BGE 81 IV 213 |
47. Urteil des Kassationshofes vom 23. September 1955 i. S. Stutz gegen Statthalteramt Horgen. |
Regeste |
1. Art. 30 Abs. 1 Vo über das Strafregister. Begriff der kantonalen Strafkontrollen (Erw. 1). |
a) Gilt auch für die in kantonale Strafkontrollen einzutragenden Bussen wegen bundesrechtlicher Übertretungen (Erw. 2). |
b) Pflicht des Richters, die Anwendbarkeit dieser Bestimmung von Amtes wegen zu prüfen (Erw. 3). |
Sachverhalt |
A.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Horgen büsste am 24. März 1955 Ernst Stutz wegen Übertretung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 10.- und verfügte, dass die Verurteilung dem Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich mitgeteilt werde. Dieses trägt Bussen, die wegen Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften des MFG und der MFV ausgesprochen werden, in eine Kontrolle ein. |
B.- Stutz führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und der Einzelrichter anzuweisen, es dahin zu ergänzen, dass der Eintrag der Busse in der Kontrolle des Strassenverkehrsamtes gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer Probezeit von einem Jahr bewähre.
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C.- Das Statthalteramt Horgen beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: |
1. Stutz ist wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG gebüsst worden. Da die Busse Fr. 50.- nicht erreicht, wird sie nicht in das Zentralstrafregister aufgenommen (Art. 9 Ziff. 1 und 2 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November 1941). Dagegen ist sie gemäss Art. 81 Abs. 1 a.E. MFV der für das Automobilwesen zuständigen Behörde des Wohnsitzkantons zur Registrierung zu melden. Dieses Register dient keineswegs nur "internen" (z.B. statistischen) Zwecken, wie das Statthalteramt behauptet. Die Vorinstanz bestätigt vielmehr, dass das Strassenverkehrsamt Auszüge aus dieser Bussenkontrolle an Behörden abgebe. Dass zu diesen Behörden in erster Linie die Gerichte gehören, ergibt sich aus der weiteren Erklärung des vorinstanzlichen Richters, die vom Strassenverkehrsamt gemeldeten Eintragungen wirken bei erneuten Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten straferhöhend Dient aber das Bussenregister des zürcherischen Strassenverkehrsamtes grundsätzlich dem gleichen Zweck wie das Strafregister, nämlich der Information der Strafbehörden über Vorstrafen der Beschuldigten (vgl. HAFTER, Allg. Teil S.. 452 f.; THORMANN-OVERBECK, Art. 62 N. 1), so ist es als kantonale Strafkontrolle im Sinne des Art. 30 Abs. 1 der eidgenössischen Strafregisterverordnung zu betrachten. |
2. Gemäss Art. 49 Ziff. 4 StGB kann der Richter, wenn die Voraussetzungen von Art. 41 Ziff. 1 StGB gegeben sind, im Urteil anordnen, dass der Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister zu löschen sei, wenn sich der Verurteilte bis zum Ablauf einer vom Richter anzusetzenden Probezeit bewährt. Beim Erlass dieser Bestimmung (am 5. Oktober 1950) kann nicht übersehen worden sein, dass Bussen, die wegen Übertretungen bundesrechtlicher Vorschriften ausgesprochen werden und Fr. 50.- nicht erreichen, gemäss Art. 9 Ziff. 2 und Art. 30 Ziff. 1 der eidg. Strafregisterverordnung regelmässig in kantonale Kontrollen eingetragen, dagegen nur ausnahmsweise (Art. 10 Abs. 2 Strafregister VO) in das Zentralstrafregister aufgenommen werden. Wenn in Art. 49 Ziff. 4 StGB trotzdem allgemein "vom Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister" und nicht vom Eintrag im Zentralstrafregister oder von Bussen, die mindestens Fr. 50.- betragen, gesprochen wird, drängt sich der Schluss auf, dass nach der Absicht des Gesetzgebers diese Bestimmung für alle wegen Widerhandlungen gegen Bundesrecht ausgefällten Bussen gelten soll, also auch für jene, die Fr. 50.- nicht erreichen. Für diese Absicht spricht namentlich auch, dass es nicht zu verstehen wäre, wenn der Bundesgesetzgeber gerade für jene Bussen, die er im Zentralstrafregister überhaupt nicht eingetragen haben will, die durch Art. 49 Ziff. 4 StGB eingeführte Möglichkeit der vorzeitigen Löschung des Eintrages (in den kantonalen Kontrollen) ausgeschlossen hätte. In diesem Falle würde eine Busse unter Fr. 50.- für eine Übertretung eidgenössischen Rechts unter Voraussetzungen, unter denen eine höhere Busse im Zentralstrafregister gelöscht werden müsste, in der kantonalen Strafkontrolle bleiben (BGE 77 IV 202). Wer wegen einer Übertretung eidgenössischen Rechts zu einer Busse unter Fr. 50.- verurteilt wird, wäre also schlechter gestellt als wer mit mindestens Fr. 50.- gebüsst wird. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein. |
Es ist auch nicht zu ersehen, was den Gesetzgeber hätte bewegen können, die vorzeitige Löschung für Bussen unter Fr. 50.- zuzulassen, wenn sie wegen Verbrechen (z.B. beim Zutreffen des Strafmilderungsgrundes des Art. 11 StGB) oder Vergehen (vgl. z.B. Art. 117, 125, 133, 173 f. StGB) ausgesprochen werden, also in das Zentralstrafregister aufzunehmen sind (Art. 360 lit. a StGB), dagegen auszuschliessen, wenn sie wegen Übertretungen eidgenössischen Rechts ausgefällt und in kantonale Kontrollen eingetragen werden. Würde Art. 49 Ziff. 4 StGB nur für die im Zentralstrafregister einzutragenden Bussen gelten, so hätte dies schliesslich auch zur Folge, dass bei einer für die gleiche Übertretung ausgefällten Busse unter Fr. 50.- die Löschung im Sinne der angeführten Vorschrift das eine Mal zulässig, das andere Mal dagegen ausgeschlossen wäre. Vorzeitig gelöscht werden könnte diese Busse, wenn der Verurteilte ausser der Übertretung auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen hätte, weil in diesem Falle gemäss Art. 10 Abs. 2 der Strafregisterverordnung die (sonst nicht einzutragende) Verurteilung wegen der Übertretung ebenfalls in das Zentralstrafregister aufgenommen wird; ausgeschlossen wäre die vorzeitige Löschung dagegen, wenn der Täter einzig wegen einer Übertretung verurteilt worden ist, weil dann die Busse nur in kantonale Register eingetragen wird. Für eine solche Unterscheidung, die jene Täter begünstigen würde, die nicht nur eine Übertretung, sondern auch noch Verbrechen oder Vergehen begangen haben, besteht kein vernünftiger Grund.
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Allerdings scheint die gesetzgebende Behörde im Jahre 1937, beim Erlass des StGB, davon ausgegangen zu sein, dass die kantonalen Strafkontrollen ausschliesslich durch das kantonale Recht geregelt werden (StenBull Sonderausgabe: NatR 757, StR 354). Allein nichts hinderte sie, im Jahre 1950 darauf zurückzukommen und (auch) Vorschriften über die Löschung von Bussen zu erlassen, die in Anwendung von Bundesrecht ausgesprochen, aber nur in kantonale Kontrollen eingetragen werden. |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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