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Bearbeitung, zuletzt am 16.06.2020, durch: Dominika Blonski, A. Tschentscher | |||
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Urteil |
des des Ersten Senats vom 28. Februar 2007 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2006 |
-- 1 BvL 5/03 -- |
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V, wonach die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt ist, die miteinander verheiratet sind, und Ei- und Samenzellen nur von Ehegatten verwendet werden dürfen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 28. März 2003 (S 8 KR 87/02). |
Entscheidungsformel: |
§ 27 a Absatz 1 Nummer 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt ist, die miteinander verheiratet sind.![]() |
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A. | |
Das Vorlageverfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind, und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten zur Verwendung zulässt.
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I. | |
1. Die Finanzierung von medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) wird als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse durch das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch geregelt. Rechtsgrundlage ist § 27 a SGB V, der durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990 -- KOVAnpG 1990) vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1211) rückwirkend zum 1. Januar 1989 in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wurde. Die Vorschrift wurde zuletzt durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz -- GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190) geändert. Einen Anspruch auf die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft haben nur Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Leistungsanspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40., und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Die Zahl der von der Krankenkasse finanzierten Befruchtungsversuche wurde von vier auf drei reduziert. Die Leistungspflicht der Krankenkasse wurde auf 50 vom Hundert der entstehenden Kosten beschränkt. § 27 a SGB V hat nunmehr folgenden Wortlaut: ![]() | 2 |
3 | |
Künstliche Befruchtung
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(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
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1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
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2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
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3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
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4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
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5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121 a erteilt worden ist.
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(2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden.
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(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.
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(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach Absatz 1.
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2. In der Bundesrepublik Deutschland wurden in den Jahren 2003 rund 105.000, 2004 rund 60.000 und 2005 rund 56.000 Behandlungen zur künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation -- IVF) durchgeführt (Deutsches IVF-Register, Jahrgang 2005, S. 6). Im Jahr 2003 kamen etwa 16.000 künstlich gezeugte Kinder zur Welt (Dt.Ärztebl. 2005, S. A 398), 2004 rund 10.000 (Deutsches ![]() ![]() | 14 |
II. | |
1. Die 1972 geborene Klägerin des Ausgangsverfahrens ist ebenso wie ihr Lebensgefährte, mit dem sie seit 1995 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, gesetzlich krankenversichert. Nach den Feststellungen des Ausgangsgerichts lässt sich ihr Kinderwunsch aufgrund einer Fertilitätsstörung des Mannes nur im Wege einer künstlichen Befruchtung in Form der ICSI-Methode verwirklichen. Nachdem der Lebensgefährte der Klägerin im August 2001 ein Vorab-Vaterschaftsanerkenntnis in notarieller Form abgegeben hatte, beantragte die Klägerin im November 2001 bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der sich nach einem ärztlichen Kostenvoranschlag auf rund 2.700 DM belaufenden Kosten für eine ICSI-Behandlung. Vorgelegt wurde ferner ein Schreiben der Sächsischen Landesärztekammer; danach sei im gegebenen Fall trotz des Fehlens einer ehelichen Lebensgemein ![]() ![]() | 15 |
2. Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,
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ob § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die 19. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990 -- KOVAnpG 1990, BGBl I S. 1211) wegen Verletzung der Art. 6 Abs. 1 und 5, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 GG insoweit verfassungswidrig ist, als medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich auf Personen beschränkt sind, die miteinander verheiratet sind (§ 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V), und ausschließlich von Ehegatten Ei- und Samenzellen verwendet werden dürfen (§ 27 a Abs. 1 Nr. 4 SGB V).
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Das vorlegende Gericht hält die Tatbestandsvoraussetzung des § 27 a SGB V mit Ausnahme des Bestehens einer Ehe zwischen der Klägerin des Ausgangsverfahrens und ihrem Partner für gegeben. Sei die Vorschrift insoweit verfassungsgemäß, müsse die zulässige Klage abgewiesen werden; sei sie verfassungswidrig, sei ihr dagegen stattzugeben. Der Ehegattenvorbehalt in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V verstoße gegen das Grundgesetz. Eine verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich. Art. 6 Abs. 1 GG schütze nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie. Auch diese habe der Staat zu fördern. Eine künstliche Befruchtung könne das Entstehen einer Familie in gleicher Weise bei Unverheirateten wie bei Verheirateten herbeiführen, ohne dass es zu diesem Zweck einer vorhergehenden Eheschließung bedürfe. Die gesetzliche Regelung sei zudem geeignet, die Freiheit nichtehelicher Lebenspartner zu beeinträchtigen, von einer Eheschließung abzusehen, um den Kinderwunsch doch noch auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verwirklichen. Die Regelung verstoße auch ![]() ![]() | 18 |
III. | |
Zur Vorlage haben das Bundesministerium für Gesundheit namens der Bundesregierung, der Bundesverband der Betriebskrankenkassen namens der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht Stellung genommen. Mit Ausnahme des Verbandes der privaten Krankenversicherung haben sie und die Beteiligten des Ausgangsverfahrens sich in der mündlichen Verhandlung geäußert. Weiter haben die obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 82 Abs. 4 BVerfGG Auskünfte erteilt.
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1. Das Bundesministerium für Gesundheit hält die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Vorschrift für verfassungsgemäß. Systematik und Historie der Vorschrift belegten, dass hierdurch eine besondere Leistungsform geschaffen worden sei, die nur Eheleuten zuteil werden könne. Der entsprechende Anspruch sei vom allgemeinen Leistungsanspruch bei Krankheit abgegrenzt. Mit der Begrenzung der Leistung auf miteinander verheiratete Personen habe der Gesetzgeber die ihm von der Verfassung eingeräumte Privilegierungsmöglichkeit der Ehe wahrgenommen. Darüber hinaus stünde dem Gesetzgeber bei der konkreten Aus ![]() ![]() | 20 |
Das Anknüpfen an das Bestehen einer Ehe sei auch sachgemäß, da eine Ehe als eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft grundsätzlich die Gewähr dafür biete, dass Mutter und Vater langfristig Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Auch bei anderen Regelungen, insbesondere denjenigen zur beitragsfreien Familienversicherung, knüpfe das geltende Recht der gesetzlichen Krankenversicherung an das Vorliegen einer Ehe an. Eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder oder ein Eingriff in das Recht auf Leben sei nicht ersichtlich, da keine Form existenten oder werdenden Lebens vorliege. Der Gesetzgeber sei zwar nicht gehindert, auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften einen Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft einzuräumen. Verfassungsrechtlich verpflichtet sei er hierzu jedoch nicht.
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2. Nach Auffassung des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen ist die zur Prüfung gestellte Vorschrift verfassungsgemäß. Die Beschränkung des Leistungsanspruchs auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf miteinander verheiratete Personen stelle vor dem Hintergrund des Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Bevorzugung der Ehe gegenüber anderen Formen von Lebensgemeinschaften dar. Das Gebot aus Art. 6 Abs. 5 GG, nichtehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung und ihre gesellschaftliche Stellung zu schaffen, sei nicht betroffen, da es vorliegend erst um die Zeugung eines Kindes gehe. Gleiches gelte für den Schutz des Lebens in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die im Vergleich zu Ehepaaren bestehende Ungleichbehandlung nichtehelicher Lebensgemeinschaften sei durch die Möglichkeit der Bevorzugung der Ehe legitimiert. Die allgemeine ![]() ![]() | 22 |
3. Der Verband der privaten Krankenversicherung hat auf das Fehlen einer ausdrücklichen Leistungspflicht in den für die private Krankenversicherung einschlägigen Musterbedingungen MB/KK 94 verwiesen. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gleichwohl in der privaten Krankenversicherung ein Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehe, müsse dieser auf Eheleute beschränkt bleiben. Diesen käme nach Art. 6 GG ein besonderer Schutz zu, der ausnahmsweise die Ausweitung des Versicherungsschutzes legitimiere.
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4. Die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht hält die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Vorschrift für verfassungsgemäß. Die unterschiedliche Behandlung von Eheleuten und nichtehelichen Lebensgemeinschaften sei gerechtfertigt. Die Verfassung sehe eine grundsätzliche Privilegierungsmöglichkeit der Ehe gegenüber anderen Formen menschlichen Zusammenlebens vor. Zugleich stelle sie aber auch die Familie unter den Schutz der staatlichen Gemeinschaft. Hiervon sei auch die Familiengründung umfasst, die ein legitimes Anliegen sowohl von verheirateten wie auch von nicht verheirateten Paaren darstelle. Gleichwohl genieße nach überwiegender Auffassung die auf der Ehe basierende Familie im verfassungsrechtlichen Gefüge Vorrang vor der nichtehelichen Familie.
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Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Gleichbehandlung nichtehelicher Kinder mit ehelichen Kindern sei im geltenden Familienrecht weitgehend verwirklicht. Demzufolge sei auch der Personenstand der Eltern für den späteren rechtlichen Status des Kindes nahezu ohne Auswirkungen. Somit komme es rechtlich nicht entscheidend darauf an, dass eine vor Zeugung abgegebene Sorgeerklärung der nicht verheirateten Eltern nach überwiegender Auffassung unwirksam sei. Demgegenüber spiele der Personenstand der Eltern für das Kindeswohl eine erhebliche Rolle. Dies gelte bereits im Hinblick auf die ökonomische Absicherung des Kindes, da Eheleuten umfassende gesetzliche Ansprüche auf Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie eine wechsel ![]() ![]() | 25 |
5. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben sich in der mündlichen Verhandlung geäußert. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichtes angeschlossen, die Beklagte ihr widersprochen und insbesondere auf die praktischen Probleme hingewiesen, falls der Ehegattenvorbehalt in § 27 a SGB V entfalle.
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B. | |
Die Vorlage ist zulässig, die Vorlagefrage ist jedoch einzuschränken. Sie kann § 27 a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht umfassen. Soweit diese Vorschrift von Ehegatten spricht, knüpft sie damit lediglich -- wie im Übrigen ebenso § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V -- an den in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V geregelten Ehegattenvorbehalt an. Regelungszweck ist vor allem, die so genannte heterologe Insemination als Methode der künstlichen Befruchtung von der Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 -- B 1 KR 33/00 R, SozR 3 -- 2500 § 27 a Nr. 4). Diese Frage ist jedoch für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erheblich (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 58, 300 [319]; stRspr), da ausschließlich Samenzellen des Lebenspartners der Klägerin des Ausgangsverfahrens verwendet werden sollen und daher eine so genannte homologe Insemination beabsichtigt ist (vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rn. 544).
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Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist im Übrigen ![]() ![]() | 28 |
C. | |
§ 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Er verletzt weder Art. 3 Abs. 1 GG (I) noch sonstiges Verfassungsrecht (II).
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I. | |
Die zur Prüfung vorgelegte Norm verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 112, 50 [67]; stRspr).
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2. § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V schließt die gesetzlich versicherten Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sachleistung einer medizinischen Maßnahme nach dieser Vorschrift aus, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen gegeben sind. Sie werden dadurch im Verhältnis zu Ehepaaren finanziell benachteiligt und müssen, wenn sie die gewünschte künstliche Befruchtung vornehmen wollen, die gesamten Kosten dafür selbst tragen.
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3. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt.
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a) Die dargestellte Ungleichbehandlung wäre allerdings im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würden die in § 27 a SGB V geregelten medizinischen Maßnah ![]() ![]() | 34 |
Dieses § 27 a SGB V zugrunde liegende Konzept ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen (vgl. BVerfGE 115, 25 [45 ff.]), auch -- wie hier -- in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von vornherein veranlasst ist. Mit der besonderen Regelung des § 27 a SGB V stellt sich zudem die Frage nicht, ob die Verfahren der künstlichen Befruchtung, die mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sind, andererseits aber nur in 18 von 100 Behandlungen zur Geburt eines Kindes führen, als wirtschaftlich im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V angesehen werden kön ![]() ![]() | 35 |
b) Der Gesetzgeber hatte hinreichende sachliche Gründe, die Gewährung der Leistung nach § 27 a SGB V daran zu knüpfen, dass Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind.
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aa) Der Gesetzgeber durfte bei seiner Entscheidung über die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung daran anknüpfen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch in Ausformung der besonderen Schutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG in Ehegatten Partner einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft sieht und sie gesetzlich anhält, für einander Verantwortung zu tragen (§ 1353 Abs. 1 BGB). Diese Pflicht beinhaltet wechselseitigen Beistand in Zeiten der Bedrängnis (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl. 2006, § 18 Rn. 49) und insbesondere in Zeiten der besonderen körperlichen und seelischen Belastung. Diese Beistandspflicht hat der Gesetzgeber als Rechtspflicht ausgestaltet; ihr näherer Inhalt ist von der jeweiligen konkreten Situation abhängig (Gernhuber/Coester-Waltjen, a.a.O., § 18 Rn. 47). In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann diese Verantwortung nur freiwillig wahrgenommen werden. Die Ehe ist nach wie vor die rechtlich verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau, in der die gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann (Schwab, FamRZ 2007, S. 1 [3]). Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die Ehe auch in einer solchen Situation, in der sich Paare ihren Kinderwunsch im Wege der künstlichen ![]() ![]() | 37 |
bb) Der Gesetzgeber durfte auch in typisierender Betrachtung die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft, und deshalb den Ehegattenvorbehalt in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V vorsehen. So ist die Ehe nach § 1353 Abs. 1 BGB auf Lebenszeit angelegt und nur unter den Voraussetzungen der Aufhebung (§§ 1313 ff. BGB) oder Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) wieder auflösbar, während nichteheliche Partnerschaften jederzeit beendet werden können, auch wenn diese sich im konkreten Fall als eine feste Bindung erweisen. Die ehelichen Bindungen bieten einem Kind grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit, von beiden Elternteilen betreut zu werden. Auch sind Ehegatten einander nach § 1360 BGB gesetzlich verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie zu unterhalten. Dieser Unterhalt ist mit auf die Bedürfnisse der gemeinsamen Kinder ausgerichtet, be ![]() ![]() | 38 |
Daher konnte der Gesetzgeber in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Leistung vom Bestehen einer Ehe abhängig machen, ohne gegen den Grundsatz zu verstoßen, dass die unterschiedlichen Formen der Familie im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG im Verhältnis zueinander verfassungsrechtlich als gleichwertig anzusehen sind (vgl. dazu BVerfGE 25, 167 [196]; 106, 166 [176]).
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II. | |
Auch andere Grundrechte sind nicht verletzt. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht berührt, weil ihm -- auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip -- keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden kann, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Eine derartige Förderung liegt in seinem Ermessen (a. A. Sodan, Künstliche Befruchtung und gesetzliche Krankenversicherung, 2006, S. 66 ff.). Es wäre dem Gesetzgeber allerdings verfassungsrechtlich nicht verwehrt, die Leistungen nach § 27 a SGB V auszuweiten und insbesondere -- wie dies in einigen anderen europäischen Ländern der Fall ist -- auch nichtehelichen Partnern den Weg einer Finanzierung der künstlichen Befruchtung durch die gesetzliche Krankenversicherung zu öffnen. Verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist er nicht.
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Das Urteil ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen.
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