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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Engin Kunter, A. Tschentscher | |||
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2. Die Entscheidung über die Zulässigkeit nicht bevorrechtigter Vorhaben im Außenbereich, deren Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt, ist nicht dem Verwaltungsermessen überlassen; auf ihre Zulassung besteht vielmehr ein Rechtsanspruch. |
3. Die im Flächennutzungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Vorstellungen der Gemeinde gehören zu den öffentlichen Belangen, welche die Baugenehmigungsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit eines nicht bevorrechtigten Vorhabens im Außenbereich zu berücksichtigen hat. |
4. Wochenendhäuser sind keine bevorrechtigten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BBauG. |
Art. 14 Abs. 1 GG; §§ 1, 35 BBauG |
Urteil |
des I. Senats vom 29. April 1964 |
- BVerwG I C 30. 62- |
I. Verwaltungsgericht Münster |
II. Oberverwaltungsgericht Münster | |
Die Klägerin beantragte die Genehmigung für die Bebauung eines etwa 23 000 qm großen Grundstücksteiles mit Wochenendhäusern. Dieses Gelände liegt im Außenbereich. Es ist nach dem Flächennutzungsplan nicht für die Bebauung vorgesehen. Der Antrag der Klägerin wurde gemäß § 3 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (RGBl. I S. 104) abgelehnt. Ihre Klage und ihre Berufung hatten keinen Erfolg. Die Revision wurde zurückgewiesen.
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Aus den Gründen: | |
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Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung mit Recht während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen §§ 29 ff. des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) -- BBauG -- zugrunde gelegt. Während der Geltung der Bauregelungsverordnung konnte die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Klägern über die Frage, ob das im Außengebiet liegende Grundstück überhaupt bebaut werden darf, durch eine sogenannte ![]() ![]() | 3 |
Da die Klägerin außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 BBauG und außerhalb der im Zusammenhang bebauuten Ortsteile bauen will und für ihr Grundstück bisher nicht die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen worden ist, richtet sich die Zulässigkeit ihres baugenehmigungspflichtigen Vorhabens nach § 35 BBauG. Wie der Senat schon in seinem Beschluß vom 12. Februar 1962 -- BVerwG I B 25. 62 -- (BBauBl. 1962 S. 635) entschieden hat, gehören Wochenendhäuser nicht zu den bevorrechtigten Vorhaben des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BBauG, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Diese Rechtsauffassung wurde durch die zu § 2 Abs. 10 Nr. 1 bis 4 BBauG ergangene Verordnung über die baulichen Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung) vom 26. Juni 1962 (BGBl. I S. 429) -- BauNVO -- bestätigt. Nach dieser Vorschrift ist die Bebauung eines Grundstückes mit einem Wochenendhaus eine besondere Nutzungsart der für die Bebauung vorgesehenen Flächen. Diese Nutzungsart unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Bebauung mit Wohngebäuden allgemeiner Art. Entsprechend den Bedürfnissen der betreffenden Gemeinde sind in den Bauleitplänen die Bauflächen in Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen, gewerbliche Bauflächen und Sonderbauflächen (Wochenendhausgebiete und Sondergebiete) zu gliedern (§ 1 Abs. 1, 4 und 5, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBauG, § 1 Abs. 1 und 2, § 10 BauNVO). Zur Wahrung einer ordnungsgemäßen baulichen Entwicklung der Gemeinde sind demzufolge Wochenendhäuser ebenso wie andere nicht bevorrechtigte Vorhaben grundsätzlich nur in den für diese Art der Nutzung bestimmten Teilen des Gemeindegebietes zulässig. Gemäß § 2 Abs. 9 BBauG hat die Klägerin auf die Aufstellung von Bauleitplänen und auf die Ausweisung der ihr gehörenden Fläche als Wochenendhausgebiet keinen Anspruch.
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Die geplanten Wochenendhäuser der Klägerin sind demnach sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BBauG. Sie können nach dieser Vor ![]() ![]() | 5 |
Der Beklagte bezweifelt zu Unrecht die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 2 BBauG auf den vorliegenden Sachverhalt. Er hebt darauf ab, daß die Klägerin nicht nur einen einzigen Bau, sondern mehrere Bauten auf ihrem Grundstück errichten wolle, und folgert hieraus, daß ihr Antrag sich nicht auf einen "Einzelfall beziehe. Diese Auffassung wird dem für § 35 Abs. 2 BBauG maßgeblichen Begriff des Einzelfalles nicht gerecht. Die Worte "im Einzelfall bedeuten nicht, daß nach dieser Bestimmung nur die Zulassung eines einzelnen Baues in Betracht käme, die Zulassung eines mehrere Bauten umfassenden Vorhabens hingegen ausgeschlossen wäre. Hätte die Vorschrift diese Bedeutung, dann könnten der Bauherr und die am Baugenehmigungsverfahren beteiligten Behörden sich über sie leicht dadurch hinwegsetzen, daß eine Entscheidung über die Zulässigkeit mehrerer Bauten nicht gleichzeitig, sondern für die einzelnen Bauten nacheinander eingeholt oder getroffen würde. Dieses Vorgehen entspräche weder dem Interesse des Bauherren, noch käme es den öffentlichen Interessen zugute. Eine sachgerechte Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Außenbereich setzt vielmehr regelmäßig voraus, daß den zuständigen Behörden der wirkliche Umfang des Vorhabens bekannt ist. Ähnlich wie die entsprechende Ausdrucksweise des § 31 Abs. 2 BBauG bringt das Wort "Einzelfall in § 35 Abs. 2 BBauG nur zum Ausdruck, daß ein Vorhaben abweichend von dem Grundgedanken des § 35 BBauG, nach dem die bauliche Nutzung grundsätzlich den Teilen des Gemeindegebietes vorbehalten ist, die rechtlich oder tatsächlich als Bauland dienen, durch Verwaltungsakt zugelassen werden darf.
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Das Berufungsgericht hat die Frage, ob das Vorhaben der Klägerin öffentliche Belange beeinträchtigt, ausdrücklich offengelassen. Nach seiner Ansicht braucht ein Vorhaben, dessen Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt, nicht zugelassen zu werden, sondern darf aus Ermessensgründen abgelehnt werden. Für diese Auslegung des Gesetzes scheint der Wortlaut des § 35 Abs. 2 BBauG zu sprechen, nach dem sonstige ![]() ![]() | 7 |
Hätte das Gesetz wirklich den Inhalt, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so wäre es mit Art. 14 GG nicht vereinbar. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG überläßt die Bestimmung seines Inhalts und seiner Schranken den Gesetzen. Welche Einzelbefugnisse und --pflichten den Inbegriff des Eigentums ausmachen, ergeben somit nur die -- verfassungsrechtlich einwandfreien -- Gesetze. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG will damit zugleich verhindern, daß der Gesetzgeber sich der ihm obliegenden Regelung enthält und statt dessen die Bestimmung des Eigentumsinhalts dem Ermessen der Verwaltung anheimgibt (vgl. BVerfGE 6, 32 [42]; 8 71 [76]; 9, 137 [147 f.]; 11, 168 [191 f.]; 13, 153 [160 f.]; BVerwGE 2, 114 [116]; 2, 349 [351]; 9, 284 [287]; 10, 202 [205]; 11, 95 [96]). Dürfte die Verwaltung nach ihrem Ermessen darüber entscheiden, ob sie ein nach dem Tatbestand des § 35 Abs. 2 BBauG rechtlich unbedenkliches Vorhaben -- ein Vorhaben also, dessen Zulassung gesetzmäßig wäre -- zuläßt oder nicht, so wäre im Einzelfall die Zulassung ebenso rechtmäßig wie ihre Versagung. Der Inhalt des Eigentums ergäbe sich mithin in Wirklichkeit nicht aus dem Gesetz, sondern würde vom Rechtsanwendungsorgan nach seinem Ermessen bestimmt werden.
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Die Auslegung, die das Berufungsgericht dem § 35 Abs. 2 BBauG gegeben hat, entspricht jedoch nicht dem wirklichen, mit dem Grundgesetz übereinstimmenden Inhalt dieser Bestimmung. Denn die Worte "können ... zugelassen werden bedeuten unter Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 13, 318 [325]) das gleiche, wie wenn es hieße "dürfen ... nur zugelassen werden im Sinne von "sind ... zuzulassen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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Der Begriff der Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 BBauG ist sehr weit gefaßt. Gegen diesen wenig präzisen unbestimmten Gesetzesbegriff bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Durch seine Erläuterung in § 35 Abs. 3 BBauG und durch die Zielsetzung des Bundesbaugesetzes, die insbesondere in seinen Vorschriften über die Bauleitplanung zum Ausdruck kommt, ist er genügend bestimmbar und justitiabel. Unter ihn fallen alle Gesichtspunkte, die für das Bauen im Außenbereich irgendwie rechtserheblich sein können, u.a. ![]() ![]() | 10 |
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Das Berufungsgericht ist mithin zu Unrecht davon ausgegangen, das Vorhaben der Klägerin habe nach dem Ermessen der beteiligten Behörden abgelehnt werden dürfen ohne Rücksicht darauf, ob seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange beeinträchtigte oder nicht. Dennoch ist seine Entscheidung im Ergebnis zu billigen, weil das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt. Das ergibt sich bei richtiger Beurteilung des vom ![]() ![]() | 12 |
Der vorliegende Sachverhalt weist die Besonderheit auf, daß die Klägerin den 23 000 qm großen Grundstücksteil parzellieren und die Parzellen verkaufen will, sobald die Baugenehmigungsbehörde ihren Antrag positiv beschieden hat. Die erstrebte Entscheidung könnte deshalb zur Folge haben, daß eine große Zahl von Wochenendhäusern, bei einer angenommenen Parzellengröße von 1000 qm nicht weniger als 23 Wochenendhäuser, errichtet werden. Nach Zulassung des Vorhabens würde damit der Grundstücksteil der Klägerin praktisch zu einem Wochenendhausgebiet. Auf dieses Ziel ist der Antrag der Klägerin im Grunde gerichtet. Obwohl sie gemäß § 2 Abs. 9 BBauG auf die Aufstellung eines Bauleitplanes keinen Anspruch hat, will sie ohne einen entsprechenden Plan und entgegen dem planerischen Willen der Gemeinde so gestellt werden, als ob ihre Fläche ein Wochenendhausgebiet im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a BauNVO wäre. Schon diese Tatsache, daß das umfangreiche Vorhaben ohne planerische Grundlage ausgeführt werden soll, spricht für die Annahme, daß es öffentliche Belange beeinträchtigt. Hinzu kommt aber noch folgendes:
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Die im Flächennutzungsplan zum Ausdruck gebrachten planerischen Vorstellungen der Gemeinde gehören als Konkretisierung dessen, was im Einzelfall "die geordnete städtebauliche Entwicklung ist, zu den öffentlichen Belangen, welche die Baugenehmigungsbehörde bei ihrer Entschei ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | 14 |
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