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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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61. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 25. November 1982 |
i.S. R., S. und Z. gegen Obergericht des Kantons Zürich |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Anwaltsdisziplinarrecht; Meinungsäusserungsfreiheit; Öffentlichkeit der Verhandlungen. |
1. Die in Art. 10 EMRK garantierte Meinungsäusserungsfreiheit ist nicht verletzt, wenn ein Anwalt diszipliniert wird, weil er unsachliche Kritik geübt und sich dabei im für den Verkehr mit den Behörden gebotenen Ton vergriffen hat (E. 1, 2). |
2. Der schweizerische Vorbehalt zu Art. 6 EMRK schliesst die Anwendung dieser Bestimmung auf das Disziplinarverfahren vor der Aufsichtsbehörde aus (E. 5). | |
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A.- Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich stellte mit Beschluss vom 25. März 1982 die Rechtsanwälte R. und S. während vier Monaten, Rechtsanwalt Z. während fünf Monaten im Berufe ein. Den Anwälten wird standeswidriges Verhalten im Zusammenhang mit dem "Pruntruter Prozess" zur Last gelegt, das auch Gegenstand eines Disziplinarverfahrens vor der Berner Anwaltskammer bildet. Der massgebende Sachverhalt ist in BGE 106 Ia 100 ff. wiedergegeben. Andere Vorwürfe sind nicht erhoben.
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Die drei disziplinierten Anwälte wandten sich in der Folge an das Obergericht des Kantons Zürich, das die Rekurse am 9. Juni 1982 jedoch abwies. Das Bundesgericht weist die dagegen erhobenen staatsrechtlichen Beschwerden, worin die Verletzung von Art. 4 und 31 BV sowie Art. 6 und 10 EMRK gerügt wird, ab.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
1.- Aufsichtskommission und Obergericht prüften die gegen die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem "Pruntruter Prozess" zur Last gelegten Vorwürfe sowohl unter dem Gesichtswinkel des zürcherischen Anwaltsgesetzes vom 3. Juli 1938 (AG) als auch von BGE 106 Ia 100 ff. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass Aufsichtskommission und Obergericht nur solche Disziplinarwidrigkeiten feststellen, die auch vom Bundesgericht im erwähnten Entscheid geprüft und als erstellt betrachtet wurden. Die Kritik der Beschwerdeführer richtet sich denn auch weniger gegen die obergerichtlichen Erwägungen, als vielmehr gegen die in ![]() ![]() | 4 |
Erwägung 2 | |
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"Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, ![]() ![]() | 8 |
aa) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die angefochtene Disziplinierung der gesetzlichen Grundlage ermangele. Nach § 7 Abs. 1 AG ist der Rechtsanwalt verpflichtet, seine Berufstätigkeit gewissenhaft auszuüben und sich durch sein Verhalten in der Ausübung seines Berufes und sein sonstiges Geschäftsgebaren der Achtung würdig zu zeigen, die sein Beruf erfordert. Die Beschwerdeführer beanstanden, diese Vorschrift sei viel zu unbestimmt, um als gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit vor Art. 10 Ziff. 2 EMRK standzuhalten. Dem ist entgegenzuhalten, dass es praktisch unmöglich ist, alle möglichen Disziplinartatbestände in einem Gesetz abschliessend aufzuzählen. Dies verlangt auch die EMRK nicht. Die massgebenden Vorschriften müssen lediglich so präzise formuliert sein, dass der Einzelne sein Verhalten danach richten kann, bzw. die Folgen seines Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (vgl. EuGRZ 1979, S. 387, E. 46 ff. betreffend "Sunday-Times"). Was ein Anwalt tun darf, ergibt sich im einzelnen aus den Standesregeln, auf die das Obergericht sich im vorliegenden Fall indes nicht beruft, anderseits aus der Disziplinarpraxis der Aufsichtsbehörden sowie des Bundesgerichts. Dass ein Anwalt diese Praxis kennt, darf mit Fug vorausgesetzt werden. In einzelnen Erlassen betreffend die Fähigkeitsprüfung zum Rechtsanwaltsberuf ist denn auch ausdrücklich vorgesehen, dass die Kandidaten im Anwaltsrecht geprüft werden (vgl. § 11 ZH/VO, Art. 19 lit. f JU/Règlement). Unter diesen Umständen besteht kein Grund zur Annahme, § 7 Abs. 1 AG genüge den formellen Erfordernissen von Art. 10 Ziff. 2 EMRK nicht.
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bb) Die Beschwerdeführer bestreiten, dass der Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit im Sinne von Art. 10 Ziff. 2 EMRK gerechtfertigt gewesen sei.
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Das Bundesgericht hat in BGE 106 Ia 104 ff. E. b ausgeführt, welche Stellung dem Anwalt innerhalb der Rechtspflege zukommt. Danach sind die dem Anwalt auferlegten geschriebenen und ungeschriebenen Regeln sowie die Wahrung der Standeswürde im ![]() ![]() ![]() ![]() | 11 |
Erwägung 5 | |
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b) Nach dem Wortlaut von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bezieht sich der Anspruch darauf, dass eine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird, auf das Verfahren vor einem Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen den Betreffenden erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Die Schweiz hat sich bei der Ratifikation der EMRK hinsichtlich dieser Bestimmung vorbehalten, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit keine Anwendung auf Verfahren im oben erwähnten Sinne findet, die nach dem kantonalen Recht vor einer Verwaltungsbehörde stattfinden (AS 1974 II 2173). Nach schweizerischer Auffassung ist das Disziplinarrecht nicht dem Straf- oder Zivilrecht, sondern dem Verwaltungsrecht zuzurechnen, denn die Disziplinarmassnahme bezweckt nicht in erster Linie die Übelszufügung oder die wirtschaftliche Benachteiligung infolge Behinderung in der Erwerbstätigkeit, sondern die Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Personenkreises, für den das Disziplinarrecht gilt (vgl. BGE 98 Ib 306 E. 2b, 97 I 835 E. 2a; nicht publiziertes Urteil vom 6. März 1981 i.S. H. E. 1). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vertritt in seinen Urteilen i.S. König (EuGRZ 1978, S. 406 ff.) und Le Compte & ![]() ![]() ![]() | 14 |
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