BGE 129 V 245 |
36. .Urteil i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen 1. W. und 2. M. und Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden |
B 87/01 vom 17. März 2003 |
Regeste |
Art. 122 und 142 ZGB; Art. 3, 4 und 22 FZG; Art. 10 und 12 Abs. 1 FZV. |
Die ausgleichsberechtigte Partei ist jedoch nicht verpflichtet, die durch die Ehescheidung erhaltene Vorsorgeleistung über den für den Einkauf der vollen reglementarischen Leistungen erforderlichen Betrag hinaus in ihre Vorsorgeeinrichtung einzubringen. |
Der für den Einkauf nicht erforderliche Betrag darf an höchstens zwei Freizügigkeitseinrichtungen überwiesen werden. |
Sachverhalt |
A.- Mit Urteil vom 4. September 2000 schied das Kantonsgericht X. die Ehe von W. und M. und ordnete in Ziff. 3 des Urteilsdispositivs die hälftige Aufteilung der gegenseitigen Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge an. Nach Eintritt der Rechtskraft überwies es die Sache an das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden zur Berechnung der Austrittsleistungen. |
B.- Mit Entscheid vom 29. August 2001 stellte das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden fest, dass die zu teilenden Austrittsleistungen per Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils für W. Fr. 242'705.- und für M. Fr. 105'098.15 betrugen. Hinsichtlich des aus der gegenseitigen Teilung der Austrittsleistungen zu Gunsten von M., Versicherte der Pensionskasse Y. resultierenden Anspruchs von Fr. 68'803.40 wies es die Pensionskasse von W., die Pensionskasse S., an, je rund einen Drittel an die Freizügigkeitsstiftung V., an die Freizügigkeitsstiftung R. und an die Freizügigkeitsstiftung A. zu überweisen. |
C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache an das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden zurückzuweisen, damit dieses über die Teilung der Austrittsleistung in der beruflichen Vorsorge im Sinne der Begründung neu entscheide.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei teilweise gutzuheissen und der M. zustehende Betrag sei an die Pensionskasse Y. zu überweisen. M. beantragt die teilweise Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und es sei die durch die Vorinstanz angeordnete Auszahlung zu akzeptieren und der volle Einkauf in die bestehende Pensionskasse Y. zu verfügen; der Restbetrag sei auf den bestehenden Vorsorgekonti zu belassen. W. seinerseits trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Die Pensionskasse S. bestätigt, die Austrittsleistung gemäss der vorinstanzlichen Anordnung an die drei Freizügigkeitsstiftungen überwiesen zu haben; bei einer Änderung des Aufteilungsmodus sei M. gerichtlich anzuweisen, den entsprechenden Betrag von einer oder mehreren Freizügigkeitseinrichtungen weiterzuleiten. Die Pensionskasse Y. führt aus, dass sich M. bisher nicht in die vollen reglementarischen Leistungen der Leistungsprimat-Kasse eingekauft habe.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: |
Das Gericht nach Art. 73 BVG, das gemäss Art. 25 und 25a FZG auch für Streitigkeiten auf dem Gebiete der Freizügigkeit der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge zuständig ist, hat den Streit von Amtes wegen an die Hand zu nehmen und die Teilung der Austrittsleistung gestützt auf den vom Scheidungsgericht bestimmten Aufteilungsschlüssel durchzuführen (BGE 128 V 46 Erw. 2c; THOMAS GEISER, Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, in: HAUSHEER [Hrsg.], Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Bern 1999, S. 100 N 2.118; Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 112). Dabei hat es insbesondere für die richtige Anwendung des Bundesrechts im Bereich der beruflichen Vorsorge zu sorgen. Gemäss Art. 73 Abs. 2 BVG hat der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen.
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Erwägung 3 |
3.2 Beim Prozess um Ausgleichszahlungen aus beruflicher Vorsorge im Scheidungsfall handelt es sich wie bei Austrittsleistungen (Entstehung, Höhe, Erfüllung usw.) um einen Streit um Versicherungsleistungen, weshalb sich die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nach Art. 132 OG richtet. Danach ist die Kognition nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung. Das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen. Ferner ist das Verfahren regelmässig kostenlos (Art. 134 OG; BGE 114 V 36 Erw. 1c). |
Erwägung 4 |
4.3 Es fragt sich jedoch, ob die zu übertragende Austrittsleistung in jedem Fall vollumfänglich von der einen in die andere Vorsorgeeinrichtung transferiert werden muss. Diese Frage stellt sich, nachdem die anspruchsberechtigte geschiedene Ehegattin im letztinstanzlichen Verfahren neu beantragt, sie sei zum vollen Einkauf in ihre Pensionskasse zu verpflichten unter Belassung des Restbetrages auf den bestehenden Vorsorgekonti. Im vorliegenden Fall würde nach ihren Angaben für den vollen Einkauf in die Pensionskasse Y. von der ihr gesamthaft zustehenden Austrittsleistung von Fr. 68'803.40 lediglich der Betrag von Fr. 14'505.40 benötigt. |
Der ausgleichsberechtigten Partei steht das Recht zu, sich bis zu den vollen reglementarischen Leistungen einzukaufen und so die Leistungen bei Invalidität und Alter, aber auch allfällige Hinterlassenenrenten zu erhöhen (BAUMANN/LAUTERBURG, a.a.O., N 101 zu Art. 122 ZGB; SCHNEIDER/BRUCHEZ, La prévoyance professionnelle et le divorce, in: Le nouveau droit du divorce, Lausanne 2000, S. 235 f.). Zu prüfen ist, ob die ausgleichsberechtigte Partei verpflichtet ist, die durch die Ehescheidung erhaltene Vorsorgeleistung über den für den Einkauf der vollen reglementarischen Leistungen beim ordentlichen Rentenalter erforderlichen Betrag hinaus in ihre Vorsorgeeinrichtung einzubringen. Dies ist angesichts von Wortlaut, Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften sowie der lediglich sinngemässen Anwendung der Art. 3-5 FZG zu verneinen. Im Falle vollständiger Abdeckung des Vorsorgerisikos ist dem primären Ziel der beruflichen Vorsorge Genüge getan. Mit dem für den vollen Einkauf nicht benötigten, überschüssigen Betrag ist der Vorsorgeschutz nach Art. 4 FZG "in anderer Form" zu erhalten. Wenn die ausgleichsberechtigte Person einen Teil der zu übertragenden Austrittsleistung auf ein Freizügigkeitskonto oder in eine Freizügigkeitspolice einbringen will, um so den engen Kreis der Begünstigten im Sinne des BVG (Witwen, Waisen; Art. 19 und 20 BVG) zu erweitern und auf weitere Personen auszudehnen (Art. 2 Abs. 1 BVV 3; BAUMANN/LAUTERBURG, a.a.O., N 97 zu Art. 122 ZGB), ist eine solche Disposition nach der gesetzlichen Regelung nicht ausgeschlossen. Es bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken, die nach Art. 22 FZG ermittelte Austrittsleistung für die Übertragung zu splitten. Dieser Betrachtungsweise verschliesst sich auch das BSV in der Eingabe vom 16. Oktober 2002 nicht.
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Erwägung 5 |
5.1 Gehört der Berechtigte keiner Vorsorgeeinrichtung an, so ist Art. 4 Abs. 1 FZG sinngemäss anwendbar. Danach hat die ausgleichsberechtigte Person der Vorsorgeeinrichtung, welche ihr einen Teil der Austrittsleistung zu überweisen hat, mitzuteilen, in welcher Form sie den Vorsorgeschutz erhalten will. Dieser wird durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten (Art. 10 Abs. 1 FZV). Bleibt eine solche Mitteilung aus, so hat die Vorsorgeeinrichtung spätestens zwei Jahre nach dem Freizügigkeitsfall die Austrittsleistung der Auffangeinrichtung (Art. 60 BVG) zu überweisen (Art. 4 Abs. 2 FZG; erwähntes Urteil K. vom 14. Mai 2002, B 18/01; erwähnte bundesrätliche Botschaft, BBl 1996 I 106 f.). |
In Art. 10 Abs. 2 und 3 FZV sind die Voraussetzungen umschrieben, in welcher Form der Vorsorgeschutz bei Personen erhalten werden kann, welche keiner Vorsorgeeinrichtung angehören. Art. 12 Abs. 1 FZV bestimmt, dass die Austrittsleistung von der bisherigen Vorsorgeeinrichtung höchstens an zwei Freizügigkeitseinrichtungen übertragen werden darf.
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5.3 Der überzeugenden Argumentation des BSV ist beizupflichten. Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 FZV, wonach die Austrittsleistung von der bisherigen Vorsorgeeinrichtung höchstens auf zwei Freizügigkeitseinrichtungen übertragen werden darf, hält sich im Rahmen des FZG, dem die Idee zu Grunde liegt, der Verzettelung der Mittel der beruflichen Vorsorge einer Person entgegenzuwirken (Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992, BBl 1992 III 573). Hinzu treten auf Grund der Entstehungsgeschichte die steuerlichen Argumente (je mehr Pensionskassen, um so mehr gestaffelte Auszahlungen mit niedrigeren Jahrestarifen). Weil bei Ehescheidung auf den zu übertragenden Betrag die Art. 3-5 FZG sinngemäss Anwendung finden (Art. 22 Abs. 1 zweiter Halbsatz FZG) und sich Art. 10 und 12 FZV darauf stützen, darf der für den Einkauf in die eigene Pensionskasse nicht benötigte Teil der Austrittsleistung an höchstens zwei Freizügigkeitseinrichtungen übertragen werden. |