BGE 140 III 651
 
94. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Konkursamt Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen)
 
5A_388/2014 vom 18. November 2014
 
Regeste
Art. 204 Abs. 1 SchKG; Ungültigkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners; Wirkung für die Konkursverwaltung bzw. die Gläubigergesamtheit und Dritte.
 
Sachverhalt


BGE 140 III 651 (651):

A. Am 19. August 2013 eröffnete das Zivilgericht Basel-Stadt über B. den Konkurs. Auf den Gemeinschuldner waren zu diesem Zeitpunkt ein Lieferwagen Mercedes-Benz und ein Transportanhänger eingelöst. Die beiden Fahrzeuge wurden am 29. August 2013 von der Gantbeamtung Basel-Stadt inventiert und geschätzt.
B. A. schloss mit B. (Schuldner und Verkäufer) am 22. August 2013 einen Kaufvertrag über die besagten Fahrzeuge ab. Tags darauf

BGE 140 III 651 (652):

wurde der am 19. August 2013 eröffnete Konkurs über den Schuldner publiziert. Am 29. Oktober 2013 erliess das Konkursamt Basel-Stadt als Konkursverwaltung gegenüber A., der mittlerweile in den Besitz der Fahrzeuge gelangt war, die "Verfügung", dass er innert 5 Tagen den Lieferwagen Mercedes-Benz 315 CDI sowie den Sachtransportanhänger DALTEC CARGO 35 der Gantbeamtung Basel-Stadt abzuliefern habe. Dieser Verfügung sei bei Androhung von Strafe im Ungehorsamsfalle gemäss Art. 292 StGB Folge zu leisten. (...)
C. Gegen diese "Verfügung" erhob A. am 11. November 2013 der Rechtsmittelbelehrung entsprechend Beschwerde bei der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt, welche die Beschwerde am 7. März 2014 abwies. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als obere Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt wies die anschliessend erhobene Beschwerde am 10. April 2014 ab.
D. A. (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 7. Mai 2014 (Postaufgabe) an das Bundesgericht. Er beantragt, es seien der Entscheid des Appellationsgerichts vom 10. April 2014 und die Verfügung des Konkursamtes vom 29. Oktober 2013 aufzuheben und die Fahrzeuge ihm demzufolge als rechtmässigem Besitzer zu überlassen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zwecks Berücksichtigung ausser Acht gelassener Sachverhaltspunkte. Das Konkursamt und die obere Aufsichtsbehörde schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
 
Aus den Erwägungen:
4. Die zivilrechtlichen Betrachtungen des Beschwerdeführers, in denen er - entgegen der Erörterungen der Vorinstanz - auf einem gutgläubigen Erwerb der Fahrzeuge beharrt, sind im vorliegenden

BGE 140 III 651 (653):

Beschwerdeverfahren nicht relevant, lag es doch nicht in der sachlichen Kompetenz der Aufsichtsbehörden, die Frage zu klären, was diesbezüglich materiell rechtens ist (vgl. COMETTA/MÖCKLI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 9 ff. zu Art. 17 SchKG). Entscheidend ist hingegen, dass auch das Konkursamt selbst über den umstrittenen Eigentumsanspruch keinen Entscheid im Sinne eines autoritativen Befehls zu Lasten des Beschwerdeführers treffen konnte:
4.1 Gemäss Art. 204 Abs. 1 SchKG sind Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber ungültig. Die Konkursverwaltung kann Verfügungen des Schuldners als für sie nicht verbindlich betrachten (vgl. BGE 132 III 432 E. 2.4 S. 435). Bereits vollzogene Leistungen kann die Konkursverwaltung vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen; sie muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ist die Konkursverwaltung nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung zur Herausgabe derselben aufzufordern oder ihm gegenüber polizeilichen Zwang anzuwenden (vgl. BGE 53 III 104; Urteil 7B.53/2006 vom 8. August 2006 E. 3.1; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012, Rz. 1668; WOHLFART/MEYER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 23 f. zu Art. 204 SchKG; ISABELLE ROMY, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 zu Art. 204 SchKG; STÖCKLI/POSSA, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 204 SchKG; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach Schweizerischem Recht, Bd. II, 3. Aufl. 1993, § 40 Rz. 6 S. 118; SYLVAIN MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 138).
4.2 Nach unbestritten gebliebener vorinstanzlicher Feststellung befanden sich die Fahrzeuge zwar bis zur Konkurseröffnung vom 19. August 2013 ausschliesslich im Gewahrsam des Gemeinschuldners und danach in demjenigen der Masse. In der Folge ist er jedoch auf den Beschwerdeführer übergegangen, der geltend macht, er sei durch Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB in seinem Erwerb geschützt. Die entstandene Meinungsverschiedenheit betrifft eine Frage des materiellen Rechts, die mangels sachlicher Zuständigkeit weder von der Konkursverwaltung noch von der Aufsichtsbehörde, sondern

BGE 140 III 651 (654):

ausschliesslich vom Sachrichter zu entscheiden ist. Das Konkursamt war nicht befugt, dem Beschwerdeführer die Pflicht zur Ablieferung der Fahrzeuge durch eine Verfügung im Sinne von Art. 17 SchKG aufzuerlegen. Die Erklärung des Konkursamts vom 29. Oktober 2013 kann daher nur als Bekanntgabe eines Parteistandpunktes aufrechterhalten werden (vgl. BGE 123 III 335 E. 1 S. 336; 76 III 45 E. 1 S. 50). Soweit diese Erklärung den Charakter einer behördlichen Verfügung hat, ist sie als ausserhalb der Amtsbefugnisse getroffene Massnahme nichtig (s. oben E. 3 und 4.1). Somit ist festzustellen, dass die strittige Erklärung des Konkursamts, der Beschwerdeführer habe die Fahrzeuge abzuliefern, keine Wirkung einer behördlichen Verfügung nach Art. 17 SchKG hat, und gleichzeitig der Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt vom 10. April 2014 aufzuheben.