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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 27. Mai 1997 |
i.S. D. gegen Flughafenpolizei Zürich und Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich |
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde, staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 EMRK, Art. 13c AsylG, 13d AsylG und 47 Abs. 2bis AsylG, Art. 13c ANAG; Festhaltung von Asylgesuchstellern am Flughafen (Flughafenverfahren). |
Die Festhaltung von Ausländern in der Wartezone eines Flughafens über mehrere Tage stellt grundsätzlich eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EMRK dar; Anforderungen der EMRK für die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung (E. 3). Gesetzliche Grundlage für das Flughafenverfahren bilden im wesentlichen Art. 13c und 13d AsylG. Die Regelung genügt den Anforderungen der EMRK nicht, insbesondere nicht in bezug auf die richterliche Kontrolle gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK. Der Gesetzgeber muss tätig werden; das Bundesgericht kann für eine Übergangsfrist gesetzesergänzende Grundsätze aufstellen (E. 4). |
Zeitliche Abläufe im Flughafenverfahren (E. 5a). Wenn die Wegweisungsverfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge vollziehbar geworden ist (Art. 47 Abs. 2bis AsylG), ist die Festhaltung am Flughafen nur noch gestützt auf das Zwangsmassnahmengesetz zulässig (Ausschaffungshaft); zuständige richterliche Behörde ist der kantonale Haftrichter gemäss Art. 13c ANAG (E. 5b). Für die vorausgehenden Verfahrensstadien kommt am ehesten die Schweizerische Asylrekurskommission zur Prüfung der Freiheitsentziehung in Frage. Es genügt, dass sie auf Beschwerde hin tätig wird; dies setzt eine Verfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge über Einreiseverweigerung und Zuweisung des Flughafens als Aufenthaltsort (E. 5c-e). |
Im vorliegenden Fall ist der kantonale Haftrichter auf zwei Haftentlassungsgesuche zu Recht nicht eingetreten (E. 6). | |
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Am 4. Dezember 1996 traf D., geboren 1980, mit dem Flugzeug von Zaire herkommend mit auf eine andere Person lautenden Identitätspapieren auf dem Flughafen Zürich-Kloten ein. Die Flughafenpolizei Zürich verweigerte ihr die Einreise und buchte auf den 8. Dezember 1996 einen Rückflug nach Zaire.
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Ein mittlerweile beigezogener Anwalt stellte am 7. Dezember 1996 für D. ein Asylgesuch. Gleichentags reichte er beim Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich ein Haftentlassungsgesuch ein, worin beantragt wurde, D. sei unverzüglich aus der Haft im Transitbereich des Flughafens Kloten zu entlassen, indem ihr die Einreise in die Schweiz bewilligt werde; es sei festzustellen, dass der Freiheitsentzug rechtswidrig sei. Der Haftrichter trat mit Verfügung vom 10. Dezember 1996 auf die materiellen Begehren nicht ein.
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Das Bundesamt für Flüchtlinge stellte, nachdem es eine Stellungnahme des Hochkommissariates der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge eingeholt hatte, mit Verfügung vom 11. Dezember 1996 fest, dass D. nicht Flüchtlingseigenschaft habe, wies ihr Asylgesuch ab, ordnete gegen sie die Wegweisung an, welche als sofort durch die Flughafenpolizei Zürich-Kloten vollziehbar erklärt wurde, und entzog einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügung die aufschiebende Wirkung.
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D. focht die Verfügung des Bundesamtes am 12. Dezember 1996 bei der Schweizerische Asylrekurskommission an. Sie stellte insbesondere ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Aussetzen des Wegweisungsvollzugs) und beantragte die unverzügliche Bewilligung der Einreise. Der Instruktionsrichter der Asylrekurskommission wies am 16. Dezember 1996 die Gesuche um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und um Bewilligung der Einreise in die Schweiz ab und ordnete an, D. den Beschwerdeentscheid im Ausland abzuwarten habe.
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Am 16. Dezember 1996, unmittelbar nach Eröffnung der verfahrensleitenden Verfügung der Asylrekurskommission per Fax, stellte der Vertreter von D. beim Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich erneut ein Haftentlassungsgesuch, wiederum mit den Anträgen um unverzügliche Entlassung aus der Haft im Transitbereich des Flughafens Kloten und um Bewilligung der Einreise in die Schweiz, ![]() ![]() | 5 |
Am 17. Dezember 1996 wurde D. ausgeschafft. Der Haftrichter trat daher mit Verfügung vom 20. Dezember 1996 mangels eines aktuellen Rechtsschutzinteresses auf die Begehren des Haftentlassungsgesuchs nicht ein und schrieb das Verfahren als erledigt ab. In der Begründung merkte er an, dass er weder für die Bewilligung der Einreise in die Schweiz noch für die Feststellung zuständig sei, der Freiheitsentzug sei rechtswidrig; ergänzend führte er aus, dass sich im vorliegenden Fall aufgrund der zeitlichen Abläufe auch nicht die Frage einer richterlichen Prüfung einer Ausschaffungshaft gestellt hätte, deren Voraussetzungen er aber im Sinne eines weiteren obiter dictum als erfüllt erachtete.
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Am 27. Januar 1997 erhob D. gegen die Verfügung des Haftrichters vom 10. Dezember 1996 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde (eventuell staatsrechtliche Beschwerde). Am 31. Januar 1997 sodann erhob sie auch gegen die Haftrichterverfügung vom 20. Dezember 1996 Verwaltungsgerichtsbeschwerde (eventuell staatsrechtliche Beschwerde). Sie beantragte je die Aufhebung der beiden Entscheide und ersuchte um Feststellung, dass die Zurückhaltung im Transitbereich des Flughafens Zürich-Kloten rechtswidrig (im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EMRK) und der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich zur Beurteilung der Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung durch Zurückhaltung der Beschwerdeführerin im Transitbereich des Flughafens zuständig sei. Ferner beantragt sie, es sei ihr für das Haftprüfungsverfahren vor dem Bezirksgericht Zürich in der Person des unterzeichnenden Anwalts ein unentgeltlicher Rechtsbeistand beizugeben. In der Beschwerde vom 31. Januar 1997 stellte sie zusätzlich das Eventualbegehren, der Kanton Zürich sei anzuweisen, die gerichtliche Haftprüfung bei Zurückhaltung im Transitbereich des Flughafens Zürich-Kloten in seinem Verfahrensrecht vorzusehen.
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Ins Verfahren miteinbezogen wurde der Meinungsaustausch, der in zwei den Genfer Flughafen betreffenden Fällen mit der Schweizerischen Asylrekurskommission durchgeführt worden war.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerden hinsichtlich der vorstehend wiedergegebenen Anträge ab
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Auszug aus den Erwägungen: | |
aus folgenden Erwägungen:
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Erwägung 3 | |
3.- a) Die Beschwerdeführerin traf am 4. Dezember 1996 auf dem Flughafen Zürich-Kloten ein. Die Einreise wurde ihr verweigert, so dass sie, da sie nicht nach Kinshasa zurück- oder nach einer ![]() ![]() | 11 |
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Art. 5 Ziff. 1 EMRK umschreibt, wann einem Menschen die Freiheit entzogen werden kann. Unter Freiheitsentziehung (vgl. französische bzw. englische Konventionstexte: "être privé de sa liberté", "deprived of his liberty") ist nicht bloss Haft im engen Sinn zu verstehen. Umgekehrt fällt nicht jede Freiheitsbeschränkung unter Art. 5 EMRK. Freiheitsentziehung kann allgemein als eine Massnahme der öffentlichen Gewalt umschrieben werden, durch die jemand gegen oder ohne seinen Willen an einem bestimmten, begrenzten Ort für gewisse Dauer festgehalten wird. Dabei sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen, vor allem die Art und Weise, die Dauer, das Ausmass und die Intensität der Beschränkung; massgeblich sind die Auswirkungen der zu beurteilenden Massnahme insgesamt (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996, N. 9 und 10 zu Art. 5, S. 77).
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c) Kürzlich hatten sich die Strassburger Organe ausführlich zur Frage zu äussern, ob das gegenüber per Flugzeug eingereisten Asylbewerbern verfügte Verbot, den Transitbereich (Wartezone) des Flughafens zu verlassen, eine Freiheitsentziehung darstelle. Die Europäische Menschenrechtskommission ging noch davon aus, dass von vornherein keine unter Art. 5 Ziff. 1 EMRK fallende Freiheitsbeschränkung vorliegen könne, weil zwar kein Recht auf Einreise, ![]() ![]() | 14 |
Im Fall Amuur hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Zurückhalten auf einem derart begrenzten Raum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EMRK gewertet. Zu dieser Einschätzung gelangte er angesichts der Dauer der Festhaltung (20 Tage), der Art der Unterbringung (tagsüber im "Salon d'Espace" des Flughafens, während der Nacht in einem abgesonderten Teil eines nahegelegenen Hotels, welches der Gesuchsteller nicht verlassen konnte), der strikten Kontrollen sowie der fehlenden rechtlichen Unterstützung (Ziff. 43 ff. der Urteilsbegründung). Der Gerichtshof hob hervor, dass das französische Recht zum fraglichen Zeitpunkt noch keine genügende gesetzliche Regelung kannte, welche die Festhaltung am Flughafen zeitlich limitiert und es einem Gericht erlaubt hätte, das Handeln der Verwaltungsbehörden während der nicht zum voraus bestimmten Dauer des Aufenthalts des Asylgesuchstellers auf dem Flughafen zu kontrollieren (Ziff. 53). Zusammenfassend hielt er fest (Ziff. 54): "Or le système juridique franWais en vigueur à l'époque et tel qu'il a été appliqué dans la présente affaire n'a pas garanti de manière suffisante le droit des requérants à leur liberté".
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Der Gerichtshof verlangt somit im Ergebnis gesetzliche Grundlagen für das Festhalten in der Wartezone, effektiven Zugang zu einem Verfahren, in dem über den Flüchtlingsstatus entschieden wird, sowie gerichtliche Kontrolle im Falle eines längeren Festhaltens am Flughafen. Keinesfalls lässt sich sagen, dass eine Freiheitsbeschränkung, die schliesslich (und eben erst im Nachhinein feststellbar) ![]() ![]() | 16 |
Erwägung 4 | |
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"Wird die Einreise nicht bewilligt, so kann der Gesuchsteller vom Bundesamt vorsorglich weggewiesen werden, wenn die Weiterreise in einen Drittstaat möglich, zulässig und zumutbar ist, namentlich wenn:
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a. dieser Staat vertraglich für die Behandlung des Asylgesuchs zuständig ist;
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b. sich der Gesuchsteller vorher einige Zeit dort aufgehalten hat oder
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c. dort nahe Angehörige oder andere Personen leben, zu denen der Gesuchsteller enge Beziehungen hat. Die vorsorgliche Wegweisung ist sofort vollstreckbar, wenn das Bundesamt nichts anderes verfügt.
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Wird die Einreise nicht bewilligt und kann der Gesuchsteller nicht in einen Drittstaat weggewiesen werden, so kann der sofortige Vollzug der Wegweisung in den Heimat- oder Herkunftsstaat angeordnet werden, wenn dem Gesuchsteller dort nach der übereinstimmenden Auffassung des Bundesamtes und des Hochkommissariates der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge offensichtlich keine Verfolgung droht."
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Gegen die Verfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge über die Wegweisung steht die Beschwerde an die Schweizerische Asylrekurskommission offen (Art. 11 Abs. 2 lit. b AsylG); die Wegweisung ist in jedem Fall anfechtbar, unabhängig davon, ob sie bloss vorsorglich oder - zugleich mit dem das Asylbegehren ablehnenden Entscheid - definitiv verfügt wird. Für das Beschwerdeverfahren vor der Asylrekurskommission ist Art. 47 AsylG (in der Fassung des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht) zu beachten (Abs. 1 und 2):
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"Ist die Wegweisung sofort vollziehbar, so kann der Ausländer innert 24 Stunden ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einreichen. Er ist auf seine Rechte hinzuweisen.
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Über ein Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat die Behörde innert 48 Stunden zu entscheiden." ![]() | 25 |
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"Der Beschwerdeführer kann bis zum Entscheid über sein Begehren von der zuständigen Behörde während maximal 72 Stunden festgehalten werden."
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Bestimmungen über das Asylverfahren am Flughafen enthalten schliesslich Art. 4 und 5 der Asylverordnung 1 vom 22. Mai 1991 über Verfahrensfragen (AsylV 1; SR 142.311), welche aber keine für den vorliegenden Fall massgeblichen Regeln aufstellen.
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Zumindest nicht von Beginn der Festhaltung auf dem Flughafen an herangezogen werden können die Regeln des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (Art. 13a, 13b und 13c ANAG betreffend Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft). Darauf wird hinten (E. 5b und d) zurückgekommen.
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Nicht im Gesetz vorgesehen ist sodann eine gerichtliche Kontrolle. Zu einer richterlichen (Mit-)Überprüfung der Festhaltung als solcher kommt es nach der Praxis der Schweizerischen Asylrekurskommission frühestens nach Vorliegen eines Wegweisungsentscheids des Bundesamtes für Flüchtlinge.
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Wird die Festhaltung auf dem Flughafen, wie immer sie im Einzelfall auch ausgestaltet sein mag ("Haftbedingungen"), allein nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen beurteilt, vermag die schweizerische Rechtsordnung das Recht der Asylgesuchsteller auf Schutz ihrer Freiheit nicht in ausreichendem Mass zu garantieren (vgl. Ziff. 54 des Urteils Amuur).
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Es lässt sich jedoch nicht sagen, dass der Gesetzgeber ausschliessen wollte, die Festhaltung von Ausländern am Flughafen zeitlich zu limitieren oder richterliche Garantien zuzulassen. Wohl müssen die Erkenntnisse aus dem Urteil Amuur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte grundsätzlich vom Gesetzgeber in konkrete Regeln umgesetzt werden. Frankreich hat noch vor dem Entscheid ![]() ![]() | 35 |
Zu gewährleisten ist insbesondere, dass der Ausländer raschmöglichst eine gerichtliche Beurteilung seiner Freiheitsentziehung erwirken kann. Da das Gesetz die richterliche Kontrolle nicht vorsieht, ist im folgenden zu untersuchen, welche Behörde damit zu betrauen ist.
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Erwägung 5 | |
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Die erste Phase beginnt mit dem Eintreffen des Ausländers auf dem Flughafen, wo er sein Asylgesuch stellt. Infolge der Verweigerung der Einreise bleibt er dort blockiert, bis das Bundesamt für Flüchtlinge die vorsorgliche Wegweisung verfügt, allenfalls auch direkt das Asylgesuch abweist und die ordentliche Wegweisung anordnet, oder aber die Einreisebewilligung erteilt. Die vorsorgliche Wegweisung ist, vorbehältlich anderer Anordnung des Bundesamtes, sofort vollziehbar. (In den übrigen Fällen muss der sofortige Vollzug speziell angeordnet werden, Art. 17a Abs. 2 AsylG). Die Dauer dieser ersten Phase ist nirgends geregelt.
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Mit Eröffnung des Wegweisungsentscheids (allenfalls des Asylentscheids) beginnt die zweite Phase. Der Ausländer hat Gelegenheit, innert 24 Stunden bei der Schweizerischen Asylrekurskommission ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einzureichen; die eigentliche Beschwerde kann er innert der üblichen Beschwerdefrist erheben. Die Asylrekurskommission entscheidet über das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung innert 48 Stunden. Während dieser Gesuchsphase kann der Ausländer gestützt auf Art. 13c und 13d bzw. Art. 47 Abs. 2bis AsylG für noch längstens 72 Stunden festgehalten werden.
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Nach Ablauf der 72 Stunden beginnt die dritte Phase, welche bis zum Beschwerdeentscheid der Asylrekurskommission (über die ![]() ![]() | 40 |
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Angesichts des Wortlauts von Art. 47 Abs. 2bis AsylG können Art. 13c und 13d AsylG nach Ablauf der 72 Stunden seit Eröffnung der erstinstanzlichen Wegweisungsverfügung schwerlich als Grundlage für eine Freiheitsbeschränkung betrachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt liegt jedoch eine Wegweisung vor, mit deren Vollzug das Bundesamt für Flüchtlinge (bzw. der Instruktionsrichter der Asylrekurskommission, welcher das Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abweist) eine kantonale Behörde beauftragt (Flughafenpolizei, Fremdenpolizei). Damit aber können nun Art. 13b und 13c ANAG Rechtsgrundlage für eine weitere Freiheitsentziehung sein (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. Dezember 1993 zum Bundesgesetz über die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, BBl 1994 I 305 S. 332/33; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Genf vom 4. Juli 1996 [A/841/1996]; vgl. auch WISARD, a.a.O. S. 74 f., derselbe, Rétention dans les aéroports: Développements et perspectives, in: ASYL 1996/1 S. 19 ff.); diese geben der kantonalen Behörde die Befugnis, den Ausländer zur Sicherstellung des Vollzugs eines erstinstanzlichen Wegweisungsentscheids in Ausschaffungshaft zu nehmen. Die Festhaltung am Flughafen kann jedoch nur dann unter dem Titel Zwangsmassnahmen aufrechterhalten werden, wenn einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe vorliegt und auch die übrigen Bedingungen (z.B. Art. 13c Abs. 5 ANAG) erfüllt sind.
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Sind die Voraussetzungen der Ausschaffungshaft nicht erfüllt, hat die kantonale Behörde (Flughafenpolizei und/oder Fremdenpolizei) den Ausländer "freizulassen". Im Ergebnis kann die Freilassung nur dadurch realisiert werden, dass dem Ausländer die Einreise in die Schweiz bewilligt wird. Das Bundesamt für Flüchtlinge kann sich dem nicht widersetzen; vielmehr wird es den Ausländer, welcher regelmässig noch ein Asylbeschwerdeverfahren hängig hat, einem ![]() ![]() | 43 |
Erachtet die kantonale Behörde die Voraussetzungen der Ausschaffungshaft als erfüllt, muss die weitere Festhaltung am Flughafen gemäss Art. 13c Abs. 2 ANAG von der kantonalen richterlichen Behörde innert 96 Stunden seit dem Wirksamwerden der Wegweisungsverfügung (Abweisung des Gesuchs um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) auf ihre Rechtmässigkeit und Angemessenheit hin überprüft werden. Dem Erfordernis des "raschmöglichsten" Entscheids ist damit Genüge getan. Sollte dies, z.B. unter dem Gesichtspunkt der Haftbedingungen, erforderlich sein, darf der Kanton die Zwangsmassnahme auch in anderen Lokalitäten als dem Flughafenareal vollziehen, ohne dass er eine förmliche Einreisebewilligung beim Bundesamt erwirken muss. c) Keiner näheren Erläuterung bedarf, dass die Asylrekurskommission ![]() ![]() | 44 |
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Der Ausländer bleibt, wie gesehen, nicht darum im Flughafen blockiert, weil ihm dieser gestützt auf eine ausdrückliche entsprechende Rechtsnorm als Aufenthaltsort zugewiesen wird. Vielmehr beruht die Einschränkung der Bewegungsfreiheit einzig darauf, dass das Bundesamt für Flüchtlinge gestützt auf Art. 13c und 13d AsylG dem Ausländer, welcher ein Asylgesuch gestellt hat, die Einreise nicht bewilligt. Die Befugnis zur Erteilung und Verweigerung der Einreisebewilligung hat der Bundesgesetzgeber ausschliesslich diesem Bundesamt zuerkannt; ebenso ist allein dieses zuständig, die Wegweisung zu verfügen oder darauf zu verzichten und nachträglich die Einreisebewilligung zu erteilen. Anders als nach Vorliegen einer Wegweisungsverfügung, anders aber auch als im ordentlichen Asylverfahren, bei welchem der Asylgesuchsteller durch das Bundesamt einem Kanton zugewiesen wird, dessen Behörden auch vor Erlass einer allfälligen Wegweisungsverfügung Aufgaben wahrzunehmen haben (und beispielsweise Vorbereitungshaft anordnen können), stehen den Kantonen im Flughafenverfahren vorerst keine Befugnisse zu. Als einzige kantonale Behörde ist die Flughafenpolizei ![]() ![]() | 46 |
Unter diesen Umständen kann für die erste Phase des Flughafenverfahrens nicht ein kantonales Gericht zur Prüfung der Rechtmässigkeit der Freiheitsbeschränkung eingesetzt werden, müsste es doch letztlich ausschliesslich über die Erteilung der Einreisebewilligung befinden, wobei es sich im wesentlichen mit der Frage zu befassen hätte, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Bundesamt für Flüchtlinge eine (vorsorgliche) Wegweisung verfügen dürfte; dazu ist es weder kompetent, noch stehen ihm die diesbezüglichen notwendigen Informationen überhaupt zur Verfügung.
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bb) Anordnungen des Bundesamtes für Flüchtlinge können, soweit nicht die Beschwerde an die Schweizerische Asylrekurskommission offensteht, beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement angefochten werden, welches in der Regel endgültig entscheidet (Art. 11 Abs. 5 AsylG). Das Departement ist kein Gericht, wie dies Art. 5 Ziff. 4 EMRK für die Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen gemäss Art. 5 Ziff. 1 EMRK verlangt. Es ist damit zu prüfen, ob die Schweizerische Asylrekurskommission als Richter einzusetzen ist.
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Das Bundesamt verweigert einem Asylgesuchsteller die Einreise in Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Asylgesuchs. Sein Entscheid steht in direktem Zusammenhang mit dem von ihm in absehbarer Zeit zu treffenden Entscheid über die Wegweisung und kann nicht losgelöst davon betrachtet werden. Der Wegweisungsentscheid selber ist nach klarer gesetzlicher Regelung mit Beschwerde bei der Asylrekurskommission anfechtbar (Art. 11 Abs. 2 AsylG). Die Einreiseverweigerung stellt letztlich eine prozessleitende, vorsorgliche Verfügung im Wegweisungsverfahren dar. Sie ist als auf Art. 13-19 gestützte Massnahme gemäss Art. 46a lit. a AsylG selbständig anfechtbar, sofern sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann; letztere Voraussetzung ist klarerweise erfüllt. Ausgehend vom im Bundesverwaltungsverfahren allgemein geltenden Prinzip der Einheit des Verfahrens sind Zwischenentscheide bei der gleichen Behörde anfechtbar wie der Hauptentscheid; die prozessleitende Verfügung über die Verweigerung der Einreise wäre demnach bei der Schweizerischen Asylrekurskommission anzufechten.
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Die Asylrekurskommission wendet im Meinungsaustauschverfahren betreffend den Genfer Flughafen (MA.12/1996) allerdings ein, der Gesetzgeber habe ihren Aufgabenbereich eng fassen wollen. ![]() ![]() | 50 |
Die Tatsache allein, dass das Gesetz die Zuständigkeit der Asylrekurskommission für den vorliegenden Fall nicht ausdrücklich vorsieht und der Gesetzgeber bei der politischen Ausmarchung auch für andere Lösungen optieren könnte, ist unerheblich. Das Gesetz hat nämlich auch keine andere richterliche Behörde bestimmt. Eine Zuständigkeit muss damit auf jeden Fall in "kreativer Rechtsprechung" geschaffen werden, wie die Asylrekurskommission in ihrem Meinungsaustauschschreiben selber zu Recht ausführt. Gegen die Zuständigkeit der kantonalen Haftrichter in dieser ersten Phase des Flughafenverfahrens sprechen die vorne (aa) erwähnten gewichtigen Gründe; keine ähnlich gewichtigen Bedenken bestehen bei Zuweisung der richterlichen Aufgabe an die Asylrekurskommission. Im Sinne einer Übergangslösung kommt deshalb am ehesten diese Behörde als für die Prüfung der Rechtsmässigkeit der Freiheitsbeschränkung von Ausländern im Flughafenverfahren zuständige gerichtliche Instanz in Frage.
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e) Es ist nicht erforderlich, dass der Asylrekurskommission von Amtes wegen sämtliche Fälle, in denen einem Asylbewerber am Flughafen die Einreise verweigert wird, zur Prüfung vorgelegt werden. Es genügt nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK (Der Betroffene "hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen") vielmehr, wenn sie auf Antrag des festgehaltenen Ausländers tätig wird. Dies setzt jedoch praktisch ![]() ![]() | 52 |
Die Asylrekurskommission wird über Beschwerden "raschmöglichst" ("à bref délai", "speedily"; Art. 5 Ziff. 4 EMRK) urteilen müssen. Sie entscheidet gemäss Art. 11 Abs. 2 AsylG in ihrem Zuständigkeitsbereich endgültig. Nach Art. 5 EMRK ist nicht erforderlich, dass gegen richterliche (Beschwerde-)Entscheide im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK bei einer weiteren nationalen Instanz Beschwerde erhoben werden kann. Es besteht daher kein Anlass, in Abweichung von Art. 11 Abs. 2 AsylG gegen den Entscheid der Asylrekurskommission die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zuzulassen. Konkretere Verfahrensregeln aufzustellen, ist nicht Sache des Bundesgerichts im Rahmen des vorliegenden Verfahrens. Soweit notwendig, wird das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement entsprechende Vorkehrungen treffen oder veranlassen bzw. bei Bedarf eine Verordnung des Bundesrats erwirken. Es ist jedoch, wie bereits erwähnt (E. 4c), erforderlich, dass die Grundzüge des Flughafenverfahrens innert nützlicher Frist vom Gesetzgeber geregelt werden.
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Erwägung 6 | |
6.- a) Der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich ist am 10. Dezember 1996 auf ein Haftentlassungsgesuch der Beschwerdeführerin nicht eingetreten, weil er sich für nicht zuständig erachtete. Weder zum Zeitpunkt der Einreichung des Haftentlassungsgesuchs noch zum Zeitpunkt des Nichteintretensentscheids lag der erstinstanzliche Wegweisungsentscheid des Bundesamtes für Flüchtlinge vor. Nach den vorstehenden Ausführungen war damit der kantonale Haftrichter nicht zuständig, und er ist auf das Gesuch zu Recht nicht eingetreten. Die Beschwerde vom 27. Januar 1997 ist abzuweisen, soweit damit um Aufhebung des Entscheids vom 10. Dezember 1996 und um Feststellung ersucht wird, dass der Haftrichter zur Beurteilung der Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung durch ![]() ![]() | 54 |
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Aus den vorstehenden Ausführungen (E. 5b) ergibt sich, dass ab dem Zeitpunkt der Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung durch die Asylrekurskommission zwar die Bestimmungen über die Ausschaffungshaft Platz greifen, dass aber ein richterlicher Entscheid nicht zwingend vorgeschrieben ist, wenn die Festhaltung am Flughafen vor Ablauf von 96 Stunden ab diesem Zeitpunkt beendet wird. Der Haftrichter war daher auch in diesem zweiten Haftentlassungsverfahren nicht (mehr) verpflichtet, einen Entscheid über die Rechtmässigkeit der Haft zu treffen. Die Beschwerde vom 31. Januar 1997 ist ebenfalls abzuweisen, soweit damit um Aufhebung des Nichteintretensentscheids vom 20. Dezember 1996 sowie um Feststellung ersucht wird, der Haftrichter sei zuständig gewesen. Da auch hier kein anfechtbarer Entscheid über die Rechtmässigkeit der Freiheitsbeschränkung ergangen ist, ist zudem auf das entsprechende Feststellungsbegehren nicht einzutreten. Der Haftrichter hat zwar in einem obiter dictum die Voraussetzungen der Ausschaffungshaft als gegeben erachtet. Ein aktuelles Interesse an der beantragten Feststellung, die Freiheitsbeschränkung in dieser Phase sei rechtswidrig gewesen, bestand nach erfolgter Ausreise schon zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung nicht mehr. Diesbezüglich vom Erfordernis des aktuellen Interesses abzusehen, besteht praxisgemäss kein Anlass.
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Immerhin ist den Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin mit den vorstehenden allgemeinen Erwägungen über das Flughafenverfahren ![]() ![]() ![]() | 57 |
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