BGE 102 Ia 468 - Buchdruckerei Elgg | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
66. Urteil |
vom 6. Oktober 1976 |
i.S. Buchdruckerei Elgg AG gegen evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Elgg und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich | |
Regeste |
Kirchensteuerpflicht juristischer Personen; Art. 49 Abs. 6 BV, Art. 4 BV, Art. 9 EMRK. |
Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist mit Art. 49 Abs. 6 BV und Art. 4 BV grundsätzlich vereinbar (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung). Sie verstösst auch nicht gegen Art. 9 EMRK. | |
Sachverhalt | |
A.- Gemäss § 150 des Zürcher Gesetzes über die direkten Steuern vom 8. Juli 1951 (StG) erheben die staatlich anerkannten Kirchgemeinden von den Angehörigen ihrer Konfession und den juristischen Personen die Kirchensteuer. Juristische Personen, welche konfessionelle Zwecke verfolgen, haben die Kirchensteuer nur der Kirchgemeinde dieser Konfession zu entrichten (§ 150 Abs. 2 StG). Die übrigen juristischen Personen bezahlen die Kirchensteuer anteilsmässig allen im nämlichen Gebiet staatlich anerkannten Kirchgemeinden, wobei die Anteile nach der Zahl der steuerpflichtigen natürlichen Personen, welche den einzelnen staatlich anerkannten Kirchgemeinden angehören, berechnet werden (Art. 152 Abs. 1 und 2 StG).
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Gestützt auf diese gesetzlichen Grundlagen wurde die Buchdruckerei Elgg AG für 1974 zur Bezahlung einer reformierten Kirchensteuer von Fr. 16.70 und einer römisch-katholischen Kirchensteuer von Fr. 9.75 verpflichtet. Sie führt hiegegen, nachdem sie sich erfolglos an die Finanzdirektion und hernach an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gewandt hat, wegen Verletzung von Art. 4 und Art. 49 Abs. 1 und 6 BV, Art. 64 KV und Art. 9 EMRK staatsrechtliche Beschwerde. Diese richtet sich aus verfahrensrechtlichen Gründen - nicht formgerechte Anfechtung der römisch-katholischen Kirchensteuer vor den kantonalen Instanzen - formell nurmehr noch gegen die Erhebung der reformierten Kirchensteuer.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
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Wie schon das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich festgestellt hat, kommt der Berufung auf Art. 64 KV keine selbständige rechtliche Bedeutung zu, da diese Vorschrift der Kantonsverfassung die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit nach Massgabe des Bundesrechts gewährleistet und dem Einzelnen keine zusätzlichen, über die Garantien der Bundesverfassung hinausgehenden Rechte einräumt. Die Rüge eines Verstosses gegen Art. 64 Abs. 1 KV fällt daher mit der Rüge der Verletzung von Art. 49 BV zusammen.
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Erwägung 2 | |
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Abs. 6 bezieht sich auf die Steuerpflicht: Die Vorschrift setzt voraus, dass Steuern speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft erhoben werden dürfen, und macht dann die Einschränkung, dass niemand gehalten sei, solche Kultussteuern für eine Religionsgenossenschaft zu bezahlen, der er nicht angehöre.
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In der Rechtslehre ist diese Praxis von namhaften Autoren kritisiert worden (BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3. A., S. 462; E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A., S. 44 f.; J. BLUMENSTEIN, Zur Frage der Kirchensteuerpflicht juristischer Personen, ASA 26 S. 113 ff.; FLEINER-GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 320 f.; R. EGGER, Das Subjekt der Kultussteuern in der Schweiz, Diss. Bern 1942 S. 68 ff., 117 ff.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, S. 29 Anm. 89; vgl. auch AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Nr. 2016 u. 2023). Die jüngste Zusammenfassung der Diskussion findet sich bei JEAN-PIERRE BAGGI, La struttura giuridica dell'imposta ecclesiastica, Freiburg 1971, S. 146 ff. Schon R. VON REDING-BIBEREGG äusserte 1885 in seiner vom schweizerischen Juristenverein ausgezeichneten Preisschrift (Über die Frage der Kultussteuern ...) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Besteuerung juristischer Personen und schlug vor, der Bundesgesetzgeber solle sie inskünftig "kultussteuerfrei" erklären. Er anerkannte aber, dass der Begründung, mit welcher das Bundesgericht Art. 49 Abs. 6 BV nicht auf juristische Personen anwende, die Berechtigung, Klarheit und Konsequenz nicht abgesprochen werden könne (S. 84).
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Den Kritikern, die mit unterschiedlicher Begründung die Erhebung einer Kultussteuer bei juristischen Personen für verfassungswidrig halten, steht eine Gruppe von Autoren gegenüber, welche der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zustimmen (LANGHARD, Die Glaubens- und Kultusfreiheit nach schweizerischem Bundesrecht, Bern 1888, S. 74; HOLENSTEIN, Die konfessionellen Artikel und der Schulartikel der schweizerischen Bundesverfassung, Olten 1931, S. 289 unten; VASELLA, Die Rechtsverhältnisse des katholischen Kirchenvermögens im Kantons Graubünden, Diss. Freiburg 1933, S. 180 f.; NOSER, Pfarrei und Kirchgemeinde, Diss. Freiburg 1957, S. 158 f.; STIRNIMANN, Die Kultussteuerpflicht der juristischen Personen, in ZBl 59/1958, S. 289 ff.; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher StG, N 34 zu § 150 StG).
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b) Trotz der in der Rechtslehre - zum Teil mit Nachdruck - geäusserten Bedenken hat nicht nur das Bundesgericht an seiner restriktiven Auslegung von Art. 49 Abs. 6 BV festgehalten, sondern in der Gesetzgebung der Kantone wurde mit Zustimmung der politischen Organe (Parlament und Volk) die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ausgebaut und in einzelnen Kantonen neu eingeführt. Bestimmungen kantonaler Verfassungen, welche ausdrücklich vorsehen, dass juristische Personen der Kirchensteuerpflicht unterliegen, hat die Bundesversammlung die Gewährleistung erteilt (KV Nidwalden Art. 90 Abs. 2, Gewährleistungsbeschluss vom 12. Dezember 1974; KV Graubünden Art. 11 Abs. 6, Gewährleistungsbeschluss vom 30. April 1959). Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist also heute sogar in einzelnen kantonalen Verfassungsnormen verankert, die gemäss bisheriger ständiger Praxis vom Bundesgericht nicht auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung überprüft werden können (BGE 83 I 181 E. 6, 89 I 392, 99 Ia 663 E. 5a, 100 Ia 364 E. 5b). Für das zürcherische Recht gilt diese Beschränkung der bundesgerichtlichen Kognitionsbefugnis aber nicht.
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In einer Zeit starker gesellschaftlicher Wandlungen mag es angezeigt sein, dass das Bundesgericht seine seit 1878 vertretene Interpretation von Art. 49 Abs. 6 BV grundsätzlich neu überprüft und untersucht, ob neue Argumente und Erkenntnisse eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu rechtfertigen vermögen.
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Erwägung 3 | |
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a) Im Sinne dieser Argumentation hat das deutsche Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 14. Dezember 1965 in Auslegung von Art. 2 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) die lediglich im ehemaligen Lande Baden noch bestehende Kirchenbausteuerpflicht juristischer Personen als verfassungswidrig erklärt. In der Begründung wurde vor allem festgestellt, dass das Grundgesetz dem Staat verbiete, einer Religionsgesellschaft hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner Religionsgesellschaft angehören (BVerfGE 19 Nr. 27). Für die deutsche Bundesrepublik gilt somit heute die Regel, dass die Kirchensteuerpflicht sich auf Kirchenangehörige beschränkt und nicht auf juristische Personen ausgedehnt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Motiven seines Entscheides hervorgehoben, dass es Landeskirchen im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes nicht mehr gebe, die früheren Landeskirchen hätten nicht mehr den Rechtscharakter von Gebietskörperschaften, die territoriale Grundlage sei schon in der Weimarer Verfassung durch eine reine Personalgrundlage ersetzt worden (BVerfGE 19 S. 216/17).
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Geht man aber von der Entstehungsgeschichte des Art. 49 Abs. 6 BV aus, die VON REDING-BIBEREGG (a.a.O. S. 40 ff.) 1885 sehr einlässlich dargestellt hat, so sieht man, dass das Anliegen der Bundesversammlung in den Jahren vor 1872 und 1874 ausschliesslich darauf ging, natürliche Personen gegen die Besteuerung durch eine Religionsgemeinschaft, der sie nicht angehören, zu schützen. Dies war das Anliegen, um das in den Eidg. Räten intensiv gerungen wurde. Das Problem der juristischen Personen war gar nicht im Blickfeld der Bundesversammlung. Auch der bundesrätliche Entwurf vom 26. November 1875 zu einem diesbezüglichen Ausführungsgesetz, das in der Folge nie zustande kam, befasste sich nicht mit dieser Frage, sondern einzig mit der Kirchensteuerpflicht der natürlichen Personen (BBl 1875 IV 971 ff.; VON SALIS, Schweiz. Bundesrecht III Nr. 1019). Dies führte das Bundesgericht schon in seinen ersten Entscheiden im Jahre 1878 (BGE 4 S. 536 f., 539, 541) dazu, den in Art. 49 Abs. 6 BV verankerten Grundsatz nicht auch auf juristische Personen anzuwenden. Es erblickte in dieser Verfassungsvorschrift lediglich eine Norm zum Schutze der in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit berührten natürlichen Personen vor Steuern für eine Religionsgenossenschaft, der sie nicht oder nicht mehr angehören. Nach dieser Auslegung schafft Art. 49 Abs. 6 BV nicht ein positives Erfordernis der Kirchenzugehörigkeit als verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Erhebung der Kultussteuer, sondern bestimmt rein negativ, dass die nicht zur steuerberechtigten Kirche gehörende natürliche Person wegen der ihr zustehenden Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zur Bezahlung von Kirchensteuern verpflichtet werden darf.
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Diese restriktive Interpretation ist auch auf dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen Stellung der anerkannten und mit der Befugnis zur Steuererhebung ausgestatteten Kirchen zu sehen. Mit Abs. 6 von Art. 49 BV wollte der Verfassungsgeber nicht verbieten, dass die Kantone das Kirchenwesen als eine öffentliche Aufgabe betrachten, es aus den allgemeinen Mitteln des Staates finanzieren (Staatskirchen) oder die Gemeinden anerkannter Landeskirchen als Gebietskörperschaften ausgestalten - als Gebietskörperschaften, die analog den politischen Gemeinden ihre finanziellen Bedürfnisse durch Erhebung voraussetzungsloser Abgaben (Steuern) von den ihrer Gebietshoheit unterworfenen Steuerpflichtigen befriedigen können. Historisch gesehen haben sich die anerkannten Landeskirchen im Laufe des 19. Jahrhunderts aus der Gesamtorganisation des Staates herausgelöst und unter Wahrung gewisser hoheitlicher Befugnisse (Besteuerungsrecht) verselbständigt. In die den Kantonen überlassene, unterschiedliche, öffentlich-rechtliche Ordnung des Verhältnisses Staat-Kirche wollte Art. 49 Abs. 6 BV nicht grundlegend eingreifen. Mag auch im Laufe der Jahrzehnte das Bild der Kirchgemeinde sich im Bewusstsein breiter Schichten von dieser Konzeption der territorial begrenzten Gebietskörperschaft entfernt haben, so blieb doch in manchen Kantonen die rechtliche Struktur der Kirchgemeinde als Gebietskörperschaft weitgehend erhalten und der unveränderte Art. 49 Abs. 6 BV, der eine solche Regelung nicht verbieten wollte, kann auch heute nicht als Hindernis einer territorial begründeten kirchlichen Steuerhoheit interpretiert werden. Die primär territoriale Grundlage der Kirchensteuerpflicht zeigt sich auch in der Zulässigkeit der Erhebung der Kirchensteuer von nicht in der steuerberechtigten Kirchgemeinde wohnhaften Eigentümern eines Grundstückes (BGE 98 Ia 406). Gestattet die Bundesverfassung die Verleihung einer abgeleiteten Kirchensteuerhoheit auf territorialer Basis (in Analogie zur Steuerhoheit der politischen Gemeinde), dann dürfen folgerichtig auch die im Gebiet der Kirchgemeinde domizilierten juristischen Personen zur Kirchensteuer herangezogen werden, und es drängt sich auf, die in Abs. 6 von Art. 49 BV statuierte Ausnahme von der Kirchensteuerpflicht im Sinne der bisherigen Praxis restriktiv als eine sich aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit ergebende Schutznorm zugunsten natürlicher Personen auszulegen.
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Die den strukturellen Hintergrund nicht beachtende, eine Kirchensteuerpflicht auf reiner Personalgrundlage postulierende Kritik an der Rechtsprechung dürfte einem gewandelten Verständnis der Kirchen entsprechen. Die anerkannten Landeskirchen bzw. ihre Kirchgemeinden werden wohl heute in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht mehr als Träger öffentlicher Aufgaben und hoheitlicher Befugnisse betrachtet, die in ihrem Bereich den politischen Gemeinden gleichzustellen wären, sondern eher als den privatrechtlichen Personenverbänden ähnliche Körperschaften auf rein personeller Grundlage. Im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen Situation, wie sie vom Bundesverfassungsgericht für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt wurde, hat diese zu vermutende Änderung der Auffassungen im schweizerischen Verfassungsrecht jedoch bis jetzt keinen Niederschlag gefunden. Was sich gegen die Kirchgemeinden als Gebietskörperschaften und für Kirchen auf reiner Personalgrundlage vorbringen lässt, spricht wohl in letzter Konsequenz überhaupt gegen die privilegierende staatliche Anerkennung einzelner Kirchen und die Verleihung von Besteuerungsrechten. Solange die Bundesverfassung aber den Kantonen die Freiheit lässt, das Kirchenwesen als Bereich staatlicher Tätigkeit mit Steuergeldern zu finanzieren oder diese als öffentliche Aufgabe verstandene Aktivität öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften mit Steuerhoheit zu übertragen, besteht kein Anlass, die dieser abgeleiteten Steuerhoheit unterworfenen juristischen Personen von der Kirchensteuerpflicht auszunehmen, weil sie nicht Mitglieder der steuerberechtigten Kirchen sein können. Die Pflicht zur Leistung von Steuern an ein territorial bestimmtes Gemeinwesen, das zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit Steuerhoheit ausgestattet wurde, ist nicht von der personellen Zugehörigkeit zu diesem Gemeinwesen abhängig. Rechtspolitische Gründe, die sich für eine andere Konzeption von Kirchgemeinde und Landeskirche ins Feld führen lassen, sind nicht geeignet, die Aufgabe der bisherigen Praxis zu rechtfertigen, welche mit der herkömmlichen, bis jetzt nicht grundlegend geänderten Rechtsnatur öffentlich-rechtlicher Kirchgemeinden im Einklang steht.
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Erwägung 4 | |
4.- Ein zweiter häufiger Einwand gegen die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen bildet der Hinweis, hinter der juristischen Person ständen natürliche Personen (Aktionäre, Gesellschafter), die indirekt durch die Belastung des ihnen gehörenden Gesellschaftsvermögens mit Kultussteuern in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt sein könnten. Bei grossen Erwerbsgesellschaften erscheint diese Konstruktion einer indirekten Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen Gesellschafters gekünstelt und rein theoretisch. Bei einer Publikumsaktiengesellschaft mit weiter Streuung der Aktien dürfte es schlechthin ausgeschlossen sein, dass sich der einzelne Aktionär durch die meistens relativ geringfügige Belastung der Aktiengesellschaft mit Kirchensteuern irgendwie in seiner persönlichen Glaubens- und Gewissensfreiheit betroffen fühlen könnte.
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Der Einwand hat dagegen ein gewisses Gewicht, soweit es um kleinere Unternehmungen geht, die in Form einer juristischen Person organisiert sind (Familienaktiengesellschaften, Einmann-Aktiengesellschaften). Die Umwandlung einer Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft kann zur Folge haben, dass die wirtschaftlich einem Konfessionslosen gehörenden Vermögenswerte, die vorher der Kirchensteuer nicht unterlagen, nun in der juristischen Person zur Besteuerung für kirchliche Zwecke herangezogen werden. Möglich ist auch, dass das Steuersubstrat, das bisher im Rahmen einer konfessionell einheitlichen Familie der Kirche des eigenen Glaubensbekenntnisses zur Verfügung stand, nach dem Einbringen in die Aktiengesellschaft teilweise auch zugunsten einer Kirchgemeinde der andern Konfession besteuert wird. Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen hat zur Folge, dass der Freidenker, der jede Abgabe für eine Religionsgemeinschaft vermeiden will, oder der Anhänger einer Kirche, welcher verhindern will, dass von seinen Steuern der am Ort bestehenden Gemeinde Andersgläubiger etwas zukommt, ihre geschäftliche Tätigkeit nicht in Form einer juristischen Person organisieren können. Das vermag bei der heutigen Ausgestaltung der Individualrechte nicht ganz zu befriedigen. Dass derjenige, der einen Teil seines Vermögens rechtlich von seiner Person trennt und im Rahmen einer juristischen Person verselbständigt, neben den Vorteilen dieser Gestaltung auch deren Nachteile in Kauf zu nehmen hat, ist jedoch ein allgemeiner Grundsatz. Es erscheint nicht als stossend, dass derjenige, der für seine geschäftliche Tätigkeit die persönliche Haftung ausschliesst, sich bei der Besteuerung des als juristische Person konstituierten Unternehmens nicht auf Elemente seiner subjektiven Weltanschauung berufen kann. Zudem ist hier daran zu erinnern, dass der Verfassungsgeber unbestrittenermassen durch Art. 49 Abs. 6 BV nicht jede Verwendung von Steuern Andersgläubiger oder Konfessionsloser für die Zwecke einer Kirche, der sie nicht angehören, verbieten wollte; nur von den speziellen Kultussteuern sollen sie befreit sein; eine dem Kultusbudget der staatlichen Kirchen entsprechende Rückzahlung von Staatssteuern war nicht vorgesehen (vgl. BGE 99 Ia 741). Nahm somit der historische Verfassungsgeber eine gewisse steuerliche Belastung Andersgläubiger und Konfessionsloser für kirchliche Zwecke selbst bei natürlichen Personen in Kauf, so darf die eben beschriebene Konsequenz der frei gewählten Beteiligung an einer juristischen Person oder der Schaffung einer solchen füglich als mit Art. 49 Abs. 6 BV vereinbar betrachtet werden. Man wollte eben unter dem Aspekt der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Bereich der Abgaben nur gewährleisten, dass nicht spezielle Kultussteuern von andersgläubigen oder konfessionslosen natürlichen Personen erhoben werden. Im Lichte der Entstehungsgeschichte kann dieser Bestimmung keine weitergehende Liberalisierungstendenz entnommen werden. Es ist nicht Sache des Verfassungsrichters, dieser Vorschrift in Änderung einer bald hundertjährigen Praxis gestützt auf die Annahme gewandelter Auffassungen eine grössere Tragweite zu geben, obschon das Kirchenrecht der Kantone sich auch in neuerer Zeit weitgehend im herkömmlichen Rahmen entwickelt hat.
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Vom Grundsatz, dass Art. 49 Abs. 6 BV auf juristische Personen nicht zur Anwendung komme, wird in der Rechtsprechung eine wichtige Ausnahme gemacht. Juristische Personen, die selber religiöse oder kirchliche Zwecke verfolgen, können nicht verpflichtet werden, an andere Religionsgemeinschaften Kultus- oder Kirchensteuern zu entrichten (BGE 95 I 350). Diese Ausnahme ist wohlbegründet und fand allgemein Zustimmung. Wenn auch juristische Personen im allgemeinen und Erwerbsgesellschaften im besondern unter dem Gesichtswinkel der Besteuerung sich nicht auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen können, so wäre es anderseits - bei aller formalen Logik - absurd, juristischen Personen mit religiöser oder kirchlicher Zwecksetzung den Schutz von Art. 49 Abs. 6 BV zu versagen und sie der Besteuerung durch Kirchen Andersgläubiger zu unterwerfen. Diese aus dem Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmung sich ergebende Ausnahme lässt sich mit keinen stichhaltigen Argumenten auf andere juristische Personen (ohne religiöse oder kirchliche Zwecksetzung) ausdehnen.
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Erwägung 5 | |
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"Die physischen Personen, welche einer Religionsgenossenschaft nicht angehören, dürfen persönlich nicht besteuert werden ...; die juristischen Personen jedoch, welche ihrer Natur nach als glaubenslose, ideale Rechtssubjekte keiner Religionsgenossenschaft angehören können, dürfen besteuert werden. Also wesentlich gleiche tatsächliche Voraussetzungen: die Nichtzugehörigkeit, aber ungleiche Behandlung: im einen Fall Steuerbefreiung, im andern Besteuerung."
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Zum Teil wird die Rechtsungleichheit auch insbesondere darin gesehen, dass die natürliche Person sich durch Austritt aus der Kirche Kirchensteuerfreiheit verschaffen könne, die juristische Person nicht.
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Der Vorwurf rechtsungleicher Behandlung kann nur zutreffen, sofern zwischen natürlichen und juristischen Personen in dem hier in Frage stehenden Bereich keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat das Bundesgericht stets angenommen, es bestehe insofern zwischen den beiden Arten von Rechtssubjekten ein entscheidender Unterschied, als die natürliche Person sich auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen könne, während der juristischen Person nach der Natur der Sache dieses Freiheitsrecht im allgemeinen nicht zustehe. Überzeugende Argumente für die Auffassung, auch juristischen Personen komme generell das Individualrecht gemäss Art. 49 Abs. 1 BV zu und sie seien daher durch die Erhebung der Kirchensteuer in gleicher Weise verletzt wie ein Konfessionsloser oder Andersgläubiger, lassen sich weder der Beschwerdeschrift noch der Literatur entnehmen. Die ungleiche Behandlung juristischer und natürlicher Personen in bezug auf die Kirchensteuerpflicht beruht auf einem offensichtlich rechtlich relevanten Unterschied: Die natürliche Person kann durch Kultussteuern in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt werden, für die juristische Person besteht dieser in Art. 49 Abs. 6 BV umschriebene Steuerbefreiungsgrund im allgemeinen nicht. Die Rüge rechtsungleicher Behandlung ist unbegründet.
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Erwägung 6 | |
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c) Die hie und da anzutreffende Behauptung, die Aktiengesellschaften weckten durch ihre Unternehmungen zusätzliche kirchliche Bedürfnisse, die kirchlichen Dienste würden oft durch das Personal der sich vergrössernden industriellen Betriebe vermehrt beansprucht (vgl. HOLENSTEIN a.a.O.; BVerfGE 19 S. 222 E. 2), kann für die hier zu beurteilende Grundsatzfrage ebenfalls nicht von Bedeutung sein. Auch hier handelt es sich um einen gesetzgebungspolitischen Gesichtspunkt, von dessen Stichhaltigkeit es nicht abhängt, ob eine gesetzlich vorgesehene Kirchensteuerpflicht juristischer Personen vor der Verfassung standhält; denn Steuern als voraussetzungslose Abgaben können vom Gesetzgeber an sich auch Personen auferlegt werden, welche für die zu befriedigenden finanziellen Bedürfnisse in keiner Weise verantwortlich sind. Wenn der Gesichtspunkt der Weckung zusätzlicher kirchlicher Bedürfnisse massgebend wäre, müsste übrigens folgerichtig eine kaum praktikable Differenzierung vorgenommen werden zwischen Gesellschaften, die durch ihre Tätigkeit solche zusätzliche Aufgaben der Kirche schaffen können, und juristischen Personen, deren Aktivität keine solchen Auswirkungen hat.
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Erwägung 7 | |
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"1. Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit andern öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.
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2. Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Massnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind."
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Obschon die EMRK nur am Ende des Steuerjahres 1974 noch während 34 Tagen in Geltung war, ist die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit einer Belastung juristischer Personen mit Kirchensteuern ohne Einschränkung abzuklären. Die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene und verneinte Frage, ob im konkreten Fall die auf die 34 Tage berechnete Steuerbelastung von Fr. 1.60 nicht schon wegen ihrer Geringfügigkeit keine Verletzung der in Art. 9 EMRK gewährleisteten Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit darstellen könne, braucht hingegen nicht geprüft zu werden. Die Beschwerdeführerin rügt nicht die Höhe der Steuerbelastung, sondern verlangt einen Entscheid über die prinzipielle, sich jedes Jahr wieder in gleicher Weise stellende Frage, ob unter dem Aspekt von Art. 9 EMRK juristische Personen zur Zahlung von Kirchensteuern herangezogen werden dürfen.
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b) Art. 9 EMRK enthält - anders als Art. 49 Abs. 6 BV - keine Bestimmung, welche die Belastung Andersgläubiger mit Steuern für Kultuszwecke ausdrücklich verbietet. Ob sich ein solches Verbot aus der allgemeinen Gewährleistung der Freiheit, irgendeine Religion oder Weltanschauung ungehindert auszuüben, ableiten lässt, kann hier offen bleiben. Ein Entscheid der mit der Auslegung der EMRK betrauten Organe zu dieser Frage ist bis jetzt nicht bekannt. Auch in der Doktrin finden sich keine Erörterungen über eine allenfalls aus Art. 9 sich ergebende Beschränkung der Steuererhebung zu Kultuszwecken, obschon das Problem sich überall stellen muss, wo der Staat oder mit Steuerhoheit ausgestattete Landeskirchen Kultussteuern erheben. Art. 9 EMRK hebt auf jeden Fall die noch weit verbreitete staats- und finanzrechtliche Privilegierung einzelner Bekenntnisse (Landeskirchen) nicht auf, sondern verbietet lediglich negativ jede Behinderung der Religionsausübung, ohne eine öffentlich-rechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften zu verlangen (vgl. F. CASTBERG, The European Convention on Human Rights, S. 148 f.). Die Steuerhoheit kirchlicher Körperschaften steht daher nicht in Widerspruch zu Art. 9 EMRK.
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c) Auch wenn Art. 9 so auszulegen sein sollte, dass Kirchensteuern von Andersgläubigen nicht gefordert werden dürfen, so kann dieser staatsvertraglichen Bestimmung doch keine über Art. 49 Abs. 6 BV hinausgehende, juristische Personen gegen Kirchensteuern schützende Tragweite zukommen. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat durch Entscheid vom 17. Dezember 1968 i.S. Church of Scientology of California erkannt, juristische Personen könnten keine Rechte aus Art. 9 Abs. 1 EMRK ableiten (Requête Nr. 3798/68, vgl. dazu F.G. JACOBS, The European Convention on Human Rights, S. 148). Wenn es sich um Vereinigungen von Einzelpersonen zur Ausübung der Religion oder Weltanschauung handelt und soweit es um die Verfolgung dieser Ziele geht, müssen sich auch juristische Personen auf Art. 9 EMRK berufen können (in diesem Sinne Urteil des Verwaltungsgerichts Erw. 11 und dort zitierte Literatur sowie H. SCHORN, Die europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, S. 250). Dass juristische Personen ausschliesslich unter diesen Voraussetzungen, d.h. wenn es sich um religiöse oder weltanschauliche Zusammenschlüsse handelt und es um die Behinderung der religiösen oder weltanschaulichen Tätigkeit geht, den Schutz von Art. 9 EMRK beanspruchen können, ist in der Doktrin unbestritten. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin ist eine Erwerbsgesellschaft ohne religiöse Ziele. Art. 9 EMRK hat nicht den Zweck, juristische Personen vor steuerlicher Belastung für kirchliche Zwecke zu schützen, sondern gewährleistet durch das Verbot staatlicher Behinderung der freien Ausübung jeder Religion oder Weltanschauung eine Freiheit, welche nur natürlichen Personen sowie allenfalls religiösen oder weltanschaulichen Vereinigungen zukommt, aber nicht einer juristischen Person mit rein wirtschaftlicher Zwecksetzung. Die Beschwerdeführerin kann sich somit nicht auf Art. 9 EMRK berufen.
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Entscheid: | |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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