BVerwGE 87, 332 - Grundrechtskonkretisierende Normen |
Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland kann gegen ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Überprüfung eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses ergangenes Urteil selbständig Rechtsmittel einlegen; eine materielle Beschwer ist dann gegeben, wenn die gerichtliche Entscheidung Auswirkungen auf die vom Bund im Rahmen der Luftverkehrsverwaltung als eigenständiger Aufgabenkreis wahrgenommene Koordinierung des nationalen und internationalen Luftverkehrs auf den Flughäfen der Bundesrepublik Deutschland haben kann. |
Die von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gerechten - planerisch gestaltenden - Abwägung vorzunehmende Bewältigung der durch einen Flughafenneubau aufgeworfenen Probleme des Lärmschutzes beschränkt sich nicht allein auf "unzumutbaren" Fluglärm im Sinne der Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 LuftVG. Als abwägungserheblicher Belang ist vielmehr jede Lärmbelastung anzusehen, die nicht nur als geringfügig einzustufen ist. |
Als ein Mittel zur Bewältigung der aufgeworfenen Lärmproblematik gibt § 9 Abs. 2 LuftVG der Planfeststellungsbehörde die rechtliche Grundlage, mit der Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Durchführung von Schutzmaßnahmen das Ziel einer umfassenden und gerechten planerischen Abwägung zu erreichen. "Notwendig" im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG sind solche Schutzmaßnahmen durch Dritte jedoch nur dann, wenn die Planfeststellungsbehörde sich auf der Grundlage einer fehlerfreien Abwägung nicht in der Lage sieht, die Problembewältigung durch eigene planerische Gestaltung des Flughafens einschließlich seines Betriebes zu leisten. |
Dem Vorhabenträger können aufgrund des § 9 Abs. 2 LuftVG nur solche Schutzmaßnahmen aufgegeben werden, die er in rechtlich zulässiger Weise durchzusetzen vermag. Dazu gehört nicht der Lärmschutz durch eine Lärm kontingentierung, die auf unmittelbar kapazitätssteuernden Koordinierungseckwerten beruht. Diese kann als Betriebsregelung in Form einer allgemeingültigen Auflage ausgesprochen werden. |
Soweit Lärmschutz bereits durch die Betriebsregelungen der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung bewirkt wird, darf die Planfeststellungsbehörde hiervon ausgehen. Es kommt dann für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nur darauf an, ob damit eine abschließende planerische Bewältigung der Lärmproblematik gegeben ist oder ob zusätzliche Schutzmaßnahmen aktiver oder passiver Art erforderlich sind. Die inhaltliche Überprüfung durch das Gericht bezieht sich auf die durch die beiden miteinander verzahnten Verwaltungsentscheidungen (luftverkehrsrechtliche Genehmigung und Planfeststellungsbeschluß) getroffene Gesamtregelung; Gegenstand des prozessualen Aufhebungsanspruchs ist allein der Planfeststellungsbeschluß als abschließende Verwaltungsentscheidung. |
Die gerichtliche Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde zur planerischen Bewältigung des Fluglärms im Wege einer bestimmten Lärmkontingentierung überschreitet den Rahmen der gerichtlichen Befugnisse, weil sie in die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde eingreift. |
Mit der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte bei behördlichen Prognoseentscheidungen ist es unvereinbar, wenn das Verwaltungsgericht auf der Grundlage einer "Aktualisierung" der tatsächlichen Vorgaben eine eigene Prognose entwickelt. |
§ 9 Abs. 2 LuftVG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen Gefahren und Nachteile, die von dem geplanten Flughafen auf seine Umgebung ausgehen können und insofern im Flughafenbetrieb ihre Ursache haben, nur dem Vorhabenträger mit der Folge zuzurechnen sind, daß er zu ihrer Abwendung oder doch zu ihrer Verminderung verpflichtet werden kann. Mit dieser dem Verursacherprinzip folgenden gesetzlichen Ermächtigung ist es nicht vereinbar, im Hinblick auf die tatsächliche Vorbelastung eines Grundstücks durch Lärm von einer "Verantwortungsgemeinschaft der Emittenten" auszugehen. Vielmehr wirkt sich eine vorhandene Lärmbelastung gegenüber neu hinzutretenden Emissionen in der Regel schutzmindernd aus (zum inhaltsgleichen § 17 Abs. 4 FStrG a.F. BVerwGE 52, 226 [236]). |
Ein Grundstück wird durch eine sich verfestigende Planung dann nicht mehr - mit der Folge einer Duldungspflicht gegenüber künftigem Lärm - vorbelastet, wenn die Planung ihrerseits auf eine vorhandene bebauungsrechtlich verfestigte Situation trifft. Eine solche Situation ist anzunehmen, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt der Verfestigung der Fachplanung bebaut oder baulich nutzbar ist (BVerwGE 71, 150 [157]). Dabei ist unerheblich, ob die mögliche bauliche Nutzung in absehbarer Zeit verwirklicht werden soll. |
Ein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch auf (Neu-) Bestimmung eines Schutzgebietes unter Einbeziehung des eigenen Grundstücks besteht grundsätzlich nicht. |
Die Bestimmung der Grenze in § 9 Abs. 2 LuftVG, jenseits derer die Belastung durch Fluglärm der Umgebung mit Rücksicht auf deren durch Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, ist nicht Gegenstand eines behördlichen Beurteilungsspielraums und unterliegt daher der uneingeschränkten richterlichen Überprüfung. |
Die Planfeststellungsbehörde kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Zumutbarkeitsgrenze in § 9 Abs. 2 LuftVG im Wege eines Ausschlusses höherer fluglärmbedingter Schallpegel als 55 dB(A) im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern zur Vermeidung von Kommunikationsstörungen am Tag sowie zur Gewährleistung der Nachtruhe (Vermeidung von Aufweckreaktionen) rechtsfehlerfrei festlegen. |
Der in der Rechtsprechung des Senats gebilligte Dauerschallpegel (Außenpegel) zur Bestimmung der äußerstenfalls zumutbaren Geräuscheinwirkung durch Straßenverkehr läßt Rückschlüsse auf die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärm im Wege eines Spitzenpegels im Rauminnern wegen der unterschiedlichen sachlichen Bedeutung und der abweichenden Berechnungsmethoden nicht zu. |
Die Anwohner eines internationalen Großflughafens haben keinen Rechtsanspruch auf Festlegung eines absoluten Nachtflugverbots in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr. Jedoch schränkt das Gebot besonderer Rücksichtnahme auf die Nachtruhe der Bevölkerung (§ 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG) die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde ein und steht der Zulassung eines allein am Verkehrsbedarf orientierten, schrankenlosen nächtlichen Flugbetriebs entgegen. Die Festlegung des Nachtendes auf 6.00 Uhr begegnet keinen rechtlichen Bedenken. |
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Planfeststellungsbehörde für das Wochenende und für Feiertage keine zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen vorsieht; dies entspricht den Erfordernissen eines internationalen Großflughafens. |
Die gesetzliche Ausformung des Entschädigungsanspruchs in Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG als Surrogat für die in erster Linie geforderten technisch-realen Ausgleichsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG erfordert es, die Grenze der Zumutbarkeit für Ansprüche auf Schutzvorrichtungen und Entschädigungsleistungen jeweils in gleicher Weise zu bestimmen. Mit diesem Grundsatz ist es unvereinbar, eine fluglärm-bedingte Minderung des Verkehrswerts eines Grundstücks mit einer unzumutbaren Lärmbelastung im Außenwohnbereich gleichzusetzen. |
Die lärmbedingte Minderung des Verkehrswerts eines Grundstücks ist ferner nicht identisch mit der Höhe der nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG zu leistenden Entschädigung. Als Bemessungsfaktor stellt sie allerdings ein wichtiges Indiz für die Schwere und Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung dar. Eine ausschließlich wirtschaftliche Betrachtungsweise, die im Wege des sogenannten Vorteilsausgleichs die vorhabenbedingte Wertsteigerung des Grundstücks gegen die lärmbedingte Wertminderung aufrechnet, ist mit § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayVwVfG nicht vereinbar. |
Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen unzumutbarer Lärmeinwirkung auf den Außenwohnbereich ist nicht schon dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die Lärmbelastung des Innenwohnbereichs infolge des Einbaus entsprechender Schallschutzvorrichtungen auf ein zumutbares Maß gesenkt worden ist. |
Die Frage der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit eines Grundstücks im Hinblick auf Fluglärm kann für Innen- und Außenwohnbereich nicht einheitlich beantwortet werden. Für die Ermittlung dessen, was an Ent schädigung im Einzelfall als "angemessen" zu gelten hat, ist jedoch eine Gesamtbetrachtung des Grundstücks anzustellen. Bei dieser Gesamtbetrachtung kann als Anhaltspunkt für die Schwere und Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch die Praxis der Bewertung von Grundstücken bei der Enteignungsentschädigung bzw. bei der steuerrechtlichen Ermittlung des Einheitswerts herangezogen werden. |
Eine Gemeinde kann als Eigentümerin von Grundstücken - ebenso wie private Grundstückseigentümer - sowie als Trägerin von kommunalen Einrichtungen Schutz vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen verlangen (BVerwGE 69, 256 [261]). |
Art. 14 Abs. 1 und 3, 85 Abs. 3, 87 d Abs. 1 und 2, 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV; LuftVG §§ 2 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 8, 6 Abs. 1 und 4, 8 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 1 und 6, 29 b Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 1 Nr. 15; LuftVO §§ 1 Abs. 2, 21 a Abs. 1 Satz 1; Luft-VZO §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b und Abs. 2, 10 Abs. 4; Gesetz über die Bundesanstalt für Flugsicherung § 2 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2; FluglärmG § 3, Anlage Ziff. 1; LuftPersV §§ 4 Abs. 2 Nr. 1, 6 Abs. 5 Nr. 4, 14 Abs. 2 Nr. 2, 83; VwGO §§ 63 Nr. 3, 113 Abs. 1 und 4 a.F. (= 113 Abs. 1 und 5 n.F.); BayVwVfG Art. 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 |
Urteil |
des 4. Senats vom 29. Januar 1991 |
- BVerwG 4 C 51.89 - |
I. Verwaltungsgericht München II. Verwaltungsgerichtshof München |
Gegenstand des Verfahrens sind Klagen von verschiedenen Gemeinden sowie von Privatpersonen gegen den Freistaat Bayern, welche sich gegen die Planung des Verkehrsflughafens München II richten. Soweit die Kläger Planaufhebungsansprüche geltend gemacht haben, sind die Klagen bereits rechtskräftig abgewiesen (BVerwGE 75, 214). Das vorliegende Verfahren betrifft nur noch die von den Klägern geforderten Schutzmaßnahmen, die sich im wesentlichen auf die Lärmauswirkungen des neuen Flughafens beziehen, und Ansprüche auf Zahlung eines Ausgleichs.
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Der Planfeststellungsbeschluß der Regierung von Oberbayern vom 8. Juli 1979 sowie der erste Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 sehen für Gebäude innerhalb von Lärmschutzgebieten Schallschutzvorrichtungen vor, die gewährleisten, daß durch An- und Abflüge vom Flughafen München im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern (bei Schlafräumen ggf. Einbau und Belüftungseinrichtungen) keine höheren Schallpegel als 55 dB(A) auftreten. In besonders belasteten Gebieten sind weitergehende Schallschutzvorrichtungen sowie die Zahlung einer Entschädigung für Nutzungsbeeinträchtigungen des Außenwohnbereichs festgelegt. In der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr ist der Flugbetrieb auf 28 Flugbewegungen zuzüglich verschiedener Ausnahmen, insbesondere für Verspätungsflüge, beschränkt (22.00 bis 24.00 Starts und Landungen, 5.00 bis 6.00 Uhr nur Landungen). |
Mit dem angefochtenen Berufungsurteil setzte der Bayerische VGH sowohl für den Tag als auch für die Nacht zusätzlichen Lärmschutz in Form einer Lärmkontingentierung fest; ferner verlegte er das Ende des täglichen Flugbetriebs auf 23.00 Uhr vor. Gleichzeitig erweiterte er die Ansprüche auf Lärmschutzvorrichtungen durch eine Ausdehnung der Schutzgebiete. Schließlich vergrößerte er den Kreis der Entschädigungsberechtigten auf die Eigentümer solcher Grundstücke, die fluglärmbedingte Wertminderungen erleiden.
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Sowohl die Kläger als auch der beklagte Freistaat sowie die beigeladene Flughafen München GmbH als Betreiberin des geplanten Flughafens und die ebenfalls beigeladene Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Verkehr, legten gegen das Berufungsurteil Revision ein. Die Revisionen hatten teilweise Erfolg.
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Aus den Gründen: |
A. |
Die Revisionen sind zulässig.
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Dies gilt auch für die Revision der Beigeladenen zu 2. Diese ist nach § 63 Nr. 3 VwGO Beteiligte des Verfahrens und kann gemäß §§ 66, 124, 132 VwGO selbständig Rechtsmittel einlegen. Für dessen Zulässigkeit ist freilich erforderlich, daß das angefochtene Urteil sie beschwert (vgl. BVerwGE 69, 256, [258]). Eine solche - materielle - Beschwer ist für die Beigeladene zu 2 gegeben.
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Dem Bundesgesetzgeber ist in Art. 87 d Abs. 2 GG die Befugnis eingeräumt, durch Bundesgesetz Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung zu übertragen. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesgesetzgeber mit dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 1981 (BGBI. I S. 61) Gebrauch gemacht. Kennzeichnend für eine Auftragsverwaltung ist, daß die Verwaltung die ihr zugewiesenen Aufgaben als eigene Aufgaben wahrnimmt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 12. Januar 1983 - 2 BvL 23/81 - BVerfGE 63, 1 [42]). Damit ist die Konsequenz verbunden, daß nur sie in ihrem (eigenen) Rechtskreis betroffen und damit beschwert sein kann, wenn die Bindungswirkung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen sich auf ihre Tätigkeit auswirkt. |
Aus der ursprünglichen Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes allein kann der Bund als "Auftraggeber" eine materielle Beschwer nicht herleiten. Eine solche Beschwer läßt sich nur dann begründen, wenn trotz der Auftragsverwaltung bestimmte Aufgabenbereiche zur originären Wahrnehmung beim Bund verblieben sind. Hierzu genügen allerdings nicht schon das allgemeine Weisungsrecht im Rahmen der Auftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 3 GG noch die der Beigeladenen zu 2 durch § 10 Abs. 6 LuftVG im Planfeststellungsverfahren eingeräumten sog. Ingerenzrechte. Denn damit werden von ihr lediglich abstrakte Rechtskompetenzen bezeichnet, ohne daß ersichtlich ist, wie sich das berufungsgerichtliche Urteil darauf konkret auswirken könnte. Da in dem weisungsgebundenen Auftragsverhältnis zwischen Bundesverkehrsminister und Planfeststellungsbehörde keine gegenüber dem Planfeststellungsverfahren eigenständigen Rechtsbeziehungen begründet werden, ist insofern auch kein Raum für die Annahme nachteiliger Auswirkungen eines rechtskräftigen Berufungsurteils auf einen originären Rechtskreis des Bundes. Die Beigeladene zu 2 begründet ihre materielle Beschwer aber zutreffend damit, das vom Berufungsgericht festgelegte Lärmkontingent mit der damit verbundenen faktischen Beschränkung möglicher Flugbewegungen bzw. der Zurückdrängung von lärmintensiveren Luftfahrzeugen nach Anhang 16, Kapitel 2, des ICAO-Abkommens führe zu einer Verletzung zahlreicher bilateraler und multilateraler internationaler Abkommen über den Luftverkehr seitens der Bundesrepublik Deutschland bzw. erfordere die Kündigung derartiger Vereinbarungen. Der Abschluß solcher internationalen Vereinbarungen gehört zum originären Aufgabenkreis des Bundes (Art. 73 Nr. 1 und 6 GG), ohne daß es zu dieser Feststellung des Rückgriffs auf § 31 Abs. 2 Nr. 4 LuftVG bedarf.
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Das Berufungsgericht hat der von ihm im Rahmen des Tagschutzes entwickelten Lärmkontingentierung einen sog. "Eckwert" zugrunde gelegt. Mit diesem Eckwert wird gleichzeitig eine Kapazitätsgrenze beschrieben, die aus Gründen des Lärmschutzes nicht überschritten werden darf. Solche Eckwerte sind als Kernpunkt der Betriebsregelung für einen Flughafen zwar Bestandteil der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG bzw. der Planfeststellung nach § 8 LuftVG und insofern Gegenstand der Entscheidung der Landesbehörde. Zu Zwecken der allgemeinen Koordinierung des nationalen und internationalen Luftverkehrs werden sie indessen nicht von der Landesbehörde, sondern vom Bundesverkehrsminister festgelegt. Im Unterschied zu dem allgemeinen Weisungsrecht im Rahmen der Auftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 3 GG bzw. den Ingerenzrechten aus § 10 Abs. 6 LuftVG handelt es sich bei der Festsetzung der maßgeblichen Koordinierungseckwerte nicht um eine abstrakte Rechtskompetenz, sondern um einen vom Bund im Rahmen der Luftverkehrsverwaltung eigenständig wahrgenommenen konkreten Aufgabenkreis. Dieser könnte durch eine rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung zur Einführung einer Lärmkoningentierung mit kapazitätsbeschränkenden Auswirkungen, und sei es nur im Rahmen eines Bescheidungsurteils, im Sinne einer materiellen Beschwer betroffen sein. |
Wird aber der Bund durch eine gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung, die Einführung einer Lärmkontingentierung mit kapazitätsbeschränkender Wirkung im Rahmen einer Neubescheidung in Erwägung zu ziehen, in der Wahrnehmung eigener Aufgaben betroffen, so braucht er sich zur Verteidigung seiner Interessen nicht auf die Möglichkeit einer Einzelweisung an die Planfeststellungsbehörde etwa zur Rechtsmitteleinlegung zu beschränken. Er kann vielmehr die ihm von der Prozeßordnung eingeräumten verfahrensrechtlichen Mittel zur Wahrung eigener subjektiver Rechte nutzen und als Verfahrensbeteiligter selbständig Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen einlegen.
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B. |
Das angefochtene Urteil kann nur zum Teil Bestand haben. Teils sind die entsprechenden Klagen abzuweisen, teils ist die Planfeststellung insoweit aufzuheben, verbunden mit der Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung; für den Bereich der Entschädigungsregelung hat es bei der Aufhebung der betreffenden Regelung des Planfeststellungsbeschlusses zu verbleiben. Den übrigen, teilweise weitergehenden Revisionen der Beteiligten bleibt hingegen der Erfolg versagt. |
I. Tagschutz |
1. Aktiver Lärmschutz für den Tag
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1.1 Lärmkontingentierung
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Soweit das Berufungsgericht das System einer Lärmkontingentierung entwickelt hat, verletzt es Bundesrecht und kann daher keinen Bestand haben.
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a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Grundlage für die Prüfung der Klageansprüche seien § 9 Abs. 2 LuftVG sowie hinsichtlich einer möglichen Entschädigung Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG. Die in diesen Vorschriften genannten Begriffe "Anlagen" und "Vorkehrungen" seien weit auszulegen und erfaßten das gesamte Spektrum der in Betracht kommenden sachdienlichen Maßnahmen, auch z.B. Betriebsregelungen. Ein Anspruch auf Schutzvorkehrungen bestehe bei "unzumutbaren" Einwirkungen. Ob die Zumutbarkeitsgrenze richtig getroffen sei, unterliege uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung.
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Das Berufungsgericht hat sich für seine Auffassung auf die Rechtsprechung des Senats berufen, insbesondere auf die Entscheidung zum Frankfurter Flughafen (BVerwGE 56, 110) sowie auf die erste Entscheidung des Senats zu dem hier im Streit befindlichen Flughafen München II (BVerwGE 69, 256). Es hat zwar die dort genannten rechtlichen Anforderungen an die luftverkehrsrechtliche Fachplanung einschließlich der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Lärmschutzauflagen im allgemeinen zutreffend wiedergegeben. Soweit es jedoch im vorliegenden Fall seiner Entscheidung über die von den Klägern geltend gemachten Planergänzungsansprüche als Rechtsgrundlage allein § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 BayVwVfG zugrunde gelegt hat, ist es von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen. Auch seine weitergehende Folgerung, das Gericht habe auf der Grundlage eigener Ermittlungen selbst über Art und Umfang der Schutzmaßnahmen zu entscheiden, verletzt Bundesrecht.
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Rechtsgrundlage für die Planung des Flughafens einschließlich der planerischen Entscheidung über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm im Zusammenhang mit der Errichtung eines Flughafens ist im Ausgangspunkt § 8 Abs. 1 LuftVG. Diese Vorschrift enthält neben ihrer verwaltungsverfahrensrechtlichen Bedeutung die materielle Ermächtigung der Planfeststellungsbehörde zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung selbst. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist die mit ihr verbundene Einräumung planerischer Gestaltungsfreiheit. Ihrem Gegenstand nach erstreckt sich diese in umfassender Weise auf schlechthin alle planerischen Gesichtspunkte, die zur - möglichst optimalen - Verwirklichung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe, aber auch zur Bewältigung der von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung erst aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind (vgl. BVerwGE 56, 110 [116]). Dem Wesen rechtsstaatlicher Planung entsprechend ist die planerische Gestaltungsfreiheit verschiedenen rechtlichen Bindungen unterworfen, deren Einhaltung der Kontrolle der Verwaltungsgerichte unterliegt. Solche Bindungen folgen u.a. aus den Anforderungen des sich auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis erstreckenden Abwägungsgebots. Dieses verlangt, daß - erstens -eine Abwägung überhaupt stattfindet, daß - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (st. Rspr., vgl. zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung BVerwGE 56, 110 [122 f.]). |
Die Planfeststellungsbehörde entscheidet im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auch darüber, auf welche Weise sie den Belangen des Lärmschutzes beim Flughafenneubau Rechnung tragen will. Dabei beschränkt sich das Gebot der Bewältigung aller erheblichen Probleme durch eine gerechte - planerisch gestaltende - Abwägung nicht allein auf "unzumutbaren" Fluglärm im Sinne der Rechtsprechung des Senats zu § 9 Abs. 2 LuftVG. Als abwägungserheblicher Belang ist vielmehr jede Lärmbelastung anzusehen, die nicht lediglich als nur geringfügig einzustufen ist. Hierunter fällt einmal die schwere und unerträgliche Lärmbetroffenheit im Sinne der früheren Rechtsprechung zur sog. Enteignungsschwelle, weiterhin die unzumutbare Lärmbelastung, wie sie für Schutzauflagen an den Vorhabenträger nach § 9 Abs. 2 LuftVG Voraussetzung ist, und schließlich der unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegende, aber nicht unerhebliche Fluglärm (Beschluß des Senats vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4B 249.89 -NVwZ-RR 1991, 118). Schon aus diesem Grund ist es verfehlt, die von den Klägern geltend gemachten Planergänzungsansprüche allein unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schutzauflagen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG zu betrachten. Eine solche verengte Sichtweise würde sich konkret zuungunsten solcher Betroffener auswirken, deren Lärmbeeinträchtigung unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle des § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Alt. 74 Abs. 2 BayVwVfG bleibt. Diese haben zwar keinen Rechtsanspruch auf eine Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Vornahme von Schutzmaßnahmen, wohl aber das allen von einer Planung Betroffenen zustehende subjektive öffentliche Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen rechtlich geschützten Belange. |
Hinsichtlich der stärker, nämlich unzumutbar Betroffenen markiert § 9 Abs. 2 LuftVG eine nicht schon durch die Abwägung der widerstreitenden Belange überwindbare Grenze, wie sie der Senat zu der inhaltlich übereinstimmenden Regelung des früheren § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG aufgezeigt und in seiner Entscheidung zum Flughafen Frankfurt (vgl. BVerwGE 56, 110 [123 f.]) auf die luftverkehrsrechtliche Fachplanung übertragen hat. Als ein Mittel zur Bewältigung der anstehenden (Lärm-)Probleme gibt § 9 Abs. 2 LuftVG der Planfeststellungsbehörde die rechtliche Grundlage, mit der Verpflichtung eines Dritten, nämlich des Vorhabenträgers, das Ziel einer umfassenden und gerechten planerischen Abwägung zu erreichen. "Notwendig" im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG sind bestimmte Schutzvorkehrungen durch Dritte jedoch nur dann, wenn die Planfeststellungsbehörde sich abwägungsfehlerfrei nicht in der Lage sieht, die Problembewältigung durch eigene planerische Gestaltung zu leisten. Die Planfeststellungsbehörde hat abwägend darüber zu befinden, ob sie nicht schon selbst im Rahmen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten nach § 8 LuftVG (etwa durch die Anordnung der Landebah nen oder durch unmittelbar geltende Betriebsregelungen) die ihr aufgegebene Problembewältigung im erforderlichen Umfang zu leisten vermag. |
Noch ein weiterer Gesichtspunkt verbietet es, für Maßnahmen des Lärmschutzes allein § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG als Rechtsgrundlage heranzuziehen: Dem Vorhabenträger können aufgrund des § 9 Abs. 2 LuftVG nur solche Schutzmaßnahmen aufgegeben werden, die er gegenüber den Flughafenbenutzern (den Fluggesellschaften) in rechtlich zulässiger Weise durchzusetzen vermag. Diese Voraussetzung fehlt bei Lärmschutzmaßnahmen im Wege von Betriebsregelungen (Lärmkontingentierungen), wie sie das Berufungsgericht vorgesehen hat. Hierauf ist der Senat in seiner Entscheidung vom 30. Mai 1984 zum Flughafen München II (BVerwGE 69, 256 [276 ff.]) nicht eingegangen. Das Urteil des Berufungsgerichts gibt Anlaß, die Auffassung des Senats in diesem Punkt zu verdeutlichen:
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Der Senat hat ausgeführt, die Planfeststellungsbehörde könne zur Bekämpfung des Fluglärms durch Einschränkung des Flugbetriebs schon mit der Zulassung des Vorhabens eine dinglich wirkende Begrenzung der zulässigen Art der Benutzung oder der Flugkapazität aussprechen und damit - wie allgemein bei der Widmung von Sachen für öffentliche Zwecke - die öffentlich-rechtliche Eigenschaft der Sache rechtlich gestalten (vgl. § 35 Satz 2 VwVfG). Sie könne jedoch zu dem gleichen Zweck - besonders wenn dies nach Lage der Dinge sinnvoll und weniger einschneidend sei - dem Flughafenunternehmer einzelne betriebsregelnde Maßnahmen auferlegen und ihn damit anhalten, die für Flughafenbenutzer verbindliche Benutzungsordnung demgemäß auszugestalten. Solche betriebsregelnden Maßnahmen würden von § 9 Abs. 2 LuftVG und Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG umfaßt, obwohl dort nur von "Anlagen" oder "Vorkehrungen" als Gegenstand von Schutzmaßnahmen die Rede sei. Diese weit auszulegenden Begriffe erfaßten das gesamte Spektrum der in Betracht kommenden sachdienlichen Maßnahmen.
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An diese Ausführungen des Senats anknüpfend, hat das Berufungsgericht die von ihm entwickelte Lärmkontingentierung als Schutzauflage nach § 9 Abs. 2 LuftVG i.V.m. Art. 74 Abs. 2 BayVwVfG konzipiert. Dies ist jedoch rechtlich nicht zu billigen. Selbst wenn auch betriebsregelnde Maßnahmen generell als "Vorkehrungen" i. S. d. genannten Vorschriften zu bewerten sind, so dürfen sie dem Flughafenunternehmer jedoch nur insoweit auferlegt werden, wie er zu deren Umsetzung rechtlich in der Lage ist. Zu erwägen wäre beispielhaft eine ihm mögliche (indirekte) Steuerung des Flugbetriebs durch die Staffelung der Benutzungsgebühren, etwa nach Lautstärke der startenden und landenden Luftfahrzeuge. Darum geht es hier freilich nicht, sondern um eine Lärmkontingentierung, die auf unmittelbar kapazitätssteuernden Koordinierungseckwerten beruht, wie sie das Berufungsgericht in seiner angegriffenen Entscheidung entwickelt hat. Dazu ist der Flughafenunternehmer nicht befugt. Es ist vielmehr der Planfeststellungsbehörde selbst überantwortet, zum Zwecke der ihr obliegenden Problembewältigung eine Betriebsregelung in Form einer allgemeinen Auflage anzuordnen, wie sie für die luftrechtliche Genehmigung in § 6 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ausdrücklich vorgesehen ist und wie sie - und zwar vorrangig -auch im Rahmen der Planfeststellung festgelegt werden kann (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG). Als Beispiel sei insoweit auf die mit dem Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 eingeführte Nachtflugregelung verwiesen. Hierdurch ist nicht etwa die Beigeladene zu 1 als künftige Betreiberin des Flughafens verpflichtet worden, Schutzvorkehrungen nach § 9 Abs. 2 LuftVG zu treffen, sondern es ist eine Betriebsregelung in Form einer allgemeingültigen Auflage ausgesprochen worden. Die vom Berufungsgericht vorgesehene Lärmkontingentierung im Rahmen des Tagschutzes kann aus den genannten Gründen ebenfalls allein in dieser rechtlichen Form ergehen. Rechtsgrundlage ist § 8 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG. |
Ausgehend von seinem Ansatz einer Schutzauflage nach § 9 Abs. 2 LuftVG hat das Berufungsgericht den Beklagten auf eine planerische Bewältigung des Fluglärms im Wege einer Lärmkontingentierung am Tag festgelegt. Dies verletzt in formeller wie in materieller Hinsicht Bundesrecht, weil es in die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde eingreift (§ 8 Abs. 1 LuftVG) und damit zugleich den Rahmen der gerichtlichen Befugnisse (§ 113 Abs. 4 VwGO) überschreitet.
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Die Bewältigung des Problems der durch den Betrieb des Flughafens München II entstehenden Lärmbeeinträchtigung für die umliegende Bevöl kerung ist Bestandteil jener planerischen Gestaltungsfreiheit, welche die gesetzliche Ermächtigung zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung in materieller Hinsicht zum Inhalt hat. Die planerische Gestaltungsfreiheit unterliegt zwar, wie dargelegt, bestimmten rechtsstaatlich gebotenen Bindungen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die planerische Entscheidung, wie sie im Planfeststellungsbeschluß ihren Niederschlag findet, in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Eine solche uneingeschränkte Überprüfbarkeit ist mit der eigenverantwortlichen Planungshoheit der Behörde nicht vereinbar. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht lediglich zu prüfen, ob die aufgezeigten Bindungen rechtsstaatlicher Planung eingehalten sind, nicht dagegen, auf welche Weise bei einer etwaigen Verletzung solcher Bindungen rechtsfehlerfrei hätte geplant werden können (vgl. Urteil des Senats vom 25. Februar 1988 - BVerwG 4 C 32 und 33.86 - DVBl. 1988, 844 [845]); Kühling, Fachplanungsrecht, S. 180). Erst recht wird die gerichtliche Kontrollbefugnis überschritten, wenn die Planfeststellungsbehörde auf bestimmte Planungsergebnisse festgelegt werden soll. |
Ist die Frage der Bewältigung des durch den Flughafenneubau aufgeworfenen Lärmproblems Bestandteil der planerischen Abwägung, kommt eine gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung zur Planergänzung durch bestimmte Schutzauflagen an den Flughafenunternehmer nach § 9 Abs. 2 LuftVG so lange nicht in Betracht, wie es sich dabei nicht um die einzig rechtmäßige Möglichkeit planerischer Problembewältigung handelt. Übrigens steht auch in dem Fall, daß unzumutbarer Lärm einzig durch Schutzauflagen zu vermeiden ist, die Festlegung der konkreten Schutzmaßnahmen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Planfeststellungsbehörde. Auch dies schließt die verwaltungsgerichtliche Verurteilung der Planfeststellungsbehörde zur Anordnung einer nach Art und Wirkungsweise bestimmten Schutzauflage im Regelfall aus.
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Die Berufungsentscheidung erweist sich nicht im Ergebnis deshalb als richtig, weil die von der Planfeststellungsbehörde zu leistende Problembewältigung auch unter Berücksichtigung der vorrangigen planerischen Gestaltungsfreiheit in rechtlich fehlerfreier Weise allein durch die vom Berufungsgericht festgelegte Lärmkontingentierung erfolgen könnte, sich mithin der im Regelfall bestehende subjektiv-rechtliche Anspruch der Klä ger auf fehlerfreie planerische Abwägung im Hinblick auf ihre Planergänzungsansprüche ausnahmsweise zu einem Rechtsanspruch auf Festsetzung einer bestimmten Schutzmaßnahme verdichtet hätte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn aktiven Schallschutzmaßnahmen nach Art der vom Berufungsgericht vorgesehenen Lärmkontingentierung ein solches Gewicht zukäme, daß auf sie nicht ohne Verstoß gegen die Grundsätze rechtsstaatlicher Planung zugunsten anderer aktiver oder auch passiver Schallschutzmaßnahmen verzichtet werden dürfte. Eine solche Einschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit ist jedoch im vorliegenden Fall, insbesondere im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, nicht anzunehmen. |
Soweit das Berufungsgericht unter Hinweis auf eine örtliche Ausnahmesituation (schlagartiges Einsetzen von Fluglärm in einer davon noch unberührten Gegend, verhältnismäßig hoher Anteil sog. "lauter" Flugzeuge) zu dem Ergebnis kommt, eine Lärmkontingentierung entspreche den rechtlichen Anforderungen, so vermag dies weder im Rahmen des - verfehlten - Ansatzes nach § 9 Abs. 2 LuftVG noch - aus zutreffender Sicht - im Hinblick auf die planerische Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde die in der angegriffenen Entscheidung getroffene Festlegung zu rechtfertigen. Bei dem vom Berufungsgericht beschriebenen Szenarium handelt es sich um die Situation, welche die Planfeststellungsbehörde typischerweise bei der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für einen neuen internationalen Großflughafen vorfindet.
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Was einen angeblichen Vorrang aktiver vor passiver Lärmschutzmaßnahmen angeht, so hat das Berufungsgericht zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß passiver Schutz in Form von Schallschutzfenstern nicht davor schützt, bei gelegentlichem Offnen der Fenster sowie vor allem im sog Außenwohnbereich und im sonstigen Wohnumfeld von erheblichem Fluglärm betroffen zu werden. Dies bedeutet jedoch in rechtlicher Hinsicht nicht mehr, als daß dieser Aspekt in die planerische Abwägung einzubeziehen und rechtsfehlerfrei "zu bewältigen" ist. Eine generelle Reduzierung der planerischen Gestaltungsfreiheit zur Lösung des damit verbundenen Interessenkonflikts auf eine Verpflichtung zu aktivem Lärmschutz im Sinne eines absoluten Vorrangs von Schutzmaßnahmen zugunsten der Außenwohnbe reiche läßt sich schon deshalb nicht begründen, weil deren Schutzbedürftigkeit je nach ihrer Lage und bestimmungsgemäßen Nutzung höchst unterschiedlich sein kann (vgl. Urteil des Senats vom 11. November 1988 -BVerwG 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6). Hinzu kommt, daß aktiver Lärmschutz in Form von betriebsregelnden Lärmkontingenten seinerseits abwägungserhebliche und damit zu bewältigende Probleme auslöst; er beeinträchtigt im Hinblick auf seine kapazitätsbeschränkende Wirkung möglicherweise den Widmungszweck des betreffenden Flughafens oder berührt internationale Übereinkommen über die Zuteilung von Fluglinien. Dabei handelt es sich ebenso um abwägungserhebliche Belange von erheblichem Gewicht wie bei der Schutzbedürftigkeit der Außenwohnbereiche, zumal die Planfeststellungsbehörde nicht zu planwidrigen Festsetzungen gezwungen werden kann, wenn und soweit etwa betriebsregelnde Lärmkontingentierungen dem Widmungszweck widersprechen. Schließlich gehört es ebenfalls zum Bereich der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde, sich für eine der verschiedenen Möglichkeiten der Gewährung aktiven Lärmschutzes (Ausgestaltung des Vorhabens, betriebliche Regelungen, Festlegung bestimmter Flugwege, deutlich höhere Benutzungsgebühren für "laute" Flugzeuge) je nach den konkreten Erfordernissen und rechtlichen Möglichkeiten zu entscheiden oder auch die aktiven Lärmschutz bewirkenden Entscheidungen anderer Stellen bei ihrer Prüfung, ob (weiterer) aktiver Schutz zu gewähren ist, in die Abwägung einzubeziehen. |
b) Soweit den Klagen auf Verpflichtung des Beklagten zur Planergänzung in Form aktiven Lärmschutzes am Tag durch Betriebsregelungen jedenfalls auch das Begehren auf Verpflichtung zur (abwägungsfehlerfreien) Neubescheidung über diese Planergänzungsansprüche zu entnehmen ist, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
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Die Klagen sind auch insoweit unbegründet.
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Die Planfeststellungsbehörde hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt, daß aktiver Lärmschutz durch Betriebsregelungen in die planerisch gestaltende Bewältigung der Lärmschutzproblematik einzubeziehen ist. Eine Behörde, die sich von vornherein ohne Abwägung der widerstreitenden Belange allein auf passiven Schallschutz beschränken und die Betroffenen, soweit sie trotzdem unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt bleiben, auf Entschädigungszahlungen verweisen würde (vgl. Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG), müßte sich den Vorwurf einer unzureichenden und damit fehlerhaften planerischen Problembewältigung gefallen lassen. In diesem Zusammenhang fällt besonders ins Gewicht, daß für die Außenwohnbereiche allein aktive Schutzmaßnahmen geeignet sind, die Lärmbelastung zu senken. |
Diesen Erfordernissen trägt der Planfeststellungsbeschluß letztlich hin reichend Rechnung (wird ausgeführt).
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Die Planfeststellungsbehörde hat die Regelung der luftrechtlichen Genehmigung unter Lärmschutzgesichtspunkten in ihre Abwägung einbezogen, wenn sie im Zusammenhang mit der Beeinflussung der "Lärmsituation" davon spricht, die 62 dB(A)-Linie begrenze die Flughafenkapazität auf ca. 750 Bewegungen. Sie war nicht gehalten, die Lärmschutzregelungen der Genehmigung ausdrücklich in den Planfeststellungsbeschluß aufzunehmen Die luftverkehrsrechtliche Genehmigung nach § 6 Abs. 1 LuftVG und die gemäß § 8 Abs. 1 LuftVG erforderliche Planfeststellung haben zwar einen jeweils eigenen Regelungsbereich, sie sind aber (bei den planfeststellungsbedürftigen Flugplätzen) in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren sachlich und verfahrensmäßig miteinander verzahnt (BVerwGE 56, 110 [135], vgl. ferner Urteil vom 20. November 1987 - BVerwG 4 C 39.84 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 17). § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG verlangt die Ergänzung oder Änderung der Genehmigung nur dann, wenn dies nach dem Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens (§§ 8 bis 10 LuftVG) notwendig ist. Soweit Lärmschutz etwa schon durch die Betriebsregelungen der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung bewirkt wird, darf die Planfeststellungsbehörde hiervon ausgehen. Es kommt dann nur darauf an, ob die "Problembewältigung" damit bereits gelungen ist oder zusätzliche Schutzmaßnahmen aktiver oder passiver Art erfordert. Gegenstand der inhaltlichen Überprüfung durch das Gericht ist die durch die beiden miteinander verzahnten Verwaltungsentscheidungen getroffene Gesamtregelung. Der prozessuale Aufhebungsanspruch (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist freilich im Falle eines mehrstufigen Verwaltungsverfahrens allein auf die abschließende Verwaltungsentscheidung zu richten, also gegen den Planfeststellungsbeschluß, in dem die Genehmigung ihren verbindlichen Niederschlag findet (so schon BVerwGE 56, 110 [137] mit weiteren Hinweisen). |
Indem die Planfeststellungsbehörde es hinsichtlich des aktiven Lärmschutzes am Tag durch Betriebsregelungen in der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung hat bewenden lassen, ohne zusätzliche eigene Regelungen zu treffen, hat sie weder die Bedeutung der widerstreitenden Belange verkannt noch den Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen, die zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (wird ausgeführt).
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c) Von Seiten der Kläger wird ferner für das Wochenende sowie an Feiertagen besonderer Lärmschutz in Form zusätzlicher Betriebsregelungen für diese Zeiträume begehrt. Das bleibt erfolglos. Der Planfeststellungsbeschluß läßt auch insoweit Fehler weder im Abwägungsvorgang noch im Abwägungsergebnis erkennen.
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Indem die Planfeststellungsbehörde auf zusätzliche Lärmschutzvorkehrungen durch Betriebsregelungen am Wochenende bzw. an Feiertagen über diejenigen der luftrechtlichen Genehmigung hinaus verzichtet hat, hat sie die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Zeiträume als abwägungserheblichen Belang mit besonderem Gewicht nicht verkannt. Zwar ist vor allem für Sonn- und Feiertage von einem allgemein erhöhten Ruhebedürfnis der Bevölkerung auszugehen. Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf die am Wochenende verstärkte Nutzung der Außenwohnbereiche zur Erholung und Entspannung. Gleichwohl kann auch in diesem Zusammenhang der durch die Planung vorgegebene Widmungszweck des Vorhabens nicht außer Betracht gelassen werden. Die Erfordernisse eines internationalen Großflughafens müssen bei der gebotenen Abwägung in besonderer Weise berücksichtigt werden, soll die gesamtplanerische Entscheidung nicht als in sich widersprüchlich erscheinen. Deshalb hat die Planungsbehörde in der Planbegründung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise besonderes Gewicht auf die Bedürfnisse des Charterverkehrs gerade am Wochenende (z.B. Urlaubsflüge) gelegt. Aber auch die Interessen des normalen Linien verkehrs dürfen hierbei berücksichtigt werden. Die Gewährleistung eines internationalen Flugverbindungsnetzes erfordert die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs auf einem Flughafen des geplanten Zuschnitts auch am Wochenende und an Feiertagen, die häufig auf örtlichen oder nationalen Besonderheiten beruhen. Insofern unterscheidet sich die Situation von Flughafenanwohnern nicht grundsätzlich von derjenigen, welche sich Anlieger anderer Verkehrsadern mit überregionaler oder gar grenzüberschreitender Bedeutung (etwa Hauptstrecken der Deutschen Bundesbahn oder Bundesautobahnen) ausgesetzt sehen. Auch dort verbietet es die Funktion dieser Verkehrsanlagen weitgehend, generelle Beschränkungen am Wochenende und an Feiertagen einzuführen. |
Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, daß die Planfeststellungsbehörde dem Wochenende und den Feiertagen keinen besonderen, zusätzlichen Schutz im Rahmen ihrer planerischen Abwägung eingeräumt hat. Daran ändert auch nichts, daß das Grundgesetz (Art. 140 in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung [WRV) und auch der einfache Gesetzgeber der Sonn- und Feiertagsruhe besonderen Schutz angedeihen lassen.
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1.2 Sonstige Betriebsregelungen
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Soweit das Berufungsgericht Klagen, gerichtet auf sonstige Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes, abgewiesen hat, erweist sich dies als im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
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Die Kläger begehren zusätzliche Betriebsregelungen, wonach Starts und Landungen sowie Bewegungen auf den Rollfeldern und Probeläufe so durchzuführen seien, daß alle Möglichkeiten zur Minderung des Triebwerks- und Motorenlärms sowie aerodynamische Geräusche ausgeschöpft werden; teilweise begehren sie auch die Aufnahme von Flugbetriebsregelungen und Flugbetriebsbeschränkungen sowie die Festlegung von Flugrouten zur Verringerung der Lärmbeeinträchtigung.
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Das Berufungsgericht hat solchen Schutz abgelehnt, weil dies den allgemeinen Regeln des internationalen Luftverkehrs widerspreche und örtliche Besonderheiten in dieser Hinsicht fehlten. Die Forderung der Kläger nach lärmmindernden Flugverfahren scheitere im übrigen daran, daß für ihre Erfüllung die Bundesanstalt für Flugsicherung zuständig sei. |
Die Revisionen der Kläger sind nicht begründet. Allerdings ist auch hier zunächst hervorzuheben, daß eine rechtliche Prüfung allein unter dem Gesichtspunkt von Schutzauflagen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, verfehlt ist. Vielmehr handelt es sich bei den von den Klägern begehrten lärmmindernden Maßnahmen ebenso wie bei der bereits erörterten Lärmkontingentierung um aktiven Lärmschutz in Form von Betriebsregelungen, welche nach § 8 Abs. 1 LuftVG von der Planfeststellungsbehörde ggf. in die abwägend-planerische Gestaltung des Vorhabens einzubeziehen sind. Dabei hat die Behörde im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit ein Gesamtkonzept zum Fluglärmschutz zu entwickeln. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Regelfall allein darauf, ob die rechtsstaatlichen Bindungen der planerischen Gestaltungsfreiheit von der Behörde beachtet worden sind. Das ist hier der Fall.
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Gemäß § 1 Abs. 2 der Luftverkehrsordnung (LuftVO) vom 14. November 1969 (BGBl. I S. 2117), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Juli 1986 (BGBl.1 S. 1097), darf der Lärm, der beim Betrieb eines Luftfahrzeugs verursacht wird, nicht stärker sein, als es die ordnungsgemäße Führung oder Bedienung unvermeidbar erfordert. Schon daraus folgt, daß beim Flugbetrieb auch im Bereich des Flughafens alle Möglichkeiten zur Minderung des Triebwerks- und Motorenlärms usw. ausgeschöpft werden müssen. Sonstige Regelungen für die Durchführung des Flugplatzverkehrs fallen gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 LuftVO unter die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Flugsicherung, entziehen sich somit der Festsetzung durch die Planfeststellungsbehörde. Gleiches gilt für die Festlegung von Flugrouten (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23. März 1953 [BGBl.I S. 70], zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. September 1980 [BGBl. I S. 1729]). Im Hinblick auf diese Aufgabenverteilung hat die Planfeststellungsbehörde sich in ihrer Entscheidung ausdrücklich eine nachträgliche Überprüfung und ggf. Anordnung weiterer Schutzmaßnahmen vorbehalten. Gegen eine solche Regelung im Planfeststellungsbeschluß bestehen schon im Hinblick auf die ausdrückliche gesetzliche Zulassung in Art. 74 Abs. 3 BayVwVfG keine Bedenken (vgl. dazu im übrigen den Beschluß des Senats vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 CB 1.90 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10). |
Schließlich bestand für die Planfeststellungsbehörde auch keine Veranlassung, "flugtechnische Verbesserungen" - gemeint ist damit offenbar aktiver Lärmschutz in Form einer Verbesserung des Fluggeräts - in ihre abwägend-planerische Gestaltung des Vorhabens aufzunehmen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 LuftVG wird ein Luftfahrzeug u.a. zum Verkehr nur zugelassen, wenn die technische Ausrüstung so gestaltet ist, daß das durch seinen Betrieb entstehende Geräusch das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt; nach § 32 Abs. 1 Nr. 15 LuftVG erläßt der Bundesminister für Verkehr mit Zustimmung des Bundesrats die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Rechtsverordnungen u.a. über den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm, insbesondere durch Maßnahmen zur Geräuschminderung am Luftfahrzeug, beim Betrieb von Luftfahrzeugen am Boden, beim Starten und Landen und beim Überfliegen besiedelter Gebiete einschließlich der Anlagen zur Messung des Fluglärms und zur Auswertung des Meßergebnisses (vgl. näher auch § 3 Abs. 1 Nr. 2 b der Luftverkehrs-Zulassungsordnung [LuftVZO] vom 13. März 1979 [BGBl. I S. 308], zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Juli 1986 [BGBl. I S. 1097]). Gemäß § 10 Abs. 4 LuftVZO erteilt die Zulassungsbehörde für das Luftfahrgerät bei der Verkehrszulassung ein Lärmzeugnis nach Anlage 1, Muster 1 a, wenn die Einhaltung der nach § 3 Abs. 2 LuftVZO bekanntgegebenen Lärmgrenzwerte durch Übereinstimmung des Luftfahrgeräts mit dem Muster oder durch die Bescheinigung nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 LuftVZO nachgewiesen wird. Wegen der technischen Standards hat das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig zuletzt unter dem 1. Januar 1989 (BAnz. Nr. 42 a) Lärmschutzanforderungen für Luftfahrzeuge (LSL 1989) aufgestellt.
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Ergibt sich aus den vorstehenden Regelungen mit hinreichender Klarheit die fehlende Kompetenz der Planfeststellungsbehörde, ihrerseits (zusätzliche) Anforderungen an die Ausstattung des Fluggeräts unter Lärmschutzgesichtspunkten zu stellen, so gehen auch Angriffe eines Teils der Kläger fehl, es liege eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 38 Abs. 1 BImSchG vor, weil technische Verbesserungen des Geräts über den jeweiligen Stand der Technik in Form der jeweiligen Lärmzertifi kate gemäß dem Anhang 16 des ICAO-Abkommens hinaus abgelehnt worden seien. Selbst wenn sich die entsprechenden Regelungen im Luftverkehrsgesetz sowie in der Luftverkehrs-Zulassungsordnung vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgabe (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluß vom 14.Januar 1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54 [79]) als unzureichend erweisen würden, würde daraus allenfalls eine Pflicht des Normgebers zur "Nachbesserung" folgen. Es ist nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, einer gesetzlichen Regelung vorzugreifen. Jedenfalls kann ihr auf diese Weise ein Abwägungsfehler und damit die Rechtswidrigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses nicht angelastet werden. |
2. Passiver Lärmschutz für den Tag
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Die in der Nachbarschaft des Flughafens zu erwartenden Lärmprobleme sind nicht schon durch die planerische Gestaltung des Vorhabens selbst (Dimensionierung und Konfiguration der Anlagen, aktiver Lärmschutz durch Betriebsregelungen) hinreichend zu bewältigen. Daher hat die Planfeststellungsbehörde dem Flughafenunternehmer aufgegeben, seinerseits durch Schallschutzvorrichtungen an den betreffenden Gebäuden (passiven) Lärmschutz zu gewährleisten. Rechtsgrundlage dafür ist § 9 Abs. 2 LuftVG i.V.m. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Ob die im Einzelfall von der Behörde angeordnete Maßnahme zu der gebotenen Problembewältigung ausreicht, unterliegt- anders als die vorab erörterte Planung des Vorhabens einschließlich der verschiedenen Möglichkeiten des aktiven Lärmschutzes - nicht der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Lärmeinwirkungen des Flughafens für die betroffenen Grundstücke als "Nachteile" im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG anzusehen sind und deshalb die Notwendigkeit der Anordnung von Schutzanlagen nach sich ziehen, hat der Senat bereits mehrfach Stellung genommen (vgl. BVerwGE 56, 110 [131]; 69, 256 [275]).
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2.1 Erweiterung des Tagschutzgebietes
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Soweit das Berufungsgericht das im Planfeststellungsbeschluß ausgewiesene Tagschutzgebiet (betreffend passiven Lärmschutz insbesondere durch Lärrnschutzfenster) erweitert und auf diese Weise eine Reihe von Klägern mit ihren Grundstücken in den Kreis der durch Lärmschutzauflagen Begünstigten zusätzlich einbezogen hat, verletzt es Bundesrecht. Soweit die Kläger mit ihren Sachanträgen die Einbeziehung ihrer Grundstücke in das Tagschutzgebiet begehren, sind die Klagen abzuweisen. |
a) Der Planfeststellungsbeschluß sieht in seinem verfügenden Teil vor, daß die Beigeladene zu 1 auf Antrag des Eigentümers eines innerhalb des Tagschutzgebietes gelegenen Grundstücks, auf dem im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses ein Gebäude errichtet oder bauaufsichtlich genehmigt ist, für Schallschutzvorrichtungen an Aufenthaltsräumen Sorge zu tragen hat. Die Schallschutzvorrichtungen haben zu gewährleisten, daß durch An- und Abflüge im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern keine höheren Schallpegel als 55 dB(A) auftreten.
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Das Berufungsgericht hält das Kriteriensystem des Planfeststellungsbeschlusses zur Bestimmung des Tagschutzgebiets für ungeeignet. Es hat die Grenze des Tagschutzgebiets neu berechnen lassen. Die dabei verwandten Berechnungsgrundlagen verletzen in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht, so daß die Neubestimmung des Tagschutzgebiets durch das Berufungsgericht keinen Bestand haben kann.
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(1) Das Berufungsgericht hat für die Neubestimmung des Tagschutzgebiets mangels verbindlicher Festlegung der Flugrouten den zum damaligen Zeitpunkt neuesten Prognosestand in Form einer amtlichen Auskunft der Bundesanstalt für Flugsicherung vom 29. März 1989 zugrunde gelegt Ferner hat das Berufungsgericht auch die Annahmen der Planfeststellungsbehörde über die Verteilung des Verkehrs auf die Start- und Landebahnen und auf die Flugrouten "aktualisiert".
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Dieses Vorgehen des Berufungsgerichts verletzt §§ 113 Abs. 4, 114 VwGO. Die für die Bestimmung der Schutzgebietsgrenzen bedeutsame Festlegung der Flugrouten erfolgt üblicherweise kurze Zeit vor Inbetriebnahme des Flughafens durch die Bundesanstalt für Flugsicherung; weder beim Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses noch zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung waren demzufolge die endgültigen Flugrouten bekannt Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb ihrer Schutzgebietsausweisung hinsichtlich der angenommenen Flugrouten die Vorgaben der luftrechtlichen Genehmigung zugrunde gelegt und sich die daraus entwickelte Pro gnose durch die Bundesanstalt für Flugsicherung als realistisch bestätigen lassen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß eine solche behördliche Prognoseentscheidung nur in eingeschränkter Form der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese bezieht sich allein darauf, ob die zugrundegelegte Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodisch fachgerecht erstellt wurde (vgl. hierzu BVerwGE 72, 282 [286]; 75, 214 [234]; Beschluß vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 CB 1.90 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10). Mit einer derart eingeschränkten Kontrolldichte ist es unvereinbar, wenn ein Verwaltungsgericht seine eigene Prognose an die Stelle derjenigen der Behörde setzt. |
Die vom Berufungsgericht für seine Auffassung angeführten Gründe rechtfertigen auch im vorliegenden Fall keine Ausnahme. Es trifft zwar zu, daß der Schutz gewährt werden muß, der bei Inbetriebnahme der Anlage speziell im Hinblick auf die sodann festgelegten Flugrouten letztlich benötigt wird. Diese abzuschätzen oder die bisherigen Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde (vorläufig) zu aktualisieren, ist aber nicht Aufgabe des Gerichts. Auch Gründe der Prozeßökonomie greifen hier nicht durch. Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht dazu auf die Entscheidung des Senats vom 25. März 1988 - BVerwG 4C 1.85 - (Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 73 = NVwZ 1989, 252 [253]). Denn in jenem Fall ging es nicht um eine behördliche Prognose über die zukünftige Lärmentwicklung an einer ausgebauten Straße, sondern um die Einbeziehung der bereits eingetretenen Lärmzunahme infolge einer Verdoppelung des Verkehrsaufkommens bei der erneuten Entscheidung über die Planergänzungsanträge. Im übrigen greifen Gründe der Prozeßökonomie für die vom Berufungsgericht vorgenommene Angleichung schon deshalb nicht, weil es sich auch dabei nur um eine vorläufige Angleichung handeln kann. Denn endgültig festgelegt werden die Flugrouten erst später durch die Bundesanstalt für Flugsicherung.
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Schließlich besteht auch deshalb kein Anlaß für eine gerichtliche Prognose, weil die Planungsbehörde selbst der Vorläufigkeit ihrer zugrundegelegten Annahmen bezüglich der Flugrouten Rechnung getragen und demzufolge in rechtlich zulässiger Weise im Planfeststellungsbeschluß einen Vorbehalt nachträglicher Anordnungen und einer Überprüfung der Fluglärmemissionen vorgesehen hat. Es steht dem Gericht nicht zu, zwischenzeitlich mit einem erheblichen und kostenträchtigen Ermittlungsaufwand eine eigene Prognose über die zu erwartenden Flugrouten zu entwickeln, von der ebensowenig feststeht, ob sie eine endgültige Beurteilungsgrundlage für die Schutzgebietsausweisung bilden kann. |
(2) Bei der Neuermittlung des Tagschutzgebietes hat das Berufungsgericht ferner die tatsächliche Vorbelastung weitgehend außer Betracht gelassen; die vorhandene Belastung durch den militärischen Fluglärm des Flugplatzes E. dagegen hat es zu dem prognostizierten Fluglärm des Flughafens München II logarithmisch addiert. Dies hat es unter Hinweis auf den Grundsatz des Immissionsschutzes begründet, wonach gleichartige Lärmquellen additiv betrachtet werden müßten, was zu einer Art Verantwortungsgemeinschaft der Emittenten führe. Die Vorbelastung bleibe nur dann außer Betracht, wenn sie so stark überwiege, daß ihre Hinzurechnung zu der neuen Lärmquelle diese ungebührlich und ohne Bezug auf die tatsächlichen Störwirkungen benachteiligen würde. Bei sog. ungleichartigen Lärmquellen (vor allem Straßenverkehrs- und Gewerbelärm) ist nach Auffassung des Berufungsgerichts dagegen die Nichtberücksichtigung die Regel; anders sei dies nur, wenn die Vorbelastung in einem solchen Maße überwiege, daß sie trotz ihrer Ungleichartigkeit die gesamte Lärmsituation präge und ein auf die neue Lärmquelle bezogener Lärmschutz hauptsächlich vor der alten schützen würde.
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Das Konzept des Berufungsgerichts zur Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung verletzt § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG.
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Der Senat hat in seiner Entscheidung zum Flughafen Frankfurt (BVerwGE 56, 110 [131]) hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Lärmeinwirkungen eines Flughafens für die betroffenen Grundstücke als "Nachteile" im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG anzusehen sind, auf seine Rechtsprechung zu der in ihrer früheren Fassung im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 17 Abs. 4 FStrG Bezug genommen (vgl. BVerwGE 51, 15 [29 ff.]). In diesem Sinne sind solche Verkehrsgeräusche "erheblich", die der jeweiligen Umgebung mit Rücksicht auf deren durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden können. Für die tatsächlichen Verhältnisse spielen dabei neben der Gebietskategorie auch "Geräuschvorbelastungen" eine wesentliche Rolle. Danach ist ein Grundstück gegenüber einem Planvorhaben um so schutzwürdiger, je weniger es durch bereits vorhandene Störfaktoren tatsächlich belastet ist. Das bedeutet umgekehrt, daß sich eine tatsächliche Lärmvorbelastung eines Grundstücks schutzmindernd auswirkt. |
An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Die Planfeststellungsbehörde hat bei der Ermittlung des Tagschutzgebiets (67 dB [A]-Lärmgrenze) die von ihr in der Flughafenumgebung angenommene tatsächliche Vorbelastung als schutzmindernd berücksichtigt. Die gegen diese "subtraktive Betrachtungsweise" vorgetragenen Erwägungen des Berufungsgerichts vermögen nicht zu überzeugen. Soweit es dabei für die Frage der tatsächlichen Vorbelastung auf das Kriterium der Kausalität abgestellt hat, ist dies zwar im Ansatz zu billigen, vermag jedoch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht zu stützen. Die Erheblichkeit des beanstandeten Lärms ist zunächst daran zu messen, ob und wieweit er für die Beeinträchtigung ursächlich ist; denn wenn der neue Lärm die bisherige Lärmsituation nicht oder nur unwesentlich verschlechtert, scheidet eine ausgleichspflichtige "erhebliche" Beeinträchtigung von vornherein aus. Schutzvorkehrungen sind danach nur dann zu treffen, wenn und soweit durch die hinzutretenden Lärmimmissionen der Pegel des nunmehr auftretenden Gesamtgeräuschs den früher vorhandenen Lärmpegel in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche und auch unzumutbare Belastung liegt (vgl. zuletzt Beschluß des Senats vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 CB 1.90 - a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Allgemeine Billigkeitserwägungen, wonach ein durch seine emissionsträchtige Umgebung vorbelastetes Grundstück erst recht schutzwürdig und -bedürftig sei, sind nach der Gesetzeslage nicht ausschlaggebend. § 9 Abs. 2 LuftVG dient einem konkreten, vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltenen Ausgleich widerstreitender Interessen des Flughafenunternehmers einerseits und der Anlieger andererseits. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen Gefahren bzw. Nachteile, die von dem Flughafen auf seine Umgebung ausgehen können und insofern im Flughafenbetrieb ihre Ursache haben, speziell dem Vorhabenträger mit der Folge zuzurechnen sind, daß er zu ihrer Abwendung oder doch zu ihrer Verminderung verpflichtet werden kann (vgl. zum inhaltsgleichen § 17 Abs. 4 FStrG a.F. BVerwGE 52, 226 [236]). Diese Ermächtigung, den Vorhabenträger zu Maßnahmen zu verpflichten, die das planfestzustellende Unternehmen notwendig macht, folgt dem Verursacherprinzip. Die demgegenüber vom Berufungsgericht angenommene "Verantwortungsgemeinschaft der Emittenten" entspricht nicht dieser gesetzlichen Regelung. Obwohl demnach Vorbelastungen der genannten Art die Schutzwürdigkeit eines Grundstücks generell mindern, ist im Einzelfall bei gegebenem Anlaß weiter zu prüfen, wie sich der konkrete zusätzliche Lärm zu der vorbelasteten Situation verhält. Beispielsweise mag der Umstand, daß die betroffenen Grundstücke zuvor schon einer beträchtlichen (wenngleich noch nicht schweren und unerträglichen) Vorbelastung ausgesetzt waren und deshalb gegenüber einer auch nur geringen Geräuschzunahme in besonderem Maße empfindlich sind, für die Beurteilung, ob eine solche Erhöhung beachtlich und ob sie billigerweise nicht mehr zumutbar ist, durchaus eine Rolle spielen (BVerwGE 59, 253 [268]). |
b) Soweit die Kläger die Einbeziehung ihrer Grundstücke in ein gegenüber dem Planfeststellungsbeschluß neu zu bestimmendes Tagschutzgebiet beantragen, sind ihre Klagen jedenfalls unbegründet.
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Die Kläger haben keinen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Neubestimmung des Tagschutzgebiets unter Einbeziehung ihrer Grundstücke (§ 113 Abs. 5 VwGO n.F.). Es fehlt ihnen insoweit an einem subjektiv-öffentlichen Recht auf Erweiterung des von der Planfeststellungsbehörde festgesetzten Tagschutzgebiets.
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Die Planfeststellungsbehörde war nicht verpflichtet, zum Zwecke der Festlegung von Schutzauflagen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG überhaupt das Modell eines Schutzgebiets zu verwenden. Vielmehr genügt es, daß der Kreis der Schutzberechtigten mit der Angabe des Schutzziels als Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze nach den genannten Bestimmungen individuell oder auch generalisierend bezeichnet wird. Die Ausweisung eines Schutzgebietes im Planfeststellungsbeschluß hat allein die verwaltungspraktische Funktion, den Betroffenen konkret zu vermitteln, wer von ihnen anhand der durch das Schutzziel beschriebenen Zumutbarkeitsgrenze mit Ansprüchen auf Schallschutzmaßnahmen rechnen kann. |
Rechtsbegründend hierfür ist freilich nicht der Umstand, daß das jeweilige Grundstück innerhalb des im Planfeststellungsbeschluß ausgewiesenen Schutzgebiets liegt, sondern allein, daß die Lärmbelastung auf dem Grundstück das zumutbare Maß überschreitet. Daraus folgt, daß Anwohner, deren Grundstücke einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt sind, einen Anspruch auf Schutzmaßnahmen haben, auch wenn sie nicht innerhalb des festgelegten Schutzgebiets liegen. Die Einbeziehung eines Grundstücks in ein Schutzgebiet ist daher für das Bestehen eines Schutzanspruchs nicht konstitutiv, sie gewährt lediglich einen "argumentativen Vorteil" bei der Durchsetzung eines solchen Anspruchs. Die Planungsbehörde geht in einer Art "Meistbegünstigung" davon aus, daß allen im Schutzgebiet liegenden Grundstücken Schallschutzmaßnahmen gewährt werden sollen.
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Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Aufhebung der Schutzgebietsausweisung im Planfeststellungsbeschluß.
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Für die Frage nach der gerichtlichen Überprüfung der Schutzgebietsausweisung ist von ihrer Funktion im Zusammenhang mit der Gewährung von Schutzansprüchen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG auszugehen. Besteht keine rechtliche Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, überhaupt ein entsprechendes Schutzgebiet auszuweisen, und kommt daher für den Fall, daß sich die Behörde etwa aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu einer solchen Festsetzung entschließt, der Gebietsausweisung für das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf passiven Lärmschutz keine konstitutive Bedeutung zu, so können für den gerichtlichen Prüfungsumfang nicht dieselben Maßstäbe gelten wie hinsichtlich der Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne der genannten Vorschriften in zutreffender Weise bestimmt hat. Der Planfeststellungsbehörde ist somit bei der Ausweisung des Schutzgebiets ein gewisser planerischer Spielraum zuzubilligen, die gerichtliche Überprüfung hat sich auf eine Plausibilitäts- und Mißbrauchskontrolle zu beschränken (wird ausgeführt). |
2.2 Passiver Lärmschutz durch Schallschutzvorrichtungen
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Soweit das Berufungsgericht das von der Planfeststellungsbehörde angenommene Schutzziel (im Regelfall 55 dB (A) im Rauminnern) grundsätzlich gebilligt, jedoch den Beklagten zur Festsetzung zusätzlicher Lärmschutzauflagen gegenüber der Beigeladenen zu 1 verpflichtet hat (betr. den Schutz der Schlafräume, Fragen der Belüftung und der Bebaubarkeit des Grundstücks als maßgeblichen Zeitpunkt), erweist sich die angegriffene Entscheidung - mit einer Ausnahme - als frei von Rechtsfehlern.
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a) Die Kläger streben im Wege der Planergänzung eine Erweiterung der im Planfeststellungsbeschluß der Beigeladenen zu 1 aufgegebenen Schallschutzmaßnahmen an. In rechtlicher Hinsicht wenden sich die Kläger dabei gegen die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene und vom Berufungsgericht bestätigte Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Dabei begegnet es keinen prozessualen Bedenken, daß die Kläger ihre Sachanträge auf konkrete Schutzmaßnahmen in Form von Schallschutzvorrichtungen (insbesondere Schallschutzfenster und -türen) gerichtet haben. Grundsätzlich unterliegt die Art und Weise der Bewältigung von Fluglärmproblemen zwar - wie ausgeführt wurde - der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde; zudem ist ihr im Hinblick auf die Auswahl konkreter Schutzauflagen ein Ermessensspielraum eingeräumt. Hier aber ist die Planfeststellungsbehörde davon ausgegangen, daß sie die Lärmprobleme in der gebotenen Weise nicht schon durch die eigene planerische Gestaltung des Vorhabens (einschließlich betrieblicher Regelungen) bewältigen kann. Sie selbst sieht dies allein im Wege der Auflage an die Beigeladene zu 1 als möglich an, mit der sie dieser aufgegeben hat, ihrerseits durch näher bezeichnete Schallschutzvorrichtungen an den betroffenen Gebäuden (Schallschutzfenster, schalldämmende Türen, zusätzliche bauliche Schallschutzelemente) zur Gewährleistung einer Lärmhöchstgrenze im Rauminnern zu sorgen. Deshalb können die Kläger, soweit sie sich zu Unrecht von dieser Schutzgewährung ausgeschlossen fühlen bzw. ihnen der gewährte Schutz nicht weit genug geht, unmittelbar auf Verpflichtung zur entsprechenden Planergänzung klagen. |
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belastung durch Fluglärm der Umgebung mit Rücksicht auf deren durch Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, der uneingeschränkten richterlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwGE 69, 256 [276]). Bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze ist die Annahme eines behördlichen Beurteilungsspielraums nicht gerechtfertigt. Zwar ist davon auszugehen, daß die Erheblichkeit einer Lärmbeeinträchtigung nicht allein in einem Meßwert quantifizierend angegeben werden kann, ohne hierbei zuvor wertende Einschränkungen und Rahmenbedingungen festzulegen. Der Lärm als ein auch sozial vermitteltes Geräuschereignis läßt sich nicht ausschließlich messen, sondern muß auch bewertet werden. Die "Zumutbarkeit" ist dementsprechend nach Maßgabe des Einzelfalls situationsbedingt und damit bewertend zu qualifizieren (vgl. BVerwGE 84, 31 [40]). Ferner sind Nachteile und Belästigungen durch (Straßen-)Verkehrslärm dann als "erheblich" anzusehen, wenn sie dem Betroffenen "auch unter Würdigung der besonderen Bedeutung eines leistungsfähigen Straßenverkehrsnetzes für die Allgemeinheit wie für den einzelnen billigerweise nicht mehr zugemutet werden sollen" (vgl. BVerwGE 71, 150 [155]). Mit diesen Hinweisen auf vorzunehmende Wertungen bzw. auf die Würdigung gegenläufiger Interessen wird freilich nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Zumutbarkeitsbegriff etwa im Wege einer planerischen Abwägung durch die jeweilige Behörde zu ermitteln wäre, woraus sich nach den allgemeinen Regeln eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte alsdann ergeben würde. Vielmehr handelt es sich dabei um die bei der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen typische Gegenüberstellung von Gesichtspunkten, wie sie bei einer interessenbezogenen Rechtsanwendung üblich ist.
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Beklagter und Beigeladene zu 1 können sich für ihre Auffassung auch nicht auf die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts berufen. Das gilt zum einen für die Entscheidungen zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG (vgl. BVerwGE 72, 300 [316]; BVerwGE 78, 177 [180 f.]). Die Risikoermittlung und -bewertung atomarer Anlagen sowie die Verantwortung der Folgen einer Fehleinschätzung hat eine offensichtlich andere Qualität als die Bewertung der Zumutbarkeit von Verkehrslärm. Das gilt zum anderen aber auch für die Entscheidungen des 7. Senats zur Lärmbelastung durch kirchliches Glockengeläut (BVerwGE 68, 62 [67]), durch eine Feueralarmsirene (BVerwGE 79, 254 [260]) sowie durch eine Sportanlage (BVerwGE 81, 197 [200]). Wenn dort - übrigens unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Verkehrslärm - ausgeführt wird, die Beurteilung der Erheblichkeit von Lärm setze eine Wertung voraus, die im Sinne einer "Güterabwägung" die konkreten Gegebenheiten zum einen der emittierenden Nutzung, zum anderen der immissionsbetroffenen Nutzung in Betracht zu ziehen habe, so wird damit der Behörde bei der Anwendung des immissionsschutzrechtlichen Zumutbarkeits- bzw. Erheblichkeitsbegriffs kein fachplanerischer Gestaltungsspielraum eingeräumt (vgl. dazu auch Gaentzsch, Anforderungen an genehmigungsbedürftige und nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen gemäß BImSchG und TA-Lärm in: Hans-Joachim Koch [Hrsg.], Schutz vor Lärm, 1990, S. 31 [37]). |
Der Planfeststellungsbeschluß hat der Beigeladenen zu 1 unter näheren Maßgaben aufgegeben, für Schallschutzvorrichtungen an Aufenthaltsräumen Sorge zu tragen. Die Schallschutz/Vorrichtungen haben zu gewährleisten, daß durch An- und Abflüge vom Flughafen München II im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern keine höheren Schallpegel als 55 dB(A) auftreten. In näher bezeichneten Gebieten, in denen der logarithmisch gemittelte Spitzenpegel im Freien auf Werte bis über 90 dB(A) ansteigen kann, ist neben der Gewährung einer Entschädigung wegen Nutzungsbeeinträchtigung der Außenwohnbereiche der Schallpegel im Rauminnern im Einzelfall bis auf 45 dB(A) mittels Schallschutzvorrichtungen herabzudämmen.
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Mit der Angabe dieser Schallpegel als Schutzziel hat die Planfeststellungsbehörde die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG konkretisiert. Das Berufungsgericht hat dies gebilligt. Hiergegen wenden sich die Kläger ohne Erfolg (wird ausgeführt).
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(1) Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 wenden sich gegen die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten, im Rahmen des Tagschutzes neben den Aufenthaltsräumen auch die Schlafräume in die Schallschutzmaßnahmen einzubeziehen. Die Frage der Einbeziehung der Schlafräume in den Tagschutz ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 kein Problem der planerischen Gestaltungsfreiheit bzw. des Auswahlermessens im Rahmen von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, daß sich die Planfeststellungsbehörde bezüglich des passiven Lärmschutzes auf Schallschutzvorrichtungen an Gebäuden festgelegt hat. Die Einzelheiten dieses Schutzes sowie seines speziellen Erfolges betreffen die vom Verwaltungsgericht umfassend nachzuprüfende Zumutbarkeitsgrenze. Die Einbeziehung der Schlafräume in den Tagschutz geht nicht etwa deshalb ins Leere, weil für die Schlafräume im Rahmen des Nachtschutzes ohnehin Schallschutzmaßnahmen vorgesehen sind, welche auf dasselbe Schutzziel (keine höheren Spitzenpegel als 55 dB(A) im Rauminnern) ausgerichtet sind. Denn die Vorkehrungen für die Gewährung von Nachtschutz können im Hinblick auf das insoweit unterschiedliche Ausmaß der Lärmbelastung - etwa weil nachts nur die leiseren Flugzeuge zugelassen sind - durchaus geringer sein als diejenigen für den Tagschutz. Im übrigen führt die Regelung des Planfeststellungsbeschlusses dazu, daß die Betroffenen in der Bestimmung des Nutzungszwecks der einzelnen Räume durch eine Gewährung unterschiedlichen Schallschutzes für die Zukunft festgelegt sind. Für einen solchen Eingriff in die persönliche Lebens- und Wohngestaltung lassen sich keine hinreichenden sachlichen Gesichtspunkte erkennen. Das Berufungsgericht weist ferner zutreffend darauf hin, daß auch am Tage Menschen auf einen möglichst störungsfreien Schlaf angewiesen sein können, und zwar dann unter den erhöhten Lärmbedingungen. Dem ist im Rahmen der Schallschutzmaßnahmen angemessen Rechnung zu tragen.
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(2) Beklagter und Beigeladene zu 1 rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts, soweit das Berufungsgericht die Gewährung von Tag schutz für Grundstücke ausgesprochen hat, die im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses bebaubar waren. Demgegenüber stellt der Planfeststellungsbeschluß darauf ab, ob auf dem betreffenden Grundstück ein Gebäude errichtet oder bauaufsichtlich genehmigt ist. |
Nach ständiger Rechtsprechung kann sich eine sog. plangegebene Vorbelastung auf Ansprüche nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG bzw. nach inhaltsgleichen Vorschriften der Fachplanungsgesetze als schutzmindernd auswirken (vgl. BVerwGE 51, 15 [32]; 59, 253 [264]; Urteil vom 11. November 1983 - BVerwG 4 C 40 und 41.80 - Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 5, BVerwGE 71, 150 [155]; 77, 285 [294]; Beschluß vom 5. Oktober 1990 -BVerwG 4 B 249.89 - NVwZ-RR 1991, 118). Sie liegt vor, wenn ein Anwohner aufgrund einer zwar noch nicht verwirklichten, aber bereits verfestigten Planung mit erhöhten Immissionen rechnen muß, da das Maß der zumutbaren Immissionen auch von der Lage des betroffenen Grundstücks abhängt. Diese Wirkung kann auch von einer noch nicht abgeschlossenen Planung ausgehen. Jedoch muß die Planung so weit verfestigt sein, daß der betroffene Grundeigentümer mit deren Verwirklichung und den daraus folgenden Belastungen rechnen muß (vgl. Kühling, Fachplanungsrecht, S. 120).
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Wann eine derartige Verfestigung eintritt, ist unterschiedlich zu beantworten. Entscheidend ist eine hinreichende Erkennbarkeit der planerischen Absichten einerseits und ein deutliches Maß an Ernsthaftigkeit des vorgesehenen Projekts andererseits. Für den Bereich der fachplanerischen Objektplanung wird als Zeitpunkt in der Regel die Auslegung der Planunterlagen im Anhörungsverfahren zu gelten haben (vgl. BVerwGE 71, 150 [156]) Hiervon kann für die luftverkehrsrechtliche Fachplanung eine Ausnahme geboten sein. Wenn das vorgeschaltete Genehmigungsverfahren gemäß § 6 LuftVG so gestaltet ist, daß eine hinreichende Erkennbarkeit der planeri-schen Absichten und ein deutliches Maß an Ernsthaftigkeit des vorgesehenen Projekts gegeben ist, kann auch darin die Verfestigung einer noch nicht abgeschlossenen Planung mit "vorbelastender" Wirkung liegen (vgl. Beschluß vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - a.a.O.). Freilich ist es der Planfeststellungsbehörde nicht verwehrt, - wie hier - zugunsten der Betroffenen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Planfeststellung abzustellen und den Lärmschutz zu gewähren, der nach dem Zustand des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt notwendig ist. |
Ausgehend von dem insofern maßgeblichen Zeitpunkt setzt die bebauungsrechtliche Situation auf dem Grundstück der schut2mindernden Wirkung einer plangegebenen Vorbelastung allerdings Grenzen. Ein Grundstück wird nämlich durch eine sich verfestigende Planung dann nicht mehr - mit der Folge einer Duldungspflicht gegenüber künftigem Lärm - vorbelastet, wenn die Planung ihrerseits auf eine vorhandene bebauungsrechtlich verfestigte Situation trifft. Eine solche Situation ist anzunehmen, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt der Verfestigung der Fachplanung bereits (insbesondere nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans) baulich nutzbar ist (vgl. BVerwGE 71, 150 [157]). Der Planfeststellungsbeschluß ist hiervon ohne hinreichende Begründung abgewichen. Daher hat das Berufungsgericht die Festsetzung des Planfeststellungsbeschlusses insoweit zu Recht aufgehoben und durch eine für die Kläger günstigere Regelung ersetzt, indem es - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zum allgemeinen Fachplanungsrecht - auf die Bebaubarkeit des Grundstücks abgestellt hat. Soweit der Beklagte das bebaubare Grundstück nur unter der Voraussetzung schützen will, daß die mögliche Nutzung auch in absehbarer Zeit verwirklicht wird, ist dem entgegenzuhalten, daß es insoweit allein auf die Situation des Grundstücks, nicht aber auf ein bestimmtes Verhalten der Grundstückseigentümer ankommen kann.
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II. Nachtschutz |
1. Aktiver Lärmschutz für die Nacht
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1.1 Zusätzliche Betriebsregelungen des Berufungsgerichts
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a) Indem das Berufungsgericht die durch den Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 festgelegte Beschränkung des nächtlichen Flugverkehrs durch eine eigene Lärmkontingentierung ergänzt und den Beginn der nahezu bewegungsfreien nächtlichen Kernzeit von 24.00 auf 23.00 Uhr vorverlegt hat, hat es in formeller und materieller Hinsicht Bundesrecht verletzt. Es hat den zulässigen Rahmen der gerichtlichen Kontrolldichte (§ 113 Abs. 4 VwGO a.F.) überschritten und in die planerische Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde eingegriffen (§ 8 Abs. 1 LuftVG). |
Das Berufungsgericht hat auch im Rahmen des Nachtschutzes die von ihm entwickelte zusätzliche Lärmkontingentierung sowie die Vorverlegung der nächtlichen Kernzeit als Schutzauflage im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG konzipiert. Dabei hat es verkannt, daß die im Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 festgesetzten Nachtflugregelungen keine an die Beigeladene zu 1 als Flughafengesellschaft gerichtete Verpflichtungen zur Vornahme entsprechender Schutzmaßnahmen, sondern Betriebsregelungen in Form einer allgemeingültigen Auflage darstellen (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 LuftVG). Die Festlegung solcher Betriebsregelungen für den Nachtschutz ist keine Trage der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG mit der Folge einer uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung, sondern Gegenstand der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde. Die rechtlichen Grenzen dieser Freiheit, die - wie dargelegt - generell durch die Anforderungen des Abwägungsgebots festgelegt sind, sind hier nicht etwa speziell für den Nachtschutz von vornherein enger gesetzt. Insbesondere haben die Betroffenen für diesen Zeitraum keinen Rechtsanspruch auf ein absolutes Nachtflugverbot, der die Gestaltungsfreiheit der Behörde auf Null reduzieren würde.
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Im einzelnen ist zu bemerken:
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(1) Das Berufungsgericht hat die festgelegte Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs auf 28 Flugbewegungen grundsätzlich gebilligt, sie jedoch im Hinblick auf die hinzuzurechnenden Flugbewegungen für nicht ausreichend gehalten. Es hat dementsprechend das Kontingent der Planfeststellungsbehörde durch eine "wirksamere" Kontingentierung ergänzt. Das stellt einen unzulässigen Eingriff in die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde dar. Wenn das Berufungsgericht der Auffassung ist, daß die planerische Abwägung in diesem Punkt die Belange des Lärmschutzes nicht ausreichend berücksichtigte, hätte es die entsprechende Regelung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses aufheben und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichten müssen (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO a.F.). Die vom Berufungsgericht gewählte Lösung einer Lärmkontingentierung stellt auch im Rahmen des aktiven Lärmschutzes nicht die einzige Möglichkeit dar, mittels Betriebsregelungen zu einer Verminderung der Lärmbelastung zu gelangen. Statt der zusätzlichen Lärmkontingentierung käme auch eine Reduzierung der im Änderungsplanfeststellungsbeschluß festgesetzten absoluten Zahl an nächtlichen Flugbewegungen in Betracht. Die vom Berufungsgericht bei einer solchen Lösung angenommenen "strukturellen Probleme" im Hinblick auf den Bezugszeitraum des Kontingents treten nur auf, sofern man die in der Tat schwer voraussehbaren verspäteten Flüge, wie es das Berufungsgericht vorschlägt, in das Lärmkontingent mit einbezieht. Nur dann ergibt sich das Erfordernis, auf einen längeren statistisch erfaßbaren Zeitraum abzustellen. Demgegenüber käme - die Rechtswidrigkeit der planfestgestellten Regelung unterstellt - als mögliche Lösung ferner in Betracht, die planbaren nächtlichen Flüge im Sinne eines Höchstkontingents unter Berücksichtigung der im Durchschnitt zu erwartenden Verspätungsflüge weiter zu vermindern. Dieses abwägend zu planen, ist der Planfeststellungsbehörde vorbehalten. Das Gericht ist, sofern es einen rechtserheblichen Planungsfehler feststellt, lediglich befugt - und auf Antrag des Betroffenen gehalten -, die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. |
(2) Gemäß dem Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 sind die zulässigen nächtlichen Flugbewegungen in der Zeit von 22.00 bis 24.00 Uhr (Starts und Landungen) und von 5.00 bis 6.00 Uhr (nur Landungen) abzuwickeln. Demgegenüber hat das Berufungsgericht den Beklagten dazu verpflichtet, die weitgehend bewegungsfreie Nachtkernzeit bereits um 23.00 Uhr beginnen zu lassen.
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Auch mit diesem Verpflichtungsausspruch hat das Berufungsgericht seine Kontrollbefugnis überschritten und in die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde eingegriffen. Die zeitliche Verteilung der für die Nacht zugelassenen Flugbewegungen ist Bestandteil der planerischen Abwägung zwischen den Interessen des Luftverkehrs einerseits und einem möglichst weitgehenden Lärmschutz für die Anwohner andererseits. Hervorzuheben ist dabei, daß es in diesem Zusammenhang nicht etwa um die Bestimmung des Nachbeginns im Sinne einer Auslegung des § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG geht, was grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfung und ggf. Korrektur nicht von vornherein entzogen wäre. Vielmehr setzt die Verteilung des beschränkten nächtlichen Kontingents an Flugbewegungen eine planend abwägende Entscheidung der zuständigen Behörde voraus. Die Argumentation des Berufungsgerichts in diesem Punkt macht besonders deutlich, daß es hier Aufgaben der Planungsbehörde wahrnimmt. Denn es hat seine Entscheidung nicht zuletzt mit einem von ihm ermittelten geringen Flugbedarf für diese Zeit begründet. |
1.2 Rechtmäßigkeit des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses bezüglich Lärmkontingent und Beginn der nächtlichen Kernzeit
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a) Die auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlaß eines absoluten Nachtflugverbots, hilfsweise einer - konkret festzulegenden - weitergehenden Lärmkontingentierung gerichteten Revisionen der Kläger sind unbegründet.
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Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht ein absolutes Nachtflugverbot abgelehnt. Ein völliges Nachtflugverbot wäre mit der Widmung des Vorhabens als eines internationalen Großflughafens nicht zu vereinbaren. Eine Planungsentscheidung, die trotz eines solchen vorgegebenen Widmungszwecks aus Lärmschutzgründen ein absolutes Nachtflugverbot verhängen würde, wäre in sich widersprüchlich und demzufolge rechtswidrig.
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Zu Unrecht hält dem ein Teil der Kläger entgegen, es fehle an einem entsprechenden Bedarf von Nachtflugbewegungen, zumindest fehle es insoweit an der Erforderlichkeit als Kriterium der allgemeinen Interessenabwägung. Die Bedeutung eines möglichen Nachtflugbedarfs ist keine Frage der Erforderlichkeit im Rechtssinne. Vielmehr hat die Planfeststellungsbehörde einen solchen Bedarf als Belang in die Abwägung mit einzubeziehen und in zutreffender Weise zu gewichten. Hierzu bedarf es keiner "Erforderlichkeit" im Sinne eines etwa unabweisbaren Flugbedarfs. Je dringlicher ein bestimmter Nachtflugbedarf tatsächlich ist, desto bedeutsamer ist sein Gewicht im Rahmen der Abwägung.
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Soweit die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG) rügen, können sie nicht durchdringen. Das Berufungsgericht hat einen Bedarf an Nachtflügen im Rahmen des Ausnahmekatalogs bejaht. Dies läßt eine Verletzung der genannten Vorschriften nicht erkennen. Hierzu ist grundsätzlich zu bemerken, daß § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG kein allgemeines Verbot nächtlicher Flugbewegungen enthält. Nach Wortlaut und Inhalt seiner Regelung setzt er vielmehr die generelle Zulässigkeit eines nächtlichen Flugbetriebs gerade voraus, gebietet nur unter Lärmschutzgesichtspunkten eine besondere Rücksichtnahme auf das Ruhebedürfnis der Anwohner in der Nacht. Dies kann nicht ohne Bedeutung auf das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden gegenläufigen Belange von Flugbedarf und Lärmschutz sein, führt jedoch nicht zwingend zu einem Nachtflugverbot als dem allein rechtmäßigen Abwägungsergebnis. Als Ausnahme von den Nachtflugbeschränkungen versteht sich ein entsprechender Bedarf für Ausweichlandungen aus meteorologischen, technischen oder sonstigen Flugsicherheitsgründen von selbst; Ausbildungs- und Übungsflüge sind nach geltendem Luftverkehrsrecht vorgeschrieben (§§ 4 Abs. 2 Nr. 1, 6 Abs. 5 Nr. 4, 14 Abs. 2 Nr. 2, 83 der Verordnung über Luftfahrpersonal - LuftPersV - vom 9. Januar 1976, BGBl. I S. 53, 1097). |
b) Soweit den Klagen darüber hinaus für den Fall mangelnder Spruchreife als ein rechtliches Minus gleichzeitig das Begehren auf Verpflichtung zur Neubescheidung über die geltend gemachten Planergänzungsansprüche zu entnehmen ist, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Die Klagen sind bezüglich der im Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 festgesetzten Lärmkontingentierung begründet. Die Planungsentscheidung des Beklagten erweist sich in diesem Punkt als nicht ausgewogen, weil nach Inhalt und Zielsetzung widersprüchlich. Das im Änderungsplanfeststellungsbeschluß festgesetzte Lärmkontingent von 28 Flugbewegungen pro Nacht ist mit den eigenen Zielvorgaben der Planung zum Schutz der Nachtruhe nicht in Einklang zu bringen. Da sich der Widerspruch auch nicht mit den Mitteln der Auslegung beheben läßt, ist die Planungsentscheidung insoweit rechtswidrig (wird ausgeführt).
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c) Wie bereits ausgeführt wurde (vgl. oben II, 1.1 b), hat das Berufungsgericht seine Kontrollbefugnis überschritten und in die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde eingegriffen, indem es den Beginn der nächtlichen Kernzeit von 24.00 auf 23.00 Uhr vorverlegt hat. Die hierauf gerichteten Verpflichtungsklagen der Kläger können demgemäß keinen Erfolg haben. Da der Planfeststellungsbeschluß insoweit - wie nachfolgend dargelegt wird - rechtmäßig ist, kommen ferner seine Aufhebung und die Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung nicht in Betracht. |
Die Planfeststellungsbehörde hat den Gesichtspunkt des Beginns der nahezu flugbewegungsfreien nächtlichen Kernzeit im Hinblick auf die Nachtruhe der Flughafenanwohner mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Es ist nicht erkennbar, daß die Planfeststellungsbehörde den Ausgleich zwischen den hier in Rede stehenden Belangen in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über den Beginn der nahezu flugbewegungsfreien nächtlichen Kernzeit weniger eine Frage der Lärmreduzierung ist, sondern mehr eine solche der zeitlichen Verteilung des vorgegebenen Fluglärms. Deshalb würde die vom Berufungsgericht bevorzugte Lösung dazu führen, daß die sich nach der Regelung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses auf die zwei Stunden von 22.00 bis 24.00 Uhr verteilenden Flugbewegungen nunmehr auf eine Stunde (22.00 bis 23.00 Uhr) zusammendrängen würden. Dies hätte für diese Zeit eine verstärkte Häufigkeit von Lärmereignissen zur Folge. Gerade aber die Häufigkeit des Lärmereignisses insbesondere im Hinblick auf die ansonsten weitgehend zur Ruhe kommende Umgebung stellt einen bedeutsamen Störfaktor dar.
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Ferner hat das Berufungsgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, daß ohnehin die große Mehrzahl der Flugbewegungen wegen des entsprechenden Bedarfs zwischen 22.00 und 23.00 Uhr liegen wird und für die Stunde zwischen 23.00 und 24.00 Uhr nur noch mit einem geringen Bedarf und damit auch mit einer geringen Zahl von Flugbewegungen zu rechnen ist. Dies mindert zwar einerseits das Gewicht der Interessen des Luftverkehrs im Rahmen der Abwägung, führt aber andererseits auch dazu, daß die Beeinträchtigung der Flughafenanwohner für die Zeit zwischen 23.00 und 24.00 Uhr nicht so groß ist wie für die Stunde zuvor. Dem Schutzgegenstand des störungsfreien Einschlafens, der das Berufungsge richt zu seinem Verpflichtungsausspruch bewogen hat, wird damit bereits weitgehend über die entsprechende Bedarfsstruktur Rechnung getragen. |
1.3 Weitergehender aktiver Lärmschutz
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Soweit das Berufungsgericht die weitergehenden Klagen, gerichtet auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes für die Nacht, abgewiesen hat, erweist sich seine Entscheidung als rechtsfehlerfrei.
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Erfolglos bleiben müssen die Revisionen, soweit sie auf eine weitere zeitliche Beschränkung der nächtlichen Flugbewegungen ausgerichtet sind.
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a) Das Berufungsgericht hat die Regelung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses bestätigt, wonach die nächtlichen Flugbewegungen neben der Zeit zwischen 22.00 und 24.00 Uhr auch von 5.00 bis 6.00 Uhr morgens abgewickelt werden dürfen, in dieser Zeit allerdings nur Landungen. Das Berufungsurteil läßt insoweit Rechtsfehler nicht erkennen. Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde ist nach Abwägungsvorgang und -ergebnis nicht zu beanstanden. Die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses läßt allerdings erkennen, daß die Behörde seinerzeit dem Schutz der Nachtruhe gegenüber dem angemeldeten Flugbedarf für diese Zeit noch den Vorrang eingeräumt hat. Demgegenüber weist der Änderungsplanfeststellungsbeschluß darauf hin, daß zwischen 5.00 und 6.00 Uhr der Nachtflugbetrieb überwiegend aus Landungen bestehe. Wegen des bei Landungen gegenüber Starts geringeren Lärmpegels würden Aufweckreaktionen trotz der in dieser Zeit geringeren Schlaftiefe weitestgehend vermieden. Wenn die Planfeststellungsbehörde in diesem Zusammenhang die Gewichtung der entgegenstehenden Belange zuungunsten des Fluglärmschutzes verschoben hat, ist dies nicht von vornherein zu beanstanden (wird ausgeführt).
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b) Ebenfalls keinen Erfolg haben die Revisionen, soweit sie sich gegen die Festlegung des Nachtendes auf 6.00 Uhr wenden und demgegenüber ein Hinausschieben auf 7.00 Uhr verlangen. Das Berufungsgericht hat insoweit den Planfeststellungsbeschluß bestätigt und wie dieser hierzu auf die über einstimmenden Vorschriften in allen anderen Lärmschutzbereichen (TA-Lärm vom 16. Juli 1968, VDI 2058 (Juni 1973], DIN 18005 [Mai 1987]) verwiesen. Es geht ersichtlich nicht davon aus, daß es sich bei den von ihm zitierten Regelwerken um bindende Rechtsvorschriften handelt. Vielmehr nimmt es insoweit lediglich Bezug auf die allgemeine Lärmschutzpraxis, wie sie sich in diesen Regelwerken niederschlägt, und hält diese Praxis auch für sachlich gerechtfertigt. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Hinzuzufügen ist, daß nunmehr auch die 16. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I S. 1036) die Nachtzeit von 22.00 bis 6.00 Uhr festlegt. Besonders für den Fluglärmschutz ist auf die Anlage Ziffer 1 zu § 3 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) vom 30. März 1971 (BGBl. I S. 282), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2441), hinzuweisen, das ebenfalls das Ende der Nachtzeit auf 6.00 Uhr festlegt. Demgegenüber handelt es sich bei der VDI-Richtlinie 2058, die eine Höherbewertung von Lärmereignissen zwischen 6.00 und 7.00 Uhr vorsieht, um ein Regelwerk zum Schutz vor Arbeitslärm in der Nachbarschaft. Die Lärmquellen Fluglärm und gewerblicher Lärm können aber nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden. Insoweit spielt der Gesichtspunkt des Widmungszwecks im Rahmen einer sachgerechten planerischen Abwägung eine maßgebliche Rolle. Dies gilt vor allem gegenüber der Forderung der Kläger, jedenfalls an Wochenenden und Feiertagen das Nachtende zeitlich hinauszuschieben. Ob eine solche Verlängerung der Nachtruhe mit der Verkehrsfunktion eines internationalen Großflughafens bereits schlechterdings unvereinbar wäre, kann dahinstehen. Jedenfalls aber verleiht der Widmungszweck den Belangen des Luftverkehrs ein erhebliches Gewicht. |
2. Passiver Lärmschutz für die Nacht
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2.1 Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, Schutzziel
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Soweit das Berufungsgericht das im Planfeststellungsbeschluß festgelegte Schutzziel (Vermeidung höherer Schallpegel als 55 dB(A) im Rauminnern bei ausreichender Belüftung, ggf. Einbau von Belüftungsanlagen) bestätigt hat, verletzt es nicht Bundesrecht.
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a) Der Senat hat auch zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze für nächtlichen Fluglärm in seiner Frankfurter Flughafen-Entscheidung (BVerwGE 56, 110 [131 f.]) auf seine Grundsatzentscheidung vom 21. Mai 1976 (BVerwGE 51, 15 [33]) zum Straßenverkehrslärm Bezug genommen. Für Wohngebiete hat der Senat dabei als Schutzgegenstand für die Nacht die Möglichkeit des störungsfreien Schlafens, auch bei (gelegentlich) geöffneten Fenstern angesehen. Auf die damit verbundenen Erwägungen hat sich der Senat in seiner ersten Entscheidung zum Flughafen München II ausdrücklich bezogen (BVerwGE 69, 256 [276] und dabei hinzugefügt, ob eine äußerstenfalls zumutbare Geräuscheinwirkung in einem bestimmten Geräuschpegel zutreffend ausgedrückt worden sei, sei in den Tatsacheninstanzen ggf. mit Hilfe Sachverständiger zu klären. |
An dieser Rechtsprechung hat sich das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung orientiert. Hinsichtlich des Schutzgegenstandes ist es in der Hauptsache von der Vermeidung sog. Aufweckreaktionen ausgegangen und hat auf dieser Grundlage mit Hilfe der Sachverständigen versucht, die äußerstenfalls zumutbare Geräuscheinwirkung in einem bestimmten Geräuschpegel auszudrücken. Dabei ist es letztlich zu dem Ergebnis gelangt, daß die Festsetzung des Planfeststellungsbeschlusses insoweit nicht zu beanstanden sei. Dies begegnet weder in der Vorgehensweise noch im Ergebnis rechtlichen Bedenken.
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Insbesondere erweist sich das Berufungsurteil nicht schon deshalb als fehlerhaft, weil das von ihm bestätigte Schutzziel des Planfeststellungbeschlusses mit dem vom Senat in seinen erwähnten Entscheidungen herangezogenen Schallpegel zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze gegenüber Straßenverkehrslärm nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen ist. Rein rechnerische Rückschlüsse verbieten sich schon deshalb, weil die beiden Werte unterschiedliche sachliche Bedeutung haben und insofern nicht miteinander verglichen werden können. Während der vom Senat befürwortete Wert als Dauerschall in Form eines Außenpegels dargestellt wurde, wird vorliegend die Zumutbarkeitsgrenze durch einen Spitzenpegel im Rauminnern ausgedrückt. Dies hat seinen Grund in der Unterschiedlichkeit der jeweils zu bewertenden Lärmquellen, nämlich des Straßenverkehrs einerseits und des Flugverkehrs andererseits.
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Der Senat hat in seinem Urteil vom 20. Oktober 1989 (BVerwGE 84, 31 [41]) hervorgehoben, die Angabe eines Zahlenweites und der darin liegende Bezug auf ein bestimmtes Regelwerk würden den Tatrichter nicht von der Aufgabe entheben, die Umstände des Einzelfalles zu beachten. Dies hat in besonderer Weise für den hier erörterten Vergleich der vom Senat befürworteten Grenzwerte für den Straßenverkehrslärm mit der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze beim Fluglärm zu gelten. Hinzu kommt, daß ein Vergleich zwischen den Berechnungsmethoden, wie sie den damaligen Werten des Senats zugrunde gelegen haben, und denjenigen heutiger Regelwerke zum Lärmschutz wenig sachgerecht ist. Wegen der unterschiedlichen Art der Lärmbeeinträchtigungen kann ferner offenbleiben, welchen Einfluß die nunmehr in der 16. BImSchV festgelegten Grenzwerte für den Straßenverkehr - diese liegen über denjenigen, die der Senat in seinen Entscheidungen befürwortet hat - auf die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze im Bereich der jeweiligen Fachplanungen (hier speziell des Luftverkehrslärms) haben kann. |
b) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als fehlerhaft, weil es die Bereiche der vegetativen Reaktionen sowie der Schlafstadienwechsel als Schutzgegenstand bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze letztlich ausgeklammert hat.
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Das Berufungsgericht hat diesen Reaktionen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugebilligt. Für die vegetativen Reaktionen scheine zwar die Reaktionsschwelle ziemlich genau bekannt zu sein [55 dB(A)], unbekannt sei aber, ab wann die Schädlichkeit beginne. Denn da der Organismus ständig auf die verschiedensten Reize vegetativ reagiere, ohne daß ihm dies schade, könne in diesem Zusammenhang Reaktion nicht mit Schädlichkeit gleichgesetzt werden. Ein besonderer Schutzmaßstab lasse sich daher aus solchen Reaktionen derzeit nicht ableiten, ganz abgesehen davon, daß das Schutzziel des Planfeststellungsbeschlusses ohnehin auf den Pegel 55 dB(A) abgestellt sei. In ähnlicher Weise müßten Schlafstadienwechsel als Reaktionen betrachtet werden, für deren Schädlichkeit derzeit keine Anhaltspunkte beständen. Hierzu hat sich das Berufungsgericht auf die Feststellungen der medizinischen Sachverständigen berufen, jedoch in seiner Entscheidung nicht unerwähnt gelassen, daß "neue bedenkliche Erkenntnisse" sich auf diesem Gebiet nicht ausschließen lassen. Mangels gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse müßten jedoch niedrigere Grenzwerte "gegriffen" werden. Damit würde der Bereich dessen verlassen, was nach den heutigen Erkenntnissen als Schutz gewertet werden könne. Vorsorgeregelungen, die sich nicht im einzelnen begründen ließen, sondern aufgrund einer bestimmten "Sicherheitsphilosophie" pauschaliert würden, müßten aber dem Gesetzgeber überlassen werden. |
Auch diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere hat es nicht etwa trotz der durchgeführten Beweisaufnahme verbliebene Zweifel über die medizinischen Folgen von Schlafstörungen bei der rechtlichen Würdigung zu Lasten der Kläger gewertet. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen im Rahmen seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen, daß hinsichtlich der Bewertung der lärmmedizinischen Vorgänge zu den vegetativen Reaktionen bzw. zum Schlafstadienwechsel derzeit erhebliche wissenschaftliche Erkenntnisse nicht bestehen. Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus unter Hinweis auf "präventivmedizinische" Angaben der Sachverständigen neue "bedenkliche" Erkenntnisse nicht ausgeschlossen hat, hat es damit nicht auf heute bereits wissenschaftlich als gesichert anzusehende Risiken von Schlafstadienwechseln in bezug auf die Gesundheit abgehoben, sondern vielmehr die bei jeder wissenschaftlichen Erkenntnis generell gegebene Möglichkeit ihrer Fortentwicklung bzw. Änderung angesprochen. Solche auf rein theoretischer Basis angestellten Erwägungen erfordern jedoch nicht, im Rahmen der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze etwa einen allgemeinen Risikozuschlag zugunsten der Lärmbetroffenen für den nie völlig auszuschließenden Fall neuerer Erkenntnisse vorzusehen. Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn schon heute wissenschaftlich begründete Zweifel an der Richtigkeit der derzeitigen Erkenntnislage beständen. Dies ist jedoch nicht schon aufgrund der vom Berufungsgericht angeführten "Mahnungen zur Vorsicht" und "präventivmedizinischen Ratschlägen" der Fall.
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2.2 Schutzgebiet
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Das Berufungsgericht hat die Klagen, gerichtet auf eine Ausweitung des Nachtschutzgebietes abgewiesen. Allerdings hält es die Bestimmung der Lärmgrenzlinie durch den Planfeststellungsbeschluß für unzureichend. Die ser hat auf der Grundlage von prognostizierten 38 Flugbewegungen pro Nacht ein Nachtschutzgebiet festgelegt, an dessen Grenze im ungünstigsten Fall sechs Lärmereignisse über 75 dB(A) (Außenpegel) zu erwarten sind. In den Schlafräumen selbst liegen bei gekippten Fenstern höchstens sechs Lärmereignisse über 60 dB(A), bei (gelegentlich) geschlossenen Fenstern über 50 dB(A). Das Berufungsgericht hält dies nicht für hinnehmbar. Es hat auf der Grundlage des von ihm gebilligten Schutzziels des Planfeststellungsbeschlusses das Nachtschutzgebiet unter Berücksichtigung der Flugwege, der vorgesehenen Nachtflugkontingentierung und der Pegelstreuung neu berechnen lassen. Daraus ergab sich, daß es an den Wohnorten der Kläger keiner Ausdehnung des Schutzgebiets speziell für die Nacht bedarf. |
Diese Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis durch das Revisionsgericht zu bestätigen (wird ausgeführt).
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III. Entschädigungsregelung |
1. ...
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2. Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung
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Das Berufungsgericht hat den Beklagten im Wege des Bescheidungsurteils dazu verpflichtet, über Entschädigungsansprüche erneut zu entscheiden. Anspruchsberechtigt sei der Eigentümer, dessen Grundstück im (vom Berufungsgericht erweiterten) Tagschutzgebiet (= Entschädigungsgebiet) liege, einen fluglärmbedingten Wertverlust erleide und zum sog. Qualitätsstichtag bebaut oder bebaubar sei. Dies verletzt in mehrfacher Hinsicht revisibles Recht.
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2.1 Festsetzung eines Entschädigungsgebiets
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Das Berufungsgericht hat angenommen, der Planfeststellungsbeschluß habe ein "Entschädigungsgebiet" festgelegt; dieses sei identisch mit dem Gebiet, für das die Beigeladene zu 1 bindende Absiedlungsangebote abgegeben habe und das nach der Grenzlinie eines logarithmisch gemittelten Spitzenpegels von 90 dB(A) gebildet worden sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das "Entschädigungsgebiet" des Planfeststellungsbeschlusses zu erweitern; es hat zu diesem Zweck auf das von ihm neubestimmte Tagschutzgebiet zurückgegriffen. Dieses Vorgehen ist mit § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayVwVfG nicht zu vereinbaren. |
a) Die Planfeststellungsbehörde hat dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhakung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind (§ 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung; Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ergänzt insoweit das luftrechtliche Fachplanungsrecht. Der Anspruch auf angemessene Entschädigung ist demnach ein Surrogat für nicht realisierbare, weil untunliche oder mit dem Vorhaben unvereinbare technisch-reale Schutzmaßnahmen. Die Frage, welche "Nachteile" im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG eine solche Anordnung und damit ggf. eine Verpflichtung zu Entschädigungsleistungen auslösen, ist grundsätzlich im Hinblick auf die individuelle Zumutbarkeit der Lärmeinwirkung auf einzelne Grundstücke zu beantworten (BVerwGE 69, 256 [275]).
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Aus dieser vom Gesetz vorgegebenen individuellen Betrachtungsweise folgt, daß es ein "Entschädigungsgebiet" im rechtlich qualifizierenden Sinne nicht gibt. Vielmehr kann es sich dabei allenfalls um eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gewählte vereinfachende, zusammenfassende Darstellung derjenigen Grundstücke handeln, welche die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch (möglicherweise) erfüllen. Diese nach Funktion und rechtlichem Gehalt verminderte Bedeutung einer Gebietsausweisung hat der Senat bereits im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Ausdehnung des Tagschutzgebiets zugrunde gelegt und deshalb das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts der Betroffenen auf Neubestimmung des im Planfeststellungsbeschluß festgelegten Tagschutzgebiets für den Regelfall verneint. Dem entspricht es, daß die Planfeststellungsbehörde nicht im Wege des Bescheidungsurteils verpflichtet werden kann, ein solches Schutzgebiet nach den Vorstellungen des Berufungsgerichts neu auszuweisen.
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b) Ungeachtet dieser grundsätzlichen Bedenken gegenüber einer Ver urteilung zur Ausweisung eines Entschädigungsgebiets entspricht auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Gleichsetzung von (erweitertem) Tagschutzgebiet und Entschädigungsgebiet nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG. |
Die Kriterien für die Bestimmung des Tagschutzgebiets sind nicht identisch mit denjenigen, die für einen Anspruch auf Entschädigungsleistung von Bedeutung sind. Denn die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze zur Beantwortung der Frage, bei welchen Schallpegeln am Tag ein Anspruch auf technisch-reale Schutz Vorkehrungen gegeben ist, bezieht sich auf den Innenwohnbereich [Schutzziel: keine höheren Schallpegel als 55 dB(A) im Rauminnern zur Vermeidung von Kommunikationsstörungen]. Die hierfür maßgeblichen Kriterien sind jedoch keineswegs identisch mit den Voraussetzungen, unter denen ein Ausgleich für unzumutbare Beeinträchtigungen einer Nutzung des Außenwohnbereichs durch den Fluglärm zu gewähren ist. Gerade der Ausgleich für die Lärmbelastung im Außenwohnbereich steht aber hier im Mittelpunkt der Entschädigungsleistung nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG, da insoweit technisch-reale Schutzvorkehrungen in aller Regel untunlich sind. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 11. November 1988 - BVerwG 4 C 11.87 - (Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 S. 10) darauf hingewiesen, daß Freiflächen nicht allein deswegen gegenüber Lärmbelastungen schutzwürdig sind, weil sie zu Grundstücken gehören, für die wegen Überschreitung einer - auf eine bauliche Nutzung bezogenen - gebietsspezifischen Zumutbarkeitsschwelle Ausgleichsansprüche gegeben sein können. Die Überschreitung einer solchen Zumutbarkeitsschwelle, wie sie z.B. für das Wohnen im Innern der Gebäude durch die Rechtsprechung herausgebildet worden ist, führt bei den Freiflächen nicht ohne weiteres zu Ausgleichsansprüchen. Vielmehr ist deren Schutzbedürftigkeit je nach ihrer Lage und bestimmungsgemäßen Nutzung konkret festzustellen. Hinzu kommt, daß die konkrete Bestimmung dessen, was an Lärmbelastung vom Betroffenen ohne Ausgleich hingenommen werden muß, für Innen- und Außenwohnbereich unterschiedlich ausfällt. Zum einen liegt das zeitliche Schwergewicht der häuslichen Lebensgestaltung eindeutig im Innenwohnbereich, zum anderen ist die allgemeine Lärmerwartung im Außenbereich sehr viel höher. Dies kann für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nicht außer Betracht bleiben. Daß die Entschädigung selbst nicht für die genannten Bereiche einzeln, sondern für das Grundstück insgesamt zu ermitteln ist, steht außer Frage. |
2.2 Fluglärmbedingte Wertminderung als Maßstab für "nachteilige Wirkungen"
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Das Berufungsgericht hat als Voraussetzung für die Gewährung einer Entschädigung neben dem Umstand, daß das fragliche Grundstück im "Entschädigungsgebiet" liegt, eine fluglärmbedingte Minderung des Grundstückswerts gefordert. Unabhängig von der Höhe der konkreten Lärmbelastung auf dem einzelnen Grundstück entfällt danach ein Entschädigungsanspruch, sofern sich eine fluglärmbedingte Weitminderung nicht feststellen läßt. Auch diese Rechtsauffassung erweist sich als mit § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG unvereinbar.
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Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung vom 11. November 1988 (a.a.O. S. 9 f.) u.a. ausgeführt, daß als Bemessungsgrundlage für den Entschädigungsanspruch in der Regel, wenn konkrete Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, eine Verminderung des Verkehrswertes in Betracht kommt, wie sie durch die Beeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze eintritt. Insbesondere der letzte Halbsatz macht freilich deutlich, daß es dabei allein um die Bemessung der Höbe eines Entschädigungsanspruchs geht, nicht jedoch um die Frage des Anspruchsgrundes. Diese beantwortet sich vielmehr nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Bestimmung "nachteiliger Wirkungen" im Sinne von Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, und zwar unabhängig davon, ob die Auswirkungen des geplanten Vorhabens eine Wertminderung des jeweiligen Grundstücks zur Folge haben.
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Demgegenüber löst das Berufungsgericht den Entschädigungsanspruch aus der gesetzlichen Konstruktion als Surrogat für die in erster Linie geforderten technisch-realen Ausgleichsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, indem es die Grenze der Zumutbarkeit für Ansprüche auf Schutzvorrichtungen und Entschädigungsleistungen jeweils in unterschiedlicher Weise bestimmt. Darüber hinaus reduziert das Beru fungsgericht mit seinem Konzept die Frage nach der Unzumutbarkeit einer Lärmbelastung für Entschädigungsansprüche zu Unrecht allein auf Reaktionen des Grundstücksmarktes. Eine solche ausschließlich grundstücksbezogene Betrachtungsweise wird der Ausgleichsfunktion der Entschädigung und damit letztlich auch der Schutzauflagen nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG nicht in ausreichender Weise gerecht. |
Art. 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayVwVfG ist eine Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (Beschluß des Senats vom 5.Oktober 1990 -BVerwG 4 CB 1.90 - NVwZ-RR 1991, 129). Auslegung und Anwendung der Vorschrift haben sich demgemäß am Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum zu orientieren. Dies verbietet es, die Schutzgewährung allein von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise abhängig zu machen. Denn die Eigentumsgarantie gewährleistet in personenhafter Bezogenheit den Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Lebensgestaltung (BVerfGE 24, 367 [389, 400]; 40, 65 [73 f.]). Dieser personale Gehalt des Eigentums erlangt gerade auch bei der Nutzung eines Grundstücks zu Wohnzwecken und damit als zentralen Lebensmittelpunkt besondere Bedeutung, der ein ausschließliches Abstellen auf den Verkehrswert nicht hinreichend gerecht wird. Die Schutzauflagen nach Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG sollen jedenfalls auch die eigene Nutzung des Grundstücks als Ausdruck individueller Lebensgestaltung sichern. Dementsprechend hat der Senat für die Bestimmung der ausgleichsbedürftigen "nachteiligen Wirkungen" im Sinne einer Zumutbarkeitsgrenze Lärm als ein auch sozial vermitteltes Geräuschereignis verstanden und daraus gefolgert, daß neben einer medizinischen Indikation auch soziale und kommunikative Faktoren zu beachten sind (vgl. BVerwGE 84, 31 [40 f.]). Für eine Berücksichtigung solcher Gesichtspunkte läßt das vom Berufungsgericht beim Entschädigungsanspruch allein wirtschaftlich ausgerichtete Schutzziel ebenfalls keinen Raum.
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3. Klagen auf Planergänzung
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Soweit die Kläger im Wege der Planergänzung die Einbeziehung ihrer Grundstücke in die inhaltlich neu zu bestimmenden Entschädigungsauflagen an die Beigeladene zu 1 beantragen, bleiben sie mit ihrem Verpflichtungsbegehren erfolglos. Hingegen ist den Klagen stattzugeben, soweit sie sich in ihrem Anfechtungsteil gegen die Beschränkung von Entschädigungsansprüchen auf einen bestimmten Kreis von Grundstücken wenden. |
3.1 Fehlende materielle Entscheidungsreife
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Die Klagen sind bezüglich ihres Verpflichtungsteils wegen derzeit fehlender materieller Entscheidungsreife abzuweisen. Ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Einbeziehung in ein neu zu bildendes "Entschädigungsgebiet" besteht für die Kläger nicht.
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Bei richtiger Beurteilung hängt die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang der einzelne Betroffene Anspruch auf Entschädigung nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG hat, von Reichweite und Intensität der jeweiligen konkreten Lärmbelastung auf dem Grundstück ab. Die zu deren Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen sind derzeit nicht möglich. Denn die individuelle Lärmbelastung der klägerischen Grundstücke wird maßgeblich bestimmt von der endgültigen Festlegung der Flugrouten, welche erst kurz vor Aufnahme des Flugbetriebs erfolgt. Wegen dieser derzeit nicht abgeschlossenen tatsächlichen Entwicklung kann die erforderliche materielle Entscheidungsreife für die geltend gemachten Planergänzungsansprüche derzeit nicht hergestellt werden. Dies gilt nicht nur für einen von den Klägern in erster Linie begehrten gerichtlichen Verpflichtungsausspruch nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, sondern auch für ein Bescheidungsurteil nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, da sich ebensowenig ermitteln läßt, zugunsten welcher Kläger eine Verpflichtung zur Neubescheidung auszusprechen ist.
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Auf der anderen Seite darf den Klägern der bereits heute mögliche Rechtsschutz nicht unter Hinweis auf die ungeklärten tatsächlichen Verhältnisse vorenthalten werden. Diese Möglichkeit besteht hinsichtlich des Vorbringens der Kläger, daß die Entschädigungsregelung des Planfeststellungsbeschlusses jedenfalls rechtswidrig und demzufolge aufzuheben sei, soweit sie Entschädigungsansprüche anderer als der dort im einzelnen aufgeführten Betroffenen ausschließe. Diesen kassatorischen Teil ihres Klagebegehrens können die Kläger bereits jetzt zur Entscheidung des Gerichts stellen, um zu verhindern, daß die bisherige Regelung des Planfeststellungsbe schlusses Bestandskraft erlangt. Bedenken gegen die Zulässigkeit einer sog. "isolierten" Anfechtungsklage bestehen deshalb im vorliegenden Fall nicht. |
3.2 Rechtswidrigkeit der Entschädigungsregelung im Planfeststellungsbeschluß
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Nach der Regelung des Planfeststellungsbeschlusses hat die Beigeladene zu 1 auf Antrag des Eigentümers eines der im Änderungsplanfeststellungsbeschluß vom 7. Juni 1984 einzeln aufgeführten Wohngrundstücke die durch die Lärmbelastung bewirkte Nutzungsbeeinträchtigung der Außenwohnbereiche angemessen zu entschädigen. Ausweislich der Planbegründung handelt es sich dabei um Wohngrundstücke, bei denen zwar der Dauerschallpegel ebenso wie bei den Grundstücken, denen Tagschutz gewährt wird, stets unter 75 dB(A) liegt, jedoch der logarithmisch gemittelte Spitzenpegel im Freien auf Werte bis über 90 dB(A) ansteigen kann. An anderer Stelle der Planbegründung heißt es sogar, daß der im bewohnten Flughafenumfeld auftretende Dauerschallpegel im Freien "bei maximal 75 dB(A)" liegen kann. Aus dem weiteren Begründungszusammenhang ist zu entnehmen, daß die Planfeststellungsbehörde bei einem Spitzenpegel von 90 dB(A) von einer medizinischen Belastungsgrenze ausgegangen ist, bei deren Überschreiten das Auftreten lärmbedingter Krankheitswerte als möglich erscheint.
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Die Beschränkung des Entschädigungsanspruchs auf Grundstücke, die einer solchen Lärmbelastung ausgesetzt sind, ist mit § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG nicht vereinbar. Die Auflage erweist sich als rechtswidrig, soweit sie andere Grundstücke von einer Entschädigung ausschließt.
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Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß mit dem von der Planfeststellungsbehörde für Ansprüche auf Entschädigung festgelegten Lärmpegel in etwa die Grenze bezeichnet wird, bei deren Überschreiten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Lärmbelastung unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten von einem Grundstückseigentümer nicht mehr entschädigungslos hingenommen werden muß (vgl. Urteil vom 10. November 1977 - III ZR 166/75 - DVBl. 1978, 110 [111]; noch niedrigere Werte [69-71 dB(A) tags und 64-66 dB(A) nachts, jeweils Dauerschall pegel] hat der BGH angenommen im Urteil vom 6. Februar 1986 - III ZR 96/84 - BGHZ 97, 114 [123]). Dem entspricht es, daß die aufgezählten Grundstücke identisch sind mit denjenigen, für welche sich die Beigeladene zu 1 bei einem entsprechenden Antrag der Eigentümer zur Übernahme (Absiedlung) verpflichtet hat. Insoweit folgerichtig wird die Festlegung der Höhe der zu gewährenden Entschädigung dem Enteignungsverfahren vorbehalten. |
Der in Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG begründete Entschädigungsanspruch ist indes verfassungsrechtlich nicht Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zugeordnet. Der Gesetzgeber gewährt schon bei unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen unterhalb der "Enteignungsschwelle" einen Ausgleichsanspruch auf angemessene Entschädigung. Der Begriff der "Unzumutbarkeit" kennzeichnet noch im Vorfeld dessen, was der Eigentumsschutz nach Art. 14 GG unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten fordert, die der hier maßgebenden einfachgesetzlichen Güterabwägung folgende Grenze, von der ab dem Betroffenen eine nachteilige Einwirkung auf seine Rechte billigerweise nicht mehr zugemutet werden soll. Dies hat der Senat für die inhaltsgleichen Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze anderer Bundesländer wie auch insbesondere für die ebenfalls vergleichbare Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG a.F. bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. BVerwGE 51, 15 [29]; 77, 295 [297]; s. auch zuletzt Beschluß vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 CB 1.90 - a.a.O.). Hiervon unberührt bleibt, daß nach der neueren Rechtsprechung des Senats auch bei "schweren und unerträglichen" Lärmimmissionen, mithin solchen oberhalb der "Enteignungsschwelle", keine Enteignung im Rechtssinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegt (vgl. Beschluß vom 5. Oktober 1990 -BVerwG 4 CB 1.90 - m.w.N.). Ist eine sinnvolle Nutzung des Grundstücks wegen der Lärmbelastung ausgeschlossen, so steht dem betroffenen Eigentümer in einem derartigen Fall auf Antrag ein Anspruch auf Übernahme des Grundstücks gegen Entschädigung zu (vgl. BVerwGE 61, 295 [305]; 75, 214 [259 f.]; 77, 295).
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4. Hinweise für die weitere Vorgehensweise
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Da die Beschränkung von Entschädigungsleistungen durch den Plan feststellungsbeschluß auf die dort im einzelnen aufgeführten Grundstücke aus den erwähnten Gründen keinen Bestand haben kann, steht noch nicht fest, welche Kläger letztlich anspruchsberechtigt sind. Hierüber wird die Planfeststellungsbehörde zu gegebener Zeit, d.h. nach endgültiger Festlegung der Flugrouten, erneut zu befinden haben. Der Senat geht im folgenden im Hinblick auf das weitere Verfahren auf einige Fragen ein, die von den Beteiligten in ihren Revisionsbegründungen aufgeworfen worden sind, jedoch für den Ausgang des Revisionsverfahrens keine entscheidungserhebliche Bedeutung haben. |
4.1 Rechtsgrundlage und Bemessungsfaktoren der Entschädigung
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a) Rechtsgrundlagen für Entschädigungsleistungen sind § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG. Danach ist ein angemessener Ausgleich in Geld (nur) zu zahlen, wenn Vorkehrungen oder Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Gemeint sind damit - wie der Hinweis auf denselben Begriff im vorangegangenen Satz ("solche Vorkehrungen") erkennen läßt - technisch-reale Maßnahmen, die geeignet sind, die schädlichen Auswirkungen des Fluglärms auf die betroffenen Anliegergrundstücke zu mildern (vgl. Urteil des Senats vom 11. November 1988 -BVerwG 4 C 11.87 - a.a.O.). Aus dem Surrogat-Charakter der Entschädigungsleistung (anstelle untunlicher bzw. mit dem Vorhaben unvereinbarer Schutzvorkehrungen) ergibt sich, daß diese ausschließlich bei Vorliegen "nachteiliger Wirkungen" des Vorhabens gezahlt wird. Dies bedeutet konkret, daß ein Ausgleich gewährt werden soll für die nicht durch technischreale Maßnahmen abwendbaren fluglärmbedingten Nachteile, soweit diese die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Ebenso wie die "Vorkehrungen und Anlagen" im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG nur dann und nur insoweit verlangt werden können, wie die Fluglärmbelastung das Maß des Zumutbaren übersteigt, dient auch die Entschädigung nur dem Ausgleich der verbliebenen, gleichwohl vom Betroffenen nicht hinzunehmenden (unzumutbaren) Nachteile. Diese gesetzliche Anbindung der Entschädigungsleistung an den Anspruch auf konkrete Schutzmaßnahmen schließt es aus, über Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG einen allgemeinen Ausgleich aller Vermögensnachteile vorzunehmen, die durch das Vorhaben ausgelöst werden. |
(1) Im Mittelpunkt der Entschädigungsfrage wird in aller Regel der Ausgleich von unzumutbaren Lärmbelastungen für den Außenwohnbereich stehen. Technisch-reale Schutzvorkehrungen nach § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG scheiden zur Minderung von Fluglärm als untunlich weitgehend aus. Sofern, ggf. auch bei vorgesehenen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes, eine unzumutbare Lärmbelastung verbleibt - etwa wenn (noch weitergehende) Betriebsregelungen sich als mit dem Vorhabenzweck unvereinbar erweisen -, kann der erforderliche Ausgleich allein über die Entschädigungsleistung nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG erfolgen. Dabei bedarf die Bestimmung dessen, was im Außenwohnbereich an Lärmbelastung ohne Ausgleich hinzunehmen ist, gegenüber dem Schutz des Innenwohnbereichs der Abgrenzung in zweierlei Hinsicht:
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Zum einen ist ein Anspruch auf Entschädigungsleistung wegen unzumutbarer Lärmeinwirkung auf den Außenwohnbereich nicht schon dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die Lärmbelastung des Innenwohnbereichs infolge des Einbaus entsprechender Schallschutzvorrichtungen auf ein zumutbares Maß gesenkt worden ist. Anderenfalls wären die Freiflächen eines Grundstücks faktisch von der Schutzgewährung des § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 BayVwVfG ausgeschlossen. Eine solche Einschränkung läßt sich den gesetzlichen Vorschriften nicht entnehmen, sie würde auch dem tatsächlichen Wohnverhalten der betroffenen Bevölkerung, sofern sie über Freiflächen im Wohnbereich verfügt, nicht hinreichend Rechnung tragen.
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Zum anderen kann die Frage der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit eines Grundstücks im Hinblick auf den Fluglärm für Innen- und Außenwohnbereich nicht einheitlich beantwortet werden. Hierauf hat der Senat bereits im Rahmen seiner Kritik an der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verbindung zwischen Tagschutzgebiet und Entschädigungsanspruch hingewiesen. Die Schutzbedürftigkeit von Freiflächen ist je nach deren Lage und bestimmungsgemäßen Nutzung konkret festzustellen. Vorgärten etwa, die nur zur optischen Verschönerung des Anwesens bepflanzt werden, im übrigen aber nicht zum regelmäßigen Aufenthalt dienen, sind grundsätzlich nicht schutzwürdig. Dasselbe gilt für Balkone, wenn sie nicht zu einem dauernden Aufenthalt der Hausbewohner bestimmt sind (vgl. Urteil des Senats vom 11. November 1988 - BVerwG 4 C 11.87 - a.a.O.). |
Aber auch soweit die Freiflächen nach ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung dem "Wohnen im Freien" dienen, kann für sie die Schutzwürdigkeit nicht in gleichem Maße angenommen werden wie für den Innenwohnbereich. Wegen des Fehlens der lärmdämmenden Wirkung von Gebäudemauern besteht für den Außenwohnbereich generell eine höhere Lärmerwartung. Dies kann auf die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nicht ohne Auswirkungen bleiben. Wo diese Grenze für den Außenwohnbereich konkret verlaufen könnte, wird sich in einem dB(A)-Wert kaum allgemeingültig ausdrücken lassen; zu diesem Ergebnis ist auch das Berufungsgericht bei seinen tatsächlichen Feststellungen gelangt, obwohl es auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung hierauf nicht ankam. Dies ist freilich kein Grund, das Kriterium der konkreten Lärmbelastung auf dem Grundstück zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze gänzlich fallenzulassen. Die Vorschläge des Umweltgutachtens 1987 der Bundesregierung (S. 394), die von einer ausreichenden Satzverständlichkeit im Freien über einige Meter bei einem Kurzzeitmittelungspegel von nicht mehr als 50 dB(A) ausgehen und Kommunikationsbeeinträchtigungen bei einem Dauerpegel von 65 dB(A) und mehr für nicht mehr akzeptabel halten, können als eine sachverständige Äußerung gelten. Ob und wieweit letztlich auf diese Werte abzustellen ist, ist in diesem Revisionsverfahren nicht zu klären. Für die Bestimmung der Schutzwürdigkeit des Außenwohnbereichs wird ferner auf die jeweilige Gebietsstruktur sowie auf die konkrete tatsächliche Vorbelastung des einzelnen Grundstücks abzustellen sein. Dabei kann es nicht allein auf die jeweiligen aktuellen Lärmwerte ankommen, denen sich das Grundstück bereits vor der Inbetriebnahme des Flughafens ausgesetzt sieht. Von Bedeutung ist vielmehr auch, welches Gewicht der Nutzung des Außenwohnbereichs nach der jeweiligen Gebietsstruktur zukommt. Maßgeblich sind dabei allein objektive, d.h. grundstücksbezogene Kriterien. Dies schließt die Berücksichtigung besonderer Umstände in der Person des jeweiligen Grundstückseigentümers aus.
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Ist somit die Frage, welche Lärmbelastung im Einzelfall ohne Ausgleich hinzunehmen ist, für Innen- und Außenwohnbereich getrennt zu beantworten, so bedeutet dies freilich nicht, daß auch für die Entschädigungsleistung nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG eine jeweils gesonderte Berechnung durchzuführen wäre. Bei der Ermittlung dessen, was an Entschädigung im Einzelfall als "angemessen" zu gelten hat, kann allein eine Gesamtbetrachtung des Grundstücks maßgebend sein. Denn der Schutzgegenstand des "Wohnens" kennzeichnet einen einheitlichen Lebensvorgang, der die Nutzung des Grundstücks insgesamt umfaßt. Eine nach Innen- und Außenwohnbereich getrennte Berechnung der Entschädigung ginge demgegenüber an den Wohnerwartungen und Wohngewohnheiten der Bevölkerung weitgehend vorbei. |
Für die Frage der Angemessenheit einer Entschädigung kann allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Schwergewicht der Lebensgestaltung auf dem Grundstück nach allgemeinem Wohnverhalten im Innenwohnbereich liegt. Schon wegen der Witterungsabhängigkeil ist die Nutzung der Freiflächen zu Wohnflächen auf mehr oder weniger eng begrenzte Zeiträume beschränkt. Darüber hinaus dient der Außenwohnbereich - abgesehen von landwirtschaftlichen oder gärtnerisch genutzten Anwesen - in aller Regel allein der Freizeitgestaltung. Andere Lebensbetätigungen sind weitgehend an den Innenwohnbereich gebunden. Schließlich ist zu bedenken, daß die Möglichkeit der Nutzung von Freiflächen zu Wohnzwecken zwar zumeist als angenehme Erhöhung der Wohnqualität angesehen wird, jedoch keineswegs stets als unabdingbarer Bestandteil der allgemeinen Wohnkultur angesehen werden kann. Diese Gewichtung könnte bei einer nach Innen- und Außenwohnbereich getrennten Ermittlung der Entschädigungsleistung nicht hinreichend zum Tragen gebracht werden. Wie sich solche notwendigen Differenzierungen auf die Frage der Angemessenheit einer Entschädigungsleistung für das Grundstück in seiner Gesamtheit letztlich auswirken, entzieht sich einer abstrakten Festlegung. Insoweit kommt es auf die individuellen Verhältnisse an. Letztlich ist dies eine Frage von Lebensqualität und deren Gewichtung im Einzelfall. Dies zu ermitteln und zu bewerten, ist Sache der Planfeststellungsbehörde und ggf. der gerichtlichen Tatsacheninstanzen.
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(2) Ein Teil der Kläger begehrt Entschädigungsleistungen auch für die "Einengung des üblichen Wohn- oder sonstigen Nutzungsverhaltens in den Innenwohnbereichen". Die Beigeladene zu 1 ist dem entgegengetreten. Nach ihrer Auffassung wird durch den gewährten passiven Lärmschutz der Schallpegel im Innenwohnbereich unter die Zumutbarkeitsgrenze herabgedrückt, so daß für eine zusätzliche Entschädigungsleistung nach der Konzeption des Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG kein Raum sei. Der Senat vermag diese Auffassung nicht uneingeschränkt zu teilen. |
Auszugehen ist auch für diese Frage von dem Grundsatz der gesetzlichen Regelung, daß Anspruch auf angemessene Entschädigung nur besteht, soweit Vorkehrungen oder Anlagen zur Vermeidung der unzumutbaren Fluglärmbeeinträchtigungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Solche Beeinträchtigungen werden für den Innenwohnbereich durch Lärmschutzmaßnahmen (Einbau von Schallschutzfenstern ggf. mit Belüftungseinrichtung) in der Regel ausgeglichen. Es kann jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß trotz Herabsenkens des Schallpegels im Rauminnern ausgleichsbedürftige nachteilige Wirkungen verbleiben. So hat der Senat bereits in einer Grundsatzentscheidung zum Straßenverkehrslärm darauf hingewiesen, zu den schützenswerten Wohnbedürfnissen in einem nicht durch Störfaktoren nachteilig vorbelasteten Wohngebiet gehöre das übliche Wohnverhalten und damit die Möglichkeit des Wohnens und Schlafens auch bei (gelegentlich) geöffneten Fenstern (vgl. BVerwGE 51, 15 [33]). Dabei beschränkt sich das Öffnen der Fenster jedenfalls am Tag in seiner Wohnfunktion nicht allein auf die erforderliche Lüftung der Räume, welche unter Lärmschutzgesichtspunkten ggf. auch durch den Einbau technischer Lüftungseinrichtungen gewährleistet wird. Einige Kläger weisen zu Recht darauf hin, daß das Offnen der Fenster auch der ""Kommunikation von innen nach außen"" dienen kann. Je nach Lärmbelastung der Umgebung kann diese Funktion mehr oder weniger eingeschränkt sein, wenn das Öffnen der Fenster nur unter Inkaufnahme eines stark erhöhten Lärmpegels möglich ist. Dies kann im Einzelfall dazu führen, daß trotz Einbaus von Schallschutzfenstern ein unzumutbarer "Restnachteil" verbleibt, für den ein angemessener Ausgleich vorzusehen ist.
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b) Als Grundlage für die Bemessung der Entschädigungsleistung wird in der Regel in Ermangelung anderer konkreter Anhaltspunkte eine Verminderung des Verkehrswerts in Betracht kommen, wie sie durch die Beeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze eintritt. Freilich setzt dies, wie nochmals hervorzuheben ist, zuvor die nach anderen Kriterien vorzunehmende Feststellung voraus, daß das fragliche Grundstück einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt ist, die nicht durch technisch-reale Schutzvorkehrungen ausgeglichen werden kann. |
Der vorliegende Streitfall gibt darüber hinaus Anlaß zu folgenden weiteren Klarstellungen:
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Die Berücksichtigung des Grundstücksminderwertes als Bemessungsfaktor für die Höhe der zu leistenden Entschädigung darf nicht den Blick dafür verstellen, daß sich der Ausgleichsanspruch des Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG von seiner Zielsetzung her von der Entschädigung im Enteignungsverfahren wesentlich unterscheidet. Dort soll für den Entzug des Eigentums ein entsprechendes Äquivalent gewährt werden, was zumeist auf einen Wertersatz nach Maßgabe des Verkehrswerts hinausläuft (vgl. etwa § 95 Abs. 1 BauGB). Diese Maßstäbe können auf den nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG zu leistenden Ausgleich für Nachteile, die sich unterhalb der "Enteignungsschwelle" bewegen, nicht uneingeschränkt übertragen werden. Denn Sinn und Zweck der Ausgleichszahlung nach dieser Vorschrift ist es, den Betroffenen, dem ein tatsächlicher und unzumutbarer, freilich nicht bzw. nicht mit verhältnismäßigen Mitteln behebbarer Nachteil verbleibt und der damit Lasten zugunsten des allgemeinen Luftverkehrs trägt, zumindest finanziell zu entschädigen. Er soll wegen der nicht zu vermeidenden unzumutbaren Belastung ersatzweise eine Vergünstigung erhalten, welche ihm das Ertragen dieser Belastung erleichtern soll. Intensität der Belastung und Höhe der Entschädigung haben dabei in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen. Die Minderung des Grundstückswerts mag dabei als ein gewichtiges Indiz für die Schwere und Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung anzusehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 - III ZR 204/86 - UPR 1988, 142 für den Anspruch aus "enteignungsgleichem Eingriff", soweit Schallschutzmaßnahmen keine wirksame Abhilfe versprechen).
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Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die dem Betroffenen auferlegte Belastung und deren Ausgleich nicht allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet werden darf. Dies gilt nicht nur für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, sondern auch für die Bemessung der Höhe der Entschädigungsleistung. Die Beeinträchtigung von Wohn- und damit auch von Lebensqualität, welche die Lärmbelastung mit sich bringt, wird durch eine ausschließlich am Grundstückswert orientierte Betrachtungsweise nicht immer angemessen aufgefangen werden können. |
Dies gilt besonders in solchen Fällen, in denen der Grundstücksmarkt trotz der Lärmbeeinträchtigung mit Wertsteigerungen reagiert, weil die Umgebung eines Planungsvorhabens etwa durch eine wesentliche Verbesserung der Infrastruktur, durch Schaffung einer Vielzahl neuer Arbeitsplätze usw. für potentielle Käufer erheblich an Attraktivität gewinnt. Eine solche Entwicklung hat offenbar in Teilen des Umlandes am neuen Flughafen München II eingesetzt. Die ausschließlich wirtschaftliche Betrachtungsweise des Berufungsgerichts, die im Wege des sog. Vorteilsausgleichs die Wertsteigerung des Grundstücks gegen die lärmbedingte Wertminderung aufrechnet, verschiebt die soeben dargestellten Zusammenhänge. Hier stößt das Kriterium des Grundstücksminderwerts als Bemessungsfaktor für die Entschädigungsleistung an seine Grenzen. Denn im Ergebnis bedeutet der vom Berufungsgericht durchgeführte Vorteilsausgleich, daß ein Eigentümer, bei dessen Grundstück die planungsbedingte Wertsteigerung die fluglärmbedingte Wertminderung ausgleicht oder sogar übersteigt, sich zwar weiterhin einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt sieht, aber keine Entschädigung dafür erhält, daß der Sache nach an sich gebotene Schutzmaßnahmen unterblieben sind. Dies ist weder mit der Systematik noch mit Sinn und Zweck von § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayVwVfG zu vereinbaren.
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Der Beklagte wird vielmehr die nach Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG zu leistende Entschädigung unabhängig von der konkreten Entwicklung auf dem Grundstücksmarkt in der Flughafenumgebung (abstrakt) zu bemessen haben. Dabei kann als Anhaltspunkt für die Höhe der wegen der Beeinträchtigung durch Fluglärm vorzunehmenden Abschläge auf die Praxis der Bewertung von Grundstücken bei der Enteignungsentschädigung bzw. auf die steuerrechtliche Ermittlung des Einheitswerts zurückgegriffen werden. |
4.2 Gemeindliches Eigentum
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Das Berufungsgericht hat den klagenden Gemeinden einen Ausgleichsanspruch versagt für solche kommunalen Einrichtungen (Rathäuser, Schulen, Kindergärten und dergleichen), die überwiegend öffentlichen Zwecken dienen. Zwar hat es Schutzansprüche von Gemeinden aus § 9 Abs. 2 LuftVG, Art. 74 Abs. 2 BayVwVfG im Grundsatz bejaht, jedoch gleichzeitig angenommen, die Schutzwürdigkeit des Eigentums sei im Bereich der Entschädigung gemindert. Grundstücke mit öffentlicher Zweckbestimmung seien in der Regel kein Gegenstand des Grundstücksmarkts. Im übrigen entspreche es nicht dem Verhältnis öffentlicher Planungsträger untereinander, sich die planungsbedingten Wertminderungen ihrer öffentlichen Einrichtungen gegenseitig in Rechnung zu stellen.
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Diese Rechtsauffassung ist nicht zutreffend. Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß auch eine Gemeinde als Eigentümerin von Grundstücken ebenso wie private Grundstückseigentümer sowie als Trägerin von kommunalen Einrichtungen Schutz vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen verlangen kann; dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa BVerwGE 69, 256 [261]) und gilt gleichermaßen für die technisch-realen Schutzvorkehrungen wie für die Entschädigungsleistung. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur fehlenden Grundrechtsfähigkeit kommunaler Gebietskörperschaften in bezug auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 61, 82 [100 ff.]) steht dem nicht entgegen. Denn der fehlende grundrechtliche Schutz auf verfassungsrechtlicher Ebene schließt einen weitergehenden Schutz auf der Ebene des einfachen Gesetzes nicht aus. Diese Möglichkeit hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern gerade vorausgesetzt (a.a.O. S. 108). Klarstellend sei angemerkt, daß sich aus den Entscheidungen des Senats vom 1. Juli 1988 - BVerwG 4 C 15.85 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 69 = NVwZ 1989, 247 und vom 20. August 1990 - BVerwG 4 B 146-148.89 - UPR 1991, 32 = NVwZ RR 1991, 8 (insoweit dort jeweils nicht abgedruckt) nichts Abweichendes ergibt. Denn in den dort entschiede nen Fällen ging es nicht um die Geltendmachung von Rechtsansprüchen auf einfachgesetzlicher Ebene, sondern um die unmittelbare Berufung auf den Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG gegenüber der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines Planfeststellungsverfahrens bzw. um die Durchsetzung eines auf den Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Rechtsgrundlage beruhenden Sanierungsanspruchs. Entscheidend ist, daß Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG für die Rechtsträgerschaft des von ihm eingeräumten Ausgleichsanspruchs keine Unterscheidung trifft. "Rechte anderer"" im Sinne dieser Vorschrift umfassen auch das Eigentum einer Gemeinde an Grundstücken; sie ist Inhaberin aller Rechte, die sich für einen Eigentümer aus §§ 903 ff. BGB ergeben. |
Es trifft aber nicht zu, daß Gemeinden den Ausgleichsanspruch nur mit der vom Berufungsgericht vorgesehenen Einschränkung geltend machen können. Schutzziel des Art. 74 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ist nicht der (Verkehrs-)Wert des Grundstücks als solcher; vielmehr soll ein angemessener Ausgleich in Geld geleistet werden dafür, daß technisch-reale Schutzvorkehrungen "zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen" untunlich bzw. mit dem Vorhaben unvereinbar sind und deshalb unterbleiben müssen. Dieser Schutzzweck greift unabhängig davon ein, ob das betroffene Grundstück dem Grundstücksmarkt zur Verfügung steht oder nicht. Auch hier erweist sich ein undifferenziertes Abstellen der Bemessungsfaktoren für die Entschädigungsleistung ausschließlich auf den Grundstücksminderwert als unzureichend.
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