BGE 133 III 664 |
91. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Bank S. (Berufung) |
5C.8/2007 vom 10. September 2007 |
Regeste |
Art. 400 OR; Auskunftsrecht des Auftraggebers. |
Sachverhalt |
A. Um das Jahr 1970 eröffnete der schwedische Staatsbürger E. (nachfolgend Erblasser) bei der Bank S. unter der Stamm-Nr. X ein Konto und ein Wertschriftendepot, über welche er in der Folge verschiedene Transaktionen abwickelte. Im Jahr 1993 verfügte er die Auflösung der Bankverbindung und die Übertragung aller Vermögenswerte auf ein Konto bzw. Depot, das auf die Foundation F. mit Sitz in Vaduz lautete. Im Jahr 2000 verstarb er in Stockholm und hinterliess vier Kinder (die heutigen Kläger) aus erster sowie zwei Kinder aus zweiter Ehe. |
Im Zuge der Nachlassabwicklung gelangten die Kläger an die Bank S. mit der Bitte um Auskunftserteilung über allfällige Vermögenswerte, welche mit dem Nachlass in Zusammenhang stehen könnten. Auf entsprechendes Ersuchen übergab die Bank S. den Klägern die noch vorhandenen Unterlagen zu den im Jahr 1993 aufgelösten Konten. Auskünfte über allfällige Guthaben, an denen der Erblasser wirtschaftlich berechtigt gewesen sein könnte, verweigerte sie unter Hinweis auf Art. 47 des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0). |
B. Hierauf erhoben die Kinder aus erster Ehe am 22. September 2005 Klage gegen die Bank S. und verlangten Auskunft über sämtliche Vorgänge und Verhältnisse bis zum Tod des Erblassers, welche den Nachlass beeinflussen könnten, insbesondere die Edition der Unterlagen zum Konto Nr. X und aller Einzahlungs- bzw. Überweisungsunterlagen zu irgendwelchen Konten sowie die Bekanntgabe allfälliger weiterer direkt oder wirtschaftlich dem Erblasser gehörenden Vermögenswerte.
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Mit Urteil vom 12. Januar 2006 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab. Mit Beschluss und Urteil vom 21. November 2006 nahm das Obergericht des Kantons Zürich Vormerk, dass die Klageabweisung bezüglich der Edition der Unterlagen zum Konto Nr. X in Rechtskraft erwachsen sei, und wies die weiteren Auskunftsbegehren ab.
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C. Dagegen haben die Kläger am 12. Januar 2007 eidgenössische Berufung erhoben mit den Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, sämtliche Einzahlungs- und Überweisungsbelege zu edieren, bzw. die entsprechenden Auskünfte zu erteilen, die bezüglich Einzahlungen und Überweisungen Aufschluss zu geben vermöchten, welche der Erblasser bis zu seinem Tod auf irgendein Konto oder Depot bei der Beklagten getätigt habe, insbesondere zugunsten der Stiftung R. und der Foundation F.
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Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.
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Aus den Erwägungen: |
2.1 Das Obergericht hat erwogen, nachdem die Beklagte über die bekannten und saldierten Konten Auskunft erteilt habe, bleibe noch streitig, ob die Kläger hinsichtlich allfälliger Bareinzahlungen und Überweisungen des Erblassers auskunftsberechtigt seien. Bei einmaligen Bareinzahlungen entstehe jedoch keine Geschäftsbeziehung und die Bank sei diesbezüglich auch nicht buchführungspflichtig, sie sei blosse Zahlstelle. Bei einer Überweisung am Bankschalter dürfte das Verhältnis zwischen Einzahler und Bank hingegen als Auftrag zu qualifizieren sein. Trotzdem verdiene die Forderung nach Auskunft keinen Rechtsschutz, wenn nicht einmal feststehe, ob überhaupt eine Überweisung durch den Erblasser erfolgt sei. Die Kläger hätten sich mit ihrem Auskunftsbegehren an die ihnen bekannten Stiftungen zu halten, ansonsten Erben bei beliebigen Banken nachforschen könnten, ob der Erblasser irgendwann irgendwelche Zahlungen abgewickelt habe, was nicht der Sinn des vertraglichen Auskunftsrechts sein könne. Bei der Überweisung ab einem Konto bei einer Drittbank schliesslich bestehe nur zwischen Überweiser und Senderbank, nicht aber zwischen Überweiser und Empfängerbank ein vertragliches Verhältnis. Zwar könne der Überweiser gegenüber der Empfängerbank allenfalls Schadenersatzansprüche geltend machen, aber diese sei mangels einer vertraglichen Beziehung weder auskunfts- noch rechenschaftspflichtig. |
2.3 Diesbezüglich machen die Kläger geltend, solche Geschäfte würden im Rahmen eines von gegenseitigem Rechtsbindungswillen getragenen Auftragsverhältnisses erfolgen. Der Auftraggeber müsse die richtige Ausführung des Auftrags überprüfen können und habe deshalb ein Auskunftsrecht. Dies ergebe sich auch aus Billigkeitsüberlegungen, wären doch die Erben sonst oft gar nicht in der Lage, den Umfang des Nachlasses festzustellen. Im Übrigen diene das Auskunftsbegehren gerade dazu, Klarheit über allfällige Einzahlungen zu erlangen, weshalb sich der Rechtsschutz nicht wegen Nichtwissens verneinen lasse, zumal das Begehren klar spezifiziert sei, hätten sie doch sogar den Namen des Kundenbetreuers genannt, der über die Verhältnisse des Erblassers umfassend im Bild sei. |
2.6 Nach eigenem Zugeständnis der Bank S. in der Berufungsantwort besteht jedenfalls dort ein Vertragsverhältnis zwischen der kontoführenden Bank und dem Einzahlenden, wo dieser nicht auf Weisung des Begünstigten handelt. Umso mehr muss von einem Auftragsverhältnis zwischen der einzahlenden Person und der Bank ausgegangen werden, wenn der Kontoinhaber nicht in Erfüllung einer Schuldpflicht, sondern aus freien Stücken begünstigt werden soll. Genau dies trifft aber im vorliegenden Einzelfall zu, ist doch Hintergrund des Auskunftsbegehrens die Vermutung der Kläger, dass der Erblasser mit verschiedenen Transaktionen Geld bei den beiden liechtensteinischen Stiftungen parkiert hat. Einzahlungen bzw. Überweisungen zugunsten der Stiftungen wären somit aus freiem Willensentschluss des Erblassers erfolgt. Bei solchen Transaktionen ist die Bank nicht Gehilfin des Kontoinhabers; vielmehr wird sie im Interesse des Einzahlenden tätig und verwendet das Geld gemäss dessen Weisungen im Rahmen eines Einzelauftragsverhältnisses. |
Verpflichtet sich die Bank bei solchen Vorgängen mit der Entgegennahme des Geldes, dieses entsprechend den Weisungen des Auftraggebers zu verwenden, ist sie diesem beschränkt auf die betreffende Transaktion rechenschafts- und auskunftspflichtig (Art. 400 Abs. 1 OR; FELLMANN, a.a.O., N. 23 zu Art. 400 OR). Dass vorliegend nicht mit Sicherheit feststeht, ob überhaupt Einzahlungen durch den Erblasser erfolgt sind, sondern hierfür nur Anhaltspunkte bestehen, kann entgegen der Auffassung des Obergerichts keine Rolle spielen, wäre doch die Bank dem Erblasser hierüber auskunftspflichtig gewesen und liegt es in der Natur der Sache, dass es im Zusammenhang mit dem Erbgang zu Wissensdefiziten und zum Verlust von Belegen über die entsprechenden Vorgänge kommen kann.
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Ins Leere stösst sodann der Verweis auf das Bankgeheimnis gemäss Art. 47 BankG: Dieses gilt nur gegenüber Dritten, während es gegenüber dem Geheimnisherrn - und im Rahmen der Erbfolge auch gegenüber seinen Universalsukzessoren - von vornherein nicht greifen kann (KLEINER/SCHWOB/WINZELER, a.a.O., N. 14 zu Art. 47 BankG). In diesem Sinn dürfte die Bank bei der Bareinzahlung oder Überweisung selbstverständlich keine Auskünfte über den Saldo des begünstigten Kontos erteilen oder gar Auszüge davon aushändigen. Soweit sie dem Einzahlenden aber Auskunft über die Einzahlung als solche erteilt, gibt sie ihm nichts bekannt, was er nicht bereits wusste, und insofern kann sie ihm begriffslogisch auch kein Geheimnis preisgeben. Ebenso wenig wird das Bankgeheimnis verletzt, wenn die Bank einem Kunden beispielsweise bestätigt, dass er kein Konto besitzt oder keine Transaktionen durchgeführt hat, woran er gegenüber den Steuerbehörden oder in einem Scheidungsverfahren gegenüber dem Ehegatten interessiert sein kann. Vor diesem Hintergrund kann es im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis auch keine Rolle spielen, dass die Kläger kein gesichertes Wissen haben; mit der Auskunft über allfällige Einzahlungen oder mit der Information, es seien keine solchen erfolgt, wird nichts preisgegeben, wovon der Erblasser als Rechtsvorgänger der Kläger nicht Geheimnisherr gewesen wäre. |
Ebenso wenig wie der Verweis auf das Bankgeheimnis verfängt derjenige auf die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (Sorgfaltspflichtsvereinbarung, VSB 03), in deren Art. 2 sich die Banken bei der Entgegennahme von Beträgen über Fr. 25'000.- Identitifikations- und Abklärungspflichten auferlegt haben. Diese bleiben ohne Einfluss auf die Natur des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden. Einzige Auswirkung im interessierenden Kontext ist, dass infolge der Dokumentationspflicht die Bank einem Auskunftsbegehren eher wird nachleben können, steht und fällt doch die Auskunftserteilung in tatsächlicher Hinsicht damit, dass bei der Bank zum betreffenden Vorgang (noch) Unterlagen oder jedenfalls Kenntnisse greifbar sind.
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