schweizerischem Recht zu beurteilen, steht insoweit die Berufung offen, als eine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht wird.
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b) Im schweizerischen Vertragsrecht gilt bei Fragen des Konsenses oder der Auslegung der Grundsatz des Primats des subjektiv übereinstimmend Gewollten vor dem objektiv Erklärten, subjektiv aber unterschiedlich Verstandenen. Im Konsens- wie im Auslegungsstreit hat das Sachgericht daher vorab zu prüfen, ob die Parteien sich tatsächlich übereinstimmend geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt haben. Ist dies für den Vertragsschluss als solchen zu bejahen, liegt ein tatsächlicher Konsens vor. Haben die Parteien sich in den Vertragsverhandlungen zwar übereinstimmend verstanden, aber nicht geeinigt, besteht ein offener Dissens und damit kein Vertragsschluss. Haben sie sich übereinstimmend geäussert, aber abweichend verstanden, liegt ein versteckter Dissens vor, welcher zum Vertragsschluss führt, wenn eine der Parteien nach dem Vertrauensgrundsatz in ihrem Verständnis der gegnerischen Willensäusserung zu schützen und damit die andere auf ihrer Äusserung in deren objektivem Sinn zu behaften ist. Diesfalls liegt ein normativer Konsens vor. |
Stellt das Sachgericht in Missachtung dieser Ordnung unmittelbar auf den objektivierten Sinngehalt einer vertragsbezogenen Willenserklärung ab, weil es ein prozesskonform behauptetes, davon abweichendes übereinstimmendes subjektives Verständnis der Vertragspartner für unerheblich hält, verletzt es die bundesrechtlichen Vorschriften zur Konsensbildung (Art. 1 OR) oder zur Vertragsauslegung (Art. 18 OR), nicht aber Art. 8 ZGB. Die bundesrechtliche Beweisvorschrift gibt einen Beweisführungsanspruch von vornherein nur zu rechtserheblichen Sachbehauptungen (BGE 114 II 289 E. 2a). Was rechtserheblich ist, bestimmt das materielle und nicht das formelle Bundesprivatrecht. Hat das Sachgericht entscheidwesentliche Sachvorbringen der Parteien zu Unrecht für unerheblich gehalten, ist der Sachverhalt nach Massgabe von Art. 64 OG zu ergänzen (BGE 115 II 484 E. 2a). Art. 8 ZGB ist demgegenüber verletzt, wenn das Sachgericht taugliche und formgültig beantragte Beweise zu als rechtserheblich erachteten Tatsachen nicht abnimmt, obwohl es die Sachvorbringen dazu weder als erstellt noch als widerlegt erachtet und damit von einem offenen Beweisergebnis ausgeht (BGE 114 II 289 E. 2a S. 291). Im einen wie im anderen Fall liegt eine im Berufungsverfahren zu behebende Bundesrechtsverletzung vor.
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c) Das Handelsgericht hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, die Parteien seien sich beim Abschluss des Sicherungsvertrags der Frage des anwendbaren Rechts bewusst gewesen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerinnen die Anwendung deutschen Rechts wünschten. Die als Antrag zu verstehende Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 25. September 1987 verweise sodann in ihrem vertrauenstheoretischen Verständnis auf deutsches Sachrecht, weshalb die Klägerinnen in guten Treuen auf einen Willen auch der Beklagten zu entsprechender Anknüpfung hätten schliessen dürfen und insoweit ein Verweisungsvertrag durch normativen Konsens zustande gekommen sei. Dabei bleibe ohne Bedeutung, ob die Beklagte in den vorangegangenen Verhandlungen zu erkennen gegeben habe, sie wolle sich nur nach schweizerischem Recht verpflichten, und ob die Klägerinnen demzufolge in den Verhandlungen nicht mehr auf der Anwendung deutschen Rechts beharrten.
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Diese Auffassung beschlägt vorerst nicht bundesrechtliche Auslegungsregeln, sondern die Frage, ob die Beklagte sich auf der objektivierten Bedeutung ihrer Bürgschaftserklärung auch dann behaften lassen muss, wenn darin vom vorangegangenen Verhandlungsergebnis abgewichen wird. Damit wird nach der massgebenden Vertragsgrundlage gefragt. Erst wenn diese Frage als relevant für die Bürgschaftserklärung beantwortet wird, ist alsdann zu prüfen, ob die Vorinstanz in deren Annahme durch die Klägerinnen rechtsfehlerfrei einen Verweisungsvertrag auf deutsches Sachrecht erblickt hat. |
aa) Bezogen auf den Sicherungsvertrag hat die den Klägerinnen am 25. September 1987 abgegebene Bürgschaftserklärung der Beklagten die Bedeutung eines Antrags oder allenfalls einer Vertragsbestätigung. Untersteht die Erklärung schweizerischem Recht, hat sie zwingend die Bedeutung eines Antrags, da eine frühere, formgenügliche Einigung nicht festgestellt ist (Art. 493 Abs. 1 OR) und der Antrag seinerseits der gesetzlichen Form bedarf (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 17 zu Art 3 OR). Untersteht sie hingegen deutschem Recht, kann sie Antrag oder Vertragsbestätigung sein, da die Bürgschaftserklärung des Kaufmanns im Handelsverkehr formfrei gültig ist (§ 350 HGB).
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Dasselbe gilt, soweit die Bürgschaftserklärung als Willensäusserung der Beklagten zum Abschluss eines Verweisungsvertrags verstanden wird. Diesfalls erschiene die Erklärung als Antrag oder Vertragsbestätigung, und zwar unbesehen der Rechtsanknüpfung, weil der Verweisungsvertrag auch nach früherem schweizerischem Recht grundsätzlich formfrei gültig war (BGE 91 II 44 E. 3). In beiden Erscheinungsformen aber entfaltet sie mit der unwidersprochenen Annahme durch die Klägerinnen nach dem hier allein zu prüfenden schweizerischen Recht konstitutive Wirkung. Im Fall des Antrags ergibt sich dies daraus, dass er vom grundsätzlich unverbindlichen vorkonsensualen Verhandlungsergebnis ohne weiteres abweichen kann und als Bürgschaftsofferte auch durch Stillschweigen angenommen wird (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 32 zu Art. 6 OR mit Hinweisen). Im Fall des unwidersprochenen Bestätigungsschreibens folgt die konstitutive Wirkung nach der Rechtsprechung aus der Abgabe im kaufmännischen Verkehr (BGE 114 II 250 E. 2a). In beiden Fällen ergibt sich die Bindung letztlich aus dem Vertrauensgrundsatz, welcher sich im Normalfall zwar zu Lasten des schweigenden Empfängers auswirkt (vgl. BGE 114 II 250 E. 2a S. 252; CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München, S. 196 ff.; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 6. Aufl., 1995, Rz. 1162 ff.), aber naheliegend auch dem Absender entgegenzuhalten ist, der seinen tatsächlichen Willen nicht hinreichend deutlich erklärt hat und sich seine Willenserklärung daher so entgegenhalten lassen muss, wie sie vom Empfänger nach Treu und Glauben im Verkehr aufgefasst werden durfte (BGE 69 II 319, insbesondere S. 322). Für den vorliegenden Fall ist unwichtig, ob die bindende Wirkung des Bestätigungsschreibens unmittelbar auf eine quasivertragliche Vertrauenshaftung oder auf die Annahme eines vertragsändernden normativen Konsenses abgestützt wird (zum Theorienstreit Gauch/Schluep, a.a.O.); so oder anders greift die Bindung unstreitig jedenfalls dort, wo die vom vorher Vereinbarten oder Verhandelten abweichende Bestätigung sich zu Gunsten des Empfängers auswirkt (KRAMER, Schweigen auf kaufmännische Bestätigungsschreiben und rechtsgeschäftlicher Vertrauensgrundsatz, in recht 1990 S. 99 ff., 105). Der sich aus dem Vertrauensgrundsatz ergebenden Bindung des Absenders auf das von ihm Offerierte oder Bestätigte kann daher weder ein abweichendes Verhandlungsergebnis noch eine abweichende tatsächliche Einigung entgegengehalten werden, sofern die Berufung des begünstigten Empfängers auf den Vertrauensschutz nicht ihrerseits missbräuchlich ist. Daher ist der Vorinstanz insoweit keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, als sie die divergierenden Sachbehauptungen der Parteien zum Verweisungsvertrag zufolge nachfolgender, davon unabhängiger Bindung nicht als rechtserheblich erachtet hat. |
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, welche im Ergebnis in Art. 116 Abs. 2 Satz 1 IPRG übernommen wurde, setzt die Annahme eines Verweisungsvertrags voraus, dass die Parteien sich der kollisionsrechtlichen Frage bewusst waren und einen entsprechenden Rechtswahl-Willen äussern wollten (BGE 119 II 173 E. 1b). Dies hat das Handelsgericht im vorliegenden Fall für das Bundesgericht verbindlich festgestellt.
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Folgt die Rechtswahl sodann aus normativer Bindung, sei es aus entsprechendem Konsens oder allenfalls davon abzugrenzendem unwidersprochenem Bestätigungsschreiben (Erwägung 2c/aa hievor), ist zusätzlich eine objektiv hinreichend schlüssige, ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung erforderlich, welche vom Empfänger nach dem Vertrauensgrundsatz unzweideutig auf einen Verweisungsvertrag bezogen werden darf (BGE 119 II 173 E. 1b). Diese kann auch darin erblickt werden, dass eine Partei sich ausdrücklich auf Bestimmungen oder Institute eines bestimmten Rechts beruft (BGE 62 II 140 E. 1; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., N. 14 zu Art. 116 IPRG; DUTOIT, a.a.O., N. 3 zu Art. 116 IPRG; AMSTUTZ/VOGT/WANG, a.a.O., N. 42 zu Art. 116 IPRG). |
Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Rechtswahl in den Vertragsverhandlungen streitig war, die Klägerinnen die Anwendung deutschen Rechts auf den Sicherungsvertrag wünschten und dieser sich auf eine Hauptforderung bezog, welche in Deutschland zu erfüllen und deutschem Recht unterstellt worden war. Diese Umstände bestimmen massgeblich auch das Verständnis der Bürgschaftserklärung. Darin hat die Beklagte sich verpflichtet, die in deutscher Währung vereinbarte "Bürgschaftssumme auf erste Anforderung" hin zu bezahlen, und damit einen Ausdruck verwendet, der im deutschen Recht für die Bezeichnung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft im Sinn von § 773 Abs. 1 Ziff. 1 BGB geläufig ist (STAUDINGER/HORN, Kommentar, 12. Aufl., Berlin 1986, N. 2 zu § 773 BGB). Weiter hat sie auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage verzichtet und dabei ausdrücklich auf die §§ 770 und 771 BGB Bezug genommen. Dies ist für das objektivierte Verständnis ihrer Willenserklärung letztlich entscheidend. Es macht keinen Sinn, in einer Vertragsurkunde unter Nennung der einschlägigen Bestimmungen eines Sachrechts auf genau spezifizierte Einreden zu verzichten, wenn dieses Sachrecht seinerseits die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht erfassen soll. Dies hat sich namentlich auch die geschäftserfahrene und international tätige Beklagte entgegenhalten zu lassen. Das Handelsgericht hat kein Bundesrecht verletzt, wenn es unter all diesen Umständen die Klägerinnen in ihrem Vertrauen schützte, die Beklagte sei bei Abgabe der schriftlichen Bürgschaftserklärung mit deren Anknüpfung an deutsches Sachrecht einverstanden gewesen. Folgerichtig hat es eine normative Bindung der Beklagten an ihre so verstandene Willensäusserung zu Recht bejaht.
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Was die Beklagte gegen dieses Auslegungsergebnis einwendet, dringt nicht durch. Bauwerkvertrag und Versicherungsvertrag, auf welche sie sich beruft, sind nicht unter denselben Parteien abgeschlossen worden und damit für die Auslegung des Sicherungsvertrags von vornherein nicht entscheidend. Dies gilt namentlich im Fall der Garantieversicherung mit verselbständigter Garantieerklärung, wie sie der streitigen Bürgschaftserklärung zugrunde liegt. Vorliegend bestimmt der Bauwerkvertrag das Valuta- oder Grundverhältnis zwischen der A. AG und der ARGE, der Versicherungsvertrag das Deckungsverhältnis zwischen der A. AG und der Beklagten und der Sicherungsvertrag, erscheine er als selbständiger Garantievertrag oder als akzessorische Bürgschaft, das Leistungs- oder Sicherungsverhältnis zwischen der ARGE und der Beklagten (vgl. SONJA GABI, Garantieversicherung, Diss. Zürich 1990, S. 54 f.). All diese Rechtsbeziehungen unterstehen eigener kollisionsrechtlicher Anknüpfung und sind eigenständiger Rechtswahl zugänglich (BGE 119 II 173 E. 1b). Dies gilt namentlich auch für die Bürgschaft, welche trotz ihrer Akzessorietät nicht unbesehen dem Sachrecht der Hauptforderung oder des dieser zugrundeliegenden Vertrags zwischen Gläubiger und Hauptschuldner folgt (BGE 117 II 490 E. 2). Entsprechend finden auch Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Versicherungsvertrags auf den Sicherungsvertrag nur Anwendung, wenn sie im letzteren zum Vertragsinhalt erhoben wurden, und gehen selbst dann die Individualabreden den vorformulierten vor, wie das Handelsgericht zutreffend erkannt hat (BGE 93 II 317 E 4b; KRAMER, Berner Kommentar, N. 210 ff. zu Art. 1 OR). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Daher kann offen bleiben, ob im Sicherungsvertrag die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherungsvertrags überhaupt übernommen wurden. Ebensowenig vermag die Beklagte zu ihren Gunsten aus hier nicht streitigen Bürgschafts- oder anderen Erklärungen Dritter den Klägerinnen gegenüber etwas abzuleiten. Unbehelflich ist sodann die Berufung auf die sogenannte Unklarheitsregel mit der Begründung, letztlich hätten die Klägerinnen die Bürgschaftserklärung verfasst. Abgesehen davon, dass die geschäftserfahrene Beklagte die Bürgschaftserklärung mindestens äusserlich formuliert hat und sich daher kaum darauf berufen kann, sie sei nicht deren Verfasserin, greift die Unklarheitsregel nur, wenn die übrigen Auslegungsmittel versagen, was hier nicht der Fall ist (JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 452 zu Art. 18 OR; vgl. auch KRAMER, Berner Kommentar, N. 48 zu Art. 18 OR). Im weiteren wird das Auslegungsergebnis auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Sicherungsvertrag als "Solidarbürgschaft" bezeichnet ist. Auch wenn das Bürgerliche Gesetzbuch diesen Begriff nicht enthält, dient er in der Praxis auch zur Bezeichnung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (STAUDINGER/HORN, a.a.O., N. 2 zu § 773 BGB). Im Lichte des gesamten Kontextes und Umfelds der Bürgschaftserklärung vermag die Vertragsbezeichnung die normative Annahme einer Wahl deutschen Rechts nicht zu entkräften. Schliesslich versagt auch die Berufung der Beklagten auf einen versteckten Willensdissens; die Annahme einer normativen Bindung setzt einen solchen geradezu voraus (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 328). |
d) Aus all diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit sie sich gegen die Annahme einer Rechtswahl durch die Vorinstanz richtet. Untersteht der Sicherungsvertrag somit deutschem Sachrecht, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob das Handelsgericht die Beklagte zu Recht auf dessen Erfüllung verpflichtet hat. Dies gilt auch insoweit, als die Beklagte geltend macht, die Klägerinnen nähmen die Bürgschaft rechtsmissbräuchlich in Anspruch, und das Handelsgericht habe bundesrechtswidrig darüber kein Beweisverfahren durchgeführt. Art. 2 und 8 ZGB beziehen sich nur auf bundesrechtliche Ansprüche (MERZ, Berner Kommentar, N. 79 ff. zu Art. 2 ZGB; KUMMER, Berner Kommentar, N. 49 zu Art. 8 ZGB). Eine Missachtung des schweizerischen Ordre public durch die Vorinstanz (MERZ, Berner Kommentar, N. 80 zu Art. 2 ZGB) wird - zu Recht - nicht geltend gemacht. |
a) Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (LuganoÜbereinkommen [LugÜ], SR 0.275.11) ist für Deutschland am 1. März 1995 und damit erst nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getreten. Die Frage des Verhältnisses von Art. 6 Ziff. 3 LugÜ zu den Gerichtsstandsbestimmungen des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht stellt sich daher im vorliegenden Verfahren nicht.
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b) Nach Art. 6 IPRG begründet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die vorbehaltlose Einlassung die Zuständigkeit des angerufenen schweizerischen Gerichts, sofern dieses - was hier der Fall wäre - seine Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 3 IPRG anzuerkennen hat. Der Gerichtsstand der Einlassung gilt auch für die Widerklage (BERTI, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, N. 14 zu Art. 8 IPRG).
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Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Handelsgerichts haben die Klägerinnen dessen Zuständigkeit zur Beurteilung der Widerklage "ausdrücklich und eingehend" bestritten. Insoweit liegt klarerweise keine vorbehaltlose Einlassung vor.
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Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerinnen hätten sich auf die Widerklage eingelassen, da sie vor dem Landgericht Konstanz die Einrede der entsprechenden Rechtshängigkeit erhoben haben. Einlassung ist der Verzicht auf den gesetzlichen oder ausschliesslich prorogierten Gerichtsstand durch konkludentes Handeln in einem bereits hängigen Prozess und erscheint dergestalt als Sonderform einer Gerichtsstandsvereinbarung (GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 117; OSCAR VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., 1995, S. 119). Die Einlassung erfolgt durch die unzweideutige Bekundung der Beklagtenseite, vor dem angerufenen Gericht zur Hauptsache zu verhandeln (BGE 87 I 131 ff.). Eine solche konkludente Willenskundgabe auf Anerkennung eines an sich nicht gegebenen Gerichtsstands liegt indes nicht bereits darin, dass die an zwei Gerichtsständen verfolgte Partei vor einem Gericht einwendet, die Streitsache sei andernorts rechtshängig. Diese Annahme verbietet sich schon daraus, dass bei streitiger Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts dieses vorerst über die Unzuständigkeitseinrede zu befinden haben wird, und dass bis zum Vorliegen dieses (Vor-)Entscheids ungewiss ist, ob die Sache nicht unbesehen des Einwands behandelt wird. Daher muss der beklagten Partei klarerweise offen stehen, den Einwand der Litispendenz beim zweitangerufenen Gericht unbesehen der andernorts hängigen Unzuständigkeitseinrede zu erheben, ohne diese dadurch zu verwirken. Anderes lässt sich auch den von der Beklagten angerufenen Literatur- und Entscheidstellen zum zürcherischen Prozessrecht nicht entnehmen (STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, N. 3 zu § 12 und N. 3 zu § 15; ZR 77/1978 Nr. 101). |
Dass die Klägerinnen den schweizerischen Gerichtsstand der Widerklage für den Fall anerkannt hätten, dass das Landgericht Konstanz ihren Einwand der Litispendenz schützen würde, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Das entsprechende Vorbringen der Beklagten hat daher als neu und damit als unzulässig zu gelten (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
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c) Die Beklagte macht als Zessionarin der A. AG widerklageweise Ansprüche geltend, die auf dem Bauwerkvertrag vom 15. Juli 1987 gründen. Dieser bestimmt in Ziffer 8 unter dem Titel "Erfüllungsort und Gerichtsstand":
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"Für diesen Vertrag gilt Deutsches Recht. Das AGB-Gesetz ist soweit möglich ausgeschlossen. Erfüllungsort und Gerichtsstand ist - soweit gesetzlich zulässig - Konstanz."
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Die Gerichtsstandsvereinbarung bindet unstreitig auch die Beklagte als Zessionarin (BGE 56 I 505 E. 1 S. 509; HESS, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, N. 104 zu Art. 5 IPRG). Die Vermutung der Ausschliesslichkeit des vereinbarten Gerichts ist nicht widerlegt (Art. 5 Abs. 1 IPRG; BGE 118 II 188 E. 3a; BGE 119 II 67 E. 2a und 177 E. 3d). Sie gilt auch hinsichtlich der mit der Prorogation verbundenen Derogation gesetzlich zuständiger Gerichte (BGE 119 II 177 E. 3d; Hans Peter Walter, Derogation c. Prorogation - Kollisionen aus interkantonal oder international vereinbarter Zuständigkeiten im Zivilprozess, in: Rechtskollisionen, Festschrift für Anton Heini, S. 509 ff., 510). Zu prüfen bleibt, ob der ausschliesslich prorogierte Gerichtsstand ebenfalls denjenigen der Widerklage nach Art. 8 IPRG derogiert. Der Bundesrat vertrat in seiner Botschaft vom 10. November 1982 ohne nähere Begründung die Auffassung, der Gerichtsstand der Widerklage bleibe auch dann begründet, wenn das betreffende Begehren an sich bei einem durch Vereinbarung bezeichneten Gericht oder Schiedsgericht anzubringen wäre (BBl 1983 I 263ff. Ziff. 213.9). Die Meinungen in der Literatur sind hierzu geteilt. Volken (in: Heini et al. (Hrsg.), IPRG Kommentar, N. 14 zu Art. 8) lässt die Frage offen, scheint aber der Auffassung beizupflichten, das Widerklageforum habe auch gegenüber einer Prorogationsvereinbarung vorrangige Bedeutung, wenngleich er das Vollstreckungsrisiko des Widerklägers im Ausland nicht übersieht. Nach BERTI (a.a.O., N. 13 zu Art. 8 IPRG) schliesst jedenfalls eine Schiedsklausel den staatlichen Gerichtsstand der Widerklage aus. HESS (a.a.O., N. 109 zu Art. 5 IPRG) steht dem Widerbeklagten die Unzuständigkeitseinrede auch dann zur Verfügung, wenn zufolge einer Gerichtsstandsvereinbarung eine andere ausschliessliche Zuständigkeit gegeben ist. Im gleichen Sinn schliesst HANS REISER (Gerichtsstandsvereinbarungen nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, S. 83) die Widerklage ausserhalb des ausschliesslich prorogierten Gerichtsstands aus. Diesen Auffassungen ist beizupflichten. Die Widerklage ist selbständige Klage im Rahmen eines anderen Prozesses (GERHARD WALTER, a.a.O., S. 120). Sie ist weder Angriffs- noch Verteidigungsmittel, sondern Klage wie die Vorklage, ein gegen den Angriff geführter Gegenangriff, mit welchem die Beklagtenseite ein selbständiges Ziel verfolgt, indem sie einen von der Vorklage nicht erfassten, unabhängigen Anspruch ins Recht legt (LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 2. Aufl., 1995, N. 1a zu Art. 170; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., 1984, S. 116). Haben die Beteiligten diesen Anspruch parteiautonom ausschliesslich in die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts gestellt, sind sie an diese Vereinbarung weiterhin gebunden, und ist nicht einzusehen, weshalb diese Bindung - vorbehältlich einer abweichenden Einigung - nicht mehr gelten soll, sobald ein anderer Anspruch unter ihnen vor einem anderen Gericht streitig ist. Dies ist besonders im internationalen Verhältnis von Bedeutung. Unterstellen die Vertragsparteien ihre Rechtsbeziehungen einem bestimmten Sachrecht und prorogieren sie für die Beurteilung allfälliger Streitigkeiten daraus einen ausschliesslichen Gerichtsstand in diesem Rechtskreis, entspricht ihrem mutmasslichen Parteiwillen, darüber ein Gericht entscheiden zu lassen, welches das gewählte Sachrecht als Eigen- und nicht als Fremdrecht anwendet. Dies schliesst auch eine Widerklage an einem anderen als dem beidseits gewollten Gerichtsstand aus. Art. 5 Abs. 1 IPRG ist daher so zu verstehen, dass die Derogationswirkung der vermuteten Ausschliesslichkeit eines prorogierten Gerichtsstands ebenfalls eine allfällige Widerklagezuständigkeit umfasst (so wohl HANS REISER, a.a.O.; demgegenüber scheint BEATRICE BRANDENBERG BRANDL, Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht, Diss. St. Gallen 1991, S. 359, der Auffassung zu sein, der Gerichtsstand der Widerklage habe nur gegenüber gesetzlich [generell] ausschliesslichen Zuständigkeiten zurückzutreten; vgl. auch GERHARD WALTER, a.a.O., S. 115). Dieses Auslegungsergebnis entspricht der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs, wonach mit der Vereinbarung eines ausschliesslichen Gerichtsstands auch derjenige der Widerklage abbedungen ist (BGHZ 59 S. 116 E. 2a). |
d) Ist die Zuständigkeit des Handelsgerichts zur Beurteilung der Widerklage bereits aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung im Bauwerkvertrag zu verneinen, erübrigt sich zu prüfen, ob sie zu Recht auch mangels Konnexität der Ansprüche im Sinn von Art. 8 IPRG abgelehnt wurde. Zu erwähnen bleibt, dass auch der Versuch der Beklagten scheitert, die Klageforderung mit den ihr abgetretenen Ansprüchen aus dem Bauwerkvertrag zu verrechnen. Denn wie das Handelsgericht verbindlich festgestellt hat, sind bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gemäss deutschem Recht Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des Begünstigten grundsätzlich erst nach der Zahlung in einem Rückforderungsprozess geltend zu machen. Die selbstschuldnerische Bürgschaft würde ihren Sinn und Zweck verlieren, wollte man die ausgeschlossenen Einreden und Einwendungen, wozu auch die Verrechnung gehört, auf diesem Weg gleichwohl zulassen.
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