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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Universitätsrat der Universität Basel (staatsrechtliche Beschwerde) |
2P.223/2003 |
vom 8. April 2004 | |
Regeste |
Art. 8 und 9 BV, Art. 13 UNO-Pakt I; Studiengebühren an der Universität Basel. |
Die Gebührenordnung der Universität Basel verfügt mit dem kantonalen Universitätsgesetz über eine hinreichende formellgesetzliche Grundlage für die Erhöhung der Semestergebühren, solange diese sich im Rahmen des landesweit allgemein Üblichen hält. Dies ist bei einer Erhöhung um Fr. 100.-, nachdem die Gebühren letztmals 1997 erhöht worden sind, zu bejahen. Für künftige Erhöhungen, die deutlich über die Teuerung hinausgehen, erweist sich die bestehende formellgesetzliche Grundlage indessen als ungenügend (E. 2). |
Bestätigung der Rechtsprechung zu Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I, wonach sich der Einzelne im Zusammenhang mit Studiengebühren nicht direkt auf diese Bestimmung berufen kann. Auch ihre Mitberücksichtigung lässt die angefochtene Gebührenerhöhung indessen nicht als verfassungswidrig erscheinen (E. 3). | |
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Am 19. Juni 2003 beschloss der Universitätsrat der Universität Basel eine Änderung von § 1 Abs. 1 und Abs. 3 und von § 3 der Ordnung betreffend die Erhebung von Gebühren an der Universität Basel vom 4. August 1980 (Gebührenordnung). Mit dieser Änderung wurde die Semestergebühr für immatrikulierte Studierende von Fr. 600.- auf Fr. 700.- erhöht. Zugleich wurden die von Doktorierenden in der Graduiertenausbildung zusätzlich zur reduzierten Semestergebühr von Fr. 150.- zu bezahlende Gebühr von Fr. 450.- auf Fr. 550.- angehoben und die von Hörern mit mindestens 14 Wochenstunden zu entrichtende Pauschale von Fr. 600.- auf Fr. 700.- heraufgesetzt. Die neuen Gebührenansätze traten sofort (mit Wirkung auf das Wintersemester 2003/4) in Kraft. Der Beschluss des Universitätsrats wurde im Kantonsblatt Basel-Stadt vom 28. Juni 2003 publiziert.
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A. studiert seit 2001 an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel. Sie setzte ihre Studien im Wintersemester 2003/4 in Basel fort und beabsichtigt, nach dem Lizentiatsexamen zu promovieren. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 25. August 2003 beantragt sie, die Änderung der Gebührenordnung aufzuheben.
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Der Universitätsrat hat namens der Universität Basel beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. ![]() | 4 |
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Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
2.
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2.1 Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung des Legalitätsprinzips im Abgabenrecht. Sie macht geltend, die verfassungsrechtlichen Delegationsgrundsätze erlaubten dem Universitätsrat nicht, Gebührenerhöhungen in der interessierenden Grössenordnung zu beschliessen. Das Bundesgericht habe zwar zugelassen, dass Studiengebühren auf Verordnungsebene festgesetzt würden, wenn sich der Verordnungsgeber durch die bisherige Übung und die landesweite Praxis gebunden fühle. Weil die Universität aber aus der kantonalen Verwaltung ausgegliedert worden sei, der Universitätsrat im Unterschied zum Regierungsrat praktisch keiner demokratischen Kontrolle unterliege und die Universität nur über ein Globalbudget, nicht aber über einen Leistungsauftrag mit verbindlichen Leitlinien verfüge, seien vergleichsweise höhere Anforderungen an die Übertragung von Kompetenzen im Abgabenbereich zu stellen. Ausserdem sei das Kriterium der landesweiten Praxis nicht geeignet als Schranke für die Ermessensausübung. Es fehle ihm an der nötigen Bestimmtheit und Überprüfbarkeit, zumal die Universitäten dazu übergegangen seien, wechselseitig die Gebühren zu erhöhen. Sie seien wegen der unterschiedlichen Fächerangebote und Kostenstrukturen ohnehin nur beschränkt vergleichbar. Mit der Gebührenerhöhung habe der Universitätsrat seinen Ermessensspielraum überschritten. Sie übertreffe die Teuerung seit der letzten Anpassung bei weitem und sei nicht verkraftbar, was auch der signifikante Anstieg der Gesuche um Gebührenerlass aufzeige. Zudem erschwere das nun eingeführte Bologna-Modell mit seinen strikteren Studienzeitlimiten und der Erhöhung des Prüfungsaufwandes die Nebenerwerbstätigkeit. Aus der Heraufsetzung der Studiengebühren ergebe sich somit eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit und Bildungsfreiheit, was mit den verfassungsrechtlichen und völkervertraglichen Bildungszielen nicht vereinbar sei und nach der Verankerung einer Gebührenobergrenze auf Gesetzesstufe rufe. Da im Übrigen eine Graduiertenausbildung an der Universität Basel bisher weder definiert worden sei noch angeboten werde, verstosse die gleichsam vorsorgliche Festsetzung einer Zusatzgebühr für diesen Ausbildungsgang von vornherein gegen das Gesetzmässigkeitsprinzip.
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2.2 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedürfen öffentliche Abgaben - abgesehen von Kanzleigebühren - einer Grundlage ![]() ![]() | 8 |
2.3 Gemäss § 9 Ziff. 8 des Gesetzes vom 8. November 1995 über die Universität Basel (Universitätsgesetz) hat der Universitätsrat die Kompetenz, eine Regelung über die Universitätsgebühren zu erlassen. Die Bedingungen für die Zulassung zum Studium an der Universität und für allfällige Zulassungsbeschränkungen sind in den §§ 22 und 23 des Universitätsgesetzes festgelegt. Damit ergeben sich der Kreis der Abgabepflichtigen und der Gegenstand der Studiengebühren direkt aus dem Gesetz. Das Gleiche gilt für die geplante Graduiertenausbildung, deren Schaffung und Ausgestaltung ebenfalls in der Kompetenz des Universitätsrates liegt (§ 9 Ziff. 6 des Universitätsgesetzes). Insoweit ist den Anforderungen an die formellgesetzlichen Vorgaben Genüge getan. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Regierungsrat und andere Behörden verfassungsrechtlich ausgeschlossen sei (vgl. § 46 Abs. 2 KV/BS; ferner BGE 125 I 173 E. 4.</a> S. 176 ff.). Es ist demnach auch nicht zu beanstanden, dass der Basler Gesetzgeber nach der Verselbständigung der Universität Rechtsetzungsbefugnisse vom Regierungsrat auf den Universitätsrat übertragen hat. Dessen verglichen mit dem Regierungsrat weniger starke Einbindung in das demokratische Kontrollsystem ![]() ![]() | 9 |
2.4 Das Universitätsgesetz enthält allerdings keine Bemessungsgrundlagen für die Studiengebühren und nennt auch keine Obergrenzen. Das Bundesgericht hat in dieser Hinsicht unbestimmte gesetzliche Grundlagen im Zusammenhang mit Studiengebühren trotzdem ausnahmsweise als ausreichend erachtet, wenn sich das zur Gebührenfestsetzung zuständige Organ als durch die bisherige Übung gebunden betrachtete und sich die Gebühren nach der Erhöhung immer noch in der Grössenordnung bewegten, die an anderen schweizerischen Hochschulen üblich war (vgl. BGE 104 Ia 113 E. 4 S. 117 ff.; 121 I 273 E. 3b und 5a S. 275 u. 277 f.). Es hat erkannt, dass das Element einer langdauernden Übung in diesem Bereich insoweit eine formellgesetzliche Regelung zu ersetzen vermag (BGE 125 I 173 E. 9e S. 181 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat seine Argumentation auch darauf gestützt, dass die Studiengelder seit jeher nur einen geringen Teil der finanziellen Aufwendungen eines Kantons für seine Universität decken, weshalb das Schutzbedürfnis des Einzelnen von vornherein nicht gleich intensiv ist wie bei kostendeckenden Gebühren (BGE 104 Ia 113 E. 4b S. 118; 121 I 273 E. 5a S. 277 f.). Es hat weiter erwogen, dass Studiengelder seit langer Zeit in annähernd gleichem Rahmen erhoben werden und sich die zuständigen Organe daran auch in einem weitergehenden Masse gebunden betrachten als in anderen Bereichen. Es ist zum Ergebnis gelangt, dass sich unter diesen besonderen Voraussetzungen für die Bemessung der Studiengebühren eine schematischere bzw. pauschalere Betrachtungsweise rechtfertigt als im Bereich der Kausalabgaben allgemein zulässig. Insbesondere hindert eine unbestimmte gesetzliche Ermächtigung das zuständige Organ nicht, ![]() ![]() | 10 |
2.5 An dieser verschiedentlich bestätigten Praxis ist im vorliegenden Zusammenhang noch festzuhalten. Die von der Beschwerdeführerin summarisch erwähnten Studienreformen der letzten Jahre und die Einführung des sog. Bologna-Modells erscheinen nicht als derart grundlegende oder einschneidende Neuerungen, dass sie eine Praxisänderung im Bereich der Abgabenkompetenzen rechtfertigen, auch wenn sie den Spielraum der Studierenden zur Ausübung eines Nebenerwerbs eingeschränkt haben. Es werden im Wesentlichen die gleichen Ausbildungen wie vorher angeboten, und das Finanzierungssystem der Universität hat ebenfalls keine grundsätzlichen Änderungen erfahren. Dichtere und zeitlich gestraffte Ausbildungsgänge mit Prüfungen nach dem sog. Credit-System schränken zudem nicht nur die Möglichkeiten ein, begleitenden Nebenerwerbstätigkeiten nachzugehen. Sie erlauben auch, die eigenen Mittel und allfällige Darlehen auf einen kürzeren Zeitraum zu konzentrieren und früher mit einer Haupterwerbstätigkeit zu beginnen. Im Weiteren wurde die umstrittene Gebührenerhöhung ![]() ![]() | 11 |
Welcher Charakter den erwähnten Massnahmen im Einzelnen zukommt bzw. welche Leistungen den Studierenden zusätzlich oder bloss noch in vermindertem Masse erbracht werden, braucht hier nicht näher ausgeleuchtet zu werden. Es genügt im vorliegenden Zusammenhang, festzuhalten, dass seit der letzten Gebührenanpassung eine gewisse Teuerung eingetreten ist, die Universität unbestrittenermassen Mehraufwendungen in Millionenhöhe erbracht hat, sie sich wegen des gewachsenen und noch weiter wachsenden Finanzbedarfs mit erheblichen Finanzierungsproblemen konfrontiert sieht, und dass der Kostenanteil der Studierenden am Gesamtaufwand trotz der Gebührenerhöhung nicht bedeutend angestiegen ist. Es ist offenkundig und bedarf keiner eingehenden Erläuterung, dass ![]() ![]() | 12 |
2.6 Es ist freilich nicht ausser Acht zu lassen, dass ausschliesslich durch ein Exekutivorgan festgesetzte Gebührenbemessungsgrundlagen den Anforderungen des Legalitätsprinzips im Abgabenrecht grundsätzlich nicht genügen. Nicht zu übersehen ist auch, dass die bei der Begründung und Bestätigung der erwähnten bundesgerichtlichen Praxis als massgebend erachteten Umstände wesentliche Änderungen erfahren haben. Insbesondere sind die Studiengebühren an der Universität Basel in den vergangenen Jahren verschiedentlich und zum Teil markant erhöht worden. Im Jahre 1975 waren - nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Beschwerdeführerin - pro Semester noch Fr. 150.- zu bezahlen, im Jahre 1992 schon Fr. 260.-. Im Jahre 1995 wurden die Studiengebühren pro Semester auf Fr. 500.- angehoben, zwei Jahre später (1997) auf Fr. 600.-. Mit der umstrittenen Erhöhung erreichen sie Fr. 700.-. Diese Anpassungen sind nur zum Teil durch die Teuerung begründet. In wesentlichem Umfang gehen sie auch auf finanzpolitische Motive zurück. Solche Gründe rufen aber - wenn sie wesentliches Gewicht erhalten - einer formellgesetzlichen Basis. Die verschiedenen Gebührenerhöhungen in relativ kurzer Zeitspanne machen zudem deutlich, dass sich das zur Gebührenfestsetzung kompetente Organ nicht mehr im selben Mass wie früher an den traditionellen Rahmen gebunden fühlt bzw. fühlen kann und verstärkt finanzpolitischen Zwängen unterliegt. Die Entwicklung der Studiengebühren zeigt auf, dass das Kriterium der Bindung an das bisher Übliche stark an Gewicht verloren hat. Von einer langen Übung kann angesichts der relativ häufigen Anpassungen nur sehr bedingt gesprochen werden. Wohl liegen die Studiengebühren an der Universität Basel - wie gezeigt - nach wie vor im landesweiten ![]() ![]() | 13 |
Erwägung 3 | |
3.
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3.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verletzt die angefochtene Gebührenerhöhung auch kantonale und staatsvertragliche Bestimmungen. Gemäss § 28 des Statuts vom 6. März 1996 der Universität Basel (Universitätsstatut) seien die Gebühren so zu bemessen, dass der Studienzugang nicht beeinträchtigt werde, und nach Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Pakts I solle der Hochschulunterricht allmählich unentgeltlich werden. Mit diesen Vorgaben sei die Heraufsetzung der Studiengebühren nicht vereinbar.
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3.2 Eine gewisse Erschwerung des Universitätszugangs ist mit der Gebührenerhöhung zweifellos verbunden. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass Studiengebühren im hier interessierenden Rahmen nur beschränkte Auswirkungen auf den Zugang zur universitären Ausbildung haben, da sie in der Regel bloss einen relativ geringen Teil der Lebenshaltungskosten ausmachen (vgl. BGE 126 I 240 E. 3b S. 248). Minderbemittelte können die Gewährung von Ausbildungshilfen (Stipendien, Darlehen) beantragen. Ausserdem können Studierende, für die die Semestergebühren wegen Bedürftigkeit oder aus anderen wichtigen Gründen eine besondere Härte ![]() ![]() ![]() | 16 |
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Gestützt auf diese Rechtsprechung ist vorliegend nicht auf die Beschwerde einzutreten, soweit ein Verstoss gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I gerügt wird. Diese Bestimmung mit programmatischem Charakter kann bloss im Zusammenhang mit der Anwendung anderer Normen über den allgemeinen Zugang zum Hochschulunterricht im Sinne einer Auslegungshilfe mit angerufen ![]() ![]() ![]() | 18 |
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