BGE 142 III 204 |
28. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Handelsregisteramt des Kantons Zug (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_536/2015 vom 3. März 2016 |
Regeste |
Art. 718a Abs. 2 OR; Art. 119 Abs. 1 lit. g HRegV; Eintrag von Kombinationen von Kollektivunterschriften im Handelsregister. |
Sachverhalt |
B.
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B.a Mit Anmeldung vom 9. Februar 2015 beantragte die Gesellschaft dem Handelsregisteramt des Kantons Zug (Beschwerdegegner), die neuen Zeichnungsberechtigungen wie folgt in das Handelsregister einzutragen:
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"Eingetragene Personen neu oder mutierend:
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B., kasachischer Staatsangehöriger, in Astana (KZ), Mitglied des Verwaltungsrates, mit Kollektivunterschrift zu zweien mit C. oder D. oder E. [bisher: Mitglied des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien]
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G., von Bäretswil, in Merlischachen, Mitglied des Verwaltungsrates, mit Kollektivunterschrift zu zweien mit C. oder D. oder E. [bisher: Mitglied des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien]
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E., niederländischer Staatsangehöriger, in Zug, Mitglied des Verwaltungsrates, mit Kollektivunterschrift zu zweien mit B. oder F. oder G. [bisher: Mitglied des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien]
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D., russischer Staatsangehöriger, in Amsterdam (die Niederlande), Mitglied des Verwaltungsrates, mit Kollektivunterschrift zu zweien mit B. oder F. oder G. [bisher: Mitglied des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien]."
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(...) Mit Verfügung vom 17. Februar 2015 wies das Handelsregisteramt das Eintragungsbegehren vom 9. Februar 2015 ab und verweigerte die Eintragung der neuen Zeichnungsberechtigungen. (...)
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B.b Mit Beschwerde vom 19. März 2015 beantragte die Gesellschaft dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, es sei die Verfügung des Handelsregisteramtes vom 17. Februar 2015 aufzuheben und das Eintragungsbegehren vom 9. Februar 2015 sei gutzuheissen.
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Mit Urteil vom 25. August 2015 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen, eventualiter subsidiärer Verwaltungsbeschwerde, beantragt die Gesellschaft dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. August 2015 aufzuheben und das Handelsregisteramt sei anzuweisen, die Eintragungen gemäss der Anmeldung vom 9. Februar 2015 vorzunehmen. (...)
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: |
2.1 Gemäss Art. 718 Abs. 1 OR (in Kraft seit 1. Juli 1992; AS 1992 733) vertritt der Verwaltungsrat die Aktiengesellschaft nach aussen. Bestimmen die Statuten oder das Organisationsreglement nichts anderes, so steht die Vertretungsbefugnis jedem Mitglied einzeln zu. Nach Art. 718a Abs. 2 Satz 1 OR (ebenfalls seit 1. Juli 1992 in Kraft) hat eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis gegenüber gutgläubigen Dritten keine Wirkung. |
Im erwähnten Leitentscheid BGE 121 III 368 vom 19. September 1995 musste sich das Bundesgericht zur Frage äussern, ob die Präzisierung, dass zwei kollektivzeichnungsberechtigte Verwaltungsratsmitglieder nicht miteinander, sondern nur mit je anderen Verwaltungsratsmitgliedern rechtsgültig unterzeichnen dürfen, ins Handelsregister eingetragen werden kann. Das Bundesgericht verwies dabei zunächst auf Art. 718a Abs. 2 OR und leitete daraus als Grundsatz ab, dass eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis in der Form einer Kollektivunterschrift in das Handelsregister eingetragen werden kann (E. 4 S. 373). Es untersuchte sodann, inwiefern nicht nur eine allgemeine Kollektivunterschrift (im Sinne einer nicht näher bestimmten "Kollektivunterschrift zu zweien" oder allenfalls "zu dreien"), sondern auch präzisierte Kollektivunterschriften mit genau bezeichneten Kombinationen, welche Personen gemeinsam unterzeichnen dürfen, eingetragen werden können. Dabei erwähnte es drei Lehrmeinungen, wonach alle möglichen Spielarten von Kollektivunterschriften in das Handelsregister eingetragen werden können, so beispielsweise die Bestimmung von zwei Vertretergruppen, von denen je ein Mitglied zu unterzeichnen hat, oder auch die genaue Bezeichnung möglicher Kombinationen (E. 4a S . 373 f. unter Hinweis auf WOLFGANG BÜRGI, in: Zürcher Kommentar, 1969, N. 13 zu Art. 718 OR; EMIL SCHUCANY, Kommentar zum schweizerischen Aktienrecht, 2. Aufl. 1960, N. 3 zu Art. 718 OR; ROLF WATTER, Die Verpflichtung der AG durch rechtsgeschäftliches Handeln ihrer Stellvertreter, Prokuristen und Organe speziell bei sog. "Missbrauch der Vertretungsmacht", 1985, S. 149). Diesen Lehrmeinungen schloss sich das Bundesgericht an und führte als Argument zusätzlich den aArt. 641 Ziff. 8 OR ins Feld, wonach "die Art der Ausübung der Vertretung" in das Handelsregister einzutragen sei. Daraus leitete es ab, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzestexts die von der Aktiengesellschaft privatautonom ausgestaltbare Kollektivunterschrift ihrer Verwaltungsratsmitglieder nicht nur ins Handelsregister eingetragen werden kann, sondern muss (E. 4b S. 375). Dies gelte freilich auch unabhängig vom Wortlaut des aArt. 641 Ziff. 8 OR: Denn wenn präzisierte Kombinationen von Kollektivunterschriften nicht in das Handelsregister eingetragen werden könnten, würde die tatsächlich geltende Vertretungsbefugnis gegenüber der Öffentlichkeit verheimlicht. Das Handelsregister enthielte einen täuschenden Eintrag, was unakzeptabel sei. Es treffe zwar zu, dass die Eintragung von präzisierten Kombinationen von Kollektivunterschriften dem Handelsregisteramt einen zusätzlichen Aufwand bereiten würde. Dieser Umstand dürfe indessen bei der Auslegung des Gesetzes keine Rolle spielen, weshalb die Eintragung zuzulassen sei (E. 4b S. 375 f.). |
Im Rahmen der Teilrevision des Obligationenrechts, die am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist (Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], AS 2007 4791) wurdenauch die Bestimmungen über das Handelsregister teilweise geändert bzw. aufgehoben, darunter auch der erwähnte aArt. 641 Ziff. 8 OR. Dadurch entstand ein erheblicher Anpassungs- und Änderungsbedarf der Bestimmungen auf Verordnungsstufe (Begleitbericht zur Totalrevision der Handelsregisterverordnung, Vernehmlassungsentwurf vom 28. März 2008, www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/1399/Bericht.pdf, S. 1), was den Bundesrat dazu veranlasste, die alte Handelsregisterverordnung vom 7. Juni 1937 (aHRegV) total zu revidieren und durch die neue Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 zu ersetzen. Diese trat gemeinsam mit den revidierten Normen des OR am 1. Januar 2008 in Kraft. Ausweislich des erwähnten Begleitberichts (S. 1) musste dabei der "Norminhalt" der aufgehobenen "Bestimmungen des Obligationenrechts", also auch des aArt. 641 Ziff. 8 OR, "entsprechend dem Auftrag des Gesetzgebers neu in die Verordnung aufgenommen werden". In der Tat sieht die Handelsregisterverordnung vor, dass bei der Aktiengesellschaft nicht nur "die Mitglieder des Verwaltungsrats" (Art. 45 Abs. 1 lit. n HRegV), sondern auch die "Art der Zeichnungsberechtigung" (Art. 119 Abs. 1 lit. g HRegV) dieser Personen einzutragen sind. Die Art der Zeichnungsberechtigung ist nun aber nichts anderes als die "Art der Ausübung der Vertretung", wie sie aArt. 641 Ziff. 8 OR vorsah. Von einem offensichtlichen Verzicht auf die Übernahme des Regelungsgehalts von aArt. 641 Ziff. 8 OR kann keine Rede sein. |
Weshalb die vorliegend zur Eintragung angemeldeten, präzisierten Kollektivunterschriften mit genauer Bezeichnung der zur gemeinsamen Unterzeichnung befugten Personen nicht in das Handelsregister eintragungsfähig sein sollen, ist mithin im Lichte sowohl von BGE 121 III 368 als auch der neuen Handelsregisterverordnung nicht einzusehen.
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2.3.4 Damit verstösst der angefochtene Entscheid nicht nur gegen die mit BGE 121 III 368 begründete Rechtsprechung, sondern steht auch im Widerspruch zur herrschenden Lehre und bewährten Handelsregisterpraxis. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die vorliegend zur Eintragung angemeldeten, präzisierten Kollektivunterschriften in das Handelsregister einzutragen. (...) |