EuGH Rs. T-132/96 und T-143/95, Slg. 1999, S. II-3663 - Freistaat Sachsen ./. Kommission
 
Urteil
des Gerichtshofes (Zweite erweiterte Kammer)
vom 15. Dezember 1999
In den verbundenen Rechtssachen
-- T-132/96 und T-143/96 --
Freistaat Sachsen, vertreten durch Rechtsanwälte Karl Pfeiffer und Jochim Sedemund, Berlin, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Aloyse May, 31, Grand-rue, Luxemburg und Volkswagen AG und Volkswagen Sachsen GmbH, Gesellschaften deutschen Rechts mit Sitz in Wolfsburg bzw. Mosel (Deutschland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Michael Schütte, Berlin, und Martina Maier, Düsseldorf, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Bonn und Schmitt, 62, avenue Guillaume, Luxemburg, Kläger, unterstützt durch Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder, dann durch Ministerialrat Wolf-Dieter Plessing und Professor Thomas Oppermann, Universität Tübingen, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn, Streithelferin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch Paul Nemitz und Anders Jessen, Juristischer Dienst, dann durch Paul Nemitz als Bevollmächtigte, Beistand: Rechtsanwälte Hans-Jürgen Rabe, Georg Berrisch und Marco Nunez Müller, Hamburg, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gomez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg, Beklagte, unterstützt durch Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch John Collins, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigten, Beistand: Barrister Sarah Moore, London, Zustellungsanschrift: Botschaft des Vereinigten Königreichs, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg, Streithelfer, wegen Teilnichtigerklärung der Entscheidung 96/666/EG der Kommission vom 26. Juni 1996 über eine Beihilfe Deutschlands an den Volkswagen-Konzern für die Werke in Mosel und Chemnitz (ABl. L 308, S. 46)
erläßt
Das Gericht erster Instanz der europäischen Gemeinschaften (Zweite erweiterte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten A. Potocki sowie der Richter K. Lenaerts, C. W. Bellamy, J. Azizi und A. W. H. Meij, Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1999 folgendes
 
Urteil
 
Rechtlicher Rahmen
1. Mit Schreiben vom 31. Dezember 1988 teilte die Kommission den Mitgliedstaaten mit, daß sie nach ihrer Entscheidung vom 19. Juli 1988 über die Aufstellung eines allgemeinen Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie (im folgenden: Gemeinschaftsrahmen) auf der Grundlage von Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 1 EG) in ihrer Sitzung vom 22. Dezember 1988 die Voraussetzungen für die Durchführung dieses Rahmens festgelegt habe, die in der Anlage des Schreibens wiedergegeben seien. Sie forderte die Mitgliedstaaten auf, ihr binnen eines Monats mitzuteilen, ob sie mit dem Gemeinschaftsrahmen einverstanden seien.
2. Der Gemeinschaftsrahmen wurde in einer Mitteilung (89/C 123/03) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABl. 1989, C 123, S. 3). Er sollte nach seinem Unterabschnitt 2. 5 "am 1. Januar 1989 in Kraft treten" und "für zwei Jahre gültig" sein.
3. Nach Abschnitt 1, vierter Absatz, war Ziel des Gemeinschaftsrahmens u.a. die Herstellung eines höheren Maßes an Disziplin bei der Gewährung von Beihilfen, um die Voraussetzungen für einen unverfälschten Wettbewerb in diesem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft zu schaffen. Die Kommission betonte in diesem Abschnitt, daß sie nur dann eine wirksame Wettbewerbspolitik betreiben könne, wenn sie zu einzelnen Beihilfefällen vor der Gewährung Stellung beziehen könne.
4. Unterabschnitt 2. 2 Absatz 1 des Gemeinschaftsrahmens lautet:
    "Anmeldepflichtig gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag sind Beihilfen staatlicher Einrichtungen, die (einem) Unternehmen des Kfz-Sektors im Sinne dieses Gemeinschaftsrahmens innerhalb einer genehmigten Beihilferegelung gewährt werden, wenn der Kostenaufwand einer zu fördernden Maßnahme 12 Millionen ECU übersteigt. Beihilfen, die außerhalb einer genehmigten Regelung gewährt werden sollen, unterliegen ungeachtet ihres Umfangs und ihrer Intensität ausnahmslos der Anmeldungspflicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag ... Vorhaben der Mitgliedstaaten zur Gewährung oder Änderung von Beihilfen sindder Kommission so rechtzeitig mitzuteilen, daß ihr ausreichend Zeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur Verfügung steht."
5. Unter Abschnitt 3 des Gemeinschaftsrahmens, der die Leitlinien für die Beurteilung der Beihilfefälle betrifft, führt die Kommission u.a. folgendes aus:
    - "Regionalbeihilfen
    (...)
    Die Kommission ist sich des wertvollen Beitrags zur Entwicklung wirtschaftlich benachteiligter Regionen bewußt, der mit der Errichtung oder Erweiterung von Anlagen zur Herstellung von Kraftfahrzeugen und Kfz-Teilen geleistet werden kann. Deshalb befürwortet sie in der Regel Investitionsbeihilfen, die als Beitrag zur Überwindung von Strukturschwächen in benachteiligten Regionen der Gemeinschaft gewährt werden. Mit der vorherigen Anmeldung solcher Beihilfen müßte die Kommission in Zukunft die Möglichkeit erhalten, deren Nutzwirkungen auf die regionale Entwicklung (d.h. ihr Beitrag zur dauerhaften Entwicklung einer Region durch die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen und die wirtschaftliche Einbindung auf regionaler und kommunaler Ebene) den möglichen nachteiligen Auswirkungen auf den gesamten Sektor (wie z.B. die Entstehung umfangreicher Überschußkapazitäten) gegenüberzustellen. Bei dieser Bewertung soll die grundlegende Bedeutung der Regionalbeihilfen für die Herstellung des Zusammenhalts innerhalb der Gemeinschaft nicht in Frage gestellt, sondern gewährleistet werden, daß andere Gesichtspunkte des Gemeinschaftsinteresses, wie z.B. die Entwicklung der Industrie der Gemeinschaft, ebenfalls berücksichtigt werden."
6. Nachdem die Bundesregierung der Kommission ihre Absicht mitgeteilt hatte, den Gemeinschaftsrahmen nicht anzuwenden, erließ letztere gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag die Entscheidung 90/381/EWG vom 21. Februar 1990 zur Änderung der deutschen Beihilferegelung zugunsten der Kfz-Industrie (ABl. L 188, S. 55). Artikel 1 dieser Entscheidung lautet:
    "(1) Die Bundesrepublik Deutschland meldet der Kommission ab dem 1. Mai 1990 gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag alle aufgrund der im Anhang aufgeführten Beihilferegelungen gewährten Beihilfen für Projekte mit einem Kostenumfang von mehr als 12 Millionen ECU an Unternehmen des Kraftfahrzeugsektors gemäß der Begriffsbestimmung in Unterabschnitt 2. 1 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen in der Kraftfahrzeugindustrie. Die Anmeldungen sind gemäß den in den Unterabschnitten 2. 2 und 2. 3 genannten Erfordernissen vorzunehmen. Die Bundesrepublik legt der Kommission ferner die in dem Gemeinschaftsrahmen geforderten Jahresberichte vor.
    (2) Die Verpflichtung gemäß Absatz 1 gilt über die nicht erschöpfende Aufstellung der Beihilferegelungen im Anhang hinaus auch für sonstige Beihilferegelungen, die von der Kfz-Industrie in Anspruch genommen werden können.
    (3) Im Rahmen des Berlin-Förderungsgesetzes gewährte Beihilfen an Unternehmen der Kraftfahrzeugindustrie in Berlin sind von der mit dem Gemeinschaftsrahmen eingeführten Anmeldungspflicht freigestellt, jedoch in den vorzulegenden Jahresberichten aufzuführen."
7. Die Kommission genehmigte in einem an die deutsche Regierung gerichteten Schreiben vom 2. Oktober 1990 die Regelung über regionale Beihilfen für das Jahr 1991 gemäß dem 19. Rahmenplan auf der Grundlage des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969 (im folgenden: Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe), wies aber darauf hin, daß bei der Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen der in einigen Industriebereichen bestehende Gemeinschaftsrahmen beachtet werden müsse. Im 19. Rahmenplan (Teil I Punkt 9. 3, S. 43) heißt es, daß die Kommission
    "Entscheidungen getroffen [hat], die die Gewährung von Beihilfen auch im Rahmen genehmigter Systeme, z.B. der Regionalhilfe, an bestimmte Sektoren untersagen oder an die Vorabgenehmigung jedes einzelnen Fördervorhabens knüpfen...
    (...)
    Solche Regelungen bestehen in folgenden Bereichen:
    a) ...
    - Kraftfahrzeugindustrie, sofern der Kostenaufwand einer zu fördernden Maßnahme 12 Millionen ECU übersteigt".
8. Mit dem Beitritt der aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik hervorgegangenen fünf neuen Bundesländer, darunter des Freistaates Sachsen, zur Bundesrepublik Deutschland wurde am 3. Oktober 1990 die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands proklamiert.
9. Die Kommission teilte den Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 31. Dezember 1990 mit, daß sie eine Verlängerung des Gemeinschaftsrahmens für erforderlich halte.
10. Diese Entscheidung der Kommission war ebenfalls Gegenstand einer Mitteilung (91/C 81/05), die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1991, C 81, S. 4) veröffentlicht wurde. In dieser Mitteilung heißt es u.a.:
    "... glaubt die Kommission, daß der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an die Kfz-Industrie in seiner derzeitigen Form verlängert werden sollte. Dieeinzige Änderung besteht darin, daß, wie die Kommission entschieden hat, die Meldepflicht in der Bundesrepublik Deutschland nun auch für West-Berlin und das Territorium der ehemaligen DDR gilt [Artikel 1 Absatz 3 der Kommissionsentscheidung vom 21. Februar 1990, veröffentlicht im ABl. L 188 vom 27. Juli 1990, gilt nicht mehr seit dem 1. Januar 1991].
    Nach zwei Jahren will die Kommission den Gemeinschaftsrahmen erneut prüfen. Sollten sich dann Änderungen als erforderlich erweisen (oder der Gemeinschaftsrahmen hinfällig werden), wird die Kommission vor einer Entscheidung [die] Mitgliedstaaten hören."
11. Die Kommission genehmigte mit Schreiben vom 5. Dezember 1990 und 11. April 1991 an die deutsche Regierung die Anwendung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe auf die neuen Bundesländer, wies aber noch einmal darauf hin, daß bei der Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen der in einigen Industriebereichen bestehende Gemeinschaftsrahmen beachtet werden müsse. Ebenso genehmigte sie mit Schreiben vom 9. Januar 1991 die Ausweitung der bestehenden Regionalbeihilferegelungen auf die neuen Bundesländer und stellte dabei klar, daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrahmens zu beachten seien.
12. Am 23. Dezember 1992 entschied die Kommission, "den Gemeinschaftsrahmen nicht zu ändern", und "bis zu der nächsten von der Kommission zu organisierenden Überprüfung" fortgelten zu lassen. Diese Entscheidung wurde in einer Mitteilung (93/C 36/06) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1993, C 36, S. 17) veröffentlicht.
13. Mit Urteil vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache C-135/93 (Spanien/Kommission, Slg. 1995, I-1651, Randnr. 39) stellte der Gerichtshof fest, daß diese Entscheidung so auszulegen ist, "daß mit ihr die Geltung des Rahmens nur bis zu seiner nächsten Überprüfung verlängert worden ist, die wie die vorangegangenen nach einem weiteren Anwendungszeitraum von zwei Jahren erfolgen sollte". Dieser Zeitraum war am 31. Dezember 1994 abgelaufen.
14. Nach Verkündung dieses Urteils teilte die Kommission mit Schreiben vom 6. Juli 1995 den Mitgliedstaaten mit, sie habe im Interesse der Gemeinschaft am 5. Juli 1995 beschlossen, ihre Entscheidung vom 23. Dezember 1992 rückwirkend vom 1. Januar 1995 an zu verlängern, so daß der Gemeinschaftsrahmen ohne Unterbrechung anwendbar bleibe. Diese Verlängerung finde nur bis zum Abschluß des Verfahrens des Artikels 93 Absatz 1 EG-Vertrag Anwendung, dessen gleichzeitige Einleitung sie beschlossen habe (vgl. Randnr. 15). Diese Entscheidung, die in einer Mitteilung (95/C 284/03) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995, C 284, S. 3) veröffentlicht wurde, wurde vom Gerichtshof mit Urteil vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-292/95 (Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-1931) für nichtig erklärt.
15. In einem zweiten Schreiben vom 6. Juli 1995 unterrichtete die Kommission die Mitgliedstaaten im übrigen über ihre Entscheidung vom 5. Juli 1995, ihnen nach dem Urteil Spanien/Kommission vom 29. Juni 1995 vorzuschlagen, den Gemeinschaftsrahmen mit einigen Änderungen, insbesondere der Anhebung der Schwelle für Anmeldungen auf 17 Millionen ECU, für zwei Jahre wieder einzuführen (vgl. Mitteilung 95/C 284/03). Die neue Fassung des vorgeschlagenen Gemeinschaftsrahmens sah in Unterabschnitt 2. 5 folgendes vor: "Der Gemeinschaftsrahmen tritt nach Zustimmung der Mitgliedstaaten in Kraft, spätestens jedoch zum 1. Januar 1996. Beihilfevorhaben, die von den zuständigen Behörden bis zu diesem Datum noch nicht genehmigt sind, unterliegen der Anmeldungspflicht ab 1. Januar 1996." Die deutsche Regierung stimmte dieser Wiedereinführung des Gemeinschaftsrahmen mit Schreiben vom 15. August 1995 zu.
 
Sachverhalt
16. Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik am 1. Juli 1990 brach der Absatz und damit die Fertigung von Trabant-Fahrzeugen in Sachsen zusammen. Zur Erhaltung der Kraftfahrzeugindustrie in dieser Region nahm die Volkswagen AG (im folgenden: Volkswagen) Verhandlungen mit der Treuhandanstalt auf, die im Oktober 1990 zu einer Grundsatzvereinbarung führten. Diese Vereinbarung sah u.a. vor:
    - gemeinsame Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft, der Sächsischen Automobilbau GmbH (nachstehend: SAB), deren Gesellschaftskapital zu 87, 5% zunächst von der Treuhandanstalt und zu 12, 5% von Volkswagen gehalten werden sollte;
    - Übernahme der (seinerzeit noch in Bau befindlichen) Lackieranlage und der bestehenden Endmontage in Mosel (nachstehend: Mosel I) durch SAB;
    - Übernahme der alten Motorenfertigung in Chemnitz (im folgenden: Chemnitz I) durch die Volkswagen Sachsen GmbH (im folgenden: VW Sachsen), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Volkswagen;
    - Übernahme der Zylinderkopffertigung in Eisenach durch VW Sachsen und
    - Errichtung eines neuen Fahrzeugwerks in Mosel mit den vier Hauptfertigungsbereichen Preßwerk, Rohbau, Lackiererei und Endmontage (im folgenden: Mosel II) und Neubau eines Motorenwerks in Chemnitz (im folgenden: Chemnitz II) durch VW Sachsen.
17. Ursprünglich war die Übernahme und Umstrukturierung von Mosel I und Chemnitz I als vorübergehende Lösung gedacht, um zu vermeiden, daß diebestehende Belegschaft bis zu der für 1994 vorgesehenen Inbetriebnahme von Mosel II und Chemnitz II arbeitslos würde.
18. Mit Schreiben vom 19. September 1990 forderte die Kommission die deutsche Regierung auf, ihr gemäß dem Gemeinschaftsrahmen die staatlichen Beihilfen für diese Investitionsvorhaben mitzuteilen. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1990 und 14. März 1991 unterstrich sie, daß solche Beihilfen nicht ohne vorherige Notifizierung und Genehmigung durch die Kommission gewährt werden dürften. Diese Frage stand auch auf der Tagesordnung zweier bilateraler Zusammenkünfte in Bonn am 31. Januar 1991 und 7. Februar 1991.
19. Mit zwei Bescheiden vom 22. März 1991 bewilligte das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit auf der Grundlage des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe der VW Sachsen bestimmte Investitionszuschüsse für Mosel II und Chemnitz II (im folgenden: Bescheide von 1991). Insgesamt beliefen sich diese Zuschüsse auf 757 Millionen DM für Mosel II, verteilt auf die Jahre 1991 bis 1994, und auf 147 Millionen DM für Chemnitz II, verteilt auf die Jahre 1991 bis 1996.
20. Mit Bescheid vom 18. März 1991 bewilligte das Finanzamt Zwickau-Land der VW-Sachsen bestimmte Investitionszulagen gemäß dem Investitionszulagengesetz von 1991.
21. Der Volkswagen-Konzern beantragte weiter, gemäß dem Fördergebietsgesetz von 1991 Sonderabschreibungen vornehmen zu dürfen.
22. Mit Schreiben vom 25. März 1991 übermittelten die deutschen Behörden der Kommission eine Reihe von Informationen über die in den Randnummern 19 bis 21 genannten Beihilfen, wiesen aber gleichzeitig darauf hin, daß genauere Informationen ihnen noch nicht vorlägen und daß beabsichtigt sei, diese Beihilfen im Rahmen der von der Kommission für die neuen Bundesländer genehmigten Beihilferegelungen zu gewähren. Die Kommission erklärte mit Schreiben vom 17. April 1991, daß das Schreiben der deutschen Behörde vom 25. März 1991 eine Notifizierung nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag darstelle, daß aber noch weitere Informationen erforderlich seien.
23. Mit Schreiben vom 29. Mai 1991 machten die deutschen Behörden geltend, daß der Gemeinschaftsrahmen auf die neuen Bundesländer zwischen dem 1. Januar 1991 und dem 31. März 1991 nicht anwendbar gewesen sei. Da die fraglichen Beihilfen vor dem 31. März 1991 genehmigt worden seien, könne die Kommission die einzelnen dazugehörigen Akten nur im Rahmen der Regionalbeihilferegelungen prüfen (vgl. Randnr. 7). Die Kommission wies diesen Standpunkt der deutschen Behörden bei einem bilateralen Treffen am 10. Juli 1991 zurück und verlangte mit Schreiben vom 16. Juli 1991 weitere detaillierte Informationen. Auf die Antwort der Bundesregierung vom 17. September 1991 legte die Kommission dieser mit Schreiben vom 27. November 1991 weitere Fragen vor.
24. Im Oktober und Dezember 1991 erhielt der Volkswagen-Konzern für Mosel II und Chemnitz II Investitionszuschüsse in Höhe von 360, 8 Millionen DM und Investitionszulagen in Höhe von 10, 6 Millionen DM.
25. Mit Entscheidung vom 18. Dezember 1991 (ABl. 1992, C 68, S. 14; im folgenden: Entscheidung über die Eröffnung eines Prüfungsverfahrens), die der deutschen Regierung am 14. Januar 1992 zugestellt wurde, eröffnete die Kommission ein förmliches Prüfungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag über die Vereinbarkeit der verschiedenen Beihilfen für die Finanzierung der Investitionen in Mosel I und II, Chemnitz I und II und dem Werk in Eisenach mit dem Gemeinsamen Markt.
26. In dieser Entscheidung kam die Kommission u.a. zu folgendem Ergebnis:
    "Die von Ihren Behörden vorgesehenen Beihilfevorhaben geben aus folgenden Gründen Anlaß zu Bedenken:
    - sie wurden der Kommission nicht gemäß dem Verfahren nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gemeldet;
    - die hohe Intensität der Beihilfen zur Förderung von Investitionen, die zu einer spürbaren Ausweitung der Kapazität auf dem europäischen Kfz-Markt führen, könnte Wettbewerbsverfälschungen herbeiführen;
    - mit den bisher vorliegenden Begründungen wären die relativ hohe Intensität der Regionalbeihilfen, die Gewährung indirekter Investitionsbeihilfen und vorübergehender Betriebsbeihilfen durch die Treuhand allein mit dem Hinweis auf die Strukturnachteile [für den Volkswagen-Konzern] in den neuen Bundesländern nicht zu rechtfertigen; gemessen an den Kriterien des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen an die Kfz-Industrie wäre die Gesamtbeihilfeintensität als unangemessen hoch und damit unvereinbar einzustufen."
27. Mit Schreiben vom 29. Januar 1992 erklärte sich die Bundesregierung bereit, weitere Beihilfezahlungen bis zum Abschluß des förmlichen Prüfungsverfahrens auszusetzen.
28. Mit Schreiben vom 24. April 1992 forderte die Kommission die deutschen Behörden, die Treuhandanstalt und Volkswagen auf, ihr weitere Informationen zu übermitteln. Nach einer Zusammenkunft am 28. April 1992 und auf die Schreiben der Kommission vom 14. Mai 1992, 5. Juni 1992, 21. August 1992 und 17. November 1992 hin übermittelten die deutschen Behörden mit Schreiben vom 20. Mai 1992, 3. und 12. Juni 1992, 20. und 29. Juli 1992, 8. und 25. September 1992, 16. und 21. Oktober 1992 sowie 4. und 25. November 1992 sowie Volkswagen mit Schreiben vom 15. Juni 1992, 30. Oktober 1992, 12. Juni 1993 und 20. Juni 1993zusätzliche Informationen. Die Parteien trafen sich zu weiteren Gesprächen am 16. Juni 1992, 9. September 1992, 12. und 16. Oktober 1992, 3. Dezember 1992 sowie 8. und 11. Juni 1993.
29. Am 13. Januar 1993 beschloß Volkswagen, wesentliche Teile der ursprünglich für Mosel und Chemnitz vorgesehenen Investitionen aufzuschieben. Vorgesehen war nun, daß die Lackieranlage und die Endmontage in Mosel II erst 1997 zum Einsatz kommen sollten und daß das Motorenwerk Chemnitz II erst 1996 seine Produktion aufnehmen solle. Die Kommission erklärte sich damit einverstanden, ihre Beurteilung auf der Grundlage der neuen Investitionspläne von Volkswagen zu überprüfen.
30. Am 30. März 1993 erließ das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit zwei Bescheide zur Änderung der Bescheide von 1991 (im folgenden: Bescheide von 1993). Der Gesamtbetrag der Zuschüsse für die nunmehr vorgesehene Investition belief sich auf 708 Millionen DM für Mosel II, verteilt auf die Jahre 1991 bis 1997, und auf 195 Millionen DM für Chemnitz II, verteilt auf die Jahre 1992 bis 1997.
31. Einige Einzelheiten der neuen Investitionsvorhaben von Volkswagen wurden der Kommission bei einer Zusammenkunft am 5. Mai 1993 vorgestellt. Mit Schreiben vom 6. Juni 1993 übermittelte Deutschland ebenfalls eine Reihe von Informationen; Volkswagen ergänzte sie durch Schreiben vom 24. Juni 1993 und 6. Juli 1993 sowie durch ein Telefax vom 10. November 1993. Diese neuen Informationen wurden zudem bei Zusammenkünften am 18. Mai 1993, 10. Juni 1993, 2. Juli 1993 und 22. Juli 1993 geprüft. Neue Informationen über die von Volkswagen geplanten Kapazitäten wurden durch ein Schreiben der deutschen Regierung vom 15. Februar 1994 und ein Telefax vom 25. Februar 1994 übermittelt.
32. Bei einer Besichtigung der Werke Anfang April 1994 und bei Gesprächen am 11. Mai 1994 sowie am 2., 7. und 24. Juni 1994 konnte die Kommission neue Informationen über diese Projekte einholen. Außerdem wurden ihr bei diesen Gesprächen Unterlagen übergeben. Weitere Unterlagen wurden von den deutschen Behörden und Volkswagen am 10. Mai 1994, 30. Juni 1994 sowie am 4. und 12. Juli 1994 übermittelt.
33. Am 24. Mai 1994 erließ das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit zwei neue Bescheide zur Änderung der Bescheide von 1991 und 1993 (nachstehend: Bescheide von 1994). Der Gesamtbetrag der Zuschüsse für die jetzt vorgesehene Investition belief sich auf 648 Millionen DM für Mosel II, verteilt auf die Jahre 1991 bis 1997, und auf 167 Millionen DM für Chemnitz II, verteilt auf die Jahre 1992 bis 1997.
34. Mit Vertrag vom 21. Juni 1994 und Ergänzungsvertrag vom 1. November 1994 erwarb Volkswagen von der Treuhandanstalt deren Anteil von 87, 5% am Gesellschaftskapital der SAB.
35. Am 27. Juli 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/1068/EG über Beihilfen für Investitionen des Volkswagen-Konzerns in den neuen Bundesländern (ABl. L 385, S. 1; im folgenden: Entscheidung Mosel I). In dieser Entscheidung stellte die Kommission u.a. folgendes fest (Abschnitt IV, vierter Absatz, der Begründungserwägungen):
    "Bei der Einleitung des Verfahrens hatte die Kommission sämtliche Investitionsvorhaben von Volkswagen in Sachsen als Ganzes gesehen und wollte auch über alle Beihilfeelemente zusammen entscheiden. 1993 stellte Volkswagen die Investitionen für die neuen Werke zurück, argumentierte aber auch dann noch, daß Fertigungstechnik, Arbeitsaufwand und andere entscheidende Größen hiervon nicht berührt würden. Bei einer Werksbesichtigung in diesem Jahr wurde jedoch klar, was Experten bestätigten, daß sich diese Auffassung nicht länger halten läßt. Volkswagen gab der Kommission gegenüber auch zu, daß die alten Pläne inzwischen überholt sind und an neuen gearbeitet wird. Die neuen Pläne für die neuen Auto- und Motorenwerke Mosel II und Chemnitz II sind eng verzahnt mit der Entwicklung des Golf A 4, der in Produktion gehen soll, wenn auch Mosel II die Fertigung aufnimmt, d.h. 1997. Die endgültige Fassung der neuen Pläne wird erst zum Jahresende 1994 vorliegen. Soweit bekannt, beinhalten die neuen Pläne wesentliche Änderungen in der Technologie und Produktionsstruktur. Es ist offensichtlich, daß die ursprüngliche Verbindung zwischen den Investitionen in den alten Treuhandwerken und Neubauplänen auf der grünen Wiese heute nicht mehr besteht. Die Kommission hat daher beschlossen, sich vorerst nur mit der Umstrukturierungshilfe für die bestehenden Werke zu befassen - hier kann sie sich anhand der vorliegenden Informationen eine klare Meinung bilden - und über die Neubauprojekte erst zu entscheiden, wenn Volkswagen und Deutschland feste Investitions- und Beihilfepläne vorlegen können."
36. Wie sich aus der Entscheidung Mosel I ergibt, wurden die Lackiererei und die Endmontage Mosel I gemäß der Vereinbarung mit der Treuhandanstalt modernisiert und umgebaut (vgl. Randnr. 16). In der Anfangszeit bis 1992 wurden in Mosel I die Modelle VW Polo und Golf A 2 endmontiert, deren Teile in anderen Werken des Volkswagen-Konzerns hergestellt und vollständig zerlegt an Mosel geliefert wurden. Von Juli 1992 an konnte durch die Verbindung der gerade umgebauten Lackiererei und Endmontage des Werks Mosel I mit dem gerade in Betrieb genommenen neuen Karosseriewerk Mosel II die Produktion des Modells Golf A 3 in Mosel aufgenommen werden, wobei die Preßarbeiten anderweitig durchgeführt wurden. Anschließend wurde im Januar 1993 die Logistik von Wolfsburg nach Mosel I verlegt, und in der Umgebung siedelten sich neue Zulieferer an, die die für Mosel I und Chemnitz I erforderlichen Teile liefern konnten. Das neue Preßwerk Mosel II nahm seinen Betrieb im März 1994 neben dem Werk Mosel I auf.
37. Die Kommission erklärte in Artikel 1 der Entscheidung Mosel I u.a. verschiedene Beihilfen, die bis Ende 1993, dem Zeitpunkt, zu dem die Umstrukturierungabgeschlossen sein sollte, gewährt worden waren, in Höhe von 487, 3 Millionen DM für Mosel I und in Höhe von 84, 8 Millionen DM für Chemnitz I für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Dagegen wurden verschiedene später gewährte Beihilfen, insbesondere diejenigen, die als Beihilfen für Ersatzbeschaffungs- und Modernisierungsinvestitionen eingestuft wurden, die laut der Entscheidung Mosel I nach dem Gemeinschaftsrahmen unter keinen Umständen genehmigt werden konnten, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt (vgl. Entscheidung Mosel I, Abschnitte IX und X).
38. Die deutsche Regierung unterrichtete die Kommission in der Folge mehrmals mündlich über Verzögerungen bei der Fertigstellung der Vorhaben Mosel II und Chemnitz II. Die Kommission erinnerte die deutschen Behörden in einem Schreiben vom 12. April 1995 daran, daß sie die Pläne von Volkswagen für diese neuen Werke mitteilen müßten, damit die Kommission die betreffenden Beihilfen prüfen könne. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Mit Schreiben vom 4. August 1995 forderte die Kommission dringend die erforderlichen Informationen an und kündigte eine einstweilige Anordnung und eine spätere abschließende Entscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Informationen für den Fall an, daß Deutschland der Aufforderung nicht nachkommen sollte. In Beantwortung dieses Schreibens unterrichtete Deutschland die Kommission mit Schreiben vom 22. August 1995, daß die Investitionspläne von Volkswagen noch immer nicht abgeschlossen seien.
39. Am 31. Oktober 1995 erließ die Kommission die Entscheidung 96/179/EG, mit der der deutschen Regierung auferlegt wird, alle Unterlagen, Informationen und Daten über die Neuinvestitionsvorhaben der Volkswagen-Gruppe in den neuen Bundesländern und über die zu gewährenden Beihilfen zu übermitteln (ABl. 1996, L 53, S. 50).
40. Auf diese Entscheidung hin wurden der Kommission bei einem Gespräch am 20. November 1995 einige Informationen über das Projekt und die Produktionskapazität übermittelt. Diese wurden in einem Schreiben vom 13. Dezember 1995 bestätigt und bei einer Besichtigung des Vorhabens am 21. und 22. Dezember 1995 erläutert. Am 15. Januar 1996 richtete die Kommission weitere Fragen an die deutschen Behörden. Nach einem Gespräch vom 23. Januar 1996 wurden ihr die meisten noch ausstehenden Informationen mit Schreiben vom 1. und 12. Februar 1996 übermittelt.
41. Am 21. Februar 1996 erließ das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit zwei Bescheide zur Änderung der Bescheide von 1991, 1993 und 1994 (im folgenden: Bescheide von 1996). Die Investitionszuschüsse für Mosel II beliefen sich nun auf insgesamt 499 Millionen DM, verteilt auf die Jahre 1991 bis 1997, und für Chemnitz II auf 109 Millionen DM, verteilt auf die Jahre 1992 bis 1997.
42. Mit Schreiben vom 23. Februar 1996 wies die Kommission die deutschen Behörden darauf hin, daß ihr noch verschiedene Informationen fehlten. Diese wurden ihr beieiner Unterredung am 25. März 1996 übermittelt und am 2. und 11. April 1996 erörtert. Ein zusätzliches Treffen fand am 29. Mai 1996 statt.
43. Am 26. Juni 1996 erließ die Kommission die Entscheidung 96/666/EG über eine Beihilfe Deutschlands an den Volkswagen-Konzern für die Werke in Mosel und Chemnitz (ABl. L 308, S. 46; im folgenden: angefochtene Entscheidung), deren verfügender Teil lautet:
    "Artikel 1
    Die folgenden, von Deutschland geplanten Beihilfen für die verschiedenen Investitionsvorhaben der Volkswagen AG in Sachsen sind mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) EWR-Abkommen vereinbar:
    - die von Deutschland an [den Volkswagen-Konzern] gewährte Beihilfe für [dessen] Investitionsvorhaben in Mosel (Mosel II) und Chemnitz (Chemnitz II) in Form von Investitionszuschüssen bis zu 418, 7 Millionen DM;
    - die von Deutschland an [den Volkswagen-Konzern] gewährte Beihilfe für [dessen] Investitionsvorhaben in Mosel (Mosel II) und Chemnitz (Chemnitz II) in Form von Investitionszulagen bis zu 120, 4 Millionen DM.
    Artikel 2
    Die folgenden, von Deutschland geplanten Beihilfen für die verschiedenen Investitionsvorhaben der Volkswagen AG in Sachsen sind mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) EWR-Abkommen unvereinbar und dürfen nicht gewährt werden:
    - die geplante Investitionsbeihilfe an [den Volkswagen-Konzern] für [dessen] Investitionsvorhaben in Mosel II und Chemnitz II in Form von Sonderabschreibungen auf Investitionen im Rahmen des Fördergebietsgesetzes mit einem nominellen Wert von 51, 67 Millionen DM;
    - die geplante Investitionsbeihilfe an [den Volkswagen-Konzern] für [dessen] Investitionsvorhaben in Mosel II in Form von Investitionszuschüssen in Höhe von 189, 1 Millionen DM, die über den in Artikel 1 erster Gedankenstrich genannten Betrag hinausgeht.
    Artikel 3
    Deutschland gewährleistet, daß die Kapazität der Werke in Mosel 1997 ein Niveau von 432 Einheiten/Tag nicht überschreitet ...
    Darüber hinaus übermittelt und erklärt Deutschland der Kommission Jahresberichte über die Verwirklichung der förderfähigen Investitionen in Höhe von 2 654, 1 Millionen DM in Mosel II und Chemnitz II und über die tatsächlich erfolgten Beihilfezahlungen, um sicherzustellen, daß die kombinierte effektive Beihilfeintensität, ausgedrückt als Bruttosubventionsäquivalent, 22, 3% für Mosel II und 20, 8% für Chemnitz II nicht überschreitet ...
    Artikel 4
    Deutschland teilt der Kommission innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung mit, welche Maßnahmen getroffen wurden, um dieser Entscheidung nachzukommen.
    Artikel 5
    Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet."
44. Nach einem Schreiben des Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen an den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen vom 8. Juli 1996 zahlte der Freistaat Sachsen an Volkswagen im Juli 1996 90, 7 Millionen DM Investitionszuschüsse, die in der angefochtenen Entscheidung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden waren.
 
Verfahren
45. Der Freistaat Sachsen zum einen und Volkswagen und VW Sachsen zum anderen haben mit Klageschriften, die am 26. August bzw. 13. September 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und dort unter den Nummern T-132/96 bzw. T-143/96 in das Register eingetragen worden sind, Klage auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben.
46. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 16. September 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen und dort unter der Nummer C-301/96 in das Register eingetragen worden ist, Klage auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben.
47. Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 16. September 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gegen die Bundesrepublik Deutschland Klage wegen Vertragsverletzung erhoben, nachdem der Freistaat Sachsen 90, 7 Millionen DM an Beihilfen gezahlt hatte, die in der angefochtenen Entscheidung als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden waren. Diese Klage ist unter der Nummer C-302/96 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden.
48. Die Kommission hat in der Rechtssache T-132/96 mit besonderem Schriftsatz, der am 8. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung erhoben.
49. Der Gerichtshof hat mit Beschluß vom 4. Februar 1997 das Verfahren in der Rechtssache C-301/96, Deutschland/Kommission, bis zur Verkündung der Urteile des Gerichts ausgesetzt.
50. Mit Schriftsätzen, die am 13. Februar 1997 bzw. am 19. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich beantragt, als Streithelfer in den Rechtssachen T-132/96 und T-143/96 zugelassen zu werden.
51. Mit Schriftsätzen vom 10. April 1997, 17. Juli 1997 und 26. Mai 1998 haben die Kläger beantragt, bestimmte Informationen gegenüber dem Vereinigten Königreich vertraulich zu behandeln.
52. Mit Beschluß vom 26. März 1998 hat der Präsident des Gerichtshofes die Streichung der Rechtssache C-302/96 im Register angeordnet.
53. Am 29. Juni 1998 hat das Gericht (Zweite erweiterte Klammer) eine informelle Sitzung mit den Parteien abgehalten.
54. Mit Beschluß vom 30. Juni 1998 hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) die Entscheidung über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.
55. Mit Beschlüssen vom 1. und 3. Juli 1998 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich als Streithelfer in den Rechtssachen T-132/96 und T-143/96 zur Unterstützung der Anträge der Kläger bzw. der Beklagten zugelassen. Der Präsident hat außerdem den Anträgen auf vertrauliche Behandlung teilweise stattgegeben.
56. Mit Beschluß vom 7. Juli 1998 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts die Rechtssachen T-132/96 und T-143/96 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
57. Mit Schriftsätzen, die in der Zeit vom 17. bis zum 22. Juli 1998 in Beantwortung einer vom Gericht (Zweite erweiterte Kammer) im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen gestellten Frage eingegangen sind, haben die Parteien sowie die Bundesrepublik Deutschland zu den möglichen Folgen der gütlichen Einigung in der Rechtssache C-302/96 für das weitere Verfahren und insbesondere den Streitgegenstand in den Rechtssachen T-132/96 und T-143/96 Stellung genommen.
58. Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, das entschuldigt gefehlt hat, haben die Beteiligten in der Sitzung vom 30. Juni 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
 
Anträge der Beteiligten
59. Der Freistaat Sachsen beantragt,
    - Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;
    - der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
60. Volkswagen und VW Sachsen beantragen,
    - Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;
    - Artikel 3 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit dadurch die Beihilfeintensität, ausgedrückt als Bruttosubventionsäquivalent, auf 22, 3% für Mosel II und 20, 8% für Chemnitz II begrenzt wird;
    - Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die Höhe der Investitionszuschüsse, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden sind, auf 418, 7 Millionen DM begrenzt worden ist;
    - der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
61. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt die Anträge der Kläger.
62. Die Kommission beantragt in der Rechtssache T-132/96,
    - die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;
    - dem Freistaat Sachsen die Kosten aufzuerlegen.
63. In der Rechtssache T-143/96 beantragt die Kommission,
    - die Klage als unbegründet abzuweisen;
    - Volkswagen und VW Sachsen gesamtschuldnerisch die Kosten aufzuerlegen.
64. Das Vereinigte Königreich unterstützt die Anträge der Kommission.
65. In der Sitzung vom 30. Juni 1999 haben die Klägerinnen in der Rechtssache T-143/96 beantragt, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, soweit er dieNichtigerklärung des Artikels 2 erster Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung betrifft, mit dem die Investitionsbeihilfen in Form von Sonderabschreibungen auf Investitionen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden sind, und insoweit Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung anzuwenden. Das Gericht hat zur Kenntnis genommen, daß dieser Antrag nach Ansicht der Kommission als teilweise Klagerücknahme zu verstehen und daher Artikel 87 § 5 der Verfahrensordnung anzuwenden ist.
 
Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T-132/96
Vorbringen der Parteien
66. Zur Begründung ihrer Einrede der Unzulässigkeit macht die Kommission geltend, daß eine Gebietseinheit wie der Freistaat Sachsen im Rahmen des Beihilfesystems a priori kein Klagerecht nach Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) habe, da Artikel 93 EG-Vertrag nur die Mitgliedstaaten als Rechtsträger gegenüber der Gemeinschaft betreffe.
67. Die Kommission verweist u.a. darauf, daß Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) ebenso wie Artikel 93 Absatz 2 sich auf "von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln" gewährte Beihilfen beziehe. Die Anmeldeverpflichtung nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag betreffe allein den Mitgliedstaat. An dem Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag sei nur dieser beteiligt. Entscheide die Kommission, daß eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei, sei nur der Mitgliedstaat verpflichtet, sie aufzuheben oder umzugestalten. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, richte die Kommission die Klage nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag nur gegen den Mitgliedstaat.
68. Würde unter diesen Umständen einer Gebietseinheit ein Klagerecht eingeräumt, würde dies die ausschließliche Verantwortung des Mitgliedstaats für aus öffentlichen Mitteln gewährte Beihilfen in Frage stellen und könnte zu Interessenkonflikten zwischen der betreffenden Gebietseinheit und dem betreffenden Mitgliedstaat führen, zu deren Entscheidung weder die Kommission noch der Gemeinschaftsrichter befugt sei.
69. Jedenfalls bestehe aus Sicht des Gemeinschaftsrechts zwischen dem Freistaat Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland Teilidentität. Der Freistaat könne im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als "eine andere Person" angesehen werden, ohne daß das System des Klagerechts nach Artikel 173 EG-Vertrag verändert würde.
70. Die Zulässigkeit der in Rede stehenden Klage würde zwangsläufig zu einer unabsehbaren Vermehrung solcher Klagen und zu einer Erhöhung der Rechtsunsicherheit führen, würde das System gemäß den Artikeln 92 und 93 EG-Vertrag untergraben und die Durchsetzung von Beihilfeentscheidungen der Kommission gefährden.
71. Weiter macht die Kommission geltend, der Freistaat Sachsen habe aus zwei Gründen kein Rechtsschutzinteresse gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag: Zum einen sei die von ihm gewährte Beihilfe im vorliegenden Fall bundesrechtlich vorgesehen, und zum anderen verfüge die Bundesrepublik Deutschland über ein Klagerecht nach Artikel 173 Absatz 2 EG-Vertrag. Dem Freistaat Sachsen könne also kein Rechtsschutzinteresse zuerkannt werden, das von dem Deutschlands verschieden sei; im übrigen habe die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls eine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben (Rechtssache C-301/96).
72. Die Tatsache, daß der Freistaat Sachsen nach der verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland Staatsqualität besitze, habe im Rahmen der Rechtsordnung der Gemeinschaft keine Auswirkungen. Der EG-Vertrag räume den Bundesländern keine besonderen Rechte ein. Sie hätten lediglich die Rechte, die ihnen gegebenenfalls nach Artikel 198a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 263 EG) im Rahmen des Ausschusses der Regionen zuständen. Es sei also nicht so, daß dem Freistaat Sachsen als juristischer Person im Gemeinschaftsrecht automatisch eine Klagebefugnis zustehe (vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in den Rechtssachen 62/87 und 72/87, Urteil des Gerichtshofes vom 8. März 1988, Exécutif régional wallon und Glaverbel/Kommission, Slg. 1988, 1573, 1582, Nr. 13, Schlußanträge des Generalanwalts Van Gerven in der Rechtssache 70/88, Urteil des Gerichtshofes vom 22. Mai 1990, Parlament/Rat, Slg. 1990, I-2041, I-2063, und Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache C-298/89, Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 1993, Gibraltar/Rat, Slg. 1993, I-3605, I-3621, Nrn. 38 bis 51).
73. Im übrigen beruhe eine Investitionsbeihilfe in Form von Sonderabschreibungen, die nach dem Fördergebietsgesetz gewährt werde, ausschließlich auf dem bundesrechtlichen Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet, dessen Anwendung und Durchführung gemäß Artikel 87 des Grundgesetzes (GG) der Bundesfinanzverwaltung obliege. Gleiches gelte für die steuerlichen Investitionszulagen (Investitionszulagengesetz, 1993). Ebenso sei das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe vom 6. Oktober 1969, auf dem die Investitionszuschüsse im vorliegenden Fall beruhten, ein Bundesgesetz, das auf Artikel 91a GG beruhe, der die "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" grundsätzlich den einzelnen Ländern zuweise, dem Bund aber erhebliche Mitwirkungsrechte einräume (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/84, Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, Randnrn. 2 ff.). Der Bund trage die Hälfte der Ausgaben. Im übrigen könne die Bundesregierung nach Artikel 85 GG allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen und den Landesbehörden Weisungen erteilen, Beauftragte zu ihnen entsenden und Bericht und Vorlage der Akten verlangen. Daraus ergebe sich zum einen die nachhaltige Mitwirkung des Bundes bei der Durchführung vonGemeinschaftsaufgaben. Zum anderen zeige sich daran die Identität der Interessen von Bund und Ländern, wenn es um die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur gehe. Der Freistaat Sachsen sei daher nicht in der Lage darzutun, inwieweit sich seine Interessen von denen der Bundesrepublik Deutschland unterschieden (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 282/85, DEFI/Kommission, Slg. 1986, 2469, Randnr. 18). Im vorliegenden Fall sei der Rechtsschutz dadurch gewährleistet, daß die Bundesrepublik Deutschland selbst Klage erhoben habe.
74. Ferner macht die Kommission geltend, der Freistaat Sachsen sei von der angefochtenen Entscheidung weder unmittelbar noch individuell betroffen.
75. Er sei nicht unmittelbar betroffen, da er anders als die Kläger nicht an dem Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen sei und seine Verpflichtung zur Gewährung der Investitionszuschüsse sich auf ein Bundesgesetz gründe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Durchführung des Rahmenplans aufgrund § 9 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe den Ländern übertragen sei und der Bund die Hälfte der Ausgaben erstatte. Jedenfalls beziehe sich die angefochtene Entscheidung nicht ausschließlich auf Investitionszuschüsse, sondern auch auf andere vom Bund gewährte Zulagen. Es handele sich um eine einheitliche Entscheidung über sämtliche Beihilfen, die allein an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei.
76. Der Freistaat Sachsen sei auch nicht individuell betroffen. Für ihn seien nämlich keine besonderen, ihn aus dem Kreis der übrigen Personen heraushebenden Umstände festzustellen, die ihn in ähnlicher Weise individualisierten wie den Adressaten einer Entscheidung (vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache 222/83, Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1984, Commune de Differdange u.a./Kommission, Slg. 1984, 2889, 2905).
77. Schließlich entspreche die Lage im vorliegenden Fall derjenigen, die das Gericht in seinem Beschluß vom 16. Juni 1988 in der Rechtssache T-238/97 (Comunidad Autonoma de Cantabria/Rat, Slg. 1998, II-2271) beschrieben habe. Dagegen seien die Urteile des Gerichts vom 30. April 1998 in der Rechtssache T-214/95 (Vlaams Gewest/Kommission, Slg. 1998, II-717) und vom 15. Juni 1999 in der Rechtssache T-288/97 (Regione autonoma Friuli Venezia Giulia/Kommission, Slg. 1999, II-0000) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da zum einen die Investitionsbeihilfen in Form von Sonderabschreibungen von den Bundesbehörden aufgrund von Bundesrecht gewährt worden seien, zum anderen die Investitionszuschüsse auf einem Bundesgesetz beruhten und der Freistaat Sachsen insoweit nicht im Rahmen eigener Zuständigkeiten tätig werde und über kein Ermessen verfügte, und zum dritten die angefochtene Entscheidung den Freistaat Sachsen nicht zur Rückforderung der streitigen Beihilfen verpflichte, sondern ihm lediglich ihre Auszahlung untersage.
78. Das Vereinigte Königreich schließt sich im wesentlichen dem Vorbringen der Kommission an.
79. Der Freistaat Sachsen widerspricht dem Vorbringen der Kommission. Er macht im wesentlichen geltend, die Kommission habe ihn zur Erhebung der Klage ermutigt, die Entscheidungen über die Gewährung der betreffenden Beihilfen fielen nach deutschem Recht ausschließlich in seine Zuständigkeit, diese Beihilfen seien zumindest teilweise von ihm finanziert worden, seine Vertreter hätten am Verwaltungsverfahren teilgenommen, und er sei zudem unmittelbar und individuell von der angefochtenen Entscheidung betroffen.
80. Die Bundesrepublik Deutschland schließt sich im wesentlichen dem Vorbringen des Freistaats Sachsen an.
Würdigung durch das Gericht
81. Der Freistaat Sachsen, der nach deutschem Recht Rechtspersönlichkeit besitzt, kann Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag erheben, wonach jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben kann, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen (vgl. Urteil Vlaams Gewest/Kommission, Randnr. 28, und die dort angeführte Rechtsprechung sowie Beschluß Comunidad Autonoma de Cantabria/Rat, Randnr. 43).
82. Da die angefochtene Entscheidung an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, ist somit zu prüfen, ob der Freistaat Sachsen unmittelbar und individuell betroffen ist.
83. Andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung können nur dann behaupten, individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238, und vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, Cofaz u.a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 22). Diese Bestimmung bezweckt nämlich, auch demjenigen Rechtsschutz zu verschaffen, der, ohne Adressat der fraglichen Handlung zu sein, von ihr tatsächlich in ähnlicher Weise betroffen ist wie der Adressat (Urteil Gemeinde Differdange u.a./Kommission, Randnr. 9).
84. Die angefochtene Entscheidung betrifft Beihilfen, die der Freistaat Sachsen teilweise aus eigenen Mitteln gewährt hat. Sie erfaßt nicht nur Handlungen, die der Freistaat Sachsen erlassen hat, nämlich die Bescheide von 1991, 1993, 1994 und 1996, sondern sie hindert diesen auch daran, seine autonomen Befugnisse nachseinen Vorstellungen auszuüben (vgl. Urteile Vlaams Gewest/Kommission, Randnr. 29, und Regione autonoma Friuli Venezia Giulia/Kommission, Randnr. 31).
85. Wie sich nämlich aus den Randnummern 2 bis 4 des von der Kommission angeführten Urteils in der Rechtssache Deutschland/Kommission vom 14. Oktober 1987 ergibt, werden in der Bundesrepublik Deutschland Regionalbeihilfen grundsätzlich von den einzelnen Bundesländern gewährt, auch wenn der Bund seit Änderung des Grundgesetzes aus dem Jahr 1969 gemäß dem neuen Artikel 91a GG bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur durch die einzelnen Länder mitwirkt. Gemäß dem aufgrund von Artikel 91a GG erlassenen Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe werden seit 1972 regelmäßig Beihilfeprogramme in Form von Rahmenplänen gemeinsam von Bund und Ländern aufgestellt. Die in Durchführung dieser Rahmenpläne gewährten Beihilfen werden sowohl vom Bund als auch von den Ländern finanziert. Parallel zu den aufgrund der Gemeinschaftsaufgabe aufgestellten Rahmenpläne können die Länder auch regionale Förderprogramme zugunsten von in ihrem Gebiet investierenden Unternehmen vorsehen.
86. Zudem ist der Freistaat Sachsen nach der angefochtenen Entscheidung verpflichtet, das Verwaltungsverfahren Wiedereinziehung der Beihilfen bei den Empfängern einzuleiten, wofür er auf nationaler Ebene allein zuständig ist. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang in der Sitzung auf Antrag der Kommission zur Kenntnis genommen, daß ein Teil der Beihilfen an den Freistaat Sachsen selbst zurückgezahlt worden ist.
87. Entgegen der Auffassung der Kommission kann die Situation des Freistaats Sachsen nicht mit derjenigen der Comunidad Autonoma de Cantabria in der Rechtssache, die zu dem zitierten Beschluß Comunidad Autonoma de Cantabria/Rat geführt hat, gleichgesetzt werden, da sich die Individualisierung, auf die sich diese Gebietskörperschaft berufen hatte, auf die sozioökonomischen Auswirkungen der angefochtenen Handlung auf ihr Gebiet beschränkte.
88. Infolgedessen ist der Freistaat Sachsen von der angefochtenen Entscheidung im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag individuell betroffen.
89. Im übrigen ist die angefochtene Entscheidung zwar an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet, doch hat diese bei ihrer Weiterleitung an den Freistaat Sachsen kein Ermessen ausgeübt.
90. Der Freistaat Sachsen ist daher von der angefochtenen Handlung auch unmittelbar im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag betroffen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 13. Mai 1971 in den verbundenen Rechtssachen 41/70, 42/70, 43/70 und 44/70, International Fruit Company u.a./Kommission, Slg. 1971, 411, Randnrn. 26 bis 28, vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTNToyo Bearing Company u.a./Rat, Slg. 1979, 1185, Randnr. 11, und vom 26. April 1988 in der Rechtssache 207/86, Apesco/Kommission, Slg. 1988, 2151, Randnr. 12).
91. Zur Frage, ob das Interesse des Freistaats Sachsen an einer Anfechtung der fraglichen Entscheidung nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland aufgeht (vgl. Urteil Regione autonoma Friuli Venezia Giulia/Kommission, Randnr. 34), ist nach alledem festzustellen, daß die Stellung des Freistaats Sachsen nicht mit der des Klägers in der Rechtssache verglichen werden kann, die zu dem Urteil DEFI/Kommission geführt hat. In dieser Rechtssache war die französische Regierung befugt, die Verwaltung und Politik des DEFI-Ausschusses zu bestimmen und damit auch die Interessen zu definieren, die dieser zu vertreten hatte. Dagegen sind die im vorliegenden Fall streitigen Investitionszuschüsse Maßnahmen des Freistaats Sachsen, die dieser kraft seiner ihm unmittelbar aufgrund der deutschen Verfassung zustehenden Gesetzgebungs- und Finanzhoheit erlassen hat.
92. Somit hat der Freistaat Sachsen an der Anfechtung der streitigen Entscheidung ein Interesse, das von dem der Bundesrepublik Deutschland verschieden ist, und kann deshalb nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag gegen diese Entscheidung klagen.
93. Die weiteren Gründe und Argumente der Kommission zur Stützung ihrer Einrede der Unzulässigkeit sind aus den in den Randnummern 37 bis 49 des Urteils Regione autonoma Friuli Venezia/Kommission dargelegten Gründen zurückzuweisen.
94. Nach alledem ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.
 
Begründetheit
95. Zur Begründung ihrer Anträge in der Rechtssache T-143/96 tragen die Klägerinnen Volkswagen und VW Sachsen vier Klagegründe vor: Sachverhaltsverfälschung, in der sie eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag sehen, Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag, mehrere Verstöße gegen Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag und Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Sie rügen auch mehrere Begründungsmängel der angefochtenen Entscheidung. Der Freistaat Sachsen macht zur Begründung seines Antrags in der Rechtssache T-132/96 zwei Klagegründe geltend: Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag und Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag.
96. Der Klagegrund der Verfälschung des Sachverhalts durch die Kommission in der von den Klägern dargestellten Weise hat jedoch gegenüber den anderen Klagegründen keinen eigenständigen Gehalt. Zudem kann eine Sachverhaltsverfälschung nicht als "Verletzung wesentlicher Formvorschriften" im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag angesehen werden. Im übrigen ist das Gerichtnicht an die von den Parteien vorgenommene Qualifizierung ihres Vorbringens gebunden.
97. Im vorliegenden Fall sind sämtliche Klagegründe und Argumente einer von drei Hauptgruppen zuzuteilen, die Verstöße zum einen gegen Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag, zum anderen gegen Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag und zum dritten gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes rügen. Die Vorwürfe der Sachverhaltsverfälschung sowie der mangelhaften Begründung der angefochtenen Entscheidung können zudem auch erschöpfend geprüft werden, wenn sie formell der einen oder anderen dieser drei Gruppen zugeordnet sind, wie die Kläger in ihren Anmerkungen zum Sitzungsbericht eingeräumt haben.
I - Zum Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag
-- Vorbringen der Parteien --
98. Nach Ansicht der Kläger hat die Kommission gegen Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag verstoßen, da sie in Abschnitt X, dritter Absatz, der angefochtenen Entscheidung erklärt habe, daß dieser Ausnahmetatbestand "eng auszulegen [ist] und nicht für Regionalbeihilfen für neue Investitionsprojekte angewandt werden [soll]". Die Kommission habe somit abgelehnt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt seien, und habe sich mit dem Hinweis auf Zweckmäßigkeitserwägungen begnügt, obwohl sie über kein Ermessen verfügt habe, da es sich um eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot staatlicher Beihilfen handele (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 17, Schlußanträge des Generalanwalts Tesauro in der Rechtssache C-142/87, Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, I-979, Nr. 19, im folgenden: Urteil Tubermeuse II, und Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache 102/87, Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1988, Frankreich/Kommission, Slg. 1988, 4067, 4075, Nr. 25).
99. Zum einen sei Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag auch nach der Herstellung der Einheit Deutschlands im Jahre 1990 selbst in den nicht an der ehemaligen Grenze liegenden Gebieten anwendbar geblieben.
100. Zum anderen gelte Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag für die neuen Bundesländer. Diese Vorschrift spreche nämlich generell von den durch die Teilung Deutschlands betroffenen Gebieten und differenziere dabei nicht zwischen Ost und West.
101. Die Kläger verweisen darauf, daß Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag bei der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht nicht aufgehoben worden sei, daß eine entsprechende Bestimmung in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen worden sei und daß bei Abschluß des Vertrages vonAmsterdam diese Bestimmung unverändert als Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c EG übernommen worden sei. Nach Ansicht des Freistaats Sachsen ist die einzig naheliegende Interpretation des auf diese Weise zum Ausdruck gebrachten Willens der Hohen Vertragsparteien, daß diese Bestimmung all diejenigen Gebiete Deutschlands erfassen solle, die aufgrund der wirtschaftlichen Schäden, die das kommunistische Regime dort hinterlassen habe, weit hinter den anderen Gebieten der Bundesrepublik zurückgeblieben seien.
102. Der Freistaat Sachsen beanstandet dabei die beharrliche Weigerung der Kommission, Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag nach 1990 auf die neuen Bundesländer anzuwenden. Dies stehe im Widerspruch zu dem Standpunkt der Kommission in ihrer Entscheidung vom 11. Dezember 1964 über Beihilfen zugunsten der wirtschaftlichen Eingliederung des Saargebiets in die Bundesrepublik Deutschland (Bulletin der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Nr. 2-1965, S. 33; im folgenden: Saargebiets-Entscheidung).
103. Zum dritten habe die Bundesregierung im Verwaltungsverfahren die Anwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag verlangt (vgl. angefochtene Entscheidung Abschnitt V, erster Absatz, unter 1). Da es sich um eine Legalausnahme von dem Verbot des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag handele, wäre es Sache der Kommission gewesen, nachzuweisen, daß die Voraussetzungen für ihre Anwendung im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien, und nicht Aufgabe der Bundesregierung, das Gegenteil nachzuweisen. Die Kommission habe sich trotz eines Schreibens ihres Mitglieds Sir Leon Brittan an die Bundesregierung vom 1. Juni 1992, das die Zusage enthalten habe, die Möglichkeit der Anwendung von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag von den Dienststellen der Kommission prüfen zu lassen, geweigert, genauere Angaben zur Kenntnis zu nehmen oder sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Damit habe die Kommission auch gegen ihre Verpflichtung verstoßen, selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 395, und vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 267 f., sowie Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-9/89, Hüls/Kommission, Slg. 1992, II-499, Randnrn. 66 bis 68).
104. Zum vierten entspreche die Begründung der angefochtenen Entscheidung in diesem Punkt (Abschnitt X, dritter Absatz) nicht den Erfordernissen der Rechtsprechung des Gerichtshofes und reiche daher nicht aus, um die Nichtanwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag zu rechtfertigen (vgl. namentlich Urteile des Gerichtshofes vom 4. Juli 1963 in der Rechtssache 24/62, Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 141, 155, vom 13. März 1985 in den Rechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnrn. 23 und 24, vom 28. April 1993 in der Rechtssache C-364/90, Italien/Kommission, Slg. 1993, I-2097, Randnrn. 44 und 45, und vom 24. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95,Deutschland/Kommission, Slg. 1996, I-5151, Randnrn. 36 und 53). Der Umstand, daß der Entscheidungsadressat die Begründung aus früheren ähnlichen Entscheidungen entnehmen könne, ersetze nicht die Begründung (Urteil des Gerichtshofes vom 17. März 1983 in der Rechtssache 294/81, Control Data Belgium/Kommission, Slg. 1983, 911, 932).
105. Dieser Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung könne in der Klagebeantwortung nicht geheilt werden, da die angefochtene Entscheidung nicht einmal ansatzweise eine Begründung enthalte (Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, Randnr. 22, und vom 12. November 1985 in der Rechtssache 183/83, Krupp/Kommission, Slg. 1985, 3609, Randnr. 21; Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnrn. 131 und 137). Jedenfalls stehe das Vorbringen in der Klagebeantwortung, daß die territoriale Anwendbarkeit des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag in den neuen Bundesländern ausgeschlossen sei, in Widerspruch zu der angefochtenen Entscheidung.
106. Zum fünften sei die Begründung der angefochtenen Entscheidung in sich widersprüchlich, da die Kommission einerseits die Anwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag mit der Begründung ausschließe, es handele sich im vorliegenden Fall um "neue Investitionsprojekte", andererseits aber bei der Prüfung der Beihilfe nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag darauf hinweise, daß es sich nicht um eine "Neu"-, sondern um eine "Erweiterungsinvestition" handele.
107. Zum sechsten erfülle der Freistaat Sachsen, insbesondere der Landesteil mit den Städten Zwickau und Chemnitz, die Voraussetzungen des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag, da er wirtschaftlich völlig von Westdeutschland abgeschnitten gewesen sei. Der Freistaat Sachsen verweist dazu auf das Gutachten von Dohnanyi/Pohl, aus dem sich ergebe, daß die schlechte wirtschaftliche Situation der neuen Bundesländer durch die Teilung Deutschlands bedingt sei.
108. Zur Ermittlung der aus dieser Teilung resultierenden Nachteile bedürfe es eines Vergleichs der wirtschaftlichen Situation Sachsens vor und nach der Teilung. Dagegen brauchten im Rahmen der vorliegenden Klage die Folgen des politischen und wirtschaftlichen Systems der Deutschen Demokratischen Republik nicht geprüft zu werden.
109. Vor der Teilung Deutschlands sei in der Region Zwickau/Chemnitz insbesondere mit der Auto-Union AG eine bedeutende Automobilindustrie angesiedelt gewesen. Durch die Teilung sei der Absatz dieser Fahrzeuge auf den traditionellen Märkten in Westdeutschland und im übrigen Europa vollständig unterbunden worden. Die Auto-Union AG habe neue Werke in Ingolstadt in Bayern errichtet. Anschließend sei die Produktion von Fahrzeugen und Motoren in Zwickau und Chemnitz trotzeines begrenzten Absatzes nach Osteuropa zusammengebrochen. Wäre Deutschland nicht geteilt worden, hätte die Auto-Union AG, jetzt Audi, in der Region verbleiben können und wäre ebenso erfolgreich gewesen wie jetzt.
110. Daher sei die Gesamtheit der streitigen Beihilfen, die dazu bestimmt gewesen seien, die Ansiedlung eines Automobil- und eines Motorenwerks in Sachsen zu fördern, im Sinne des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c "erforderlich" gewesen, da die durch die Teilung Deutschlands bedingten Nachteile fortbeständen. Im vorliegenden Fall habe nur die Aussicht auf die Gesamtheit dieser Beihilfen Volkswagen bewogen, in die Wiederansiedlung einer Automobilindustrie zu investieren, die von ihrer Bedeutung her mit der vergleichbar sei, die vor der Teilung in der Region bestanden habe. Die Investitionen von Volkswagen seien im übrigen ein Signal, um andere Unternehmer zu Investitionen in der Region zu motivieren.
111. Zum siebten sei die Nichtanwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag in der Entscheidung Mosel I ohne Bedeutung, da weder die Bundesregierung noch Volkswagen die Möglichkeit gehabt hätten, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten, denn die wesentlichen zur Entscheidung anstehenden Beihilfen seien von der Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden.
112. Die Kommission habe infolgedessen in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht die Kriterien des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag und insbesondere die des Gemeinschaftsrahmens angewandt, die sich grundlegend von denen unterschieden, die sie aufgrund von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag hätte heranziehen müssen.
113. Die Bundesrepublik Deutschland schließt sich im wesentlichen dem Vorbringen der Kläger an und verweist im übrigen auf ihre Schriftsätze in der Rechtssache C-301/96.
114. Bundeskanzler Kohl habe in einem den vorliegenden Fall betreffenden Schreiben vom 9. Dezember 1992 an den Präsidenten der Kommission Delors darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung "für Fälle, wie sie jetzt bei der EG-Kommission anhängig sind, Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages als maßgeblich ansieht". Die Bundesrepublik Deutschland habe trotz ihrer Differenzen mit der Kommission wegen der Anwendung dieser Bestimmung auf die neuen Bundesländer mit dieser im Verwaltungsverfahren zusammengearbeitet, da die Kommission in anderen Fällen Verständnis für deren schwierige Wirtschaftslage gezeigt habe, so daß praktische Kompromisse möglich gewesen seien. Die Bundesregierung habe jedoch ausdrücklich den Vorbehalt gemacht, daß bei richtiger Auslegung des EG-Vertrags die betreffende Bestimmung angewandt werden müsse.
115. Es handele sich um eine Legalausnahme; wenn die Tatbestandsmerkmale des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag erfüllt seien, sei die Beihilfe "ex lege" mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Im übrigen hätte sich die Prüfung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag darauf beschränken müssen, ob die nationalen Behörden, die die Beihilfe gewährt hätten, den Tatbestand des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag "mißbräuchlich angewandt" hätten.
116. Anders als Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe b EG-Vertrag über Beihilfen im Fall von Naturkatastrophen oder ähnlichen Ereignissen gehe es bei Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag nicht um die "Beseitigung von Schäden", sondern um einen "Ausgleich" für die Folgen der Teilung Deutschlands. Diese flexiblere Formulierung trage dem wirtschaftlich komplexen Sachverhalt der Teilungsnachteile Rechnung. Sie ziele auf die Gesamtheit der Maßnahmen, mit denen in den neuen Bundesländern Wirtschafts- und Sozialstrukturen hergestellt werden sollten, die mit denen in den anderen Gebieten Deutschlands vergleichbar seien.
117. Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag beziehe sich auf das gesamte Gebiet der neuen Bundesländer. Die "wirtschaftlichen Nachteile", um die es im vorliegenden Fall gehe, seien offenkundig durch die Teilung Deutschlands "verursacht" worden, wie sich aus einem Vergleich des deutschen Automobilbaus in Sachsen vor 1939 (1936 etwa 27%) und im Jahr 1990 (etwa 5%) ergebe. Dieser Niedergang sei vor allem auf die Trennung von den traditionellen Absatzgebieten im Westen und die zwangsweise Umorientierung auf das damalige RGW-Gebiet Osteuropas in einer ineffizienten Wirtschaftsform zurückzuführen.
118. Die Investitionen von Volkswagen in Sachsen hätten sich 1996 auf insgesamt 3, 5 Milliarden DM belaufen und etwa 23 000 Arbeitsplätze geschaffen. Diese Investitionen seien somit von einer herausragenden Bedeutung für den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern gewesen.
119. Die Kommission macht geltend, sie habe sehr wohl geprüft, ob Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Sie habe jedoch dessen Anwendung mit der gleichen Begründung wie in der Entscheidung Mosel I ablehnen können.
120. Zum einen sei die deutsche Regierung im Verwaltungsverfahren nicht ihrer Darlegungslast nachgekommen, nach der sie alle Angaben zu machen habe, die die Prüfung erlaubten, ob die Voraussetzungen für die beantragte Ausnahmeermächtigung vorlägen (Urteil Philip Morris/Kommission, Randnr. 18, und Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti in dieser Rechtssache, S. 2693, Nr. 16, Urteil Italien/Kommission, Randnr. 20, Schlußanträge des Generalanwalts Darmon in der Rechtssache Deutschland/Kommission, Urteil vom 14. Oktober 1987, S. 4025, Nr. 8). Weder die deutsche Regierung noch Volkswagen hätten nach Februar 1993 die Anwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertragverlangt; sie hätten zu keinem Zeitpunkt konkrete Darlegungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung gemacht, auch nicht, nachdem die Kommission in der Entscheidung Mosel I die Anwendung auf den konkreten Fall abgelehnt habe.
121. Zum anderen handele es sich bei Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 10. Mai 1960 in den Rechtssachen 3/58 bis 18/58, 25/58 und 26/58, Barbara Erzbergbau u.a./Hohe Behörde, Slg. 1960, 372, 415).
122. Zum dritten verlange Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen dem auszugleichenden wirtschaftlichen Nachteil und der Teilung Deutschlands. Die unmittelbaren Folgen dieser Teilung seien nach der Herstellung der Einheit praktisch behoben, da die Straßen- und Bahnverbindungen wiederhergestellt worden seien und die traditionellen Absatzmärkte wieder zur Verfügung ständen. Infolgedessen könne diese Bestimmung seit 1990 nur noch in einigen Ausnahmefällen Anwendung finden.
123. Die Kommission macht geltend, die Beibehaltung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag in den Verträgen von Maastricht und Amsterdam erkläre sich durch das Veto der Bundesrepublik Deutschland gegen die Aufhebung der Bestimmung. Ein Wille, Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe c EG eine andere Bedeutung zuzumessen als Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag in seiner ursprünglichen Auslegung, ergebe sich weder aus dem Vertrag über die Europäische Union noch aus dem Vertrag von Amsterdam. Im übrigen könnten die Kläger nicht begründen, warum diese Bestimmung nunmehr nicht nur die Folgen der Teilung Deutschlands, sondern auch die Auswirkungen der Planwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik sowie die Folgen der Einführung der Marktwirtschaft nach der Herstellung der Einheit Deutschlands erfassen solle.
124. Zum vierten seien selbst vor der Herstellung der Einheit Deutschlands nur einige Gebiete der ehemaligen Bundesrepublik, die wegen ihrer unmittelbaren Grenznähe benachteiligt gewesen seien, beihilfefähig im Sinne des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag gewesen. Dabei habe es sich vorwiegend um den Zonenrand und Westberlin gehandelt. Die Herstellung der Einheit Deutschlands habe hieran grundsätzlich nichts geändert. Selbst wenn in einigen Ausnahmefällen die Anwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag auch auf grenznahe Gebiete beiderseits der ehemaligen deutschen Teilungslinie, also auch auf den Zonenrand der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, gerechtfertigt sein könne, erlaube diese Vorschrift doch keine allgemeine und umfassende Förderung der neuen Bundesländer.
125. Zum fünften verweist die Kommission auf die Beständigkeit ihrer Entscheidungspraxis. Seit der Herstellung der Einheit Deutschlands habe sie sich nur in zwei Entscheidungen (Entscheidung 92/465/EWG der Kommission vom 14.April 1992 über eine Beihilfe des Landes Berlin [Deutschland] an die Daimler-Benz AG [ABl. L 263, S. 15 im folgenden: Daimler-Benz-Entscheidung] und Entscheidung der Kommission vom 13. April 1994 über eine Beihilfe an Hersteller von Glas- und Porzellanwaren in Tettau [ABl. C 178, S. 24; im folgenden: Tettau-Entscheidung]) auf Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag gestützt; in beiden Fällen hätten die unmittelbaren Folgen der Zonengrenze fortgewirkt. In ihren übrigen Entscheidungen über Beihilfen für die neuen Bundesländer habe die Kommission Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag nicht angewandt. Was die Saargebiet-Entscheidung angehe, so sei das Saarland bei Inkrafttreten des EWG-Vertrags bereits ein Bundesland gewesen. Im übrigen gebe es ausweislich des Bulletins der EWG Nr. 2-1965 keine Anhaltspunkte, daß die betreffenden Beihilfen nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag und nicht nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe b EG-Vertrag genehmigt worden seien.
126. Zum sechsten sei die allgemeine schlechte Wirtschaftslage der neuen Bundesländer keine unmittelbare Folge der Teilung Deutschlands, sondern des politischen Systems der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und der Herstellung der Einheit Deutschlands selbst, insbesondere des Verlustes der Märkte dieser Bundesländer im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe und im Rahmen der Zusammenarbeit mit der ehemaligen UdSSR, der Einführung der deutschen Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, der Anhebung des ostdeutschen Lohnniveaus auf das westdeutsche und der Rechtsunsicherheiten vor allem bezüglich der Eigentumsverhältnisse bei Grundstücken.
127. Im übrigen sei in Zwickau und Chemnitz ebenso wie in anderen europäischen Ländern vor Ende des Zweiten Weltkriegs ein Rückgang der Automobilindustrie festzustellen gewesen.
128. Schließlich habe die Kommission, da ihre Entscheidungspraxis bisher unangefochten geblieben sei, keinen Grund gesehen, die angefochtene Entscheidung bezüglich der Unanwendbarkeit des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag eingehender zu begründen.
-- Würdigung durch das Gericht --
129. Nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag sind mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar "Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind".
130. Diese Vorschrift ist mit der Herstellung der Einheit Deutschlands keineswegs implizit außer Kraft getreten, sondern sowohl im Vertrag von Maastricht vom 7. Februar 1992 als auch im Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 aufrechterhalten worden. Zudem ist eine gleichlautende Vorschrift in Artikel 61Absatz 2 Buchstabe c des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) aufgenommen worden.
131. Angesichts der objektiven Geltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, deren Beachtung und praktische Wirksamkeit sicherzustellen sind, läßt sich daher nicht annehmen, daß diese Bestimmung nach der Herstellung der Einheit Deutschlands gegenstandslos geworden ist, wie die Kommission im Gegensatz zu ihrer eigenen Verwaltungspraxis (vgl. insbesondere die Entscheidung in den Fällen Daimler-Benz und Tettau) in der Sitzung geltend gemacht hat.
132. Da es sich jedoch um eine Ausnahme von dem in Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt handelt, ist Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag eng auszulegen.
133. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind zudem bei der Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung verfolgt werden, deren Teil sie ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 17. November 1983 in der Rechtssache 292/83, Merck, Slg. 1983, 3781, 3792, und vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82, St. Nikolaus Brennerei, Slg. 1984, 1051, 1062).
134. Der Ausdruck "Teilung Deutschlands" bezieht sich im vorliegenden Fall historisch auf die Errichtung der Trennungslinie zwischen der Ostzone und den Westzonen im Jahr 1948. Daher sind "durch die Teilung verursachte wirtschaftliche Nachteile" nur diejenigen wirtschaftlichen Nachteile, die die Isolierung aufgrund der Errichtung oder Aufrechterhaltung dieser Grenze - beispielsweise die Umschließung bestimmter Regionen (vgl. die Daimler-Benz-Entscheidung), die Unterbrechung der Verkehrswege (vgl. die Tettau-Entscheidung) oder für einige Unternehmen der Verlust ihrer natürlichen Absatzgebiete, so daß sie einer Unterstützung bedürfen, um sich den neuen Verhältnissen anzupassen oder um diese nachteilige Lage überstehen zu können (vgl. in diesem Sinn, allerdings zu Artikel 70 Absatz 4 EGKS-Vertrag, Urteil Barbara Erzbergbau u.a./Hohe Behörde, S. 415) - verursacht haben.
135. Dagegen verkennen die Kläger und die deutsche Regierung sowohl den Ausnahmecharakter des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag als auch dessen Zusammenhang und Zweck, wenn sie meinen, daß diese Bestimmung es erlaube, den unbestreitbaren wirtschaftlichen Rückstand der neuen Bundesländer bis zu dem Punkt vollständig auszugleichen, an dem diese Länder einen Entwicklungsstand erreicht haben, der dem der alten Bundesländer vergleichbar ist.
136. Die wirtschaftliche Benachteiligung, unter der die neuen Bundesländer allgemein leiden, ist nämlich nicht durch die Teilung Deutschlands im Sinne von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag verursacht worden. Die Teilung Deutschlands als solche hat sich auf die wirtschaftliche Entwicklung der Ostzone und derWestzonen nur am Rande ausgewirkt, sie zu Beginn zudem in gleicher Weise getroffen und die anschließende günstige Wirtschaftsentwicklung in den alten Bundesländern nicht verhindert.
137. Somit beruht die unterschiedliche Entwicklung der alten und der neuen Bundesländer auf anderen Gründen als der Teilung Deutschlands als solcher, namentlich auf den unterschiedlichen politisch-wirtschaftlichen Systemen, die in den beiden Staaten diesseits und jenseits der Grenze errichtet wurden.
138. Daraus folgt, daß die Kommission keinen Rechtsfehler begangen hat, als sie in Abschnitt X, dritter Absatz, der angefochtenen Entscheidung den Grundsatz aufgestellt hat, daß der Ausnahmetatbestand des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag nicht auf Regionalbeihilfen für neue Investitionsprojekte angewendet werden sollte und die Freistellungsvoraussetzungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c EG-Vertrag sowie der Gemeinschaftsrahmen genügten, um den Problemen in den neuen Bundesländern zu begegnen.
139. Die Kläger machen in diesem Zusammenhang zu Unrecht geltend, daß die Begründung widersprüchlich sei, weil die Kommission an anderen Stellen der angefochtenen Entscheidung die streitigen Investitionen als "Erweiterungsinvestitionen" qualifiziert habe. Der Ausdruck "Regionalbeihilfen für neue Investitionsprojekte" wird nämlich im Rahmen einer Entgegnung auf ein allgemeines Vorbringen der deutschen Regierung (vgl. Abschnitt V, erster Absatz, unter 1 der angefochtenen Entscheidung) verwendet und bezieht sich daher nicht spezifisch auf die Beihilfen für die Investitionsprojekte von Volkswagen in den Werken Mosel II und Chemnitz II, sondern auf sämtliche Beihilfen zur Förderung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung der neuen Bundesländer.
140. Soweit es um die Frage geht, ob die streitigen Beihilfen - abgesehen davon, daß sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Freistaats Sachsen dienen - speziell dazu bestimmt sind, die durch die Teilung Deutschlands verursachten Nachteile auszugleichen, ist außerdem darauf hinzuweisen, daß der Mitgliedstaat, der beantragt, Beihilfen in Abweichung von den Regeln des EG-Vertrags gewähren zu dürfen, zur Zusammenarbeit mit der Kommission verpflichtet ist und aufgrund dessen insbesondere alle Angaben zu machen hat, die diesem Organ die Prüfung erlauben, ob die Voraussetzungen für die beantragte Ausnahmeermächtigung vorliegen (Urteil vom 28. April 1993, Italien/Kommission, Randnr. 20).
141. Die Akten des Gerichts enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die deutsche Regierung oder die Kläger im Verwaltungsverfahren besondere Argumente zum Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Teilung Deutschlands und der Lage der sächsischen Automobilindustrie nach der Herstellung der Einheit vorgetragen hätten.
142. Die Kommission hat daher zu Recht geltend gemacht, daß die Parteien konkret nichts vorgetragen hätten, was die Anwendung des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag auf den vorliegenden Fall rechtfertigen könnte.
143. Die Kläger und die deutsche Regierung, die auf ihre schriftsätzlichen Äußerungen zu diesen Fragen in der Rechtssache C-301/96 verwiesen hat, haben vor dem Gericht zwar geltend gemacht, daß sich die wirtschaftlichen Nachteile, die dem Freistaat Sachsen durch die Teilung Deutschlands entstanden seien, durch einen Vergleich der deutschen Automobilproduktion in dieser Region vor 1939 und der im Jahr 1990 nachweisen lasse. Der Rückgang der sächsischen Automobilindustrie im Vergleich zur westdeutschen im allgemeinen sei namentlich durch die Teilung des deutschen Marktes und dem damit zusammenhängenden Verlust der traditionellen Absatzgebiete dieser Industrie im Westen als Folge dieser Teilung bedingt gewesen.
144. Soweit diese Argumentation vor dem Gericht zuzulassen ist, obwohl sie nicht im Vorverfahren vorgetragen worden ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1994 in den Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 31, und Urteil des Gerichts vom 25. März 1999 in der Rechtssache T-37/97, Forges de Clabecq/Kommission, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 93), ist sie zurückzuweisen.
145. Selbst unterstellt, daß der Wegfall der traditionellen Absatzgebiete der sächsischen Automobilindustrie durch die Hindernisse im innerdeutschen Handel bedingt war, bedeutet dies noch nicht, daß die schlechte Wirtschaftslage dieser Industrie im Jahr 1990 unmittelbare Folge dieses, wie unterstellt wird, auf die Teilung Deutschlands im Jahr 1948 zurückgehenden Verlustes der Absatzgebiete gewesen ist. Die von den Klägern dargestellten Schwierigkeiten beruhen in erster Linie auf der anderen Wirtschaftsorganisation des ostdeutschen Systems, die nicht "durch die Teilung Deutschlands" im Sinne des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag "verursacht" worden sind.
146. Allein der Vergleich der Lage der sächsischen Automobilindustrie in den Jahren vor 1939 mit der im Jahr 1990 genügt daher nicht, um einen hinreichend unmittelbaren Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Nachteilen, unter denen diese Industrie zum Zeitpunkt der Gewährung der streitigen Beihilfen litt, und der "Teilung Deutschlands" im Sinne der genannten Bestimmung nachzuweisen.
147. Was die Saargebiets-Entscheidung betrifft, so haben die Parteien sie im Rahmen dieses Verfahrens weder vorgelegt noch einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Kläger sind den Nachweis schuldig geblieben, daß diese Entscheidung auf einer anderen Auffassung der Kommission in der Vergangenheit beruhte und daß diese Auffassung, selbst wenn sie bewiesen wäre, die Gültigkeit der rechtlichen Beurteilungen im Jahr 1996 in Frage stellte.
148. Somit haben die Kläger und die Streithelferin nichts vorgetragen, was den Schluß zuließe, daß die Kommission die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums mit der Feststellung überschritten hätte, daß die streitigen Beihilfen nicht den Tatbestand der Ausnahmevorschrift des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag erfüllten.
149. Zu der Rüge der mangelhaften Begründung ist festzustellen, daß die nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muß, daß der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann und die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können (vgl. z.B. Urteil des Gerichts vom 7. November 1997 in der Rechtssache T-84/96, Cipeke/Kommission, Slg. 1997, II-2081, Randnr. 46).
150. Die angefochtene Entscheidung enthält nur eine kurze Zusammenfassung der Gründe, aus denen die Kommission die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag auf den vorliegenden Sachverhalt abgelehnt hat.
151. Die angefochtene Entscheidung ist jedoch in einem der deutschen Regierung und den Klägern wohlbekannten Kontext erlassen worden und entspricht der ständigen Entscheidungspraxis namentlich gegenüber diesen Parteien. Eine solche Entscheidung kann summarisch begründet werden (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74, Papiers peints/Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 31, und Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-34/92, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905, Randnr. 35).
152. Die deutsche Regierung hat nämlich im Verkehr mit der Kommission seit 1990 wiederholt auf Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag Bezug genommen und dabei auf die Bedeutung dieser Bestimmung für den Wiederaufbau des ehemaligen Ostdeutschlands hingewiesen (vgl. u.a. das Schreiben von Bundeskanzler Kohl an Präsident Delors vom 9. Dezember 1992).
153. Die dazu von der deutschen Regierung vorgetragenen Argumente sind von der Kommission in verschiedenen Schreiben oder Entscheidungen zurückgewiesen worden (vgl. u.a. Mitteilung gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag an die übrigen Mitgliedstaaten und sonstigen Interessierten betreffend das Vorhaben der deutschen Regierung, der Adam Opel AG Beihilfen für ihr Investitionsvorhaben in den neuen Bundesländern zu gewähren [ABl. 1993, C 43, S. 14], Mitteilung gemäß Artikel 93 Absatz 2 des EWG-Vertrags an die übrigen Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten betreffend das Vorhaben der deutschen Behörden, der Rhône-Poulenc Rhotex GmbH Beihilfen zu gewähren [ABl. 1993, C 210, S. 11], Entscheidung 94/266/EG der Kommission vom 21. Dezember 1993 über das Vorhaben zur Vergabe einer Beihilfe an die SST-Garngesellschaft mbH, Thüringen [ABl. 1994, L 114, S. 21], die Entscheidung Mosel I und die Entscheidung94/1074/EG der Kommission vom 5. Dezember 1994 über ein Beihilfevorhaben Deutschlands zugunsten der Textilwerke Deggendorf GmbH, Thüringen [ABl. L 386, S. 13]).
154. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Entscheidung Mosel I zu, mit der die Kommission einige der streitigen Beihilfen in Höhe von 125, 2 Millionen DM für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hatte, nachdem sie mit der gleichen Begründung wie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hatte, daß diese Beihilfen nicht unter die Ausnahmevorschrift des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag fallen könnten. Dabei haben weder die Kläger noch die Bundesrepublik Deutschland gegen diese frühere Entscheidung Klage erhoben.
155. Zwar gab es zwischen der Kommission, den deutschen Behörden und den Klägern zwischen dem Erlaß der Entscheidung Mosel I und dem der angefochtenen Entscheidung zahlreiche Kontakte, bei denen deutlich wurde, daß die unterschiedlichen Standpunkte bezüglich der Anwendbarkeit des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag auf die streitigen Beihilfen fortbestanden (vgl. die Abschnitte V und VI der angefochtenen Entscheidung), doch wurde dabei kein spezielles oder neues Argument namentlich zu einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Teilung Deutschlands und der Lage der sächsischen Automobilindustrie nach der Herstellung der Einheit vorgetragen (vgl. Randnr. 141).
156. Somit waren die Kläger und die Streithelferin hinreichend über die Gründe für die angefochtene Entscheidung unterrichtet; die Kommission brauchte diese mangels speziellerer Argumente auch nicht eingehender zu begründen.
157. Nach alledem sind die Rügen eines Verstoßes gegen Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag und einer mangelhaften Begründung zurückzuweisen.
II - Zum Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag
158. Die Kläger rügen verschiedene Verstöße gegen Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag, die teils die allgemeine Systematik des Artikels und teils speziell die Buchstaben a und b dieser Bestimmung betreffen. Zunächst ist zu prüfen, ob gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b verstoßen worden ist.
Zum Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag
-- Vorbringen der Parteien --
159. Die Kläger machen geltend, die Kommission habe gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag verstoßen, da sie die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht geprüft habe. Sie beziehen sich auf Abschnitt X, zweiter Absatz, der angefochtenen Entscheidung, der lautet:
    "Die Freistellung nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) des Vertrages kann im Fall Deutschlands sicherlich keine Anwendung finden. Zwar hat die deutsche Vereinigung negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft gehabt, diese allein reichen aber für die Anwendung von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) auf eine Beihilferegelung nicht aus. Zuletzt kam die Kommission 1991 zu der Auffassung, daß eine Beihilferegelung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats abhalf, als sie eine Beihilfe für ein Privatisierungsprogramm in Griechenland genehmigte. In der betreffenden Entscheidung führte die Kommission aus, daß das Privatisierungsprogramm ein integraler Bestandteil der Verpflichtungen war, die gemäß der Entscheidung 91/306/EWG des Rates vom 4. März 1991 hinsichtlich der Sanierung der gesamten Volkswirtschaft übernommen worden waren. Der Fall Deutschlands liegt eindeutig anders."
160. Nach Ansicht der Kläger ist diese Begründung zum einen unzureichend. Die Kommission habe lediglich einen Textbaustein aus früheren Entscheidungen verwendet (vgl. insbesondere Entscheidung Mosel I). Die angefochtene Entscheidung behandele überhaupt nicht die entscheidende Frage, ob die Beihilfen in dem konkreten Fall zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland hätten dienen sollen. Im übrigen erläutere die angefochtene Entscheidung die Unterschiede zwischen dem vorliegenden Fall und dem Privatisierungsprogramm Griechenlands nicht, die nach Ansicht der Kommission die Nichtanwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag rechtfertigten.
161. Zum anderen habe sich die Kommission nicht ernsthaft mit der Frage der Anwendbarkeit des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag auseinandergesetzt, obwohl die Bundesregierung sich im Verwaltungsverfahren mehrfach auf diese Bestimmung bezogen habe, als sie geltend gemacht habe, daß die Probleme der Integration und Überführung der ehemaligen Planwirtschaft der neuen Bundesländer in eine Marktwirtschaft eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens Deutschlands darstellten.
162. Zum dritten machen die Kläger geltend, daß der Tatbestand des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag im vorliegenden Fall erfüllt sei. Hierfür genüge der Nachweis, daß die betreffenden Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Bundeslandes bestimmt gewesen seien (vgl. Urteil Philip Morris/Kommission, Randnrn. 20 bis 25). Der Freistaat Sachsen sei, insbesondere im Jahr 1991, durch ein, gemessen am europäischen Durchschnitt, besonders niedriges Bruttosozialprodukt und eine besonders hohe Arbeitslosigkeit geprägt gewesen. Im übrigen sei die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag nicht deshalb ausgeschlossen, weil die betreffenden Beihilfen nur einem einzigen Unternehmen gewährt worden seien, und es komme dabei auch nicht auf den Anteil des Unternehmens an der Volkswirtschaft an. Dieses Argument, das die Kommission in der Klagebeantwortung in der Rechtssche T-143/96 geltend gemacht habe, sei zudem verspätet und unzulässig.
163. Die Kommission macht zum einen geltend, daß sie bei der Vornahme der nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag erforderlichen wirtschaftlichen und sozialen Wertungen über ein weites Ermessen verfüge (Urteil Philip Morris/Kommission, Randnr. 24).
164. Zum anderen habe sie anhand der Beihilfe für ein Privatisierungsprogramm in Griechenland, die in Vollzug einer Entscheidung des Rates genehmigt worden sei und die gesamte Volkswirtschaft Griechenlands betroffen habe, dargestellt, welche Anforderungen sie gewöhnlich an die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag stelle. Somit liege kein Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag vor.
165. Zum dritten sei der Tatbestand des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
-- Würdigung durch das Gericht --
166. Nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag können als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden "Beihilfen ... zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats".
167. Nach der aus dem systematischen Zusammenhang erkennbaren Zielsetzung dieser Bestimmung muß die betreffende Störung das gesamte Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats beeinträchtigen und nicht nur das eines seiner Regionen oder Gebietsteile. Dieses Ergebnis entspricht im übrigen dem Grundsatz, daß Ausnahmen wie Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag eng auszulegen sind. Das von den Klägern zur Unterstützung ihres Vorbringens angeführte Urteil Philip Morris/Kommission enthält zu dem hier streitigen Punkt keine Aussage.
168. Somit ist das Vorbringen der Kläger nicht schlüssig und daher zurückzuweisen. Die Kläger verweisen nämlich lediglich auf die Wirtschaftslage des Freistaats Sachsen und behaupten nicht einmal, daß diese zu einer beträchtlichen Störung des Wirtschaftslebens der Bundesrepublik Deutschland insgesamt geführt habe.
169. Im übrigen hängt die Frage, ob die Herstellung der Einheit Deutschlands eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens der Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen hat, von der Bewertung komplexer wirtschaftlicher und sozialer Sachverhalte ab, die im gemeinschaftlichen Kontext vorzunehmen ist. Bei einer solchen Bewertung verfügt die Kommission im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag über ein weites Ermessen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-355/95 P, TWD/Kommission, Slg. 1997, I-2549, Randnr. 26). Die gerichtliche Nachprüfung muß sich insoweit darauf beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten und die Tatsachen richtig ermittelt wurden und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmißbrauch vorliegt. Insbesondere darf der Gemeinschaftsrichter nicht seine wirtschaftliche Beurteilung an die Stelle derBeurteilung der Kommission setzen (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-380/94, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 56, und vom 5. November 1997 in der Rechtssache T-149/95, Ducros/Kommission, Slg. 1997, II-2031, Randnr. 63).
170. Im vorliegenden Fall haben die Kläger konkret nichts dafür vorgetragen, daß die Kommission einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen hätte, als sie in den nachteiligen Auswirkungen der Herstellung der Einheit Deutschlands auf die deutsche Wirtschaft allein, so sehr es zu solchen auch gekommen sein mag, keinen Grund für die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag auf eine Beihilferegelung gesehen hat.
171. Auch wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung kurz ist, ist sie angesichts des Kontexts der Rechtssache, der früheren Entscheidungen, insbesondere der Entscheidung Mosel I, und mangels besonderer Argumente im Verwaltungsverfahren ausreichend. Die Ausführungen in den Randnummern 140 bis 142 und 149 bis 156 gelten entsprechend auch für die Begründung der Entscheidung der Kommission, die Ausnahmevorschrift des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag nicht auf den vorliegenden Fall anzuwenden.
172. Somit sind die Rügen eines Verstoßes gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag und einer mangelhaften Begründung zurückzuweisen.
Zum Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag
-- Vorbringen der Parteien --
173. Die Kläger machen geltend, die Kommission habe gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag verstoßen, wonach "Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht", als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnten.
174. Zum einen sei Sachsen ein Gebiet im Sinne dieser Bestimmung, wie die Kommission in Abschnitt XII, erster Absatz, der angefochtenen Entscheidung stillschweigend eingeräumt habe. Der angefochtenen Entscheidung sei aber keine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Anwendung von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag zu entnehmen. Die Tatsache, daß die Kommission dazu nicht Stellung genommen habe, bedeute einen Ermessensfehlgebrauch. Dadurch habe die Kommission gegen diese Bestimmung verstoßen.
175. Zum anderen stelle Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag zwar für die Festlegung der Gebiete, für die die Ausnahmen in Betracht kämen, strengere Voraussetzungen als Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag auf, verlange dagegen aber nicht, daß die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändertwürden, die dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufe (Urteil Deutschland/Kommission vom 14. Oktober 1987, Randnr. 19). Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag sei somit die speziellere Vorschrift, die vorrangig vor Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag zu prüfen sei.
176. Zum dritten erlaube Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag den nationalen Behörden, dem Investor, der sich in einem besonders benachteiligten Gebiet ansiedeln wolle, einen besonderen, über einen etwaigen Nachteilsausgleich hinausgehenden Anreiz (Beihilfezuschlag oder "top-up") zu bieten. Selbst wenn sektorspezifische Überlegungen im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag nicht völlig ausgeschlossen werden könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-169/95, Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135), sei bei Beihilfen in besonders wirtschaftsschwachen Regionen im Sinne dieser Vorschrift stärkeres Gewicht auf den Bereich der Regionalförderung zu legen, während bei Regionen im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag sektorpolitische Überlegungen stärker zu berücksichtigen seien. Daher sei im ersten Fall eine höhere Beihilfeintensität zulässig.
177. Daher genüge der Hinweis in der angefochtenen Entscheidung auf bestehende Überkapazitäten im Kraftfahrzeugsektor nicht, um die Nichtanwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag zu rechtfertigen. Es handele sich dabei nur um Überlegungen, die möglicherweise im Rahmen der Ermessensausübung nach dieser Vorschrift zu berücksichtigen seien. Im übrigen sei bei Ermessensentscheidungen eine besonders umfassende und detaillierte Begründung erforderlich (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1960 in den Rechtssachen 36/59, 37/59, 38/59 und 40/59, Präsident u.a./Hohe Behörde, Slg. 1960, 885, 921 ff.; Schlußanträge des Generalanwalts Roemer, Urteil Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 401), insbesondere wenn es um Beihilfeentscheidungen gehe, die einzelnen Unternehmen zugute kommen sollten (Schlußanträge des Generalanwalts Darmon, Urteil vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4027).
178. Die Kommission macht geltend, sie habe die Frage, ob die Beihilfen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag genehmigt werden könnten, sehr wohl geprüft, wie sich aus den Abschnitten X, dritter Absatz, und XII, erster Absatz, der angefochtenen Entscheidung ergebe.
179. Zum einen sei es Praxis der Kommission, die höchstzulässige Intensität der Regionalbeihilfen (d.h. die Höhe der Beihilfe im Verhältnis zur Höhe der Investition, ausgedrückt in einem Prozentsatz) in Deutschland auf 35% für die Gebiete im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag und auf 18% für die Gebiete im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag festzusetzen. In der angefochtenen Entscheidung seien Beihilfesätze von 22, 3% für Mosel II und von 20, 8% für Chemnitz II genehmigt worden. Somit sei offenkundig, daß die Kommission Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag auf den vorliegenden Fall angewandt habe.
180. Zum anderen verfüge die Kommission, auch wenn sie die neuen Bundesländer als Fördergebiet im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag angesehen habe, in diesem Bereich doch über ein weites Ermessen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnrn. 23 ff.). Insbesondere könne sie dabei die Auswirkungen der Beihilfe auf den entsprechenden Wirtschaftssektor in der Gemeinschaft insgesamt einschließlich der Gefahr der Schaffung von Überkapazitäten sowie die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Beihilfebetrag und den regionalen Nachteilen berücksichtigen.
181. Zum dritten werde in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegt, daß die betreffenden Beihilfen die bestehenden Überkapazitäten im Kraftfahrzeugsektor verstärken und damit dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufen würden. Die Kommission habe somit hinreichend begründet, warum sie diese Beihilfen über die bewilligten Sätze hinaus nicht nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag genehmigt habe.
182. Schließlich trägt die Kommission vor, Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag sei nicht vorrangig vor Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c anzuwenden. Die Gebiete im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag zeichneten sich dadurch aus, daß ein Investor dort auf höhere Investitionskostennachteile treffe als in den Gebieten im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag. Da in einem Fall wie dem vorliegenden diese Nachteile für die Ermittlung des genehmigungsfähigen Gesamtbeihilfebetrags in die Kosten-Nutzen-Analyse eingestellt würden, werde die höhere Förderungswürdigkeit der Gebiete im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag berücksichtigt. Es könne also keine Rede davon sein, daß eine parallele Anwendung der Buchstaben a und c des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag der Bestimmung unter Buchstabe a ihren eigenständigen Anwendungsbereich nähme.
-- Würdigung durch das Gericht --
183. In Abschnitt X, erster Absatz, der angefochtenen Entscheidung gibt die Kommission zunächst die Ansicht der deutschen Regierung wieder, daß die drei Ausnahmeregelungen des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c, Absatz 3 Buchstabe b und Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag auf den vorliegenden Fall anwendbar seien. In den beiden folgenden Absätzen erläutert die Kommission, warum sie die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b und des Artikels 92 Absatz 2 Buchstabe c auf die streitigen Beihilfen nicht für möglich hält. Im dritten Absatz Satz 2 erklärt die Kommission, daß "die Freistellungsvoraussetzungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c sowie, angesichts des betroffenen Wirtschaftssektors, der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie sie in die Lage versetzen, den Problemen der neuen Bundesländer entsprechend zu reagieren".
184. Somit hat die Kommission anerkannt, daß nicht nur Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c, sondern auch Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a auf die streitigen Beihilfen anwendbar ist, wie sich aus der sinngemäßen Wiedergabe der Begriffe der letztgenannten Bestimmung in Abschnitt XII, erster Absatz, der angefochtenen Entscheidung ergibt. Die Kommission hat dort nämlich anerkannt, daß die neuen Bundesländer "ein unterentwickeltes Gebiet mit niedrigem Lebensstandard" sind, wo eine "außerordentlich hohe und noch zunehmende Arbeitslosigkeit" herrscht. Sie verweist darauf, daß hohe Investitionsbeihilfen und Beihilfen anderer Art als "Beitrag zur Entwicklung der Region" genehmigt worden sind.
185. Die Kommission hat in ihren Schriftsätzen, ohne daß die Kläger oder die deutsche Regierung dem widersprochen hätten, geltend gemacht, daß sie höhere Beihilfesätze genehmigt habe, als sie nach ihrer Praxis bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag auf Regionalbeihilfen in Deutschland zulasse. Den besonderen Nachteilen von Investoren in den Gebieten, die unter Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag fielen, sei in der Kosten-Nutzen-Analyse Rechnung getragen worden, die zur Ermittlung des genehmigungsfähigen Gesamtbeihilfebetrags durchgeführt worden sei, so daß bei ihren Berechnungen die höhere Beihilfefähigkeit dieser Gebiete berücksichtigt worden sei.
186. Das Argument, die Kommission habe die günstigere Bestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a auf die streitigen Beihilfen nicht anwenden wollen, ist somit unbegründet.
187. In dem Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache Spanien/Kommission hat der Gerichtshof zudem ausdrücklich das Vorbringen der Kläger in der Klageschrift mit der Feststellung (in Randnr. 17) zurückgewiesen, daß aus der unterschiedlichen Formulierung in den Buchstaben a und c des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag "nicht abgeleitet werden [könne], daß die Kommission bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a das gemeinsame Interesse außer acht lassen dürfte und sich darauf zu beschränken hätte, die regionale Spezifität der fraglichen Maßnahme zu prüfen, ohne ihre Auswirkungen auf den oder die relevanten Märkte in der gesamten Gemeinschaft zu untersuchen". Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt (in Randnr. 20), daß "die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a ebenso wie Buchstabe c die Berücksichtigung nicht nur der regionalen Auswirkungen der in diesen Vertragsvorschriften genannten Beihilfen, sondern auch die Prüfung der Auswirkungen dieser Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 92 Absatz 1 und damit ihrer möglichen sektoralen Auswirkungen auf Gemeinschaftsebene voraussetzt".
188. Somit sind die Rügen der Kläger, in der angefochtenen Entscheidung werde auf die Überkapazitäten im Kraftfahrzeugsektor Bezug genommen, angesichts des weiten Ermessens, über das die Kommission im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag verfügt (vgl. auch Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache Spanien/Kommission, Randnr. 19) offensichtlich unbegründet. Dies giltinsbesondere für die Beihilfezuschläge oder "top-up", zu denen die Kommission in Abschnitt XI, fünfter Absatz, der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, daß bei der Beurteilung der Regionalbeihilfen für die Automobilindustrie diese Zuschläge "in der Regel genehmigt [werden], es sei denn, die Investition trägt zur Schaffung von Kapazitätsproblemen im betreffenden Sektor bei. In einem solchen Fall wird die Beihilfe strikt auf den Nettoausgleich der regionalen Nachteile beschränkt."
189. Schließlich hat die Kommission namentlich in den Abschnitten X, XI und XII der angefochtenen Entscheidung ihre Beurteilung auf der Grundlage von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag ordnungsgemäß begründet.
190. Somit sind die Rügen eines Verstoßes gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag und einer mangelhaften Begründung zurückzuweisen.
Zum Verstoß gegen die allgemeine Systematik des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag
191. Die Kläger führen in der Sache fünf Rügen an.
a) Zur Notwendigkeit einer ex-ante-Betrachtung und zur Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrahmens
-- Vorbringen der Parteien --
192. Nach Ansicht der Kläger muß die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt auf die Informationen abstellen, über die sie im Zeitpunkt der Gewährung der streitigen Beihilfe (ex-ante-Betrachtung) und nicht im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung (ex-post-Betrachtung) verfügt. Sie verweisen dazu auf das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission, [Boussac], Slg. 1990, I-307, Randnrn. 43 und 45) sowie auf das Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94 (Skibsvrftsforeningen u.a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnrn. 96 und 98) und führen aus,
    - nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag müsse die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung einer Beihilfe vorab unterrichtet werden, um deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aus der ex-ante-Sicht prüfen können;
    - für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt sei der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Beeinflussung des Wettbewerbs stattfinde (vgl. für die Rückzahlung einer Beihilfe Urteil des Gerichtshofes vom 4. April 1995 in der Rechtssache C-348/93, Kommission/Italien, Slg. 1995, I-673, Randnr. 26);
    - die Beurteilung, ob ein Element staatlicher Beihilfe vorliege, insbesondere die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors, müsse ex ante erfolgen (Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Boussac, Randnrn. 43 bis 45, Tubermeuse II, und vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1603, Randnr. 19);
    - die ex-post-Sicht widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip. Wenn es für die Beurteilung einer Beihilfe auf die rechtliche und tatsächliche Situation im Zeitpunkt des Erlasses der Kommissionsentscheidung ankäme, könnte die Kommission gemäß dem von ihr gewünschten Ergebnis den genehmsten Zeitpunkt wählen. Im übrigen müßten die Kriterien vorhersehbar sein, was bei einer ex-post-Betrachtung nicht gewährleistet sei.
193. Infolgedessen sei für die Prüfung der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt der Zeitpunkt ihrer Bewilligung, d.h. der 22. März 1991, und nicht der Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung im Jahr 1996 maßgebend. Dies gelte auch für die Teilbeträge der Beihilfe, die zum Zeitpunkt der Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch nicht ausgezahlt gewesen seien. Alle Teilbeträge der gleichzeitig und für dasselbe Projekt bewilligten Beihilfe seien nämlich nach ein und demselben rechtlichen und tatsächlichen Rahmen zu beurteilen.
194. Die Kläger machen weiter geltend, daß die streitigen Beihilfen Teil eines bereits genehmigten Regionalbeihilfeprogramms gewesen seien und die Kommission deshalb nicht mehr hätte prüfen dürfen, ob die Beihilfen mit dem Gemeinschaftsrahmen vereinbar seien. Der Kommission habe nur das eingeschränkte Recht auf Überprüfung zugestanden, ob diese Beihilfen den Bedingungen dieses bereits genehmigten Programms entsprochen hätten.
195. Im vorliegenden Fall seien die Investitionszuschüsse durch die Bescheide von 1991 endgültig bewilligt worden (vgl. Randnr. 19). Die späteren Abänderungsbescheide hätten sich nicht auf die grundsätzliche Entscheidung bezogen, sondern lediglich die Höhe der Beihilfen herabgesetzt, um dadurch ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb abzumildern. Was die Investitionszulagen betreffe, so seien diese am 18. März 1991 verbindlich zugesagt worden (vgl. Randnr. 20).
196. Alle diese Beihilfen seien im Rahmen des 19. Rahmenplans gewährt worden, der auf der Grundlage des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe erlassen worden sei. Dieser Plan sei von der Kommission bereits genehmigt gewesen, wie sich aus Abschnitt VIII, vierter Absatz, der angefochtenen Entscheidung ergebe. Der Vorbehalt in den Bescheiden von 1991, daß die Beihilfen noch von der Kommission genehmigt werden müßten, sei somit gegenstandslos.
197. Die Kläger bestreiten im übrigen die Behauptung der Kommission in der Klagebeantwortung, daß diese sich bei der Genehmigung der allgemeinenBeihilfeprogramme die Prüfung der Einhaltung der Artikel 92 und 93 EG-Vertrag ausdrücklich vorbehalten habe. Die Kläger rügen ausdrücklich, daß die Kommission ihnen die angeblichen Papiere mit diesem Vorbehalt nicht übermittelt habe, und weisen darauf hin, daß deren Vorlage mit der Gegenerwiderung verspätet und unzulässig sei.
198. Selbst unterstellt, die Kommission hätte die Genehmigung des 19. Rahmenplans unter den Vorbehalt der Einhaltung des Gemeinschaftsrahmens gestellt, wäre dieser Gemeinschaftsrahmen im März 1991, dem Zeitpunkt der endgültigen Bewilligung der streitigen Beihilfen, nicht anwendbar gewesen.
199. Wie sich nämlich aus Unterabschnitt 2. 5 des 1989 veröffentlichten Gemeinschaftsrahmens ergebe, habe dieser vom 1. Januar 1989 an für zwei Jahre gelten sollen. Die Gültigkeit des Gemeinschaftsrahmens sei somit am 31. Dezember 1990 abgelaufen. Die Bundesrepublik Deutschland habe seiner Wiedereinführung erst im April 1991 nach der endgültigen Bewilligung der betreffenden Beihilfen zugestimmt.
200. Ergänzend tragen die Kläger folgendes vor:
    - Die Entscheidung 90/381 vom 21. Februar 1990, nach der die Bundesrepublik Deutschland "nach Maßgabe" des Gemeinschaftsrahmens verpflichtet worden sei, der Kommission Beihilfen ab einer bestimmten Größenordnung zu melden, sei auf die neuen Länder nicht anwendbar gewesen, die noch nicht zur Bundesrepublik gehört hätten, und habe den Gemeinschaftsrahmen über seine ursprüngliche bis zum 31. Dezember 1990 befristete Geltungsdauer hinaus nicht verlängern können.
    - Die Entscheidung über die Verlängerung des Gemeinschaftsrahmens, der von diesem Zeitpunkt an auf die neuen Bundesländer ausgedehnt worden sei, sei im Amtsblatt C 81 vom 26. März 1991 veröffentlicht worden, das am 27. März 1991, d.h. nach der endgültigen Bewilligung der betreffenden Beihilfen, verfügbar gewesen sei. Der Gemeinschaftsrahmen habe nicht rückwirkend gelten können, da dies seinem Wortlaut nicht zu entnehmen sei und es dem Grundsatz der Rechtssicherheit widerspräche, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-368/89, Crispoltoni, Slg. 1991, I-3695, Randnr. 17).
    - Die Kommission habe nicht nachgewiesen, wann die Entscheidung über die Verlängerung des Gemeinschaftsrahmens erlassen worden sei. Zudem sei zweifelhaft, ob diese Entscheidung rechtsgültig ergangen sei. Das Schreiben der Kommission an die Mitgliedstaaten datiere nämlich vom 31. Dezember 1990, doch fänden zum Jahresende keine Kommissionssitzungen statt. Imübrigen entspreche der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichte Text (ABl. 1991, C 81, S. 4) nicht dem, den die Bundesregierung erhalten habe.
    - Das Schreiben der Kommission, mit dem diese der Bundesregierung vorgeschlagen habe, den Gemeinschaftsrahmen zu verlängern, sei bei der deutschen Regierung erst am 8. Januar 1991 eingegangen, wie der Eingangsstempel der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Europäischen Gemeinschaften zeige. Zu diesem Zeitpunkt sei die Gültigkeit des alten Gemeinschaftsrahmens bereits abgelaufen gewesen, und der Vorschlag der Kommission sei deshalb als Vorschlag zur Wiedereinführung dieses Rahmens zu verstehen; mangels Zustimmung der Mitgliedstaaten sei eine rückwirkende Geltung nicht möglich gewesen (vgl. Urteile vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache Spanien/Kommission, Randnr. 24, und vom 15. April 1997, Randnrn. 28 ff.).
    - Der Gemeinschaftsrahmen sei an sich gegenüber den Mitgliedstaaten nicht verbindlich, solange diese ihm nicht zustimmten. Im vorliegenden Fall habe die Bundesrepublik Deutschland den Gemeinschaftsrahmen von Anfang an abgelehnt (vgl. Entscheidung 90/381 vom 21. Februar 1990). Am 7. Februar 1991 habe der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium gegenüber dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglied die Auffassung der Bundesregierung dargelegt, wonach der Gemeinschaftsrahmen in den neuen Bundesländern nicht anwendbar sei. Die Zustimmung der Bundesrepublik sei schließlich erst im April 1991 erfolgt.
201. Die Kommission trägt im wesentlichen vor, sie sei berechtigt gewesen, den im Juni 1996 gültigen Gemeinschaftsrahmen anzuwenden und die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hätten nämlich die Kläger ihre Vorhaben nach dem März 1991 grundlegend geändert, und auch die Bewilligungsbescheide seien bis Februar 1996 mehrfach abgeändert worden. Es sei daher ausgeschlossen, daß die Kommission 1996 die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nach dem Stand von 1991 hätte prüfen müssen, da sich zwischenzeitlich alle wesentlichen Parameter grundlegend geändert hätten.
202. Im übrigen hätten die streitigen Beihilfen ihr zur vorherigen Genehmigung notifiziert werden müssen.
-- Würdigung durch das Gericht --
203. Entgegen dem Vorbringen der Kläger lassen sich die streitigen Beihilfemaßnahmen nicht als Teil eines von der Kommission bereits genehmigten Programms regionaler Beihilfen und damit als von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung befreit ansehen.
204. Durch die Bezugnahme in dem auf der Grundlage des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe erlassenen 19. Rahmenplan auf bestimmte Sektoren, in denen jedes Fördervorhaben an die vorherige Genehmigung der Kommission geknüpft ist (vgl. Randnr. 7), hat Deutschland zur Kenntnis genommen, daß die Genehmigung der in diesem Plan vorgesehenen Regionalbeihilfen sich nicht auf die fraglichen Sektoren, insbesondere nicht auf den Kraftfahrzeugsektor, erstreckte, sofern der Kostenaufwand einer zu fördernden Maßnahme 12 Millionen ECU überstieg.
205. Bestätigt wird dies u.a. durch das Schreiben der Kommission vom 2. Oktober 1990 über die Genehmigung der Regionalbeihilferegelung des 19. Rahmenplans für 1991 (vgl. Randnr. 7) und durch das Schreiben der Kommission vom 5. Dezember 1990 über die Genehmigung der Anwendung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe auf die neuen Bundesländer (vgl. Randnr. 11), in denen die Kommission die deutsche Regierung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß bei der Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen der in bestimmten Industriebereichen bestehende Gemeinschaftsrahmen beachtet werden müsse; ferner durch die Schreiben vom 14. Dezember 1990 und 14. März 1991, in denen die Kommission nachdrücklich darauf hinwies, daß die neuen Beihilfen für Volkswagen nicht gewährt werden dürften, wenn sie ihr nicht mitgeteilt und von ihr genehmigt worden seien (vgl. Randnr. 18), und durch die Tatsache, daß alle Bescheide von 1991 "unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die EG-Kommission" ergangen sind. Die Kläger vertreten zu Unrecht die Ansicht, daß dieser Hinweis gegenstandslos sei, weil durch die Genehmigung des 19. Rahmenplans die Beihilfen bereits bewilligt worden seien. Diese Genehmigung erstreckte sich nämlich, wie in Randnummer 204 festgestellt, nicht auf den Kraftfahrzeugsektor. Im übrigen ist die Ansicht der Kläger nicht zutreffend, daß die Vorlage der Schreiben in der Anlage zur Gegenerwiderung verspätet und unzulässig sei. Diese Schreiben sind nämlich sowohl in Abschnitt II der angefochtenen Entscheidung als auch in der Entscheidung über die Einleitung des Prüfungsverfahrens angeführt worden. Sie sind außerdem als Entgegnung auf erstmals in der Erwiderung erhobene Einwände vorgelegt worden.
206. Angesichts dessen könnte die Aussetzung der Anwendung des Gemeinschaftsrahmens zwischen Januar und April 1991, selbst wenn sie bewiesen wäre, rechtlich nicht zur Folge haben, daß die Beihilfen für den Kraftfahrzeugsektor als von der Genehmigung des 19. Rahmenplans erfaßt anzusehen wären. Somit ist im Gegenteil davon auszugehen, daß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag auf die fraglichen Beihilfen in vollem Umfang anwendbar geblieben ist.
207. Nach alledem bestand jedenfalls die Pflicht, die streitigen Beihilfen der Kommission vorab mitzuteilen; die Beihilfen durften nicht ausgezahlt werden, bevor das Verfahren mit einer abschließenden Entscheidung beendet war.
208. Dagegen ist die Frage, ob der Gemeinschaftsrahmen für Deutschland im März 1991 verbindlich war, für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.
209. Auch wenn die Regeln des Gemeinschaftsrahmens, die die Kommission den Mitgliedstaaten als "eine zweckdienliche Maßnahme" gemäß Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag vorgeschlagen hat, nicht verbindlich sind und die Staaten nur verpflichten, wenn sie ihnen zugestimmt haben (vgl. Urteil vom 15. April 1997 in der Rechtssache Spanien/Kommission, Randnrn. 30 bis 33), hindert nichts die Kommission daran, die ihr mitzuteilenden Beihilfen im Rahmen des ihr bei der Anwendung der Artikel 92 und 93 EG-Vertrag eingeräumten weiten Ermessens anhand dieser Regeln zu prüfen.
210. Ergänzend ist jedoch festzustellen, daß die Auffassung der Kläger, die 1996 durchgeführte Prüfung der Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt habe nur anhand der 1991 vorliegenden Erkenntnisse erfolgen dürfen, in der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts keine Stütze findet. Nach den Urteilen des Gerichtshofes vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 234/84 (Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263, Randnr. 16) und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94 (Frankreich/Kommission, Slg. 1996, 4551, Randnr. 33) ist die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im Bereich von Beihilfen aufgrund der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission bei Erlaß der Entscheidung verfügte. In gleicher Weise hat das Gericht in seinem Urteil vom 25. Juni 1998 in den Rechtssachen T-371/94 und T-394/94 (British Airways u.a. und British Midland Airways/Kommission, Slg. 1998, II-2405, Randnr. 81) entschieden.
211. Nach Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag sind Beihilfen, "die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen", im übrigen verboten, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Bei der Prüfung, ob eine Beihilfe im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist die Kommission folglich nicht streng an die Wettbewerbsverhältnisse gebunden, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bestanden. Sie muß eine Würdigung unter Berücksichtigung möglicher Veränderungen vornehmen und der zu erwartenden Entwicklung des Wettbewerbs und den Auswirkungen der betreffenden Beihilfe auf diesen Rechnung tragen.
212. Somit ist nicht zu beanstanden, daß die Kommission Umständen Rechnung getragen hat, die nach dem Erlaß eines Plans zur Einführung oder Änderung einer Beihilfe eingetreten sind. Daß der betroffene Mitgliedstaat die geplanten Maßnahmen unter Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag vor Erlaß einer das Prüfungsverfahren abschließenden Entscheidung durchgeführt hat, ist hierbei ohne Bedeutung.
213. Das Vorbringen der Kläger, daß eine solche Praxis mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei, ist zurückzuweisen. Zwar soll die Kommission in dem vorgeschalteten Prüfungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag übereine angemessene Frist verfügen, doch muß sie dabei mit der gebotenen Eile handeln und dem Interesse der Mitgliedstaaten Rechnung tragen, in den Fällen rasch Klarheit zu erlangen, in denen wegen der von den Mitgliedstaaten erhofften Wirkungen der beabsichtigten Förderungsmaßnahmen ein dringendes Bedürfnis zum Eingreifen bestehen kann. Die Kommission muß daher in einer angemessenen Frist Stellung nehmen, die der Gerichtshof auf zwei Monate festgesetzt hat (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73, Lorenz/Kommission, Slg. 1973, 1471, Randnr. 4; vgl. auch Artikel 4 der Verordnung [EG] Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl. L 83, S. 1). Im übrigen trifft die Kommission die gleiche allgemeine Pflicht, mit der gebotenen Eile zu handeln, wenn sie die Eröffnung eines kontradiktorischen Prüfungsverfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag beschließt; ihre Untätigkeit in einem solchen Fall kann u. U. vom Gemeinschaftsrichter im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 175 EG-Vertrag (jetzt Artikel 232 EG) mit Sanktionen belegt werden.
214. Die Frage eines eventuellen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit stellt sich im vorliegenden Fall zudem nicht. Die Länge des Zeitraums zwischen dem Erlaß der ersten Bewilligungsbescheide (März 1991) und dem der angefochtenen Entscheidung (26. Juni 1996) beruht zum einen darauf, daß die streitigen Maßnahmen nicht vollständig mitgeteilt worden sind, zum anderen auf den anschließenden Änderungen, die die Kläger an ihren Vorhaben vorgenommen haben, die wiederum eine Änderung der Bewilligungsbescheide zur Folge hatten, und zum dritten auf den erheblichen Schwierigkeiten der Kommission, von der deutschen Regierung und den Klägern die Informationen zu erhalten, die sie für den Erlaß einer Entscheidung brauchte (vgl. Randnrn. 16 bis 42).
215. Insbesondere aus der Entscheidung Mosel I ergibt sich, daß die Kommission Anfang 1993 zu einer Entscheidung über sämtliche Investitionsvorhaben von Volkswagen, wie sie ihr ursprünglich mitgeteilt worden waren, in der Lage war. Auf ein ausdrückliches Ersuchen von Volkswagen vom 31. Januar 1993 beschränkte die Kommission ihre Beurteilungen auf die Beihilfen für Mosel I und Chemnitz I. Erst als die Kommission 1995 den deutschen Behörden androhte, eine Entscheidung auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden unvollständigen Unterlagen zu erlassen, wurden ihr schließlich die Informationen mitgeteilt, die sie benötigte. Erst im Laufe des Jahres 1996 war die Kommission schließlich in der Lage, eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu erlassen.
216. In der Zwischenzeit waren die ursprünglichen Vorhaben von den Klägern dreimal umgestaltet und die Bescheide von 1991 folglich durch die Bescheide von 1993, 1994 und 1996 geändert worden. Auch wenn die Parteien über den Umfang dieser Änderungen streiten, steht fest, daß sie zumindest zu einer erheblichen Verkleinerung der Projekte und insbesondere zu einem Aufschub der Inbetriebnahme der Lackiererei und Endmontage von Mosel II und Chemnitz II um drei bis vier Jahre geführt haben.
217. Somit sind die Kläger zu Unrecht der Ansicht, daß die Kommission Pläne, die 1993, 1994 oder 1996 erstellt worden sind, nur anhand der ihr 1991 zur Verfügung stehenden Erkenntnisse habe beurteilen dürfen. Die Kommission hat im Gegenteil zu Recht die eingetretenen Änderungen in ihre Beurteilung einbezogen.
218. Selbst wenn die Kommission die durch die Bescheide von 1991 gewährten Beihilfen zunächst genehmigt hätte, hätte sie sie zudem nach ihrer Änderung gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag erneut prüfen können. Nach dieser Vorschrift wird die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, daß sie sich dazu äußern kann. Selbst wenn es 1991 keine Überkapazitäten im Kraftfahrzeugsektor gegeben haben sollte, hätte die Kommission somit den von 1993 an aufgetretenen Überkapazitäten grundsätzlich Rechnung tragen dürfen.
219. Nach alledem sind die Argumente der Kläger zur Notwendigkeit einer ex-ante-Betrachtung und zur Unanwendbarkeit des Gemeinschaftsrahmens insgesamt zurückzuweisen.
b) Zur Qualifizierung der Lackiererei und Endmontage von Mosel II und Chemnitz II als "Erweiterungsinvestition"
-- Vorbringen der Parteien --
220. Nach Ansicht des Freistaats Sachsen hat die Kommission mit ihrer Unterscheidung zwischen Erweiterungsinvestitionen und Neuinvestitionen, die in dem Gemeinschaftsrahmen nicht vorkomme, gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts verstoßen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 22. Mai 1990 in der Rechtssache Parlament/Rat, Randnrn. 21 und 22, und vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-316/91, Parlament/Rat, Slg. 1994, I-625, Randnrn. 11 ff.). Nach Artikel 94 EG-Vertrag (jetzt Artikel 89 EG) sei nämlich der Rat für den Erlaß aller zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 92 und 93 EG-Vertrag zuständig.
221. Nach Ansicht der Kläger sind die Lackiererei und die Endmontage von Mosel II sowie das Werk Chemnitz II zu Unrecht als "Erweiterungsinvestitionen" eingestuft worden. Wären sie als "Investitionen auf der grünen Wiese" eingestuft worden wie der Rohbau und die Presse von Mosel II, wäre die Gesamtheit der streitigen Investitionszuschüsse als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden.
222. Zum einen könne nur die Vergrößerung eines bestehenden Werkes als "Erweiterungsinvestition" eingestuft werden. Im vorliegenden Fall sei Mosel II auf Ackerland gebaut worden, und die Gebäude und Einrichtungen seien vollständig neu, von Mosel I räumlich getrennt und von einer anderen Gesellschaft als der gebaut worden, die das letztgenannte Werk errichtet habe. Zudem habe das Werk Mosel I mit der Inbetriebnahme aller Werksteile von Mosel II geschlossen werden sollen. Im Verwaltungsverfahren und in der angefochtenen Entscheidung selbsthabe die Kommission sich stets auf die "neuen Werke" oder die "Neuinvestitionsprojekte" der Kläger bezogen. Mosel II müsse daher als Investition auf der grünen Wiese angesehen werden. Gleiches gelte für Chemnitz II.
223. Zum anderen genügten Mosel II und Chemnitz II auch der Definition der Investition "auf der grünen Wiese" in Abschnitt XII, achter Absatz, der angefochtenen Entscheidung. Die Kommission habe zu Unrecht zwischen Rohbau und Preßwerk von Mosel II einerseits und der Lackiererei und Endmontage von Mosel II und dem Werk Chemnitz II andererseits unterschieden, obwohl das Vorhaben insgesamt eine Investition auf der grünen Wiese darstelle.
224. Mosel II und Chemnitz II seien ein einheitliches Vorhaben, das in verschiedenen Bauabschnitten realisiert worden sei. Die Grundkonzeption, nämlich Errichtung eines Fahrzeugwerks mit vier Fertigungsbereichen (Preßwerk, Rohbau, Lackiererei und Endmontage) und mit nahegelegenem Motorenwerk, sei trotz der zeitlichen Streckung, der geringeren Investitionssumme, der geringeren Kapazität und der geringeren Beihilfenhöhe gegenüber dem ursprünglichen Vorhaben von 1991 nicht geändert worden.
225. Die Produktionshallen seien wie geplant gebaut worden. Der Rohbau und das Preßwerk von Mosel II seien wie vorgesehen 1992 bzw. 1994 fertiggestellt worden. Nur die Inbetriebnahme der Endmontage sei von 1994 auf 1996 und die der Lackiererei von 1994 auf 1997 verschoben worden. Lediglich das Logistikzentrum, das jedoch keinen Fertigungsbereich des Werkes darstelle, sei nicht wie vorgesehen von Volkswagen auf dem Gelände von Mosel II gebaut worden, sondern einige Kilometer vom Werk entfernt durch ein Drittunternehmen.
226. Im Werk Mosel II sei eine neuere Technologie als ursprünglich geplant verwendet worden. Die Produktion sei vereinfacht und rationalisiert und die Produktivität gesteigert worden, insbesondere durch den Rückgriff auf qualifizierte Zulieferer in räumlicher Nähe sowie die Ausgliederung bestimmter Dienstleistungen. Das Investitionsvorhaben sei dadurch jedoch nicht in seinem Inhalt verändert, sondern lediglich dem technischen Fortschritt angepaßt worden.
227. Die Zwischenlösung, daß der fertiggestellte Teil von Mosel II Rohkarossen an Mosel I liefere, berechtige nicht zu dem Schluß, daß Mosel II keine Investition auf der grünen Wiese sei. Die Kommission vertrete zu Unrecht die Ansicht, daß mit dieser Lösung 1994 ein "vollständig funktionsfähiges" Werk zur Verfügung gestanden habe, das aus der Endmontage und Lackiererei von Mosel I und Rohbau und Preßwerk von Mosel II bestanden habe.
228. Mosel I und Mosel II seien nie als integriertes Fahrzeugwerk geplant und gebaut worden. Zwischen beiden Werken beständen erhebliche technische Unterschiede, so daß eine dauerhafte Einbeziehung von Mosel I in den Fertigungsablauf von Mosel II wirtschaftlich unsinnig gewesen wäre.
229. Der Kommission sei durchaus bekannt gewesen, daß Mosel I nur eine Übergangslösung gewesen sei und habe geschlossen werden sollen. Die Kläger verweisen auf Abschnitt IX, neunter Absatz, der Entscheidung Mosel I, wo es heiße: "Hinter dieser Übergangslösung stand die Überlegung, daß bis zur Fertigstellung des neuen Werks Mosel II auf jeden Fall ein Facharbeiterstamm am Ort erhalten und herangebildet werden müsse ..."
230. Entsprechend dieser Übergangslösung sei die Fahrzeugfertigung in Mosel I am 23. Dezember 1996 eingestellt und die Lackiererei im März 1997 geschlossen worden. Die Fertigung des Passat B 5 sei in Mosel II im Oktober 1996 angelaufen. Lediglich ein geringer Teil der Gebäude von Mosel I werde noch für die Finish-Behandlung und zur Zwischenlagerung von konzernintern angelieferten Fahrzeugteilen genutzt. Eine Einbindung von Mosel I in Mosel II sei nicht vorgesehen.
231. Eine Fortführung der Anlagen in Mosel I nach der Fertigstellung von Mosel II oder deren Wiederinbetriebnahme sei im übrigen aus technischen und wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen.
232. Im übrigen habe die Kommission den Sachverhalt falsch dargestellt, da sie behaupte, daß die VW-Unternehmen in Sachsen seit 1994 rentabel seien (Abschnitt XII, neunter Absatz, der angefochtenen Entscheidung). Volkswagen habe im Gegenteil an VW Sachsen 367 Millionen DM zum Ausgleich der Verluste von 1994 bis 1996 überwiesen. Der Kommission seien diese Tatsachen und Zahlen bekannt gewesen. Außerdem gebe es keinen Zusammenhang zwischen Produktivität und Grad der Auslastung eines Werkes auf der einen Seite und dessen Rentabilität auf der anderen Seite. Jedenfalls habe die angebliche Rentabilität der Anlagen von Mosel 1994 im Verwaltungsverfahren keine Rolle gespielt, und weder die Kläger noch die Bundesrepublik Deutschland hätten Gelegenheit gehabt, sich hierzu zu äußern.
233. Ohne Bedeutung sei, daß die Kläger bereits seit 1996 bestimmte für eine Investition auf der grünen Wiese typische Nachteile beseitigt hätten. Der Aufwand sei von Volkswagen auf eigene Kosten und im Hinblick auf die Neuinvestition in Mosel II zum Aufbau der Infrastruktur, Logistik und Zulieferstruktur betrieben worden. Die ursprünglichen Nachteile seien in der Entscheidung Mosel I nicht berücksichtigt worden, so daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung sämtliche mit den Investitionen in Mosel II verbundenen Nachteile hätte berücksichtigen müssen.
234. Was die Ausbildung der Arbeitnehmerschaft von Mosel I für ihren Einsatz in Mosel II angehe, so weise die in Mosel I angewandte herkömmliche Lackiertechnik (auf Lösungsmittelbasis) erhebliche Unterschiede zu der in Mosel II angewandten Technik (auf Wasserbasis) auf. Gleiches gelte für die Endmontage. Die hochkomplizierte Anlagentechnologie und computerisierte Steuerungstechnik von Mosel II erforderten eine besondere Beherrschung der Maschinen, die von dem in Mosel I eingesetzten Know-how sehr verschieden sei.
235. Während es 1990 keine Zulieferer in der Nähe des Werkes gegeben habe, die den Anforderungen von Volkswagen entsprochen hätten, seien 1994 aufgrund der Bemühungen von Volkswagen im Hinblick auf Mosel II bereits acht "Just-in-time"-Lieferanten angesiedelt gewesen, und Ende 1997 habe es elf solcher Lieferanten für dreizehn Modul-Baugruppen gegeben. Diese Zulieferer hätten sich in der Nähe von Mosel und Chemnitz jedoch nicht wegen der Aufrechterhaltung der Übergangslösung Mosel I und Chemnitz I, sondern ausschließlich im Hinblick auf die ihnen durch Mosel II und Chemnitz II eröffnete längerfristige Perspektive angesiedelt.
236. Die Kommission macht geltend, entscheidend für die Einstufung der Lackiererei und der Endmontage in Mosel II sei die Entscheidung von Volkswagen im Jahr 1993 gewesen, das Vorhaben Mosel II in vier verschiedene Teilprojekte zu zerlegen, deren Bau und Inbetriebnahme zeitlich weit auseinandergefallen seien. Die Betriebskostennachteile seien für jeden dieser Teile individuell vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme an zu berücksichtigen.
237. Volkswagen habe in Mosel seit Juli 1992, dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Rohbaus Mosel II, über ein funktionsfähiges Fahrzeugwerk verfügt, da das Vorhandensein einer betriebsfähigen Presse vor Ort nicht unbedingt erforderlich sei. Jedenfalls habe Volkswagen spätestens von 1994 an Kraftfahrzeuge mittels zugelieferter Bauteile mit Hilfe der Betriebsteile Presse (Inbetriebnahme 1994) und Rohbau (Inbetriebnahme Juli 1992) von Mosel II bearbeiten und in der Lackiererei und Endmontage von Mosel I, die sich nahebei auf demselben Werksgelände befunden hätten, fertigstellen können.
-- Würdigung durch Gericht --
238. Die Prüfung der Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt entsprechend dem Gemeinschaftsrahmen bestand im wesentlichen in der Ermittlung der zusätzlichen Nettokosten für eine Ansiedlung an dem gewählten Standort im Vergleich zu der Errichtung eines Werkes in einem zentralen, nicht benachteiligten Gebiet der Gemeinschaft.
239. Bei der Berechnung der Betriebskosten unterscheidet die Kommission zwischen sogenannten "Investitionen auf der grünen Wiese", bei denen sie die zusätzlichen Kosten für einen Zeitraum von fünf Jahren berücksichtigt, und sogenannten "Erweiterungsinvestitionen", bei denen sie die zusätzlichen Betriebskosten nur für einen Zeitraum von drei Jahren berücksichtigt.
240. In Abschnitt XII, achter Absatz, der angefochtenen Entscheidung heißt es:
    "Dabei ist mit dem Ausdruck .Projekt auf der grünen Wiese' nicht nur einfach gemeint, daß sich das Werk tatsächlich auf einer grünen Wiese befindet, sondern daß aus der Sicht des investierenden Unternehmens der Standort ein neuer, nochnicht entwickelter ist. Daher steht das Unternehmen vor den folgenden typischen außergewöhnlichen Problemen im Vergleich zu einer Erweiterung eines bestehenden Werkes: Fehlen einer adäquaten Infrastruktur, Fehlen einer organisierten Logistik, keine für die konkreten Zwecke des jeweiligen Unternehmens geschulte Arbeiterschaft und keine aufgebaute Zulieferstruktur. Sollten jedoch diese Dienste von einem Werk der gleichen Gruppe in der Nähe übernommen werden können, dann wird das Projekt als Erweiterung angesehen, sogar dann, wenn es tatsächlich auf der grünen Wiese steht. Diese Gemeinschaftsdefinition unterscheidet sich vom Konzept der Neuinvestitionen, welches durch nationales Recht bestimmt sein kann. Da bei einem so definiertem Projekt auf der grünen Wiese größere Probleme entstehen und die Zeitspanne zur Erreichung der vollen Kapazität und somit der Rentabilität um einiges länger ist, kann es gerechtfertigt werden, daß die Betriebskostennachteile für eine längere Zeitspanne berechnet werden."
241. Im Gegensatz zur Auffassung des Freistaats Sachsen hat die Kommission mit dieser Unterscheidung nicht gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts verstoßen. Die dem Rat in Artikel 94 EG-Vertrag eingeräumte Befugnis, alle zweckdienlichen Verordnungen zu den Artikeln 92 und 93 EG-Vertrag zu erlassen, wird nicht in Frage gestellt, wenn die Kommission bei der Ausübung des weiten Ermessens, über das sie bei der Anwendung dieser Bestimmungen verfügt, feststehende operationale Kriterien anwendet, wie sie der Unterscheidung zwischen Investitionen auf der grünen Wiese und Erweiterungsinvestitionen zugrunde liegen.
242. Im vorliegenden Fall hat die Kommission Rohbau und Presse von Mosel II als Investitionen auf der grünen Wiese angesehen. Sie hat daher in ihrer Kosten-Nutzen-Analyse deren Betriebskosten für einen Zeitraum von fünf Jahren, und zwar von 1993 bis 1997 (Rohbau) und von 1994 bis 1998 (Presse) berücksichtigt. Dagegen hat sie die Lackiererei und Endmontage von Mosel II und das Werk Chemnitz II als Erweiterungsinvestitionen eingestuft, so daß deren Betriebskosten für einen Zeitraum von drei Jahren, d.h. von 1997 bis 1999, berücksichtigt worden sind.
243. Dazu hat die Kommission in Abschnitt XII, neunter und zehnter Absatz, der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:
    "Im vorliegenden Fall hatte die Kommission zu berücksichtigen, daß die verschiedenen Werksteile des Investitionsprojekts in Mosel zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Betrieb genommen werden. Die mit den verschiedenen Teilprojekten verbundenen Anlaufschwierigkeiten werden daher ebenfalls zu unterschiedlichen Zeiten auftreten. Außerdem berücksichtigte die Kommission, daß sich die Art des Projektes aufgrund der Verzögerung bei der Durchführung ebenfalls geändert hat. Mit Einrichtung der Presse und des Rohbaus und deren Anbindung an das alte Werk Mosel I war in Mosel bereits 1994 ein vollständig funktionsfähiges Fahrzeugwerk errichtet worden. Dies wird auch durch die Rentabilität der VW-Unternehmen in Sachsen seit 1994 deutlich.
    Die zukünftigen Investitionen für eine neue Lackiererei und Endmontage in Mosel II stellen daher keine Investition auf der grünen Wiese dar, sondern die Erweiterung bestehender Kapazitäten. Da eine Zulieferstruktur bereits besteht ..., die Infrastruktur bereits geschaffen wurde und die Mehrzahl der Beschäftigten von Mosel I übernommen wird, ergeben sich die für ein Projekt auf der grünen Wiese typischen Nachteile nur in wesentlich geringerem Maß. Dies gilt auch für das Motorenwerk Chemnitz II. Wie in anderen Fällen einer Kapazitätserweiterung erfolgt die Produktionsausweitung in diesen Werken sehr schnell. Während die deutschen Behörden und VW ursprünglich eine Analyse des Zeitraums 1998-2002 für alle Projekte in Mosel und Chemnitz vorschlugen, hat die Kommission für die Projekte auf der grünen Wiese die Betriebsnachteile für die Zeiträume von fünf Jahren, 1993-1997 (Rohbau) und 1994-1998 (Presse), und für die Erweiterungen für die Zeiträume von drei Jahren, 1997-1999 (Lackiererei, Endmontage, Chemnitz II), untersucht. Dabei wurde auch berücksichtigt, daß die Presse und der Rohbau in der gleichen Zeit (1997-1999) von einer Kapazität von 432 Autos/Tag auf 750 Autos/Tag erweitert werden, um die neue Lackiererei und Endmontage in Mosel II vollwertig zu beliefern. Daher wurden zusätzliche, der Erweiterung zuzurechnende Betriebskostennachteile für diesen Zeitraum (1997-1999) in der Analyse berücksichtigt."
244. Wie bereits ausgeführt, verfügt die Kommission bei der Frage, ob die Lackiererei und Endmontage von Mosel II und das Werk Chemnitz II als Erweiterungsinvestitionen oder als Investitionen auf der grünen Wiese anzusehen sind, im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag über ein weites Ermessen. Das Gericht muß seine Kontrolle daher auf die Überprüfung beschränken, ob die für die angefochtene Qualifizierung herangezogenen Tatsachen sachlich richtig sind und kein offensichtlicher Fehler bei der Bewertung dieser Tatsachen vorliegt (vgl. Urteil Matra/Kommission, Randnrn. 23 bis 28).
245. Die Einstufung einer Investition als Erweiterungsinvestition oder aber als Investition auf der grünen Wiese ist gemeinschaftsrechtlich unabhängig von der Einstufung nach dem Bilanz- oder Steuerrecht des Mitgliedstaats vorzunehmen, zu dem das begünstigte Unternehmen gehört (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache T-459/93, Siemens/Kommission, Slg. 1995, II-1675, Randnr. 76).
246. Hierbei ist nicht erwiesen, daß die Auffassung der Kommission offensichtlich unrichtig ist. Die Anrechnung von Betriebskostennachteilen beginnt nach Auffassung der Kommission mit der Inbetriebnahme eines neuen Werkes oder, bei zeitlich gestaffelter Inbetriebnahme unterschiedlicher Fertigungsbereiche, für jeden Betriebsteil mit dem Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme. Jeder Betriebsteil ist somit getrennt zu bewerten, um dem Stand des Ausbaus des Standorts zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme Rechnung tragen zu können. Dies entspricht der Regel, daß Ausnahmen von dem in Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag niedergelegten Grundsatz der Unzulässigkeit staatlicher Beihilfen eng auszulegen sind.
247. Im vorliegenden Fall haben die Kläger entgegen ihren ursprünglichen Plänen die vier Fertigungsbereiche von Mosel II zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen 1992 und 1997 in Betrieb genommen. Unter diesen Umständen genügen die Argumente der Kläger nicht, um die Schlußfolgerung der Kommission zu entkräften, daß die Lackiererei und Endmontage von Mosel II und das Werk Chemnitz II nicht als Investitionen auf der grünen Wiese eingestuft werden könnten, da es spätestens von 1994 an in Mosel ein vollständig funktionsfähiges Fahrzeugwerk, bestehend aus der Lackiererei und der Endmontage von Mosel I (die von den Klägern mit einem Investitionsaufwand von mehr als 414 Millionen DM modernisiert und in der Entscheidung Mosel I als ein "hochmoderner Lackier- und Montagebetrieb" beschrieben werden), dem Rohbau und der Presse von Mosel II (Inbetriebnahme im Juli 1992 bzw. im März 1994) und dem Werk Chemnitz I gegeben habe. Nach dem unwidersprochenen Hinweis der Kommission betrug die Produktionskapazität dieser Gesamtanlage von 1992 an jährlich 100 656 Fahrzeuge; 1992 wurden 34 000 Fahrzeuge des neuen Modells Golf A 3 hergestellt, und 1993 waren es 71 800, 1994 90 100 und 1995 100 100 Fahrzeuge.
248. Zwar haben die Kläger geltend gemacht, die Investitonen in Mosel II und Chemnitz II bildeten eine Einheit; die Kombination von Mosel I/Chemnitz I mit dem ersten Teil von Mosel II sei nur eine Übergangslösung gewesen. Festzustellen ist aber, daß der Volkswagen-Konzern erhebliche Beihilfen in Höhe von 487, 3 Millionen DM für Mosel I und 84, 8 Millionen DM für Chemnitz I erhalten hat (vgl. Entscheidung Mosel I). Dank dieser Beihilfen verfügte er spätestens von 1994 an über ein vollständig funktionsfähiges Fahrzeugwerk und konnte von diesem Zeitpunkt an die Produktion aufnehmen. Wären die Beihilfen nicht gewährt worden, wären sämtliche Projekte in Mosel II und Chemnitz II als Investitionen auf der grünen Wiese eingestuft worden, andererseits hätte aber das neue Werk nicht so schnell in Betrieb genommen werden können und die Investitionen hierfür wären kostspieliger gewesen, da jedenfalls die Infrastruktur, die Logistik, die Belegschaft und das Zuliefernetz erst hätten aufgebaut werden müssen. Die Auffassung der Kläger würde schließlich, wenn man ihr folgte, darauf hinauslaufen, daß der Volkswagen-Konzern die Regelung für Investitionen auf der grünen Wiese für das gleiche Projekt, den Bau eines Fahrzeugwerks, zweimal in Anspruch nehmen könnte.
249. Zudem dienen Investitionen, wie die Kommission ausgeführt hat, in erster Linie nicht dem Empfang staatlicher Beihilfen, sondern der Erzielung künftiger Gewinne. Ein Investor, dem es gelingt, bestimmte Investitonsnachteile schneller zu beseitigen, indem er die Inbetriebnahme bestimmter Teile seines Projekts vorzieht, sollte sich durch eine Kürzung der Beihilfen, die er in Anspruch nehmen könnte, nicht "bestraft" fühlen, da seine infrastrukturellen Betriebskosten sich verringern und seine Produktionsbedingungen sich verbessern.
250. Die Kommission hat somit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Lackiererei und Endmontage von Mosel II sowie Chemnitz II als"Erweiterung eines bestehenden Werkes" eingestuft hat. Somit ist die Ansicht unzutreffend, daß diese Fertigungsbereiche von Mosel II und das Werk Chemnitz II "auf der grünen Wiese" errichtet worden seien. Der Volkswagen-Konzern hatte vielmehr, wie die Kommission vorgetragen hat, bereits 1996 bestimmte Nachteile beseitigt, die für eine Investition auf der grünen Wiese in dem in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Sinn typisch sind.
251. Insbesondere verfügte der Konzern, wie sich aus den Akten ergibt, von 1994 an, spätestens aber 1997 über eine angemessene Infrastruktur, eine organisierte Logistik, eine für seine Zwecke geschulte Arbeitnehmerschaft und eine feste Zulieferstruktur.
252. Daß die Belegschaft von Mosel I, die nach Mosel II gewechselt hat, d.h. etwa 1 330 Arbeitnehmer, eine gewisse Schulung hat erhalten müssen, bevor sie bei den neuen Modellen unter Anwendung der neuen Produktionstechnologien eingesetzt werden konnte, bedeutet, wie die Kommission ausgeführt hat, nicht, daß diese Arbeitnehmer ungelernt im Sinne der Definition der Investition auf der grünen Wiese gewesen wären.
253. Was die Zulieferer betrifft, so hat es nach der Anlage B 4 zur Klageschrift in der Rechtssache T-143/96 Ende 1995 in Mosel 129 Teilelieferanten (davon acht mit "Just-in-time-Anlieferung") und 267 Zulieferer im Bau-, Ausrüstungs- und Dienstleistungsgewerbe gegeben, die zusammen etwa 22 000 Arbeitnehmer beschäftigten. Nach demselben Schriftstück ist die Zahl der örtlichen Zulieferer von Null im Jahr 1990 auf 87 im Juni 1993 gestiegen. Nach dem unwidersprochenen Hinweis der Kommission entspricht dies einem Anteil der örtlichen Zulieferer von 30%, was weit über dem Durchschnitt der europäischen Kraftfahrzeugindustrie liegt.
254. Die bisherigen Erwägungen können nicht durch die Behauptung in Frage gestellt werden, die Kommission habe in tatsächlicher Hinsicht die Rentabilität der Volkswagen-Werke in Sachsen seit 1994 falsch eingeschätzt. Zum einen ist eine solche Fehleinschätzung nicht bewiesen, da diese Werke nach der in der Anlage zur Gegenerwiderung in der Rechtssache T-143/96 vorgelegten Betriebsrechnung ein positives Betriebsergebnis von 49, 4 Millionen DM für 1994, 170 Millionen DM für 1995 und 209 Millionen DM für 1996 erzielt haben. Zum anderen hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, daß die Rentabilität eines neuen Fahrzeugwerks nur ein Indiz unter anderen darstellt, um zu entscheiden, ob dieses Werk als eine Investition auf der grünen Wiese oder als eine Erweiterungsinvestition anzusehen ist. In der angefochtenen Entscheidung wird die Rentabilität der Volkswagen-Werke in Sachsen nur zur Bestätigung dessen herangezogen, daß Mosel I und die Presse und der Rohbau von Mosel II von 1994 an ein vollständig funktionsfähiges Fahrzeugwerk bildeten.
255. Im übrigen ist die Frage, ob die Anlagen von Mosel I nach der Vollendung von Mosel II in Betrieb bleiben, für die vorliegende Untersuchung ohne Bedeutung.
256. Zum Werk Chemnitz II haben die Kläger kein konkretes Argument vorgetragen, das die Auffassung der Kommission, daß es sich bei Chemnitz I um eine Erweiterungsinvestition handele, in Frage stellen könnte. Die Kommission hat darauf hingewiesen, daß die Verlagerung der Produktion einzelner Motorteile von Chemnitz I nach Chemnitz II schrittweise zwischen 1996 und 1998 stattgefunden habe, so daß die beiden Werke nebeneinander jeweils wesentliche Motorbestandteile produziert hätten (vgl. Anlage B 10 zur Klageschrift in der Rechtssache T-143/96).
257. Nach alledem sind die Argumente der Kläger gegen die Einstufung der Lackiererei und Endmontage von Mosel II und von Chemnitz II als "Erweiterungsinvestitionen" zurückzuweisen.
c) Zur Kosten-Nutzen-Berechnung der Investition
-- Vorbringen der Parteien --
258. Die Kläger machen geltend, die Kosten-Nutzen-Analyse der Investition sei anhand unvollständiger Unterlagen durchgeführt und unzureichend und/oder fehlerhaft begründet worden.
259. Zum einen habe die Kommission bestimmte, wesentliche Unterlagen nicht berücksichtigt. Sie habe nämlich dem externen Sachverständigen, den sie mit der Durchführung dieser Analyse betraut habe, Herrn Sterk, nur die von Volkswagen im Januar 1996 vorgelegten Unterlagen überreicht. Diese Unterlagen seien aber nur eine Ergänzung der von Volkswagen im Mai 1993 und im Mai 1994 vorgelegten Unterlagen gewesen. Die Unterlagen von 1996 seien daher unvollständig gewesen und hätten den Sachverständigen irreführen können.
260. Bei einem Treffen am 29. Mai 1996 habe Volkswagen erfahren, daß dem Sachverständigen die Unterlagen von 1993 und 1994 nicht vorgelegen hätten; daraufhin habe sie diese unmittelbar an den Sachverständigen gesandt. Angesichts der Kürze der Zeit zwischen der Übersendung der Unterlagen und dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung am 26. Juni 1996 sowie ausweislich der Entscheidung selbst sei jedoch davon auszugehen, daß der Sachverständige sich nicht mit den Unterlagen habe auseinandersetzen können.
261. Aus dem mit der Klagebeantwortung vorgelegten Gutachten ergebe sich, daß der Sachverständige nicht die Zeit gehabt habe, sich gründlich mit den in den Punkten 6. 1. 1, 6. 1. 3 und 6. 5. 2 bis 6. 5. 7 des Gutachtens beschriebenen Nachteilen, insbesondere mit dem Zuschuß für die Straßenerschließung, zu beschäftigen.
262. Zum anderen sei die Kosten-Nutzen-Berechnung in Abschnitt XII, fünfter, sechster, siebter, elfter, zwölfter und dreizehnter Absatz der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehbar, so daß die angefochtene Entscheidung gegen Artikel 190 EG-Vertrag verstoße.
263. Selbst wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht jeden Einzelposten innerhalb der Berechnung der Investitions- und Betriebskostennachteile habe aufschlüsseln müssen, hätten die wichtigsten Positionen doch wenigstens in groben Zügen aufgeführt und beziffert werden müssen, zumal die für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfen sehr hoch seien.
264. Zum dritten lasse sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, welche von Volkswagen angegebenen Zusatzkosten nicht berücksichtigt worden seien. So seien die Kosten, die sich ergäben, wenn auch die Arbeitnehmer von VW Sachsen binnen kurzer Frist nicht mehr nach dem sächsischen Metalltarifvertrag, sondern nach dem Haustarif von Volkswagen zu entlohnen wären, auf 161, 6 Millionen DM veranschlagt worden. Dieses Risiko stelle einen wesentlichen Gesichtspunkt dar, den die Kommission vollständig außer acht gelassen oder zu Unrecht zurückgewiesen habe, ohne in der angefochtenen Entscheidung hierauf auch nur mit einer Silbe einzugehen. Die nun in der Klagebeantwortung vorgetragene Begründung sei verspätet.
265. Die Kommission habe in Abschnitt XII, vierzehnter Absatz, der angefochtenen Entscheidung fälschlicherweise als Tatsache behauptet, daß Volkswagen im Verwaltungsverfahren ihre vorläufige Berechnung der Kosten-Nutzen-Analyse akzeptiert habe.
266. In der Erwiderung tragen die Kläger vor, sie seien anhand der Klagebeantwortung in der Lage, die Kosten-Nutzen-Analyse der Kommission nachzuvollziehen. Dies sei jedoch ohne Bedeutung für die Frage, ob die angefochtene Entscheidung selbst hinreichend begründet sei. Dies sei nicht der Fall, da die Kosten-Nutzen-Analyse der angefochtenen Entscheidung nicht beigefügt gewesen sei. Die Geschäftsgeheimnisse in dieser Analyse seien solche der Kläger gewesen; somit hätte es genügt, wenn die Kommission ihnen die Analyse als Bestandteil der Entscheidung übermittelt hätte.
267. Die Kommission verweist darauf, daß sie die Firma Plant Location International, eine Tochtergesellschaft der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse, mit der Erstellung des Entwurfs einer Kosten-Nutzen-Analyse betraut habe. Dieser Entwurf sei von den zuständigen Dienststellen der Kommission geprüft und, soweit notwendig, korrigiert worden. Volkswagen habe mit Herrn Sterk, der zuletzt in dieser Sache für Plant Location International mehrere Monate vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung tätig gewesen sei, insbesondere bei den Besprechungen am 11. April und 29. Mai 1996 Kontakt gehabt. Die derKommission Herrn Sterk überreichte Dokumentation von 1996 habe alle einschlägigen Informationen enthalten. Herr Sterk habe das Vorhaben aufgrund seiner monatelangen Analyse der Verhältnisse und in allen Einzelheiten gekannt. Es sei ihm daher möglich gewesen, die ihm von Volkswagen übersandten Unterlagen von 1993 und 1994 rasch und umfassend zu prüfen.
-- Würdigung durch das Gericht --
268. Zu der Rüge, daß die Kosten-Nutzen-Berechnung in der angefochtenen Entscheidung nicht nachvollziehbar und damit die Begründung mangelhaft sei, ist festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Begründung eines Rechtsakts insbesondere unter Berücksichtigung des Interesses zu beurteilen ist, das der Adressat oder andere betroffene Personen an Erläuterungen haben können, insbesondere wenn sie bei der Ausarbeitung des angefochtenen Rechtsakts eine aktive Rolle gespielt und die tatsächlichen und rechtlichen Gründe gekannt haben, die die Kommission zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlaßt haben (vgl. z.B. Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1999 in der Rechtssache T-106/96, Wirtschaftsvereinigung Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 172). Zudem braucht die Kommission in der Begründung einer Entscheidung nicht auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die von den Beteiligten vorgetragen worden sind, sofern sie alle maßgeblichen Umstände und Faktoren des Einzelfalls berücksichtigt (vgl. Urteil British Airways u.a. und British Midland Airways/Kommission, Randnr. 93).
269. Wie sich aus den Akten ergibt, waren die Kläger im vorliegenden Fall eng an dem Verwaltungsverfahren beteiligt, das zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung geführt hat. Insbesondere haben sie nicht bestritten, daß die verschiedenen Entwürfe einer Kosten-Nutzen-Analyse, die die Kommission seit 1992 angefertigt hatte, ihnen übermittelt und mit ihren Vertretern und denen der deutschen Regierung u.a. in den Sitzungen vom 11. April und 29. Mai 1996 Punkt für Punkt durchgesprochen worden sind (vgl. die Protokolle dieser Sitzungen, Anlagen B 9 und B 12 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-143/96). Zudem entspricht die endgültige Kosten-Nutzen-Analyse, auf die sich die angefochtene Entscheidung gründet, im wesentlichen den Entwürfen, die in diesen Sitzungen geprüft worden sind; die darin vorgenommenen Änderungen wirken sich nur zugunsten der Kläger aus.
270. Damit verstößt es nicht gegen die Begründungspflicht des Artikels 190 EG-Vertrag, wenn in der angefochtenen Entscheidung die in der Kosten-Nutzen-Analyse einzeln aufgeführten Zahlen nicht wiedergegeben werden und diese Analyse der angefochtenen Entscheidung nicht beigefügt ist.
271. Im übrigen haben die Kläger nicht dargetan, daß der Sachverständige der Kommission nicht in der Lage gewesen ist, sich zu den ihm Ende Mai und Anfang Juni 1996 übermittelten Unterlagen zu äußern. Der Sachverständigenbericht (Anlage 13 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-143/96) enthält vielmehrden Vermerk "January 22, 1996, revised June, 1996". Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, bedeutet der Umstand, daß einige der übermittelten Daten nicht als Investitions- bzw. Betriebskostennachteile anerkannt worden sind, nicht, daß diese Daten nicht geprüft worden wären. Das gilt namentlich für den Antrag der örtlichen Behörden auf Rückzahlung des den Klägern 1994 gewährten Baukostenzuschusses für die Straßenerschließung. Die Ansicht der Kläger hierzu wird von dem Sachverständigen in Nummer 6. 1. 1 des Berichts erörtert und zurückgewiesen.
272. Die Rüge der Kläger, in der angefochtenen Entscheidung sei nicht angegeben, welche Zusatzkosten nicht berücksichtigt worden seien, fällt unter die Rüge der mangelhaften Begründung und ist aus den bereits genannten Gründen zurückzuweisen. Bei den Kosten von 161, 6 Millionen DM, die sich aus der künftigen Anwendung des Haustarifvertrags von Volkswagen auf die Arbeitnehmer von Mosel ergeben könnten, handelt es sich, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, um ein hypothetisches Risiko, dessen Verwirklichung sich zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht hat beurteilen lassen und das daher bei der Kosten-Nutzen-Analyse nicht hat berücksichtigt werden können.
273. Auch aus dem Protokoll der Sitzung vom 29. Mai 1996 (Anlage 12 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-143/96, S. 3) ergibt sich, daß Volkswagen die Analyse der Kommission zur Berechnung der Betriebskosten als vernünftig und akzeptabel anerkannt hat.
274. Somit ist das Vorbringen der Kläger zur Kosten-Nutzen-Berechnung der Investition zurückzuweisen.
d) Zu den Beihilfezuschlägen
-- Vorbringen der Parteien --
275. Die Kläger machen geltend, die Kommission habe einen Fehler begangen, indem sie die Möglichkeit von Beihilfezuschlägen ("top-up") über den bloßen Ausgleich der regionalen Nachteile hinaus mit der Begründung abgelehnt habe, daß dadurch Probleme der Überkapazität im Kraftfahrzeugsektor entständen.
276. Die Kommission habe sich mit dem im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag wirklich entscheidenden Punkt, nämlich Anreize für die Ansiedlung in einem benachteiligten Gebiet zu schaffen, nicht auseinandergesetzt. Im vorliegenden Fall hätten nur Beihilfezuschläge Investoren dazu bewegen können, sich in Mosel und Chemnitz niederzulassen. Die Kommission habe auch nicht berücksichtigt, daß nach der angefochtenen Entscheidung selbst 3 600 Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert worden seien und weitere 20 000 Arbeitsplätze mittelbar durch die Ansiedlung örtlicher Zulieferer und durch andereMultiplikatoreffekte für die Wirtschaft der neuen Bundesländer geschaffen würden.
277. Die Kommission räume im übrigen selbst ein, daß Überkapazitäten im Kraftfahrzeugsektor erst seit 1993 beständen. Da Beihilfen bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem sie bewilligt würden, und damit auf der Basis der Marktlage im März 1991 zu beurteilen seien, hätten diese Überkapazitätsprobleme außer Betracht bleiben und die Beihilfezuschläge somit gewährt werden müssen.
278. Zudem enthalte die angefochtene Entscheidung eine Beschränkung der Produktionskapazität von Mosel II bis 1997. Daher hätte die Kommission Beihilfezuschläge zumindest für die Bereiche Preßwerk und Rohbau nicht verweigern dürfen.
279. Die Kommission macht geltend, in der angefochtenen Entscheidung sei erläutert worden, daß Beihilfezuschläge nicht genehmigt würden, wenn die Investition zur Schaffung von Kapazitätsproblemen in dem betreffenden Sektor beitrage. Die Kommission habe die seit 1993 im Kraftfahrzeugsektor bestehenden Überkapazitäten anhand genauer Zahlen sorgfältig untersucht. Unter diesen Umständen habe es sich erübrigt, das Erfordernis, in Mosel und Chemnitz besondere Anreize zu schaffen, gesondert zu würdigen.
-- Würdigung durch das Gericht --
280. Bei der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c oder nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag kann die Kommission den Folgen der Beihilfen für den betreffenden Sektor Rechnung tragen (Urteil Matra/Kommission, Randnr. 26). Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich im übrigen, daß die Kommission zu Recht die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung im Juni 1996 bestehende Sachlage berücksichtigt hat.
281. Wie sich aus Abschnitt XII, erster Absatz, der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat die Kommission gebührend berücksichtigt, daß in benachteiligten Gebieten wie in Mosel und Chemnitz Investitionsanreize geschaffen werden sollten. Sie hat dort nämlich ausgeführt, daß als Beitrag zur Entwicklung der Region hohe Investitionsbeihilfen und Beihilfen anderer Art genehmigt worden seien und daß die Regionen Mosel und Chemnitz mit Investitionsbeihilfen bis zu 33% (bis April 1991) und (danach) bis 35% Bruttobeihilfeintensität gefördert werden könnten.
282. Die Kommission hat in Abschnitt XI, fünfter Absatz, der angefochtenen Entscheidung jedoch darauf hingewiesen, daß Beihilfezuschläge oder "top up", die als zusätzlicher Anreiz für den Investor, in die benachteiligten Regionen zu investieren, dienen sollten, nicht genehmigt werden könnten, wenn die Investitionen zur Schaffung von Kapazitätsproblemen im betreffenden Sektor beitrügen. Ebenso hat die Kommission in Abschnitt XII, neunzehnter Absatz, der angefochtenen Entscheidung betont, daß es bei der Anwendung des Gemeinschaftsrahmens aufnFälle, in denen eine Investition negative Auswirkungen auf einen Sektor als Ganzes habe, ihre Praxis sei, die Beihilfen strikt auf die Nettozusatzkosten zu begrenzen, die ein Investor in der benachteiligten Region zu tragen habe.
283. Im übrigen werden in der angefochtenen Entscheidung die Probleme der seit 1993 in der Kraftfahrzeugindustrie bestehenden erheblichen Überkapazität klar und eingehend beschrieben (Abschnitt XII, fünfzehnter Absatz); auch wird dargestellt, inwieweit diese Überkapazität durch die betreffenden Investitionen noch zunehmen wird (Abschnitt XII, achtzehnter Absatz). Die Kommission hat (in Abschnitt XII, sechzenter und siebzehnter Absatz) der Begrenzung der Produktionskapazität von Mosel II ebenfalls Rechnung getragen.
284. Aufgrund dessen und angesichts des weiten Ermessens, über das die Kommission auf diesem Gebiet verfügt, ist das Vorbringen der Kläger zu den Beihilfezuschlägen zurückzuweisen.
e) Zur Bestimmung der genehmigten Beihilfen
285. Die angefochtene Entscheidung kommt in Abschnitt XII, neunzehnter Absatz, zu dem Ergebnis, daß Beihilfen mit einer Intensität, ausgedrückt als Bruttosubventionsäquivalent, von 22, 3% für Mosel II und 20, 8% für Chemnitz II zulässig seien. Es heißt dort, daß die Gewährung von Investitionszuschüssen bis zu 418, 7 Millionen DM für Mosel II und Chemnitz II und von Investitionszulagen bis zu 120, 4 Millionen DM für Mosel II und Chemnitz II genehmigt werden könne. Nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung sind Beihilfen bis zu dieser Höhe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Nach Artikel 2 dieser Entscheidung sind Sonderabschreibungen in Höhe von 51, 67 Millionen DM für Mosel II und Chemnitz II und Investitionszuschüsse in Höhe von 189, 1 Millionen DM für Mosel II und Chemnitz II mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
286. Nach Ansicht der Kläger hat die Kommission gegen Artikel 190 EG-Vertrag verstoßen, da sich aus dem von der Kommission zugrunde gelegten Bruttosubventionsäquivalent nicht die in den Artikeln 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung angegebenen Beträge ermitteln ließen. Die Entscheidung lasse nicht erkennen, welchen Abzinsungsfaktor die Kommission angewandt habe. Selbst bei Kenntnis dieses Faktors aufgrund der verspäteten Mitteilung in der Klagebeantwortung in der Rechtssache T-143/96 lasse sich immer noch nicht schlüssig nachvollziehen, aus welcher Rechnung sich die in den Artikeln 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung genannten Beträge ergeben sollten.
287. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Wie vorstehend festgestellt, waren die Kläger und die deutsche Regierung eng am Verwaltungsverfahren beteiligt und damit in der Lage, die einzelnen Entwürfe der Kosten-Nutzen-Analyse, die die Kommission seit 1992 angefertigt hatte, Punkt für Punkt zu erörtern. Auch wenn in der angefochtenen Entscheidung nicht die Art der Berechnung der Abzinsungdes Bruttosubventionsäquivalents, die angewandt worden ist, um zu der genehmigten Höhe der Beihilfen zu gelangen, und insbesondere nicht der Abzinsungssatz ("Nominal Discount Rate") von 7, 5% wiedergegeben sind, finden sich diese doch sowohl in der dem Sachverständigenbericht der Kommission beigefügten Kosten-Nutzen-Analyse als auch im Protokoll der Sitzung vom 29. Mai 1996.
288. Nach alledem sind die Rügen bezüglich eines Verstoßes gegen Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag zurückzuweisen.
III - Zum Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
-- Vorbringen der Parteien --
289. Die Kläger machen geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, indem sie die Lackiererei und Endmontage von Mosel II und das Werk Chemnitz II als Erweiterungsinvestitionen eingestuft und folglich für die Kosten-Nutzen-Analyse einen Referenzzeitraum von drei Jahren zugrunde gelegt habe. Die Kommission habe bei den Klägern die begründete Erwartung geweckt, daß sie die zugesagten Beihilfen anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse auf Basis eines Fünf-Jahres-Zeitraums überprüfen werde.
290. Das Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer sei schutzwürdig, wenn ein Gemeinschaftsorgan bei diesen begründete Erwartungen in das weitere Verhalten des Gemeinschaftsorgans geweckt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85, Van den Bergh und Jurgens/Kommission, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44). Ebenso seien die Wirtschaftsteilnehmer vor einer nachträglichen Umbewertung ihrer im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage getroffenen Dispositionen durch die Gemeinschaftsorgane geschützt (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 161/88, Binder, Slg. 1989, 2415, Randnrn. 21 bis 23, vom 11. Dezember 1990 in der Rechtssache C-189/89, Spagl, Slg. 1990, I-4539, Randnr. 9, und Crispoltoni, Randnr. 21).
291. Im vorliegenden Fall habe die Kommission Mosel II und Chemnitz II während des gesamten Verwaltungsverfahrens von September 1990 bis April 1996 als Neuinvestition auf der grünen Wiese eingestuft. Die Kläger berufen sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf folgendes:
    - Die Kommission habe in ihrem Schreiben vom 19. September 1990 an die deutsche Regierung eine Anmeldung aller Beihilfen "für die neuen Investitionen der Volkswagen AG" gefordert.
    - In ihrer Mitteilung an die deutsche Regierung bezüglich ihrer Entscheidung über die Einleitung eines Prüfungsverfahrens, habe die Kommission zwischen der "Fortführung der bestehenden Fahrzeugwerke" (Mosel I) und dem "Bau des vollständig neuen Werkes Mosel II" unterschieden.
    - In den Jahren 1992 bis 1994 habe die Kommission eine Kosten-Nutzen-Analyse für Mosel II und Chemnitz II durchgeführt, bei der ein Fünf-Jahres-Zeitraum zugrunde gelegt worden sei.
    - In der Entscheidung Mosel I spreche die Kommission durchgängig von den "neuen Werken" Mosel II und Chemnitz II, was zeige, daß die Kommission trotz der eingetretenen Verzögerung bei der Durchführung des Projekts diese Investitionen nicht als Erweiterung von Mosel I bzw. Chemnitz I angesehen habe, sondern als Neuinvestitionen.
    - In ihrer Entscheidung 96/179/EG vom 31. Oktober 1995 habe die Kommission diese Vorhaben als "Neuinvestitionen" eingeordnet.
292. Die Kläger bestreiten im übrigen, daß die Bediensteten und der Sachverständige der Kommission bei der Besichtigung der Standorte am 21. und 22. Dezember 1995 erklärt hätten, daß die Projekte Mosel II und Chemnitz II nicht insgesamt als Investitionen auf der grünen Wiese eingestuft werden könnten. Die einzig relevante Frage, die bei dieser Gelegenheit erörtert worden sei, sei gewesen, ob die Berechnung der Nachteile einheitlich zu einem Zeitpunkt, nämlich der Fertigstellung des Gesamtvorhabens beginnen solle, oder aber je nach Fertigstellung der Fertigungsbereiche zu verschiedenen Zeitpunkten.
293. Die Kläger bestreiten, daß bei der Besprechung am 11. April 1996 die Anwendung eines Drei-Jahres-Zeitraums für die Betriebskostennachteile der Lackiererei und Endmontage Mosel II diskutiert worden sei. Die von der Kommission am 16. April 1996 vorgelegte Kosten-Nutzen-Analyse gehe noch von einem Fünf-Jahres-Zeitraum aus.
294. Obwohl die Anwendung eines Drei-Jahres-Zeitraums für die Betriebskostennachteile der Lackiererei und Endmontage Mosel II bei der Besprechung vom 29. Mai 1996 erörtert worden sei, ergebe sich aus dem Protokoll dieser Besprechung eindeutig, daß die Kläger diesen Grundsatz nicht akzeptiert hätten.
295. Die Kläger hätten ihre Vorhaben vom Konzept her niemals geändert. Jedenfalls sei die zeitliche Streckung der Investitionen seit Anfang 1993 bekannt gewesen. Die Kommission habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung Mosel I im Juli 1994 somit die Änderung gekannt, die Volkswagen an den Vorhaben Mosel II und Chemnitz II vorgenommen habe. Da die Kommission über die Beihilfen für Mosel I getrennt entschieden habe, habe Volkswagen dies so verstanden, daß die Kommission Mosel I und Mosel II als zwei völlig getrennte Projekte ansehe, die auch beihilferechtlich getrennt voneinander zu behandeln seien. Im übrigen sei die Situation zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung dieselbe gewesen wie zum Zeitpunkt der Entscheidung Mosel I. Das Preßwerk und derRohbau von Mosel II seien in Betrieb gewesen, und die dort hergestellten Rohkarossen seien in Mosel I lackiert und endmontiert worden.
296. Die Kläger hätten nur im Hinblick darauf, daß die Kommission Mosel II und Chemnitz II beihilferechtlich als Neuinvestitionen einordne, erhebliche Eigenmittel eingesetzt. Noch zum Zeitpunkt der Entscheidung Mosel I hätte die Möglichkeit bestanden, die Investitionen in Lackiererei und Endmontage anzuhalten und an einen anderen Standort zu verlagern. Wäre seinerzeit erkennbar gewesen, daß die Kommission diese Anlagen als Erweiterungsinvestitionen einordne, wäre diese Entscheidung tatsächlich getroffen worden.
297. Die Kommission bestreitet, jemals den Eindruck vermittelt zu haben, daß sie Mosel II und Chemnitz II als Investitionen auf der grünen Wiese anerkennen werde.
298. Die Kläger könnten sich jedenfalls nicht auf Erklärungen aus der Zeit vor März 1996 berufen, da diese auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage beruht hätten. Die Kläger und/oder die Bundesrepublik Deutschland hätten nämlich einschlägige Informationen bis zum letzten Moment zurückgehalten, so daß der Kommission wesentliche Daten für die Bewertung der Investitionsprojekte gefehlt hätten.
299. Zudem könnten sich die Kläger nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil ihnen bewußt gewesen sei, daß die Kommission möglicherweise einen Teil der bewilligten Beihilfen nicht genehmigen würde und die Kläger daher vorab rechtswidrig ausgezahlte Beihilfen zurückzahlen müßten. Ausweislich des Jahresabschlusses von VW Sachsen vom 31. Dezember 1995 hätten die Kläger diese Möglichkeit erkannt und daher erhebliche Rückstellungen gebildet.
-- Würdigung durch das Gericht --
300. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich jeder Wirtschaftsteilnehmer, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat, auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (vgl. z.B. Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-1201, Randnr. 51). Dagegen kann eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht geltend machen, wem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gemacht hat (vgl. Urteile des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommission, Slg. 1996, II-1707, Randnr. 57, und vom 29. Januar 1998 in der Rechtssache T-113/96, Dubois & Fils/Rat und Kommission, Slg. 1998, II-125, Randnr. 68).
301. Im vorliegenden Fall hat die Kommission niemals zugesichert, daß die Investitionen des Volkswagen-Konzerns in Mosel II und Chemnitz II insgesamt als Investitionen "auf der grünen Wiese" qualifiziert würden.
302. Die Hinweise der Kommission auf die "Neuinvestitionen" oder die "neuen Anlagen" von Volkswagen während des gesamten Verwaltungsverfahrens zwischen1990 und 1996 sind insoweit ohne Bedeutung, da diese Ausdrücke in ihrer gewöhnlichen Bedeutung verwendet wurden und nur zur Unterscheidung der Investitionen in Mosel I von denen in Mosel II dienen, nicht aber entscheiden sollten, ob letztere als Erweiterungsinvestition oder Investition auf der grünen Wiese im Sinne der angefochtenen Entscheidung anzusehen sind.
303. Außerdem hatte die Kommission in der Entscheidung über die Einleitung eines Prüfungsverfahrens der deutschen Regierung ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt aufgrund u.a. der hohen Beihilfeintensität mitgeteilt (vgl. Randnr. 26).
304. Jedenfalls haben die grundsätzliche Änderung der Projekte, die die Kläger Anfang 1993 vorgenommen haben, und die späteren Änderungen dieser Projekte in den Jahren 1994 und 1996 die früheren Bewertungen der Kommission und damit die Zusicherungen, die sie hinsichtlich der Einstufung von Mosel II und Chemnitz II als Erweiterungsinvestitionen oder Investitionen auf der grünen Wiese hätte geben können, hinfällig gemacht.
305. Im übrigen können sich die Kläger nicht auf ein berechtigtes Vertrauen berufen, solange sie der Kommission nicht sämtliche Informationen übermittelt haben, die diese benötigt, um in voller Kenntnis der Sachlage zu entscheiden. Infolgedessen konnten die Erklärungen und das Verhalten der Kommission vor Anfang 1996 bei den Klägern keine berechtigten Erwartungen wecken.
306. Im übrigen ergibt sich aus dem Protokoll der Sitzung vom 11. April 1996 (Anlage B 9 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-143/96, S. 4), daß dort u.a. erörtert worden ist, ob in der Kosten-Nutzen-Analyse für die Lackiererei und Endmontage in Mosel II Betriebskostennachteile für einen Zeitraum von drei oder von fünf Jahren berücksichtigt werden sollten. Somit hat die Kommission, sobald sie über alle für ihre Beurteilung erforderlichen Informationen verfügte, zu verstehen gegeben, daß die Investitionen der Kläger in Mosel II und Chemnitz II möglicherweise nicht in ihrer Gesamtheit als Investitionen "auf der grünen Wiese" eingestuft würden.
307. Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes als unbegründet zurückzuweisen.
308. Somit sind die Klagen insgesamt abzuweisen.
 
Kosten
309. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 5 der Verfahrensordnung wird eine Partei, die die Klage oder einen Antrag zurücknimmt, auf entsprechendenAntrag zur Tragung der Kosten verurteilt. Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
310. Nach alledem entspricht es einer gerechten Würdigung dieser Bestimmungen, wenn den Klägern ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission mit Ausnahme derjenigen Kosten, die der Kommission durch die Streithilfe der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind, auferlegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten. Sie trägt im übrigen die Kosten, die der Kommission durch ihre Streithilfe entstanden sind. Das Vereinigte Königreich trägt seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Es wird festgestellt, daß die Klägerinnen in der Rechtssache T-143/96 ihre Klage insoweit zurückgenommen haben, als diese die Nichtigerklärung des Artikels 2 erster Gedankenstrich der Entscheidung 96/666/EG der Kommission vom 26. Juni 1996 über eine Beihilfe Deutschlands an den Volkswagen-Konzern für die Werke in Mosel und Chemnitz betrifft.
2. Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.
3. Die Kläger tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Beklagten mit Ausnahme der Kosten, die der Kommission durch die Streithilfe der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Kommission durch ihre Streithilfe entstanden sind. Das Vereinigte Königreich trägt seine eigenen Kosten.
Potocki, Lenaerts, Bellamy, Azizi, Meij
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Dezember 1999.
H. Jung (Der Kanzler), A. Potocki (Der Präsident)