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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher, Sabiha Akagündüz | |||
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1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Politische Gemeinde Kirchberg sowie Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) |
1P.254/2002 |
vom 6. November 2002 | |
Regeste |
Willkür in der Rechtssetzung (Art. 9 BV), Rechtsgleichheit in der Rechtssetzung (Art. 8 Abs. 1 BV), inzidente Normenkontrolle; Alimentenbevorschussung (Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Konkubinatspartners). |
Die kantonale Bestimmung, wonach das Einkommen des Konkubinatspartners des obhutsberechtigten Elternteils anrechenbar ist, Alimentenbevorschussung also nur gewährt wird, wenn die Einkommen beider Partner zusammen die Bevorschussungsgrenze nicht übersteigen, hält vor dem Willkürverbot stand (E. 3.1). |
Die dargestellte Regelung kann, soweit die Zulässigkeit der Gleichbehandlung von Stiefelternteil und Konkubinatspartner in Frage steht, verfassungskonform ausgelegt werden. Damit steht auch Art. 8 Abs. 1 BV der Anwendung der beanstandeten Norm nicht entgegen (E. 3.2). | |
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Am 29. Juni 2000 wurde die Ehe zwischen Y. und Z. geschieden. Der gemeinsame Sohn X. wurde unter die elterliche Sorge der Mutter (Y.) gestellt. Zugleich wurden Z. Unterhaltszahlungen von Fr. 730.- für das Kind und von Fr. 500.- für Y. persönlich auferlegt. Seit November 2000 lebt Y. mit ihrem Sohn bei ihrem Freund A. Da keine Unterhaltszahlungen geleistet wurden, reichte sie beim Sozialamt der Gemeinde Kirchberg (SG) ein Gesuch um Bevorschussung der Alimente für ihren Sohn ein. Dieses wurde am 12. Februar 2001 abgelehnt mit der Begründung, das anrechenbare Einkommen beider Konkubinatspartner übersteige die Bevorschussungsgrenze. Sämtliche gegen diese Verfügung erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos.
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Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. März 2002 erhebt X. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde. Materiell stellt er sich in der Hauptsache auf den Standpunkt, der einschlägigen kantonalen Norm sei die Anwendung wegen Verfassungswidrigkeit zu versagen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 1 | |
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1.1 Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. a des kantonalen Gesetzes über Inkassohilfe und Vorschüsse für Unterhaltsbeiträge vom 28. Juni 1979 (GIVU; sGS 911.51) wird der Kindesunterhaltsbeitrag bevorschusst, wenn das anrechenbare Einkommen das Mindesteinkommen nicht ![]() ![]() | 6 |
(...)
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Erwägung 3 | |
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Ein Erlass ist willkürlich, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist; er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich die ungerechtfertigte Gleich- bzw. Ungleichbehandlung auf eine wesentliche Tatsache bezieht (BGE 124 I 297 E. 3b S. 299; 123 II 16 E. 6a S. 26). Dem Gesetzgeber verbleibt bei der Verfolgung gesetzgebungspolitischer Ziele und der dazu eingesetzten Mittel ein weiter Gestaltungsspielraum (BGE 124 I 297 E. 3b S. 299; 121 I 102 E. 4a S. 104; 110 Ia 7 E. 2b S. 13 f.).
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3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Regelung, wonach die staatliche Bevorschussung der Kinderalimente auch gegenüber zu erwartenden Unterhaltsleistungen durch den Konkubinatspartner subsidiär sei, sei willkürlich. Ausserdem sei die Norm leicht zu umgehen; ihre Durchsetzbarkeit sei höchst zweifelhaft. Er bestreitet demgegenüber nicht, dass der Unterhalt des Kindes anderweitig ![]() ![]() | 10 |
3.2 Des Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, die Regelung des Art. 4bis Abs. 1 GIVU führe zu einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Gleichbehandlung von Stiefelternteil und Konkubinatspartner. Dabei anerkennt er ausdrücklich, dass tatsächliche, durch das Zusammenleben erlangte Vorteile wie die im Austausch gegen Hausarbeit erbrachten Leistungen als anrechenbares Einkommen ![]() ![]() | 11 |
3.2.1 Würde die Regelung des Art. 4bis Abs. 1 GIVU so verstanden, dass sie die Subsidiarität der staatlichen Leistung bereits gegenüber der zu erwartenden Unterstützung durch den Konkubinatspartner unabhängig von der Stabilität der Konkubinatsbeziehung statuiert, sobald das Paar eine gemeinsame Wohnung bezieht, würde dies dazu führen, dass diejenigen Konkubinatspartner, die mit einem obhutsberechtigten Partner einen gemeinsamen Haushalt gründen, generell gleich behandelt werden wie ein Stiefelternteil.
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3.2.2 Das Bundesgericht hat in BGE 112 Ia 251 E. 4 S. 258 f. festgehalten, es verstosse nicht gegen die Rechtsgleichheit, wenn das Einkommen bzw. das Vermögen eines Stiefelternteils im Rahmen der Prüfung, ob die Bevorschussungsgrenze erreicht sei, mitberücksichtigt werde, während unter gleichen Voraussetzungen bei Konkubinatsbeziehungen nach wie vor bloss die wirtschaftlichen Verhältnisse des nicht verpflichteten Elternteils in Betracht gezogen werden. Der Konkubinatspartner habe insbesondere keinen Anspruch auf Beistand durch den anderen Partner nach Art. 278 Abs. 2 ZGB. Gerade hier liege denn auch der entscheidende Unterschied zwischen dem verheirateten und dem im Konkubinat lebenden nicht verpflichteten Elternteil. Weil der verheiratete Elternteil einen privatrechtlichen Anspruch auf Beistand gegenüber dem Stiefelternteil habe, lasse sich eine Mitberücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Stiefelternteils und damit eine Ungleichbehandlung mit dem im Konkubinat lebenden, nicht verpflichteten Elternteil rechtfertigen. Es stellt sich nun die Frage, ob sich aus dieser Argumentation im Umkehrschluss die generelle Unzulässigkeit der Gleichbehandlung von Stiefelternteil und Konkubinatspartner ergibt.
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3.2.3 In der Doktrin wird einerseits die Position vertreten, da keine gesetzliche Beistandspflicht des Konkubinatspartners bestehe, sei es auch nicht zulässig, demselben den hypothetischen Willen zu unterschieben, mit der Begründung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch für die eingebrachten Kinder des Konkubinatspartners zu sorgen. Soweit der Nachweis nicht offen stehe, dass die Unterhaltsleistung nicht erbracht wird, müsse eine derartige Praxis abgelehnt werden (ANDREAS HAFFTER, Der Unterhalt des Kindes als Aufgabe von Privatrecht und öffentlichem Recht, Diss. Zürich 1984, ![]() ![]() | 14 |
3.2.4 Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert die Gleichbehandlung aller Rechtsunterworfenen durch die staatlichen Organe. Das Differenzierungsgebot verlangt, dass Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Das Konkubinat ist kein Institut des Familienrechts; dem Konkubinatspartner stehen keine Unterhalts- und Beistandsansprüche gegen den anderen Partner zu. Vielmehr steht es den Partnern frei, die Beziehungen unter sich durch vertragliche Vereinbarungen zu regeln. Insbesondere hat der Konkubinatspartner keinen Anspruch auf Beistand nach Art. 278 Abs. 2 ZGB (BGE 112 Ia 251 E. 4b S. 258 f. mit Hinweis). Indessen ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Konkubinat gegenüber der Ehe begünstigt wird, wenn die finanziellen Verhältnisse des Stiefelternteils bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens berücksichtigt werden, diejenigen namentlich des langjährigen Konkubinatspartners jedoch nicht (vgl. CYRIL HEGNAUER, Der Unterhalt ![]() ![]() ![]() | 15 |
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