BGE 140 III 418 |
62. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. SA gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_113/2014 vom 15. Juli 2014 |
Regeste |
Gerichtsstand am Erfüllungsort bei Erbringung von Dienstleistungen und Verkauf beweglicher Sachen (Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ). |
Der Erfüllungsortsgerichtsstand bestimmt sich, auch wenn bereits geleistet wurde, primär durch Auslegung des Vertrages. Der Erfüllungsort muss nicht ausdrücklich vereinbart worden sein (E. 4). |
Bestimmung des Gerichtsstands, wenn gemäss Vertrag mehrere Dienstleistungen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind (E. 5). |
Gilt der Verkauf von Stammanteilen einer GmbH als Verkauf beweglicher Sachen? Frage offengelassen, da nicht dargetan wird, welche massgebende, zur vollständigen Übertragung der Anteile notwendige Handlung zur Annahme führen sollte, die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe nicht beim angerufenen Gericht in Zürich, sondern am behaupteten Erfüllungsort in Polen (E. 6). |
Aus den Erwägungen: |
3.2 Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, kann nach Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, geklagt werden. Ist nichts anderes vereinbart worden, ist der Erfüllungsort der Verpflichtung nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, und für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Mit Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ wurde für Klagen aus Kaufverträgen über bewegliche Sachen und aus Dienstleistungsverträgen ein Erfüllungsortsgerichtsstand geschaffen, bei dem der Gerichtsstand übereinkommensautonom, also grundsätzlich ohne Anknüpfung an die lex causae, zu bestimmen ist. Er liegt einheitlich für alle Klagen aus dem Vertrag am Ort der charakteristischen Vertragsleistung (BGE 140 III 115 E. 4 S. 120 mit Hinweisen). Bei mehreren Verträgen besteht grundsätzlich für jeden einzelnen Vertrag ein eigener Erfüllungsortsgerichtsstand (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 266 zu Art. 5 LugÜ). Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht annahm, der Erfüllungsort sei für alle Verträge Zürich. |
4.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH wird mit der Regel über den Gerichtsstand am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ (bzw. Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung; EuGVVO; ABl. L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1 ff.]) das Ziel der räumlichen Nähe (enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht) verfolgt. Die autonome Bestimmung des Erfüllungsortes der Dienstleistungen (vertragscharakteristischen Leistungen) für die Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ unterstehenden Vertragsstreitigkeiten entspricht sodann den mit der EuGVVO und dem LugÜ angestrebten Zielen der Vereinheitlichung der Gerichtsstandregeln und der Vorhersehbarkeit (Urteile vom 11. März 2010 C-19/09 Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Slg. 2010 I-02121 Randnrn. 21 ff.; vom 25. Februar 2010 C-381/08 Car Trim, Slg. 2010 I-01255 Randnr. 49; und vom 9. Juli 2009 C-204/08 Rehder, Slg. 2009 I-06073 Randnrn. 33 f.). Im Hinblick auf die Ziele der räumlichen Nähe und der Vorhersehbarkeit ist der Dienstleistungsort nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ in erster Linie "nach dem Vertrag" zu bestimmen, d.h. ist die Vereinbarung eines Erfüllungsortes durch die Parteien massgebend. Kann der Ort der Leistungserbringung nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem die (hauptsächliche) Leistungserbringung tatsächlich vorgenommen wurde, vorausgesetzt, die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort widerspricht nicht dem Parteiwillen, wie er sich aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Kann der Ort der (hauptsächlichen) Leistungserbringung weder anhand der Bestimmungen des Vertrages selbst noch aufgrund von dessen tatsächlicher Erfüllung bestimmt werden, ist er "auf andere Weise" zu ermitteln, die den verfolgten Zielen der Vorhersehbarkeit und der räumlichen Nähe Rechnung trägt (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 38-41; BGE 140 III 115 E. 6 S. 121 mit Hinweisen). Das Bundesgericht wies in BGE 140 III 115 darauf hin, dass hinsichtlich der Bestimmung eines vertraglich vereinbarten Erfüllungsortes von verschiedenen Autoren der Rückgriff auf die lex causae in Betracht gezogen werde. Es ging darauf jedoch nicht weiter ein, weil im streitgegenständlichen Verfahren nach den verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts keine vertragliche Vereinbarung getroffen worden war und jedenfalls in einem solchen Fall der Erfüllungsort konventionsautonom zu bestimmen sei (BGE 140 III 115 E. 4 S. 120). |
Die Kontroverse in der Literatur bezieht sich vor allem auf die Frage, nach welchem Recht sich die Gültigkeit einer Erfüllungsortvereinbarung richtet, also Fragen wie etwa das wirkliche Zustandekommen des Vertrages (namentlich Fragen des Einbezugs von AGB, der Wirksamkeit von kaufmännischen Bestätigungsschreiben), das Fehlen von Willensmängeln, die Geschäftsfähigkeit und die wirksame Stellvertretung. Diesbezüglich sei der Rückgriff auf die lex causae unvermeidlich (DOMENICO ACOCELLA, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 122 und 127 zu Art. 5 LugÜ;PAUL OBERHAMMER, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 52 zu Art. 5 LugÜ;ANDREA BONOMI, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 66 zu Art. 5 LugÜ; ALEXANDER R. MARKUS, Vertragsgerichtsstände nach Art. 5 Ziff. 1 revLugÜ/EuGVVO - ein EuGH zwischen Klarheit und grosser Komplexität, AJP 2010 S. 971 ff., 978 und 982; KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Frankfurt am Main 2011, N. 48 i.V.m. N. 51 zu Art. 5 EuGVO; wohl auch PETER F. SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., München 2009, N. 11 zu Art. 5 EuGVVO). Darauf muss auch hier nicht weiter eingegangen werden, da die massgebliche Frage eine solche der Auslegung des Vertragsinhalts ist.
|
4.2 Die Vorinstanz stellte fest, aufgrund der schlüssigen Behauptungen des Beschwerdegegners sei davon auszugehen, dass der "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 lediglich eine Neuregelung einzelner Teile der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 enthielt, namentlich die Höhe des Entgelts für die Tätigkeit des Klägers, mithin die alte "Zusammenarbeitsvereinbarung" weiterhin Bestand hatte und beide Verträge eine Dreiparteien-Vertragsbeziehung regelten, wobei der Beschwerdegegner sowohl für sich persönlich als auch für die C. GmbH gehandelt habe. Da die "Zusammenarbeitsvereinbarung" vorsehe, dass die C. GmbH als Agentur der Beschwerdeführerin fungiere und der Beschwerdegegner zur Erfüllung seiner Aufgaben die Organisation und Infrastruktur der C. GmbH benutze, sei davon auszugehen, dass ein wesentlicher Teil der vertraglich vereinbarten Dienstleistungen in U. (ZH) zu erbringen sei. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin der C. GmbH gemäss Vertrag unter anderem sämtliche Auslagen für Löhne von Vertriebsmitarbeitern, Sozialleistungen, Versicherungen, Büroinfrastruktur, IT-Aufwendungen und Sekretariatsleistungen zu ersetzen hatte, impliziere, dass die Parteien damit gerechnet hätten, dass bei der C. GmbH tatsächlich solche Aufwendungen entstehen würden. Auch der spätere "Management Contract" räume der C. GmbH, die nunmehr als "fully owned daugther company of A. SA" und "Center for forward Customer Support" bezeichnet werde, eine zentrale Rolle ein. So sei auch vorgesehen, dass die C. GmbH den Beschwerdegegner unter der Geltung von schweizerischem Recht und insbesondere unter Geltung der schweizerischen Bestimmungen über Sozialversicherung und Steuern anstelle und entlöhne, während die Beschwerdeführerin die C. GmbH mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstatte. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes sei nicht allein auf die Leistungen des Beschwerdegegners, sondern auch auf jene der C. GmbH abzustellen, da diese durch die beiden Verträge auch verpflichtet worden sei. Beide Verträge würden nun aber der C. GmbH und deren Organisation sowie Infrastruktur eine tragende Rolle einräumen. Die Verlagerung bestimmter Geschäftsbereiche in die Schweiz durch Übertragung auf die hier ansässige C. GmbH bzw. den Beschwerdegegner sei gerade das zentrale Element der Geschäftsbeziehung. Aus der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" ergebe sich somit, dass der Erfüllungsort der daraus geschuldeten Leistungen in der Schweiz sei. |
Weil der Erfüllungsort aus den Verträgen abgeleitet werden kann, erübrigt sich nach Ansicht der Vorinstanz die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner tatsächlich in Polen oder der Schweiz tätig geworden ist.
|
4.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich vorerst auf eine Lehrmeinung (OBERHAMMER, a.a.O., N. 50 zu Art. 5 LugÜ; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 47 zu Art. 5 EuGVO), wonach der Erfüllungsort der Dienstleistung in jenen Fällen, wo bereits erfüllt worden ist, nicht anhand der Vertragsbestimmungen, sondern im Lichte des Ortes der tatsächlichen Leistungserfüllung zu ermitteln sei. Dem ist nach dem oben Dargelegten (vgl. E. 4.1 hiervor) nicht zu folgen. Nach dem zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 38-41, ist primär darauf abzustellen, an welchem Ort der Dienstleistungserbringer nach dem Vertrag vorwiegend tätig werden sollte; der EuGH erkannte auf dieses Primat des Vereinbarten, obwohl im betreffenden Ausgangsfall die Dienstleistungen nach den Darstellungen der Klägerin bereits erbracht worden waren (zit. Urteil Wood Andreas Domberger, Randnr. 11; vgl. auch OBERHAMMER, a.a.O., N. 70 zu Art. 5 LugÜ). |
4.4.1 Der EuGH hat in einem neueren Urteil in Bezug auf Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich EuGVVO (Kaufverträge) seine Auslegung des Normteils "nach dem Vertrag" genauer umrissen. Er bestätigte zunächst seine Rechtsprechung aus dem zit. Urteil Car Trim, Randnrn. 52 ff., wonach die Frage, ob die Parteien einen bestimmten Erfüllungsort vereinbart haben, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrages ohne Rückgriff auf das materielle Recht erfolgen, sich der Erfüllungsort also aus dem Vertrag selbst ergeben müsse. Fraglich und insofern neu zu entscheiden war aber, ob und inwieweit Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden können, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Erfüllungsort bezeichnen (Urteil vom 9. Juni 2011 C-87/10 Electrosteel Europe, Slg. 2011 I-04987 Randnrn. 16 ff.). Die Kommission hatte in diesem Verfahren verlangt, die Vereinbarung müsse "Form, Zeitpunkt und Ort der Übergabe der Kaufsache klar präzisieren" (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 3. März 2011 Electrosteel Europe, Randnr. 24). Der EuGH folgte dem nicht und stellte fest, es könnten auch Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Erfüllungsort bezeichneten, wie beispielsweise in Incoterms enthaltene Klauseln (zit. Urteil Electrosteel Europe, Randnrn. 22 und 26; vgl. auch die Besprechungen dieses Urteils bei MARTIN KILLIAS, SZIER 2012 S. 708 ff.; STEFAN LEIBLE, EuZW 2011 S. 603 ff., v.a. S. 605; PETER MANKOWSKI, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht [EWiR]2011 S. 497 f.). Aufgrund dieser Rechtsprechung ist somit zu unterscheiden zwischen einer konkreten Erfüllungsortvereinbarung, die primär zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen ist, und Parteivereinbarungen "nach Massgabe des Vertrages", die zwar nicht die Qualität einer echten Erfüllungsortvereinbarung haben, aber zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen sind, sofern die Parteien keine echte Erfüllungsortvereinbarung getroffen haben (MANKOWSKI, a.a.O., S. 498). |
5.1 Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen gemäss Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ bzw. EuGVVO, wo oft mehrere Dienstleistungen unter Umständen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind, dort anzuknüpfen ist, wo nach dem Vertrag die Hauptdienstleistung zu erbringen ist (zit. Urteile Rehder, Randnr. 38; Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 38). Namentlich sei bei einem Handelsvertretervertrag "auf der Grundlage dieses Vertrages der Ort zu ermitteln, an dem der Vertreter seine Tätigkeit für Rechnung des Unternehmers, die insbesondere darin besteht, die ihm anvertrauten Geschäfte vorzubereiten, zu vermitteln und gegebenenfalls abzuschliessen, hauptsächlich vorzunehmen" habe (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 38). |
5.3.2 Entsprechend ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die Funktion des Beschwerdegegners als Mitglied der Geschäftsleitung ebenso wie die Unterstützung bei organisatorischen Massnahmen und die Ausbildung von Personal habe eine Präsenz in Polen vorausgesetzt, nicht entscheidend. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass einzelne Tätigkeiten bei der Beschwerdeführerin in Polen auszuführen waren, andere weltweit mit einem Schwergewicht in Europa. Entscheidend ist aber, dass bei einer solchen Vielfältigkeit auf den hauptsächlichen vertraglichen Tätigkeitsort abzustellen ist. Dieser ist dort anzunehmen, wo der Beschwerdegegner seine vertraglichen Aufgaben, die selbst nach Darstellung der Beschwerdeführerin schwergewichtig "Networking, Marketing und Akquisition" erfassen, also eine Berater- und Vermittlertätigkeit beinhalten, mittels der von ihm gemäss Vertrag zu nutzenden Organisation der C. GmbH vorbereitet und verarbeitet (vgl. E. 5.1 hiervor). |
Die Beschwerdeführerin sieht in der Klausel eine Erfüllungsortvereinbarung, wobei mit "A. SA offices" nur ihre Büros in Polen hätten gemeint sein können. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach davon auszugehen sei, dass der "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 lediglich eine Neuregelung einzelner Teile der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 enthalten habe, namentlich die Höhe des Entgelts für die Tätigkeit des Beschwerdegegners, mithin die alte "Zusammenarbeitsvereinbarung" weiterhin Bestand gehabt habe und beide Verträge die Drei-Personen-Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin, der C. GmbH und dem Beschwerdegegner geregelt hätten, stellt sie aber nicht in Abrede. Mit dem "Management Contract" wurde insbesondere, wie die Vorinstanz zutreffend herausstrich, die zentrale Rolle der C. GmbH betont, die nunmehr als "fully owned daughter company of A. SA" und "A. SA's Center for forward based Customer Support" operieren und den Beschwerdegegner im Auftrag ("on behalf") der Beschwerdeführerin anstellen sollte. Vor diesem Hintergrund ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der hauptsächliche vertragliche Tätigkeitsort am Sitz der C. GmbH bleiben sollte. |
Dem steht der von der Beschwerdeführerin angeführte Vertragstext nicht entgegen. Zwar kann die Formulierung "A. SA offices" im Sinne der Beschwerdeführerin als deren Büros in Polen verstanden werden. Doch beschränkt sich der Vertrag eben nicht auf diesen Tätigkeitsort. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Beschwerdegegner einfach überall tätig sein sollte, wo die A. SA ihre Geschäftsaktivitäten ausüben würde ("where A. SA carries out its business activities") oder es nötig sei. Nachdem die C. GmbH zum "Center for forward based Customer Support" von A. SA geworden war, handelte es sich bei deren Sitz zweifellos um einen Ort, wo die A. SA Geschäftsaktivitäten entfalten sollte.
|
5.5.1 Demzufolge konnte sie die Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner tatsächlich in Polen oder der Schweiz tätig geworden war, offenlassen. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführerin, wonach mit der Nichtabnahme von Beweisen zum Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ihr Recht auf Beweis verletzt wurde, müssen demnach nicht mehr geprüft werden. Nicht stichhaltig ist der Einwand der Beschwerdeführerin, mit dem Hinweis, dank moderner Kommunikationsmittel habe die Erfüllung der Aufgaben des Beschwerdegegners keine stetige oder überwiegende physische Präsenz am Sitz der Beschwerdeführerin erfordert, habe die Vorinstanz selbst tatsächliche Elemente zur Festlegung des Erfüllungsortes berücksichtigt und damit in unzulässiger Weise die Herleitung des Erfüllungsortes aus den Vertragsbestimmungen mit der Frage nach dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung vermischt. Die Vorinstanz hat nicht darauf abgestellt, wo die Arbeit tatsächlich verrichtet wurde, sondern geprüft, ob die im Vertrag übernommenen Aufgaben auf einen Erfüllungsort in Polen schliessen lassen, weil deren Erfüllung eine überwiegende physische Präsenz des Beschwerdegegners in Polen notwendig machten. Dies hat sie mit Blick auf die modernen Kommunikationsmittel verneint. |
6.1.1 Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ sei anwendbar auf den Verkauf beweglicher Sachen. Kaufverträge über unkörperliche Gegenstände wie z.B. Forderungen und Gesellschaftsteile würden davon nicht erfasst, sondern fielen unter die allgemeine Zuständigkeitsregel von Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ. Ein Teil der Lehre erblicke selbst in Kaufverträgen über verbriefte Rechte (Wertpapiere) keinen Kauf über eine "bewegliche Sache" (vgl. HOFMANN/KUNZ, a.a.O., N. 192 f. zu Art. 5 LugÜ mit Hinweis auf die unterschiedlichen Lehrmeinungen). Der Kaufvertrag über Stammanteile einer GmbH falle jedoch grundsätzlich nicht unter Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ. Zwar wäre es rechtlich möglich, dass die Stammanteile der C. GmbH als Namenpapiere verbrieft gewesen wären (Art. 784 Abs. 1 OR). Aufgrund der Personenbezogenheit der Rechtsform der GmbH seien solche Anteile aber kaum marktfähig. Insbesondere würde die Übertragung der Stammanteile grundsätzlich deren Abtretung voraussetzen, welche ihrerseits die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfordern würde (Art. 786 Abs. 1 OR). Sie könnten daher, selbst wenn sie verbrieft wären, nicht einer beweglichen körperlichen Sache i.S. von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ gleichgesetzt werden. Der Kaufvertrag über die Stammanteile falle somit unter Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ. Das Gleiche gelte hinsichtlich der Verpflichtung, "persönliche finanzielle Beiträge des Beschwerdegegners" (EUR 62'000.-) zurückzuerstatten, da diese Verpflichtung weder aus dem Verkauf von beweglichen Sachen noch aus einer Dienstleistung resultiere. |
6.2.1 Massgeblich wäre dann, welcher Erfüllungsort sich gemäss Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ aus dem Vertrag ergibt. Kann, wie im zu beurteilenden Fall, der Ort der Leistungserbringung ohne Rückgriff auf die lex causae nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, ist nach der Rechtsprechung des EuGH bei körperlichen Sachen der Ort massgebend, an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen. Da die Waren, die den materiellen Gegenstand des Vertrags bilden, sich nach der Erfüllung dieses Vertrags grundsätzlich an diesem Ort befinden müssen und das grundlegende Ziel eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen, ihre Übertragung vom Verkäufer an den Käufer, erst bei der Ankunft der beweglichen Sachen an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist, entspricht dieses Kriterium dem Ziel der räumlichen Nähe, da es eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet (zit. Urteil Car Trim, Randnrn. 60 ff.). |
6.2.3 An der ordentlichen Gesellschafterversammlung der C. GmbH vom 18. März 2009, die an deren Sitz in U. (ZH) stattfand, hat die Versammlung der Abtretung aller Stammanteile an die Beschwerdeführerin im Sinn von Art. 786 Abs. 1 OR ausdrücklich zugestimmt. Diese für den Vollzug der Vereinbarung wesentliche Handlung war daher in der Schweiz vorzunehmen und wurde auch in der Schweiz vorgenommen, selbst wenn der Handelsregistereintrag noch nicht erfolgt ist, wobei diesem nach Auffassung der Beschwerdeführerin mit Blick auf dessen deklaratorischen Charakter für die Bestimmung des Erfüllungsortes ohnehin keine Bedeutung zukommt. Darauf braucht indessen nicht weiter eingegangen zu werden. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar allgemein, sämtliche Aktivitäten, welche die physische Präsenz der an der Kooperation Beteiligten erfordert hätten, seien stets an ihrem Sitz in Polen und jedenfalls nicht in U. ausgeführt worden. Nichts anderes müsse daher für den Vollzug des (vermeintlichen) Kaufvertrages gelten. Sie begnügt sich aber mit diesen allgemeinen Ausführungen und dem Hinweis auf den Ort der Vertragsunterzeichnung. Sie zeigt damit nicht rechtsgenüglich auf, dass im Rahmen der Übertragung etwas nach Polen hätte geliefert werden müssen, und sie legt auch nicht konkret dar, dass in Polen Vollzugshandlungen zum vollständigen Abschluss der Übertragung vom Verkäufer an den Käufer hätten erfolgen müssen, die eine enge Verknüpfung (vgl. hierzu auch Urteil vom 3. Mai 2007 C-386/05 Color Drack, Slg. 2007 I-03699 Randnrn. 40 ff.) zwischen dem Vertrag und einem in Polen zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet und damit dem von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ verfolgten Ziel der räumlichen Nähe (zit. Urteil Car Trim, Randnr. 61) entsprochen hätten. Daher würde auch die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ nicht zur Annahme eines Erfüllungsortes in Polen führen und wäre die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte gegeben. |