BGE 34 I 519 - Wohlerworbene Privatrechte | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Simone Jampen, A. Tschentscher | |||
Urteil |
vom 8. Juli 1908 |
in Sachen Huber und Genossen gegen Kanton Solothurn. |
Solothurnisches Gesetz vom 27. Mai 1907 betr. die Aufhebung der Ehehaften. Eingriff in wohlerworbene Privatrechte, Art. 15 soloth. KV? Nachweis der entschädigungsberechtigten Ehehaften; Entschädigungsmodus. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Das solothurnische Wirtschaftsgesetz vom 28. November 1905 bestimmt in § 4:
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"Die Rechte der Ehehaften bleiben vorbehalten. Diese Rechte erstrecken sich jedoch nicht auf die persönlichen Erfordernisse des Wirtschaftsinhabers, die polizeilichen Vorschriften dieses Gesetzes, sowie auf den Ausschank und Verkauf gebrannter Wasser (§ 16). Bis zum gesetzmäßigen Loskauf der Ehehaften sind die Inhaber solcher Rechte von der Bezahlung der Gebühren, welche in § 33 für die Erwerbung des Rechtes zur Veranstaltung öffentlicher Tanzbelustigungen vorgesehen sind, enthoben; es soll jedoch hierdurch keinerlei Präjudiz für die Bestimmung des rechtlichen Anfangs der Ehehaften geschaffen werden."
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Am 27. Mai 1907 erließ der Kantonsrat von Solothurn ein "Gesetz betreffend die Aufhebung der Ehehaften", das in der Volksabstimmung vom 15. Dezember 1907 angenommen und vom Regierungsrat mit der amtlichen Publikation des Abstimmungsresultates auf den 21. Dezember 1907 in Kraft erklärt wurde. Aus diesem Gesetz sind hier folgende Bestimmungen hervorzuheben:
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§ 1. "Die im Wirtschaftsgewerbe den Besitzern von ‚Ehehaften' gewährten Vergünstigungen und Vorrechte werden durch dieses Gesetz auf den 30. Juni 1910 aufgehoben."
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§ 2. "Bisherige Ehehaftenbesitzer, welche vom 1. Juli 1910 hinweg das Wirtschaftsgewerbe weiterführen wollen, haben die gesetzlich vorgesehenen Patente zu erwerben und die entsprechenden Abgaben zu bezahlen."
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§ 4. "Sofern und soweit Ehehaften auf wohlerworbenen, unwiderruflichen Privatrechten beruhen, leistet der Staat den Besitzern den Umständen angemessene Entschädigung.
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Diese wird in der einmaligen Ausrichtung einer Geldsumme bestehen. Im Falle eines Vergleiches (§ 5) kann jedoch die Fortsetzung des Wirtschaftsgewerbs in bisheriger Weise für die Dauer von noch höchstens 16 Jahren gestattet werden."
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§ 5. "Der Regierungsrat ist ermächtigt, auf Wunsch von Ehehaftenbesitzern, deren Entschädigungsansprüche durch Vergleich zu erledigen.
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Derartige Abkommen unterliegen der Genehmigung durch den Kantonsrat."
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§ 6. "Wird von einem Ehehaftenbesitzer der Vergleichsweg nicht betreten oder führt dieser zu keinem Erfolg, so entscheiden auf Klage des Besitzers die Gerichte.
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Jeder Ehehaftenbesitzer hat seinen Anspruch gesondert geltend zu machen."
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Art. 15 der KV von Solothurn lautet:
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Bei der Beratung des "Gesetzes betreffend die Aufhebung der Ehehaften" im Kantonsrat wurde der Ausdruck "wohlerworbene, unwiderrufliche Privatrechte" in § 4 der Vorlage von den Berichterstattern des Regierungsrates und der Kommission damit begründet, daß im Kanton eine große Zahl widerruflicher Ehehaften vorhanden sei, die seinerzeit vom Lehens- oder Landesherr "so lange es uns gefällt", "auf Gefallen hin", und in ähnlichen Wendungen verliehen worden seien, und daß die Inhaber solcher die Widerrufsklausel enthaltenden Tavernenrechte nicht entschädigungsberechtigt sein sollten. Von anderer Seite wurde bemerkt, daß das Wort "unwiderruflich" in § 4 eigentlich überflüssig sei, weil es schon im Begriff des wohlerworbenen Rechts liege, daß es nicht widerruflich sein könne; immerhin diene hier das Wort "unwiderruflich" zur Klarlegung und Verdeutlichung. In Bezug auf die Bemessung der Entschädigungen der Besitzer von Ehehaften wurde im Kantonsrat ein Antrag, eine "dem wirklichen Wert der Ehehafte entsprechende Entschädigung" zuzusichern, abgelehnt. Dabei wurde von den Berichterstattern des Regierungsrates und der Kommission für die Gesetz gewordene Fassung der Vorlage, wonach der Staat den Besitzern "den Umständen angemessene Entschädigung" leistet, angeführt, daß die vorhandenen Ehehaften sehr verschiedenartig seien, sodaß bei Zumessung der Entschädigungen jeweilen den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles Rechnung getragen werden müsse. Doch wurde von anderer Seite auch betont, daß es sich bei dieser Frage um einen Streit um Worte handle, weil materiell kein Unterschied bestehe zwischen einer dem wirklichen Wert der entzogenen Sache entsprechenden und einer den Umständen angemessene Entschädigung.
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B. | |
Gegen das "Gesetz betreffend die Aufhebung der Ehehaften" haben am 17. Februar 1908 Robert Huber-Zepfel zur "Krone" in Solothurn und 114 in einer Beilage zum Rekurs namentlich aufgeführte Personen als Inhaber von Ehehaften den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen mit dem Begehren: Das Bundesgericht möge erkennen, es sei § 4 des in der solothurnischen Volksabstimmung vom 15. Dezember 1907 angenommenen und vom Regierungsrat des Kantons Solothurn auf den 21. Dezember 1907 in Kraft erklärten Gesetzes betreffend die Aufhebung der Ehehaften als verfassungswidrig aufgehoben, eventuell es sei die Bestimmung im Sinne der nachstehenden Ausführungen mit Art. 15 der Verfassung des Kantons Solothurn in redaktionelle Übereinstimmung zu bringen.
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Die Beschwerdepunkte werden wie folgt formuliert:
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"a) daß nur diejenigen Ehehaften, welche auf wohlerworbenen "unwiderruflichen" Privatrechten beruhen, entschädigt werden sollen, statt daß einfach mit dem Wortlaut der Verfassung nur von wohlerworbenen Privatrechten gesprochen wird;
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b) daß den Ehehaftenbesitzern vom Staate nur eine "den Umständen angemessene Entschädigung" geleistet werden soll, statt, wie die Verfassung sagt, volle Schadloshaltung, und
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c) daß im Falle eines Vergleiches den betreffenden Ehehaftenbesitzern die Fortsetzung des Wirtschaftsgewerbes noch für eine Dauer bis zu 16 Jahren gestattet werden kann, während einerseits diese Vergünstigung ausdrücklich ausgeschlossen ist, wenn der Ehehaftenbesitzer seine Entschädigung durch den Richter festsetzen läßt, und anderseits alle Rechte, welche sonst mit den Ehehaften verbunden sind, nach Maßgabe von § 1 des Gesetzes auf dm 30. Juni 1910 aufgehoben sein sollen."
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Zur Begründung wird ausgeführt: Nach den Beratungen im Kantonsrat müsse wohl als Wille des Gesetzgebers angenommen werden, daß gemäß dem Wort "unwiderruflich" in § 4 die für das materielle Recht höchst wichtige Bestimmung in das Gesetz habe aufgenommen werden wollen, daß nur diejenigen Ehehaften wohlerworbene Privatrechte bedeuten, welche als unwiderrufliche verliehen worden seien, diejenigen aber, welche bei der Verleihung als widerrufliche konstituiert worden seien, als wohlerworbene Privatrechte im Sinne des Gesetzes und der Verfassung nicht angesehen werden sollen. Wenn man nun auch zugeben wollte, daß bei der Verleihung von Ehehaften durch Klauseln, wie: "so lange es uns gefällt" und dergl., Wirtschaftsgerechtigkeiten entstanden sein möchten, bei welchen der Landesherr oder die damalige Regierungsgewalt das Recht gehabt hätte, ohne weiteres die Gerechtigkeit wieder rückgängig zu machen, so sei damit die Frage noch nicht entschieden, ob mit der im Kantonsrat geltend gemachten Auffassung die Aufhebung heute noch ohne irgendwelche Entschädigungspflicht vor sich gehen könne. Es fehle schon jeder sichere Nachweis darüber, daß es dem Landesherrn wirklich zugestanden habe, solche einmal begründeten Wirtschaftsgerechtigkeiten ohne weiteres, auf bloßen Widerruf, dahin fallen zu lassen. Abgesehen hievon aber bestehe die Tatsache, daß diejenigen Wirtschaftsgerechtigkeiten, welche nach der Auffassung der Regierung prekärer Natur seien, sich auf eine, in einzelnen Fällen mehrere Jahrhunderte, sicherlich aber in den weitaus meisten Fällen auf mehr als ein Jahrhundert zurückgehende Anerkennung seitens des Staates berufen können, dadurch feste rechtliche und unwiderrufliche Gestalt angenommen hätten und zu unwiderruflichen Privatrechten geworden seien. Dann bedeute aber die Beschränkung der Entschädigungspflicht des Staates in § 4 auf die unwiderruflich (bestellten) Ehehaften eine Verletzung von Art. 15 der KV, der alle wohlerworbenen Privatrechte entschädigt wissen wolle. Ein Widerspruch zu Art. 15 liege schon darin, daß nur ein Teil der Privatrechte, die unwiderruflichen, Anspruch auf Entschädigung haben sollen. Zum Begriff der wohlerworbenen Privatrechte gehöre die Unwiderruflichkeit nicht. Es brauche in dieser Beziehung nur an die heutigen Konzessionen erinnert zu werden, bei welchen Widerruflichkeit, Heimfallsrecht des Staates, zum regelmäßigen Inhalt gehören, und gleichwohl kein Zweifel darüber bestehe, daß aus diesen Konzessionen für die Konzessionäre wohlerworbene, im ordentlichen Prozeßweg verfolgbare Privatrechte erwachsen. Es dürfe deshalb bei den Ehehaften in Hinsicht auf die Anwendbarkeit des Art. 15 der KV überhaupt nicht unterschieden werden, ob sie als unwiderruflich oder widerruflich erteilt worden seien. Die Beifügung "unwiderruflich" in § 4 des Gesetzes bedeute zudem formell eine verfassungswidrige Vorschrift, indem sie eine unzulässige authentische Interpretation des Art. 15 KV enthalte, und stelle sich ferner als Übergriff der gesetzgebenden in das Gebiet der richterlichen Gewalt und mithin als eine Verletzung des Art. 4 der KV dar, der die Gewaltentrennung proklamiere. Über die Entschädigungsansprüche der Rekurrenten könne nämlich im Prozeßfall nur der Richter entscheiden (§ 6 des Gesetzes). Dabei müsse der Richter frei prüfen können, welche Rechte den Rekurrenten als Ehehaftenbesitzern aus Art. 15 der Verfassung zustehen, d.h. ob sie in ihren Ehehaften wohlerworbene Privatrechte besitzen, und in dieser freien Prüfung werde der Richter durch § 4 des Gesetzes, insofern dieser nur die wohlerworbenen unwiderruflichen Ehehaften als entschädigungsberechtigt erkläre, beschränkt
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Ebenso verletze der § 4 des Gesetzes mit seiner Bestimmung, daß "eine den Umständen angemessene Entschädigung" zu leisten sei, den Art. 15 KV. Dieser verlange "volle Entschädigung" und das bedeute etwas anderes als "den Umständen angemessene Entschädigung". An Stelle der unbeschränkten und fixen Entschädigungspflicht nach Expropriationsrecht trete eine eingeschränkte und variable, wie sie etwa Art. 51 OR für den privatrechtlichen Schadenersatz aus unerlaubter Handlung festsetze. Die volle Entschädigung aber bedeute, daß das abzutretende Recht ganz, hinsichtlich aller in ihm enthaltenen, vermögensrechtlich relevanten Befugnisse entschädigt werde; daß ferner voraussetzungslos entschädigt werde, d.h. ohne daß die Entschädigungspflicht von andern Bedingungen abhängig gemacht werde und daß endlich der bisher Berechtigte für allen und jeden Schaden, der ihm aus der Abtretung erwachse, den direkten und indirekten Schaden, einen Ersatz in Geld erhalte. Das freie richterliche Ermessen in der Zubilligung dieser vollen Entschädigung wolle offenbar (wofür wiederum die kantonsrätliche Beratung herangezogen wird) auch durch den angefochtenen Entschädigungsmaßstab beschränkt und eingeengt werden. Der § 4 enthalte deshalb auch in dieser Beziehung eine unzulässige authentische Interpretation des Art. 15 KV und einen nach Art. 4 KV unzulässigen Eingriff der gesetzgebenden in das Gebiet der richterlichen Gewalt.
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Die Bestimmung des § 4 endlich, wonach im Falle eines Vergleichs die Fortsetzung des Wirtschaftsgewerbes in bisheriger Weise für die Dauer von noch höchstens 16 Jahren gestattet werden könne, möge ein fiskalisch gewandter Schachzug sein, dagegen enthalte sie eine Überschreitung der dem Gesetzgeber verfassungsgemäß gesetzten Schranken. Nur die "öffentliche Wohlfahrt" ermögliche dem Gesetzgeber die Aufhebung der Ehehaften, und nur diese könne für die Frage maßgebend sein, ob diese Aufhebung sofort zu erfolgen habe, oder ob es angehe, die Ausübung der Ehehaften noch während einer gewissen Übergangszeit zu gestatten, sei es aller dieser Rechte, sei es eines Teils von ihnen. Eine solche Rücksicht der öffentlichen Wohlfahrt sei der angefochtenen Bestimmung fremd und deshalb zu streichen oder aber allen Ehehaftinhabern gleichmäßig einzuräumen. Das Gegenteil verstoße gegen die Rechtsgleichheit und gegen Art. 15 der Verfassung, insofern nämlich, als alle Ehehaftinhaber so lange ein Recht auf das Bestehen ihrer Rechte hätten, als die öffentliche Wohlfahrt nichts gegenteiliges gebiete, bezw. sie einzelnen Inhabern innezubehalten gestatte.
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C. | |
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat auf Abweisung des Rekurses angetragen. In der Vernehmlassung wird anerkannt, daß Art. 15 Abs. 2 KV nicht nur auf die Fälle der Expropriation Bezug habe, sondern auch auf die Aufhebung eines Privatrechts durch die Gesetzgebung.
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"Aus Art. 15 KV kann gefolgert werden, daß der Gesetzgeber nicht berechtigt ist, durch Aufhebung von Privatrechten das Vermögen des einzelnen Bürgers zu schädigen, d.h. Privatrechte ohne Gewährung voller Schadloshaltung aufzuheben, bezw. wenn das Prinzip oder das Maß bestritten ist, der Entscheidung der zuständigen Behörde hierüber vorzugreifen und den angeblich in ihren Rechten Gekränkten den Rechtsweg in der einen oder in der andern Richtung zu verschließen."
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Zu dem Beschwerdepunkt betreffend den Zusatz der Unwiderruflichkeit der Ehehaften in § 4 wird bemerkt, es habe damit keineswegs angedeutet werden wollen, daß die wohlerworbenen Privatrechte nicht geschützt seien. Der Staat anerkenne vielmehr ausdrücklich die Entschädigungspflicht gegenüber wohlerworbenen Privatrechten an und habe sich dieser Pflicht nicht dadurch entziehen wollen, daß er erkläre, nur die unwiderruflichen entschädigen zu wollen, denn widerrufliche Privatrechte gehörten eben nicht zu den wohlerworbenen. Welche Rechte widerrufliche und welche unwiderrufliche seien, das unterstehe in jedem einzelnen Falle der richterlichen Kognition. Würde § 4 des angefochtenen Gesetzes einfach von den Ehehaftenrechten als wohlerworbenen Privatrechten schlechthin gesprochen haben, so hätte der Staat riskiert, daß ihm in den Entschädigungsprozessen der Ehehaftenbesitzer entgegengehalten worden wäre, er hätte sich seines Rechtes, sich auf die Widerrufsklausel zu berufen, dadurch einfach begeben, daß er in dem Aufhebungsgesetz diese Widerrufsklausel mit Stillschweigen übergangen habe. Dies habe mit der Fassung des § 4 verhindert werden wollen.
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Was den Beschwerdepunkt betreffend die Bemessung der Entschädigung anbetrifft, so wird vom Regierungsrat ausgeführt, es genüge je nach den Umständen zum "vollen Ersatz aller Vermögensnachteile" gemäß den Einzelheiten des besondern Falls eine größere oder kleinere Summe. Das habe mit der Wendung "den Umständen angemessene Entschädigung" gesagt werden wollen und nicht mehr. Die vom Gesetze geforderte Berücksichtigung des einzelnen Falls wolle also keineswegs bedeuten, daß die wohlerworbenen Rechte nicht voll entschädigt werden sollen.
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Der Regierungsrat bestreitet sodann, daß in der Bestimmung des § 4, wonach im Falle eines Vergleiches die Fortsetzung des Wirtschaftsgewerbes in bisheriger Weise für die Dauer von noch höchstens 16 Jahren gestattet werden kann, eine ungleiche Behandlung der Rekurrenten liege. Diese Belassung des Wirtschaftsbetriebes auf bisheriger Ehehaftgrundlage solle der Entschädigung für die sofortige Ablösung der Ehehaft gleichkommen. Jeder Ehehaftinhaber könne sich auf diese Weise entschädigen lassen; glaube er sich damit nicht voll entschädigt, so könne jeder auf dem Prozeßwege eine Geldentschädigung verlangen.
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Am Schluß der Antwort wird bemerkt, daß das Bundesgericht sich darauf beschränken dürfte, von den Erklärungen des Regierungsrates Akt zu nehmen, die resümierend dahin gingen, daß das Gesetz in keiner Weise dem durch Art. 15 der KV proklamierten Schutz wohlerworbener Privatrechte Abbruch tun wolle, und daß dem Zivilrichter in Ansehung der Auslegung und Anwendung des Begriffes wohlerworbener Privatrechte und der Bemessung der Entschädigung durch das Gesetz nicht vorgegriffen werde.
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D. | |
In der Replik haben die Rekurrenten an ihren Anträgen festgehalten.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
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Erwägung 2 | |
2. Frägt es sich, ob § 4 Abs. 1 des Gesetzes, insofern darnach der Staat für die auf wohlerworbenen unwiderruflichen Privatrechten beruhenden Ehehaften den Umständen angemessene Entschädigung leistet, mit Art. 15 KV in Widerspruch steht, so ist nicht zu verkennen, daß die von Art. 15 bewußt abweichende Formulierung der Bestimmung in Verbindung mit der Beratung im Kantonsrat, insbesondere den Äußerungen der Berichterstatter des Regierungsrates und der Kommission, die Vermutung erwecken könnte, man habe mit den Ausdrücken "wohlerworbene unwiderrufliche Privatrechte" und "den Umständen angemessene Entschädigung" die Verpflichtung des Staates gegenüber Art. 15 KV beschränken wollen. Betrachtet man jedoch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 als solche, ohne Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte, so kann nicht gesagt werden, daß sie an sich schon gegen Art. 15 KV verstoße; denn das Wort "unwiderruflich" kann sehr wohl lediglich als eine zwar überflüssige, aber vor Art. 15 KV nicht unzulässige Erläuterung des Begriffs "wohlerworbenes Privatrecht" verstanden werden in der Bedeutung, daß ein rein prekaristisches, vom Staate jederzeit nach Belieben und ohne Entschädigung widerrufliches Wirtschaftsrecht nicht als wohlerworbenes Privatrecht anerkannt wird, und in der "den Umständen angemessenen" Entschädigung braucht keineswegs etwas anderes als volle Schadloshaltung gefunden zu werden, da ja eine nicht volle Entschädigung doch wohl auch nicht als eine den Umständen angemessene erscheint. Die Gefahr, daß § 4 Abs. 1 vom Richter, der im Streitfall die Entschädigungsfrage zu beurteilen hat, anders gehandhabt werden wird, dürfte umso geringer sein, als nach allgemeiner Interpretationsregel eine Bestimmung im Zweifel so ausgelegt werden muß, daß sie im Nahmen der Verfassung verbleibt, und als der Regierungsrat als Vertreter des Kantons nach seinen Erklärungen in der Vernehmlassung den § 4 Abs. 1 ebenfalls dahin auffaßt, daß dadurch in Übereinstimmung mit der KV für alle Ehehaften, die wohlerworbene Privatrechte sind, volle Entschädigung zugesichert ist. Ist aber darnach ein Widerspruch des § 4 des Gesetzes zu Art. 15 KV nicht anzunehmen, so kann natürlich auch keine Rede davon sein, daß diese Vorschrift eine unzulässige authentische Interpretation der KV oder einen Eingriff des Gesetzgebers in richterliche Befugnisse enthalten würde. Der Rekurs ist daher, soweit er sich gegen § 4 Abs. 1 richtet, im Sinne dieser Erwägungen abzuweisen, immerhin mit dem Vorbehalt, daß den Rekurrenten gegen eine allfällige, Art. 15 KV verletzende Anwendung der Bestimmung durch den kantonalen Richter das Recht der staatsrechtlichen Beschwerde gewahrt bleibt.
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Erwägung 3 | |
3. Nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes in Verbindung mit § 5 ist der Regierungsrat befugt, in Vergleichen mit Ehehaftenbesitzern über die Entschädigung als Leistung des Staates bei der Bemessung der Entschädigung für die Dauer von höchstens 16 Jahren die Gerechtigkeit noch fortdauern zu lassen. Die Bestimmung mag insofern einigermaßen befremden, als dadurch, entgegen dem Zweck des Gesetzes, die Aufhebung von Ehehaften allerdings nur für eine verhältnismäßig beschränkte Zahl von Jahren hinausgeschoben werden kann. Eine Verletzung der Rechtsgleichheit den Rekurrenten gegenüber kann aber darin nicht erblickt werden. Denn jener Entschädigungsmodus ist unter den gleichen Voraussetzungen und in gleicher Weise für alle Beteiligten vorgesehen. Jeder Besitzer einer Ehehaften kann in Vergleichsunterhandlungen mit dem Regierungsrat treten und hat dabei die Wahl, ob er auf einen diese Abfindungsart enthaltenden Vergleichsvorschlag des Regierungsrates eingehen oder behufs Regelung der Entschädigungsfrage den Rechtsweg beschreiten will. Denkbar wäre freilich, daß § 4 Abs. 2, der, wie viele andere Verwaltungsnormen, dem Ermessen der Behörden einen gewissen weiten Spielraum läßt, verschieden gehandhabt würde, indem der Regierungsrat bei den Vergleichsunterhandlungen sich den einen Besitzern von Ehehaften gegenüber entgegenkommender, als andern gegenüber zeigt, dem einen den Fortbestand der Gerechtigkeit für 16 Jahre ermöglicht, dem andern nicht. Allein etwas derartiges darf nicht vermutet werden, und die bloße Möglichkeit, daß eine Bestimmung in einer vor dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht zu billigenden Weise angewendet werden könnte (wogegen dem Betroffenen unter Umständen der staatsrechtliche Rekurs offen stehen würde), gibt noch kein Recht, die Bestimmung selber als gegen Art. 4 BV verstoßend anzufechten.
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt: | |
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