BGE 141 III 155 |
22. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Limited gegen B. Ltd (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_46/2015 vom 27. März 2015 |
Regeste |
Art. 99 Abs. 1 lit. a und Art. 100 Abs. 1 ZPO; Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung wegen fehlenden Sitzes in der Schweiz. |
Aus den Erwägungen: |
4. Die Vorinstanz stützte ihre Anordnung der Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung auf Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO. Nach dieser Bestimmung hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat. |
4.3 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, bezweckt die Bestimmung von Art. 99 ZPO, die beklagte Partei, die von der klagenden Partei in den Prozess gezwungen wird, gegen das Risiko abzusichern, dass die ihr zulasten der unterliegenden Partei zugesprochene Parteientschädigung nicht einbringlich ist, sofern Gründe vorliegen, die das spätere Eintreiben schwierig erscheinen lassen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., 7294 Ziff. 5.8.1 zu Art. 97 und 98; für viele: HANS SCHMID, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 99 ZPO). |
Die Kautionsgründe werden in Art. 99 Abs. 1 ZPO aufgezählt, wobei in lit. a der Fall des fehlenden Wohnsitzes oder Sitzes der klägerischen Partei in der Schweiz vorgesehen ist und lit. d einen Auffangtatbestand enthält, wonach auch Sicherheit zu leisten ist, wenn (ausser den in lit. a-c genannten Umständen) "andere Gründe" für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen. Aus Wortlaut und Zusammenhang von Art. 99 Abs. 1 lit. a und d ZPO ergibt sich ohne weiteres, dass das Gesetz im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei ausgeht, die der beklagten Partei Anspruch auf Sicherstellung gibt, mit der die Gefährdung beseitigt wird, unter Vorbehalt der in Art. 99 Abs. 2 und 3 ZPO genannten Ausnahmen oder einer abweichenden staatsvertraglichen Regelung (Art. 2 ZPO; Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294). Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294; AB 2007 S 512; AB 2008 N 652) lässt sich entnehmen, dass irgendwelche Konstellationen vorbehalten werden sollten, in denen die Annahme einer Gefährdung im Falle des fehlenden Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz entfallen würde. Auch in der Literatur zur ZPO (wie auch zu den ähnlichen Bestimmungen von Art. 62 Abs. 2 BGG und von Art. 150 Abs. 2 aOG) wird, soweit ersichtlich, nirgends eine entsprechende Auffassung vertreten (ausdrücklich im gegenteiligen Sinn: RICHARD KUSTER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & Mc Kenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 99 ZPO mit Hinweis). Die Vorinstanz hat demnach zutreffend erkannt, dass vorliegend der Sicherstellungsgrund nach Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO gegeben ist, ohne dass zu prüfen war, ob trotz fehlenden Sitzes der Beschwerdeführerin in der Schweiz allenfalls doch keine Gefährdung vorliege.
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Anzumerken bleibt, dass zwischen der Republik Irland und der Schweiz kein Staatsvertrag besteht, der die Beschwerdeführerin von der Sicherstellungspflicht wegen ihres fehlenden Sitzes in der Schweiz befreien würde. Insbesondere zählt Irland weder zu den Vertragsstaaten der Haager Übereinkunft vom 1. März 1954 betreffend Zivilprozessrecht (SR 0.274.12; vgl. deren Art. 17) noch zu den Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über den internationalen Zugang zur Rechtspflege (SR 0.274.133; vgl. dessen Art. 14; s. dazu ausführlich für viele: DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 21 ff. zu Art. 99 ZPO; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 16 ff. zu Art. 99 ZPO). Auch das LugÜ (SR 0.275.12) regelt ausschliesslich Fragen der Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung und nicht des Erkenntnisverfahrens im Urteilsstaat und sieht den Grundsatz der Gleichbehandlung von In- und Ausländern in Bezug auf die Sicherstellung in Art. 51 deshalb bloss im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsverfahren vor (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 4 zu Art. 51 LugÜ; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 9a zu Art. 99 ZPO; KUSTER, a.a.O., N. 16 zu Art. 99 ZPO). |
Die Vorschrift von Art. 100 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass die Sicherheit in bar oder durch Garantie einer in der Schweiz niedergelassenen Bank oder eines zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz zugelassenen Versicherungsunternehmens geleistet werden kann. Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt werden, um Diskussionen über die Werthaltigkeit der Kaution zu vermeiden (STERCHI, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO; RÜEGG, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO; SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 100 ZPO; wohl auch TAPPY, a.a.O., N. 3 zu Art. 100 ZPO). Für diese Ansicht spricht, dass sich dem Wortlaut der Bestimmung kein Hinweis auf eine nicht abschliessende Aufzählung entnehmen lässt, beispielsweise durch Verwendung von Worten wie "insbesondere" oder "namentlich" oder durch ausdrückliche Einräumung der Möglichkeit der Leistung anderer hinreichender Sicherheiten. Zu beachten ist sodann, dass die im Vorentwurf zur ZPO noch erwähnte Möglichkeit der Hinterlegung solider Wertschriften nicht in den Entwurf des Bundesrates und schliesslich ins Gesetz übernommen wurde, weil der Begriff im Vernehmlassungsverfahren als zu unbestimmt kritisiert wurde (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294; STERCHI, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO; ADRIAN URWYLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 100 ZPO; TAPPY, a.a.O., N. 3 zu Art. 100 ZPO). Eine abschliessende Aufzählung der zulässigen Sicherheiten von höchster Qualität hat denn auch den Vorteil der Einfachheit und Praktikabilität für sich, was im Interesse einer beförderlichen Verfahrensführung liegt und verhindert, dass der Prozess durch langwierige Zwischenverfahren verzögert wird. Zu Recht wird von SCHMID (a.a.O., N. 2 und 7 zu Art. 100 ZPO) auch angeführt, dass die Sicherheit im Interesse der gegnerischen Prozesspartei einverlangt wird, die sich bei gegebenen Voraussetzungen nicht mit minder komfortablen Sicherheiten begnügen muss und so zu stellen ist, wie wenn die belastete Partei die mit Eintritt der Rechtskraft des Entscheides fällige Entschädigungsforderung bezahlt. Die Vorinstanz verletzte damit kein Bundesrecht, indem sie die von der Beschwerdeführerin zu ihren behaupteten Gegenforderungen abgegebene Erklärung nicht als Sicherheit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 ZPO anerkannte und eine Sicherheitsleistung im Sinne dieser Bestimmung anordnete. |