BGE 146 V 169
 
16. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. proparis Vorsorge-Stiftung Gewerbe Schweiz gegen Schweizerischer Bäcker-Confiseurmeister-Verband (SBC) und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
9C_409/2019 vom 5. Mai 2020
 
Regeste
Art. 11 Abs. 3bis und Art. 53b Abs. 1 BVG; Teilliquidation der Sammelstiftung infolge Kündigung des Anschlussvertrags.
Art. 11 Abs. 3bis BVG statuiert eine echte Mitbestimmung des Personals bzw. der Arbeitnehmervertretung bei der Auflösung eines bestehenden Anschlusses an eine Vorsorgeeinrichtung. Fehlt die Einwilligung des Personals vor der Kündigung, ist diese ungültig (E. 4.4).
 
Sachverhalt


BGE 146 V 169 (170):

A.
A.a Die proparis Vorsorge-Stiftung Gewerbe Schweiz (nachfolgend: Stiftung) verfolgt den Zweck, eine berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge für die Arbeitnehmer im Gewerbe und die gewerblichen Selbständigerwerbenden anzubieten und durchzuführen. Sie steht allen Verbänden, Berufsorganisationen und Unternehmen offen, die über ihren Verband dem Schweizerischen Gewerbeverband angehören.
A.b Mit Verfügung vom 1. Mai 2018 entschied die Bernische BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA) über ein - am 5. Januar 2018 gemeinsam eingereichtes - Gesuch des Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verbandes (SBC), der CafetierSuisse (SCV), der Vereinigung Schweizer Weinhandel (VSW), der Ausgleichskasse PANVICA (nachfolgend: Ausgleichskasse), der Bäckerei A., der Bäckerei B., der Bäckerei C., der D., E. und des F. betreffend Durchführung einer Teilliquidation der Stiftung. Die BBSA stellte darin fest, dass zufolge Kündigung der Anschlussvereinbarungen durch die Gründerverbände per 31. Dezember 2017 ein Teilliquidationsbestand vorliege, und wies die Stiftung an, umgehend die Teilliquidation gemäss Teilliquidationsreglement vom 1. Juni 2009 umzusetzen.


BGE 146 V 169 (171):

B. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde, welche die Stiftung dagegen eingereicht hatte, ab (Entscheid vom 24. April 2019).
C. Die Stiftung erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid vom 24. April 2019 sei aufzuheben und es sei auf das Gesuch vom 5. Januar 2018 betreffend Anordnung einer Teilliquidation nicht einzutreten; eventualiter sei das Gesuch abzuweisen.
Die Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die BBSA stellt keinen Antrag und verweist integral auf ihre Verfügung vom 1. Mai 2018. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung.
Die Beschwerdeführerin gelangt mit einer weiteren Eingabe an das Bundesgericht.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 1.3
 
Erwägung 1.4
1.4.1 Gemäss Ziff. 2.2 des Reglements Teil- und Gesamtliquidation, in Kraft seit 1. Juni 2009, durch den Stiftungsrat beschlossen am 26. November 2009, von der Aufsichtsbehörde am 25. Januar 2010 genehmigt (nachfolgend: Teilliquidationsreglement) liegt eine Teilliquidation vermutungsweise vor, wenn ein Teil der Destinatäre die Stiftung unter Erfüllung einer der in Ziff. 3 und 5 erwähnten, abschliessend aufgezählten Tatbestände verlässt und die Stiftung weiter besteht (Abs. 1). Nur dort kann eine Teilliquidation vorliegen, wo Destinatäre - ausgelöst durch Ereignisse auf Betriebs-, Vorsorgewerk- oder Stiftungsebene und nicht durch Kündigung aus individuellen Gründen - unfreiwillig aus einem Arbeitsverhältnis und damit aus einer Vorsorgeeinrichtung ausscheiden müssen oder ein

BGE 146 V 169 (173):

Anschlussvertrag resp. eine Beitrittsvereinbarung aufgelöst wird (Abs. 2).
1.4.2 Ziff. 3 Teilliquidationsreglement regelt die - an dieser Stelle nicht weiter interessierenden - Tatbestände der Teil- oder Gesamtliquidation des Vorsorgewerkes. In Ziff. 5 Teilliquidationsreglement werden die Tatbestände der Teilliquidation der Stiftung geregelt. Danach ist der Tatbestand der Teilliquidation erfüllt, wenn der Anschlussvertrag eines angeschlossenen Vorsorgewerkes durch die Trägerverbände des Vorsorgewerks, das Vorsorgewerk oder die Stiftung aufgelöst wird. Die Auflösung von Anschlussverträgen kann gleichzeitig die Voraussetzung für eine Teilliquidation des Vorsorgewerks erfüllen (Ziff. 5.2). Die Beschwerdeführerin ficht deren (grundsätzliche) Anwendung (vgl. dazu vorinstanzliche E. 4.4.2.5 und 4.4.3) nicht an. Dabei hat es sein Bewenden (vgl. statt vieler Urteil 8C_488/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 2.1).
1.5 Das Gesuch vom 5. Januar 2018 hat im Rahmen sowohl seiner Begehren als auch deren Begründung unmissverständlich die Frage nach dem Vorliegen eines Teilliquidationsbestandes auf der Ebene Stiftung infolge Kündigung der Anschlussvereinbarung durch die Gründerverbände der Pensionskasse (vgl. E. 1.3.2 vorne) zum Inhalt. Es handelt sich offensichtlich um eine Streitigkeit aus beruflicher Vorsorge im engeren Sinn und überdies um eine typisch aufsichtsrechtliche Fragestellung (vgl. E. 1.2 vorne sowie SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938 und 944/2015 E. 5.1 in fine). Die Frage, ob der Anschlussvertrag gültig aufgelöst wurde, die hier ein privatrechtliches Verhältnis berührt (BGE 135 V 113 E. 3.5 S. 123), fällt im Sinne einer zivilrechtlichen Vorfrage ebenfalls in den Kompetenzbereich der Aufsichtsbehörde (SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_ 938 und 944/2015 E. 6.2.2 in fine und E. 6.2.3 in initio). Die - in BGE 127 V 377 nicht publizierte - E. 2a des Urteils B 84/00 und 86/00 vom 3. Oktober 2001 ist nicht einschlägig, da es dort um individuelle Ansprüche (einer Arbeitgeberin) geht, die sich im Nachgang zur Auflösung des Anschlussvertrages ergaben. Dass solche mit Klage nach Art. 73 BVG geltend zu machen sind, ist richtig (vgl. SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938 und 944/2015 E. 5.2 sowie SVR 2013 BVG Nr. 22 S. 959, 9C_375/2012 E. 4.1). Nichts anderes lässt sich BGE 143 V 200 E. 3.2 und E. 3.3 S. 202 f. entnehmen. Diese Erwägungen handeln ebenfalls von der - auf dem aufsichtsrechtlichen Weg eingeleiteten und vorfrageweisen - Überprüfung, ob der

BGE 146 V 169 (174):

Anschlussvertrag gültig aufgelöst wurde und damit eine Teilliquidation verbunden ist. Über die Folgen des Nichteinhaltens der Mindestvertragsdauer (Ansprüche der Pensionskasse aus der vorzeitigen Auflösung des Anschlussvertrages) - so das Bundesgericht - ist nicht im aufsichtsrechtlichen Verfahren zu befinden.
Es ist in Erinnerung zu rufen, dass die innerhalb des BVG spezialgesetzlich geregelte Zuständigkeitsordnung zu respektieren ist und nicht mit der Befugnis zur Entscheidung von Vorfragen aus einem anderen Rechtsgebiet verwechselt werden darf (SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938 und 944/2015 E. 6.2.3 mit Hinweisen). Bezüglich letzteren Punktes legt die Stiftung nicht einmal ansatzweise dar, dass die aufsichtsrechtlich vorfrageweise Prüfung der Gültigkeit der Anschlussvertragsauflösung nicht liquid ist. Die blosse Behauptung, es sei nicht allein über eine Rechtsfrage zu entscheiden, stellt keine hinreichende Begründung dar (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG).
1.6 Zusammenfassend steht fest, dass der prozessrechtliche Weg, der in concreto eingeschlagen wurde - Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde und anschliessendes Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht -, rechtens ist. Eine andere Frage ist, ob die Gründerverbände (vgl. E. 1.3.2 vorne) und die Ausgleichskasse über die notwendige Legitimation verfügten, was das Bundesgericht - auch in Bezug auf das vorinstanzliche Verfahren - regelmässig von Amtes wegen und mit freier Kognition prüft (BGE 141 V 605 E. 3.1 S. 608; BGE 140 V 22 E. 4 S. 26; BGE 136 V 7 E. 2 S. 9; Urteil 9C_493/2018 vom 14. Oktober 2019 E. 1.2). Die aufgeworfene Frage kann jedoch offenbleiben. Denn sowohl die Versicherten als auch die Arbeitgeber sind hinsichtlich einer Teil- oder Gesamtliquidation berechtigt, die Voraussetzungen, das Verfahren und den Verteilungsplan bei der zuständigen Aufsichtsbehörde überprüfen und entscheiden zu lassen (vgl. dazu Art. 53d Abs. 6 BVG und BGE 140 V 22 E. 4.2 S. 26 f.).
 


BGE 146 V 169 (175):

Erwägung 3
 
Erwägung 3.1
3.1.2 Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht folgenden Sachverhalt verbindlich festgestellt (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG): Die Stiftung einerseits und die drei Gründerverbände des Vorsorgewerkes PANVICA anderseits sind Vertragsparteien der ab 1. Januar 2003 geltenden Anschlussvereinbarung. Die Beitrittsvereinbarungen werden zwischen der Pensionskasse als Teil der Stiftung und dem einzelnen Arbeitgeber geschlossen (vorinstanzliche E. 4.4.2.3). Die Kündigung der zwischen der Stiftung und den drei Gründerverbänden eingegangenen Anschlussvereinbarung erfolgte als solche frist- und formgerecht (vorinstanzliche E. 4 in fine). Die Pensionskasse, die überwiegend das BVG-Obligatorium erfüllt (vorinstanzliche E. 4.5.2.2), soll gesamthaft in die PANVICAplus Vorsorgestiftung (heute: panvica Pensionskasse) überführt werden (vorinstanzliche E. 4.4.2.4 Abs. 2 und E. 4.4.4). Weder in der Anschlussvereinbarung noch im Teilliquidationsreglement ist festgelegt, dass im Falle der Kündigung der Anschlussvereinbarung zusätzlich alle Beitrittsvereinbarungen der einzelnen, an das Vorsorgewerk angeschlossenen Arbeitgeber aufgelöst werden müssen (vorinstanzliche E. 4.3.2 Abs. 2 und E. 4.4.2.3 Abs. 1 in fine). Laut Art. 38 Abs. 1 des Gesamtarbeitsvertrags für das Schweizerische Bäcker-, Konditoren- und Confiseurgewerbe (SBC) sind die Arbeitgeber verpflichtet, alle von ihnen beschäftigten Arbeitnehmenden bei der (Verbands-)Pensionskasse zu versichern (vorinstanzliche E. 4.4.2.1 Abs. 5).
 
Erwägung 3.2
3.2.1 Gestützt auf die soeben aufgezeigte Struktur der Stiftung, die sich aus Stiftungsurkunde, Teilliquidationsreglement und vereinbarten Verträgen ergibt, schloss das Bundesverwaltungsgericht, dass

BGE 146 V 169 (176):

bereits die Kündigung der Anschlussvereinbarung durch die Gründerverbände die Teilliquidation der Stiftung auslöse. Die Beitrittsvereinbarungen hätten keine eigenständige Bedeutung mehr und müssten daher nicht zusätzlich gekündigt werden (vorinstanzliche E. 4.4.2.4). Hinter diese Sichtweise ist mit Blick auf den tatsächlichen Regelungsinhalt der Anschluss- und Beitrittsvereinbarung(en) ein Fragezeichen zu setzen.
3.2.2 Gemäss Ziff. 6.2.2.1 erster Satz des hier massgebenden Organisations- und Wahlreglements (vgl. E. 1.3.2 vorne) besorgt die Durchführungsstelle eines Vorsorgewerkes dessen laufende Verwaltungsangelegenheiten. Die Anschlussvereinbarung zwischen der Stiftung und den drei Gründerverbänden geht nicht darüber hinaus. Sie betrifft die operative Ausstattung der Pensionskasse resp. die Sicherstellung von deren Funktionstüchtigkeit und -fähigkeit. So hat die Ausgleichskasse die personellen, logistischen und organisatorischen Mittel sowie die Strukturen der Pensionskasse zu garantieren (Ziff. 2). Sodann werden bestimmte organisatorische Eckpunkte für die Abwicklung des Durchführungsmandates vorgegeben (Ziff. 3). Ferner finden sich verwaltungsrechtliche Kompetenzabgrenzungen zur Geschäftsstelle der Stiftung (Ziff. 4) und es wird die Entschädigung der Ausgleichskasse für ihre Mandatsdienste festgelegt (Ziff. 5). Der materiell-rechtliche Anschluss, wie ihn Art. 11 Abs. 1 BVG vorschreibt, erfolgt in concreto durch die Beitrittsvereinbarung zwischen der Pensionskasse und dem einzelnen Arbeitgeber. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass nicht allen Arbeitgebern eine Wahlfreiheit zukommt (vgl. E. 3.1.2 in fine). Ebenso wenig schadet, dass das Vorsorgewerk über keine Rechtspersönlichkeit verfügt (BGE 145 V 106 E. 3.1 S. 109). Die Pensionskasse agiert als Teil der Stiftung (vgl. E. 3.1.2 vorne), was sich klar auch aus dem bei den Akten liegenden Musterexemplar einer Beitrittsvereinbarung ergibt. Gleichermassen deutlich wird darin eine Kündigungsklausel statuiert (Ziff. 4.1). Mit anderen Worten zielt die Kündigung der Anschlussvereinbarung auf eine Änderung des betrieblichen Umfeldes ab und begründet für sich allein keinen Abgang von Versicherten.
3.2.3 Zwar schreiben weder Anschlussvereinbarung noch Teilliquidationsreglement - explizit - vor, dass im Falle der Kündigung der Anschlussvereinbarung durch die Trägerverbände zusätzlich alle Beitrittsvereinbarungen seitens der angeschlossenen Arbeitgeber aufzulösen sind (vgl. E. 3.1.2 vorne). Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass letzter Akt für die Bejahung des Teilliquidationstatbestandes

BGE 146 V 169 (177):

von Ziff. 5.2 Teilliquidationsreglement obsolet ist. Dieser Betrachtungsweise könnte ohne weiteres gefolgt werden, wenn in der Beitrittsvereinbarung die Auflösung der Anschlussvereinbarung ebenfalls als Kündigung der Beitrittsvereinbarung anerkannt würde, was aber nicht der Fall ist. Angesichts der gegebenen vertraglichen Ausgestaltung, an der unterschiedliche Parteien beteiligt sind, und in Anbetracht der zweigeteilten "betrieblichen" (oberen) und "materiellen" (unteren) Anschlussebene ist fraglich, ob auf den reinen Wortlaut von Ziff. 5.2 Teilliquidationsreglement abgestellt werden kann. Jeder Teilliquidationstatbestand (vgl. Art. 53b Abs. 1 BVG) ist zwingend mit einem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung verbunden (vgl. BGE 143 V 200 E. 3.2 in fine S. 203). Dieses Erfordernis berührt hier - als Kehrseite der "Eintrittsmedaille" - die "materielle" (untere) Ebene (vgl. E. 3.2.2 vorne). Indes erübrigen sich abschliessende Bemerkungen. Selbst wenn die Auflösung der Anschlussvereinbarung allein keinen Teilliquidationstatbestand der Stiftung darzustellen vermag und es zusätzlich der Kündigung sämtlicher Beitrittsvereinbarungen bedarf, so hilft dies der Stiftung in casu nicht weiter:
3.2.3.1 Die Beschwerdeführerin bestätigte am 4. Juli 2017 die Kündigungen der Anschlussvereinbarung durch die Gründerverbände per 31. Dezember 2017 ohne Vorbehalt (die separaten Kündigungen der Anschlussvereinbarung datieren von Anfang bzw. Mitte Juni 2017). Anders als sie glauben zu machen versucht, bestätigte sie nicht nur den Eingang der Kündigungen. Vielmehr hielt sie wortwörtlich deren Gültigkeit fest. Damit akzeptierte sie den Wunsch nach einer Änderung auf der "betrieblichen" (oberen) Ebene, liess es aber nicht dabei. Indem sie ihrerseits umgehend den Verbandsversicherungsvertrag, den sie mit drei Versicherungsgesellschaften betreffend die Pensionskasse abgeschlossen hatte, auf Ende 2017 kündigte (nachfolgend: Verbandsversicherungsvertrag), griff sie unmittelbar in die "materielle" (untere) Ebene ein. Denn mit der Kündigung des Verbandsversicherungsvertrags erlosch jeglicher Versicherungsschutz für die aktiven, die abrechenbaren und nicht abrechenbaren Versicherungsverhältnisse sowie für die definitiv invaliden versicherten Personen. Damit brachte die Stiftung, die sich gemäss Ziff. 3.1 lit. b in Verbindung mit Ziff. 3.2 des zwischen ihr und den vorgenannten Versicherern geltenden Grundvertrags vom 1. Januar 2016 verpflichtete, primär mit ihnen Verbandsversicherungsverträge für gewerbliche Organisationen abzuschliessen, ihr "Desinteresse" an der

BGE 146 V 169 (178):

Pensionskasse auf der "materiellen" (unteren) Ebene zum Ausdruck und machte den Weg für eine integrale resp. kollektive Überführung in die PANVICAplus Vorsorgestiftung vorbehalt- und bedingungslos frei. Anhaltspunkte dafür, dass Anschlussvereinbarung und Verbandsversicherungsvertrag, wohlgemerkt zwei verschiedene Verträge, anschlussvertraglich unauflöslich miteinander verbunden sind, fehlen (vgl. E. 3.2.2 vorne).
Dazu kommt, dass sich die Beschwerdeführerin - zu Recht - selber in die Pflicht nimmt, indem sie festhält, dass es ihr (als Trägerin der einzelnen Vorsorgewerke) oblag zu prüfen, ob die Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Personal zustande gekommen ist (so auch RÉMY WYLER, in: BVG und FZG, 2. Aufl. 2019, N. 15 zu Art. 11 BVG, insbesondere Fn. 54 in fine, und N. 18 zu Art. 11 BVG; JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, L'affiliation de l'employeur à une institution de prévoyance professionnelle et la portée de l'art. 11 LPP, SZS 2018 S. 466; PETER RÖSLER, Mitwirkungsrecht beim Anschlusswechsel, Die Mitbestimmung des Personals, Schweizer Personalvorsorge [SPV] 2012 Heft 4 S. 42). Die gesetzliche Verpflichtung derVorsorgeeinrichtung, die Auflösung des Anschlussvertrages der Auffangeinrichtung zu melden (Art. 11 Abs. 3 bis Satz 2 BVG), setzt in diesem Zusammenspiel zwingend voraus, dass sie (die Vorsorgeeinrichtung) sich der Ordnungsmässigkeit vergewissert. Der Aufgabenbereich der Auffangeinrichtung umfasst ausschliesslich die Kontrolle des Wiederanschlusses (Art. 60 Abs. 2 lit. a BVG; Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 79 vom 27. Januar 2005 Rz. 469 sowie Weisungen des BSV über die Kontrolle des Anschlusses der Arbeitgeber an eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge gemäss Artikel 11 BVG [AKBV] Rz. 2051). Im Übrigen räumtdie Beschwerdeführerin ein, darüber orientiert worden zu sein, dass der aufgelösten Anschlussvereinbarung keine Konsultation des Personals der angeschlossenen Betriebe vorausgegangen sei. Dessen ungeachtet löste sie den "materiell-rechtlich" relevanten Verbandsversicherungsvertrag auf.
3.2.3.2 Wenn die Stiftung nunmehr auf der "materiellen" (unteren) Ebene auf eine formelle Kündigung seitens der Arbeitgeber gemäss Ziff. 4.1 Beitrittsvereinbarung pocht oder anderweitige (teilweise reglementarische) Formalien ins Feld führt, so stellt dies ein äusserst widersprüchliches Verhalten dar, das keinen Schutz verdient (vgl. Art. 2 ZGB). Wohl ist unbestritten, dass die berufliche Vorsorge von einer neuen, aber weiterhin für alle gleichen Vorsorgeeinrichtung

BGE 146 V 169 (179):

abgewickelt werden sollte (vgl. E. 3.1.2 vorne). Das Vorpreschen der Stiftung (prompte Kündigung des Verbandsversicherungsvertrags) bleibt jedoch vor allen Instanzen unerklärt und ist vor allem mit Blick auf den - von ihr erhobenen - Einwand der fehlenden Mitwirkung seitens der Arbeitnehmerschaft höchst unstimmig. Ihr Vorgehen lässt sich nicht anders verstehen, als dass sie mit der Kündigung der Anschlussvereinbarung auch die Beitrittsvereinbarungen zwischen Pensionskasse und Arbeitgeber als aufgehoben betrachtete (vgl. E. 3.2.3.1 vorne). Dass der Verbandsversicherungsvertrag nachträglich für das Jahr 2018 befristet wieder in Kraft gesetzt wurde, ändert daran nichts.
 
Erwägung 4
 
Erwägung 4.1
 
Erwägung 4.3.2
4.3.2.1 Das Einvernehmen zwischen dem Arbeitgeber und seinem Personal war - unter dem Titel von Art. 11 BVG - seit jeher von grundlegender Bedeutung (so bereits BBl 1976 I 149, 224 Ziff. 521.2). Die heute geltende Regelung von Art. 11 Abs. 3 bis BVG beruht auf

BGE 146 V 169 (181):

einem Vorschlag der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats. Diese legte grossen Wert auf ein unmittelbares Mitwirkungsrecht der Gesamtheit des Personals bzw. dessen Vertretung. Der Bundesrat hatte in seiner Vorlage lediglich das Einverständnis des paritätisch besetzten Organs vorgesehen (BBl 1999 2637, 2689 Ziff. 4.1), was den Arbeitnehmenden nur ein indirektes und eingeschränktes Mitwirken ermöglicht hätte, zumal der Arbeitgeber in erster Linie sich selber konsultiert hätte (das paritätische Organ besteht zur Hälfte aus Arbeitgebervertretern). Mit dem direkten Miteinbezug der Arbeitnehmenden sollte gerade mit Blick auf die Sammelstiftungen einem Vollzug "von oben herab" und einer möglichen - einseitig beschlossenen - Verschlechterung der Konditionen begegnet werden. Im Sinne der Sozialpartnerschaft sei anzuerkennen, dass die richtige Ebene der Mitbestimmung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liege. Es müsse für alle offen und transparent sein, welcher Einrichtung man sich zu welchen Konditionen anschliessen will (Protokoll vom 25./26. Januar 2001, S. 46-49). Diese Auffassung setzte sich letztlich eindeutig durch (16 zu 0 bei 3 Enthaltungen [Protokoll vom 30./31. Januar und 1. Februar 2002, S. 23]).Der Nationalrat übernahm den Antrag seiner Kommission diskussionslos (AB 2002 N 522, 15. April 2002). Auch im Ständerat führte die neue Bestimmung zu keinen Diskussionen (AB 2002 S 1042 f., 28. November 2002). Differenzen in redaktioneller Hinsicht (AB 2002 S 1043, 28. November 2002 und AB 2003 N 625 f., 6. Mai 2003) sowie die Schlussabstimmungen blieben ebenfalls ohne Weiterungen (AB 2003 N 1744, 3. Oktober 2003 und AB 2003 S 1030, 3. Oktober 2003).
4.3.2.2 Dem Gesetzgeber schwebte demnach eine gemeinsame Entscheidung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Wahl der Vorsorgeeinrichtung vor Augen, und er räumte Letzteren in diesem Zusammenhang ein besonderes (vorsorgespezifisches) Mitwirkungsrecht ein. Es reicht nicht, das Personal nur zu orientieren und/oder anzuhören. Vielmehr bedarf es dessen Zustimmung zum Anschlusswechsel, welcher Akt als eine kollektive Grösse zu begreifen ist und nicht als eine Kumulation individueller Rechte, die jedem einzelnen Arbeitnehmer zusteht (in diesem Sinne auch WYLER, a.a.O., N. 9 zu Art. 11 BVG; MARC HÜRZELER, Betriebsschliessung und Betriebsübernahme, Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge, in: BVG-Tagung 2015, S. 19; RÖSLER, a.a.O., S. 41).
 


BGE 146 V 169 (182):

Erwägung 4.3.3
4.3.3.1 Kommt im Falle von Art. 11 Abs. 3 bis (Satz 1) BVG keine Einigung zustande, so entscheidet ein neutraler Schiedsrichter, der im gegenseitigen Einverständnis oder, bei Uneinigkeit, von der Aufsichtsbehörde bezeichnet wird (Art. 11 Abs. 3 ter BVG). Der Entscheid ist konstitutiv (vgl. Art. 387 ZPO). Daraus erhellt, dass es bei Uneinigkeit keine "gestaffelte" Beschlussfassung im Sinne einer "nachgeordneten" Genehmigung gibt. Weshalb dies bei einer "Konsens-Kündigung" im Sinne von Art. 11 Abs. 3 bis Satz 1 BVG anders sein soll, leuchtet nicht ein.
4.3.3.2 Die anschlussvertragliche Kündigung ist - nicht anders als jede andere vertragliche Kündigung - ein einseitiges Gestaltungsrecht und grundsätzlich bedingungsfeindlich sowie unwiderruflich (BGE 141 V 597 E. 3.1 S. 601; zur vertraglichen Natur der Anschlussvereinbarung vgl. BGE 120 V 299 und SVR 2017 BVG Nr. 32 S. 145, 9C_108/2016 E. 3.3). Aus diesem Grundsatz folgt - wie sich BGE 128 III 129 E. 2b S. 135 f. (ständige Rechtsprechung; vgl. statt vieler auch Urteil 5A_701/2016 vom 6. April 2017 E. 6.4) entnehmen lässt -, dass die Kündigung erst wirksam sein kann, wenn sie von den dafür zuständigen Personen ausgesprochen worden ist. Ist die notwendige Genehmigung oder Zustimmung eines zweiten "Vorgesetzten" (auf den vorliegenden Fall übertragen: des Personals) noch nicht erfolgt, kann die Kündigung ihre Wirkungen nicht entfalten. Für die Gegenpartei steht noch nicht fest, ob das "Arbeitsverhältnis" (hier: Anschlussverhältnis) beendet werden soll. Diese Unsicherheit ist ihr nicht zuzumuten. Sie hat einen Anspruch darauf, während der ganzen Kündigungsfrist ohne Einschränkung zu wissen, dass das "Arbeitsverhältnis" (hier: Anschlussverhältnis) beendet wird. Ein Schwebezustand ist nicht zumutbar. Von einer Unsicherheit über die Kündigung oder von einem (unannehmbaren) Schwebezustand kann allerdings nur gesprochen werden, wenn die gekündigte Partei tatsächlich an der Verbindlichkeit der Kündigung zweifelt. Wird der Mangel geheilt, was auch stillschweigend erfolgen kann, bevor der "Arbeitnehmer" (hier: die Vorsorgeeinrichtung) diesen bemerkt, bestand von seiner (hier: ihrer) Seite nie Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung. Die vorliegende Obliegenheit der Vorsorgeeinrichtung (vgl. E. 3.2.3.1 Abs. 2) steht der Möglichkeit einer solchen Heilung von vornherein entgegen.
4.3.3.3 Angesichts ihres vertraglichen Charakters kann die Kündigung des Anschlussvertrages, anders als die Vorinstanz anzunehmen

BGE 146 V 169 (183):

scheint (vgl. E. 3.2.1 vorne), auch nicht einer amtlichen Verfahrenshandlung gleichgesetzt werden, deren Fehlerhaftigkeit aus Gründen der Rechtssicherheit in der Regel anfechtbar ist (vgl. dazu BGE 145 IV 197 E. 1.3.2 S. 201) bzw. ohne "Einwand" Gültigkeit erlangt. Abgesehen davon mutet es (vielmehr) rechtsmissbräuchlich an, wenn der Arbeitgeber ohne vorgängige Zustimmung des Personals die Anschlussvereinbarung kündigt und dadurch für die resultierende Rechtsunsicherheit verantwortlich zeichnet, daraus aber einen Vorteil ziehen kann, indem das Mitwirkungsrecht beschnitten, das heisst das "Mitgestalten" in ein "Opponieren" verkehrt wird. Mit dieser Mutierung geht eine spürbare Schwächung der Position des Personals einher, weil nicht mehr ein partnerschaftliches Abwägen und Bereinigen der Gründe und Umstände für einen Anschlusswechsel im Vordergrund steht, sondern die Arbeitnehmenden vor ein "fait accompli" gestellt und sich selber überlassen werden. Werden sie übergangen, müssen sie sich selber organisieren. Der kollektive Charakter des Mitwirkungsrechts lässt es nicht genügen, den Entscheid über die Nichtakzeptanz der Kündigung einzelnen Arbeitnehmenden zu überlassen.
4.3.4 Schliesslich setzen Sinn und Zweck von Art. 11 Abs. 3 bis Satz 1 BVG eine - hinsichtlich der Kündigung - vorgängige Information des Personals voraus. Damit die Arbeitnehmenden ihr Einverständnis geben oder verweigern können, müssen sie frühzeitig über die für sie relevanten Kriterien verfügen. Wohl liegt einem Anschlusswechsel ein vielschichtiger Prozess zu Grunde: Er ist komplex und weist zahlreiche Fallstricke auf (vgl. zum Ablauf und zu Erfahrungen aus der Praxis URS THALMANN, Wechsel der Pensionskasse: Was zu beachten ist, Lösung muss immer wieder überprüft werden, SPV 2013 Sonderausgabe S. 19 f.; URS BANNWART, Pensionskassenwechsel, [K]eine einfache Sache, SPV 2012 Heft 4 S. 35 f.). Ohne dasshier das Verfahren und die Modalitäten, die zum Einverständnis des Personals führen, im Einzelnen festzulegen sind, liegt auf der Hand, dass eine sorgfältige Analyse und Strukturierung sowie die entsprechende Information des Personals zwecks Meinungsbildung eine gewisse Zeit beanspruchen. Im Rahmen des ordentlichen vertraglichen Kündigungsrechts, das hier ausgeübt wurde, lässt sich dies indessen - auch bei Vorliegen eines "träge(re)n" Anschlussmodells (vgl. E. 1.3.1) resp. Kündigungsmodus (vgl. E. 3.2 vorne) - bestens planen; die notwendige Vorlaufzeit, um die Arbeitnehmenden laufend und sachgerecht informieren zu können, ist abschätz- und kalkulierbar.

BGE 146 V 169 (184):

Eine Beschneidung der Mitbestimmung der Arbeitnehmenden aus Praktikabilitätsgründen ist daher nicht zu rechtfertigen. Das gilt auch im Anwendungsfall des ausserordentlichen gesetzlichen Kündigungsrechts (vgl. Art. 53f BVG). Dieses setzt wohl einen engen Zeitrahmen. De facto stehen Arbeitgeber und Arbeitnehmern aber immerhin fünf Monate zur Verfügung, um eine einvernehmliche Lösung zu finden (Art. 53f Abs. 1 und 2 BVG; vgl. auch BBl 2005 5953, 5955 Ziff. 2.2). Dies kann je nach Organisationsgrad und Grösse der Vorsorgeeinrichtung eine beträchtliche Herausforderung darstellen. Anders als es die Beschwerdegegner gerne sähen, trifft das Gesetz jedoch keine Unterscheidung zwischen autonomen Stiftungen und Sammelstiftungen.
4.4 Insgesamt lässt das Dargelegte nicht ansatzweise den Schluss zu, Art. 11 Abs. 3 bis Satz 1 BVG habe blossen Ordnungscharakter. Im Gegenteil machen die vorangehenden Ausführungen deutlich, dass die genannte Bestimmung resp. das Einverständnis des Personals oder der allfälligen Arbeitnehmervertretung zur Auflösung des bestehenden Anschlusses an eine Vorsorgeeinrichtung als wesentliches und begründendes Erfordernis zu verstehen ist, indem Art. 11 Abs. 3 bis Satz 1 BVG eine echte Mitbestimmung des Personals bzw. der Arbeitnehmervertretung statuiert (BRECHBÜHL/GROB, Wechsel der Vorsorgeeinrichtung, Mitbestimmungsrechte des Personals und Auswirkungen, in: BVG-Tagung 2018, S. 8; KONRAD/LAUENER, Rechte und Pflichten von Arbeitgebern bei ihrer Vorsorgelösung, in: Rolle des Arbeitgebers in der beruflichen Vorsorge, 2016, S. 66 oben; HÜRZELER, a.a.O., S. 17): Dem Arbeitgeber sind ohne - der Kündigung vorangegangene - Einwilligung des Personals die Hände gebunden, so gerne er auch die Vorsorgeeinrichtung wechseln möchte. Die Nichteinhaltung des rechtzeitigen Miteinbezugs zeitigt allein eine Folge, und zwar die Ungültigkeit der Kündigung. So auch im hier zu beurteilenden Fall: Essteht für das Bundesgericht verbindlich fest (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG), dass die fragliche Kündigung (vgl. E. 3.2.3.1 vorne) ohne Einverständnis des davon betroffenen Personals ausgesprochen und dieses erst nachträglich darüber in Kenntnis gesetzt wurde (vorinstanzliche E. 4.5.2.4).