![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
2. Eingeschränkte Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren (Abgrenzung zu BGHSt 46, 93 und 47, 172). |
StPO § 136 Abs. 1 Satz 2, § 141 Abs. 3 Satz 2 |
5. Strafsenat |
Beschluss |
vom 5. Februar 2002 g.T. u.a. |
- 5 StR 588/01 - |
Landgericht Berlin![]() |
![]() | |
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils u.a. wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag zu Jugendstrafen verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat folgendes an:
| 1 |
Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte T beanstandet, daß die Vernehmungen beider Angeklagter durch den Haftrichter anläßlich ihrer Vorführung gemäß § 128 StPO - ungeachtet ihres in der Hauptverhandlung rechtzeitig erhobenen Widerspruchs - verwertet worden sind, bleibt erfolglos.
| 2 |
1. Auf eine angeblich unzulängliche Belehrung der Mitangeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO kann sich die Angeklagte nicht berufen; ihre Rechte werden hierdurch nicht berührt (vgl. BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313; Nack StraFo 1998, 366, 372 f.). Bereits daran scheitert ihre Rüge, soweit sie sich gegen die Verwertung der richterlichen Vernehmung der Mitangeklagten wendet.
| 3 |
2. Die Angeklagte ist unmittelbar vor der verwerteten haftrichterlichen Vernehmung wie bereits vor ihrer ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung, bei der sie die Einlassung verweigert hat, über ihr Recht, jederzeit, auch schon vor ihrer Vernehmung, einen zu wählenden Verteidiger zu befragen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO), belehrt worden; dies ist jeweils protokolliert worden. Die Angeklagte hat nicht zu erkennen gegeben, daß sie einen Verteidiger konsultieren wolle. Vor dem Haftrichter hat sie unter Zuziehung eines Dolmetschers nach der Belehrung ohne Verteidigerbeistand ausgesagt.
| 4 |
a) Über die erfolgte Belehrung hinaus war angesichts der fehlenden Reaktion der Angeklagten hierauf ein ausdrücklicher Hinweis auf die Einrichtung eines Verteidigernotdienstes und die Möglichkeit, zu diesem eine telefonische Verbindung mit dem Ziel alsbald realisierbarer anwaltlicher Konsultation herzustellen, nicht geboten.
| 5 |
Der Senat hat - entgegen dem weitergehenden Verständnis der Verteidigung (entsprechend Kutschera StraFo 2001, 262; vgl. auch ![]() ![]() | 6 |
b) Weitergehendes wäre nur zu erwägen, wenn die Ermittlungsbehörden bei der gegebenen haftrichterlichen Vernehmungssituation für eine Verteidigung der damaligen Beschuldigten hätten Sorge tragen müssen. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat eine entsprechende aus § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO abzuleitende Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, die gehalten sein könnte, jedenfalls bis zu einer Unterrichtung des Beschuldigten, daß ihm nunmehr ein Verteidiger zu bestellen sei, mit weiteren Ermittlungshandlungen innezuhalten, in seinem Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01 (BGHSt 47, 172) erwogen. Indes vermag der Senat eine entsprechende Verpflichtung jedenfalls für die hier gegebene Verfahrenssituation nicht anzuerkennen.
| 7 |
Aus dem Regelungsgefüge der §§ 140, 141 StPO folgt, daß - insoweit auch in näherer Konkretisierung der Anforderungen aus ![]() ![]() | 8 |
Hiernach wird eine Verteidigerbestellung bereits im Ermittlungsverfahren jedenfalls dann zu veranlassen sein, wenn mit im Sinne des § 140 Abs. 1 oder 2 StPO gewichtiger Anklageerhebung zu rechnen ist und eine effektive Wahrnehmung der Verteidigungsinteressen des Beschuldigten die Mitwirkung eines Verteidigers, beispielsweise durch Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts, schon vor Anklageerhebung unerläßlich erfordert (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 141 Rdn. 5). Zutreffend verlangt der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, der insoweit (a.a.O.) eine Reduzierung des richterlichen Ermessens (§ 141 Abs. 3 Satz 1 StPO) auf Null und eine entsprechende Einengung des staatsanwaltlichen Beurteilungsspielraums (§ 141 Abs. 3 Satz 2 StPO) annimmt, die Bestellung eines Verteidigers vor einer beweissichernden ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines wesentlichen Belastungszeugen in Abwesenheit des Beschuldigten (BGHSt 46, 93, 99 f.); in diesem Fall wird nur so den Anforderungen des Rechts des Beschuldigten auf Verteidigung aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. c) MRK, hier insbesondere mit Rücksicht auf eine effektive Wahrung seines Fragerechts aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d) MRK, genügt.
| 9 |
Dem geltenden Recht ist indes nicht zu entnehmen, daß bereits dann, wenn die Staatsanwaltschaft - oder etwa gar die ermittlungs ![]() ![]() | 10 |
c) Da für einen Sonderfall, in dem auf eine Verteidigerbestellung zugunsten der Angeklagten T bereits vor ihrer haftrichterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren hätte hingewirkt werden müssen, hier sonst keine durchgreifenden Gründe ersichtlich sind, wird die Verwertbarkeit dieser Vernehmung nicht dadurch ![]() ![]() ![]() | 11 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |