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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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59. Auszug aus dem Urteil |
vom 24. September 1975 |
i.S. Verband der Schweizerischen Automatenbranche und Mitbeteiligte gegen Kanton Basel-Landschaft | |
Regeste |
Kantonales Verbot von Geldspielautomaten. Derogatorische Kraft des Bundesrechtes; Handels- und Gewerbefreiheit; persönliche Freiheit. |
1. Das Bundesgesetz über die Spielbanken ordnet die Zulassung und den Betrieb von Spielapparaten nicht abschliessend. Es liegt in der Kompetenz der Kantone, in diesem Bereiche weitergehende Vorschriften zu erlassen und Spiele zu untersagen, die bundesrechtlich nicht verboten sind (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 4). |
2. Das vom Kanton Basel-Landschaft erlassene generelle Verbot von Geldspielautomaten verstösst nicht gegen Art. 31 BV. Kontrollschwierigkeiten als zulässiges Motiv für Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 5 u. 6). |
3. Das Grundrecht der persönlichen Freiheit schützt nur die elementaren Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung. Das Verbot des Aufstellens von Geldspielautomaten berührt die potentiellen Spieler nicht im geschützten Kernbereich freier menschlicher Betätigung (E. 7). |
4. Übergangsregelung; erforderliche Frist zur Ausserbetriebsetzung der verbotenen Spielapparate (E. 8). | |
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A. | |
Der Landrat des Kantons Basel-Land verabschiedete am 30. Mai 1974 ein Gesetz über Spielautomaten und Spiellokale, das u.a. folgende Vorschriften enthält:
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§ 1
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"Spielautomaten im Sinne dieses Gesetzes sind Geräte und Apparate, deren entgeltlicher Betrieb einer auf Ungewissheit gerichteten Tätigkeit gleichkommt und bei denen der Spielausgang vom Zufall oder von der Geschicklichkeit abhängt." ![]() | 3 |
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"1 Das Aufstellen solcher Spielautomaten zum öffentlichen Gebrauch und gegen Entgelt ist verboten, wenn Geld- oder Warengewinne abgegeben werden.
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2 Werden keine Geld- oder Warengewinne abgegeben, ist das Aufstellen solcher Spielautomaten zulässig.
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3 Der Regierungsrat kann generell die Höhe des Entgelts begrenzen."
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§ 3
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"1 Die gewerbsmässige Verwendung der zulässigen Spielautomaten ist bewilligungspflichtig.
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2 ..."
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§ 17
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"1 Für die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eröffneten Spiellokale und schon betriebenen Spielautomaten sind innert zweier Monate die Bewilligungen einzuholen.
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2 Spielautomaten, deren Verwendung aufgrund dieses Gesetzes unzulässig ist, sind innert zweier Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ausser Betrieb zu nehmen."
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Gegen dieses Gesetz, das in der Volksabstimmung vom 20. Oktober 1974 angenommen wurde, führen der Verband der Schweizerischen Automatenbranche, Zürich, und eine Reihe weiterer Einzelpersonen staatsrechtliche Beschwerde mit der Rüge, § 2 Abs. 1 des Gesetzes sei verfassungswidrig. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, im wesentlichen aus folgenden.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Erwägungen:
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Erwägung 4 | |
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Das Spielbankengesetz ist ein Ausführungserlass zu dem in Art. 35 BV umschriebenen Spielbankenverbot. Art. 3 SBG hat den Zweck, die als Glücksspielunternehmung unter das Spielbankenverbot fallenden Automaten von durch Art. 35 BV und das SBG nicht erfassten Spielgeräten abzugrenzen. Für diese Grenzziehung stellt das Gesetz darauf ab, ob "der Spielausgang in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit beruht". Ist diese Voraussetzung erfüllt, so gilt der Apparat nicht als Glücksspielunternehmung im Sinne von ![]() ![]() | 17 |
Das Bundesgericht hat bereits in BGE 80 I 352 E. 1 in diesem Sinne entschieden und in BGE 90 I 323 E. 2 wiederum bestätigt, dass das SBG die Kantone nicht hindert, Spiele zu untersagen, die bundesrechtlich nicht verboten sind. Gegen diese Rechtsprechung wird in den vorliegenden Beschwerden nichts Stichhaltiges vorgebracht. In dem vom Verband der Schweizerischen Automatenbranche eingereichten Gutachten kommt Prof. Gygi ebenfalls zum Schluss, die Rechtssetzungszuständigkeit der Kantone, Vorschriften über die nicht dem bundesrechtlichen Spielbankenverbot unterstehenden Geldspielgeräte zu erlassen, könne nicht verneint werden. Die Rüge, das Verbot der Geldspielgeräte in § 2 Abs. 1 des angefochtenen Gesetzes verletze den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, erweist sich als unbegründet. Die Verschärfung der bundesgerichtlichen Praxis in bezug auf die Zulassung von Geldspielautomaten als Geschicklichkeitsgeräte gemäss Art. 3 SBG (BGE 97 I 755) hat an der dargelegten Verteilung der Rechtssetzungskompetenz zwischen Bund und Kanton nichts geändert. ![]() | 18 |
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Der Regierungsrat hält dem entgegen, dass ein Verbot von Geldspielautomaten einem eminenten öffentlichen Interesse entspreche; es gehe um den Schutz Jugendlicher und um den Schutz sozial in irgendeiner Form benachteiligter oder gefährdeter Menschen; man wolle verhindern, dass nicht begüterte Personen zum Verspielen hoher Geldsummen verleitet werden. Entscheidende Bedeutung wird sodann vom Regierungsrat dem Argument beigemessen, dass der Aufsteller alles Interesse daran habe, das Geschicklichkeitsspielgerät in Richtung Glücksspiel zu verändern und dass der Kanton finanziell und personell ausserstande sei, solche Veränderung durch laufende Kontrollen der bundesrechtlich bewilligten Geräte zu verhindern. ![]() | 22 |
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Inzwischen ist die Bewilligungspraxis zu Art. 3 SBG verschärft worden. Durch die strengern Kriterien für die Zulässigkeit von Geschicklichkeitsautomaten dürfte die Gefahr der Spielsucht für Jugendliche und sozial benachteiligte Personen erheblich vermindert sein, sofern wirklich nur Geräte aufgestellt und betrieben werden, die nach der heutigen Rechtsprechung als Geschicklichkeitsgeräte im Sinne von Art. 3 SBG qualifiziert werden können. Wer die erforderliche Geschicklichkeit nicht besitzt, wird das in der Regel bald feststellen und das Spiel aufgeben. Der wirklich geschickte und daher erfolgreiche Spieler aber hat bei echten Geschicklichkeitsgeräten erhebliche Gewinnchancen und wird daher nicht zu Verlust kommen.
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Ob der Schutz des Publikums gegen grosse Verluste und gegen die Gefahr der Spielsucht auch nach der Verschärfung der bundesrechtlichen Zulassungskriterien ein allgemeines Verbot der Geldspielautomaten durch das kantonale Recht vor Art. 31 BV noch ausreichend zu rechtfertigen vermag, kann hier dahingestellt bleiben; denn dieses Verbot erscheint, wie sich aus der nachfolgenden Erwägung ergibt, aus einem andern Grund als verfassungsrechtlich haltbar.
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Erwägung 6 | |
6.- Das in der neuern bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 3 SBG aufgestellte Erfordernis, der zu bewilligende Geschicklichkeitsapparat dürfe nicht leicht verstellbar, d.h. ohne äussere Änderung durch einen kleinen Eingriff in ein vorwiegend vom Zufall bestimmtes Spiel (Glücksspiel) umzuwandeln sein, sollte die Gefahr derartiger Manipulationen an bundesrechtlich zulässigen Geldspielapparaten verringern. Der Regierungsrat hebt jedoch in seiner Vernehmlassung hervor, Veränderungen seien stets möglich; wenn ein Apparat - im Sinne der neuern Praxis - nicht leicht manipulierbar sei, so könne er doch durch den Fachmann umgebaut werden und die Veränderung sei dann umso schwerer zu ![]() ![]() | 26 |
Die nach der Verschärfung der bundesrechtlichen Bewilligungspraxis verbleibende technische Möglichkeit der Umwandlung eines Geschicklichkeitsgerätes in ein Glücksspielgerät vermag ein gänzliches Verbot der Geldspielapparate zu begründen, wenn die Gefahr solcher Änderungen als erheblich erscheint und ihr nicht durch gelegentliche Kontrollen ohne übermässigen Verwaltungsaufwand wirksam begegnet werden kann.
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Die vom bundesrechtlichen Verbot nicht erfassten Geschicklichkeitsgeräte im Sinne von Art. 3 SBG haben für die kommerzielle Auswertung offensichtlich gewichtige Nachteile. Erfordern sie eine hohe Geschicklichkeit, so werden die zu ![]() ![]() | 30 |
Wegen der dargelegten Schwierigkeiten wird der Aufsteller von bundesrechtlich bewilligten Geschicklichkeitsspielapparaten immer wieder in Versuchung kommen, den Spielverlauf so zu ändern oder von einem Fachmann ändern zu lassen, dass der Einfluss der Geschicklichkeit zurückgedrängt wird und der Erfolg vorwiegend vom Zufall abhängt. Die bisherige Erfahrung bestätigt die Richtigkeit dieser Überlegungen. Auch wenn bei neuern Spielapparaten auf elektronischer Basis entscheidende Umwandlungen weniger leicht vorgenommen werden können als bei den Automaten vom Typus Go-N-Stop, so ändert dies nichts an den aus der Struktur des Geschicklichkeitsgerätes sich ergebenden Schwierigkeiten einer lohnenden kommerziellen Auswertung und beseitigt die sich daraus für den Aufsteller ergebende grosse Versuchung zu Änderungen nicht.
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c) Die vom Regierungsrat behauptete erhebliche Gefahr von Manipulationen, welche den Spielcharakter eines Apparates grundlegend ändern, ist durch sachliche Argumente hinreichend belegt. Um einigermassen Gewähr zu haben, dass nur ![]() ![]() | 32 |
Wenn ein Kanton eine an der Grenze zur bundesrechtlich verbotenen Veranstaltung von Glücksspielen stehende gewerbliche Aktivität untersagt, weil er den notwendigen Aufwand für die zur Verhinderung rechtswidriger Machenschaften unerlässliche Kontrolle mit guten Gründen als unverhältnismässig betrachtet, so verstösst dies nicht gegen Art. 31 BV. Diese Verfassungsnorm verpflichtet die Kantone nicht, auch eine gewerbliche Tätigkeit zuzulassen, bei welcher von vornherein die Gefahr rechtswidrigen Verhaltens besonders gross ist, so dass nur durch eine intensive, kontinuierliche Überwachung eine wirksame Verhütung gesetzwidriger Handlungen, insbesondere von Verstössen gegen das bundesrechtliche Glücksspielverbot, gewährleistet werden könnte. Dass Kontrollschwierigkeiten unter Umständen ein haltbares Motiv für Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit sein können, ergibt sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGE 98 Ia 404 f., 91 I 465 f.).
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Hiezu ist folgendes zu bemerken: Die Spieler werden sich in der Regel nur an die Polizei wenden, wenn - nach ihrer Meinung - ein Spielautomat zu wenig Gewinne auszahlt. Die Umwandlung eines Geschicklichkeitsapparates in einen Glücksspielautomaten wird wohl von den Spielern meistens nicht beanstandet, sofern ihnen der veränderte Apparat angemessene Erfolgschancen bietet, auch wenn diese vorwiegend auf Zufall beruhen und nicht auf dem Einsatz der Geschicklichkeit. Der Durchschnittsspieler sucht das Glücksspiel, nicht den Geschicklichkeitstest. Das lässt sich auch der von den Beschwerdeführern eingereichten Spezialliteratur entnehmen. Ein Geldspielapparat, der auch im Blindspiel (ohne geschickte Beeinflussung) angemessene Erfolgschancen bietet und daher als Glücksspielgerät verwendbar ist, wird vom Durchschnittsspieler, ![]() ![]() | 35 |
Einem Kanton, welcher durch Volksentscheid Geldspielautomaten generell verbietet, um sich von der finanziell und personell schwer lösbaren Überwachungsaufgabe zu entlasten, kann nicht entgegengehalten werden, in andern Kantonen komme man mit wenig Kontrollarbeit durch, solange der dringende Verdacht nicht widerlegt ist, bei einer beschränkten Überwachung (Stichproben, periodische Kontrollen in grössern Abständen) würden immer wieder bundesrechtlich bewilligte Apparate unentdeckt in bundesrechtswidrige Glücksspielautomaten umgewandelt.
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Erwägung 7 | |
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a) Die persönliche Freiheit ist ein ungeschriebenes Individualrecht (BGE 99 Ia 509 E. 3 und dort erwähnte frühere ![]() ![]() ![]() ![]() | 39 |
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Erwägung 8 | |
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Nach den Angaben der Beschwerdeführer kostet ein Apparat Fr. 2'000.-- bis Fr. 6'000.-- und für die Amortisation sollen je nach Apparat ein bis vier Jahre erforderlich sein. - Dass ein Aufsteller unter den geschilderten Umständen in guten Treuen Investitionen machte, welche im Zeitpunkt der Ausserbetriebsetzung nicht amortisiert waren, ist unwahrscheinlich und durch nichts belegt. Allenfalls vorhandene, bundesrechtlich zulässige Apparate sind überdies in andern Kantonen noch verwendbar.
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Eine Beeinträchtigung verfassungsrechtlich geschützter, vermögenswerter Ansprüche durch die getroffene Übergangsregelung ist nicht dargetan. Der Antrag auf Aufhebung von § 17 Abs. 2 muss daher abgewiesen werden.
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Dass das Bundesgericht im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Widerruf einer rechtskräftig erteilten Bewilligung eine längere Übergangsfrist für angezeigt hielt (BGE 97 I 761), kann hier nicht von entscheidender Bedeutung sein; denn im vorliegenden Verfahren handelt es sich um die Frage der Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Übergangsregelung beim gesetzlichen Verbot einer bisher ohne Bewilligung tolerierten gewerblichen Tätigkeit. ![]() | 46 |
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