VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 104 Ia 377 - Telefonziitig  Materielle Begründung
Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang:  96% (656)

Zitiert durch:
BGE 106 Ib 182 - Henggeler
BGE 113 Ia 309 - Aargauer Gerichtsberichterstattung
BGE 108 Ia 275 - Zbinden
BGE 107 Ia 304 - Nidwaldner Informationsreglement

Zitiert selbst:
BGE 96 I 586 - Aleinick
BGE 104 Ia 88 - Bündner Informationsrichtlinien

Regeste
Sachverhalt
Auszug aus den Erwägungen:
Erwägung 1
1.- Das Bundesgericht beschränkt sich in der Regel auf die A ...
Erwägung 2
2.- Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit ge ...
Erwägung 3
3.- Die kantonalen Behörden wollen nur die gedruckte Presse  ...
Entscheid:
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
57. Urteil
 
vom 4. Oktober 1978  
i.S. Verein Leserkampf gegen Regierungsrat des Kantons Zürich  
 
Regeste
 
1. Inhalt und Umfang der von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfassten Informationsfreiheit (E. 2).  
2. Bedeutung des Rechtsgleichheitsgebots bei der Abgabe von Presseunterlagen durch die Behörden (E. 3).  
 
BGE 104 Ia, 377 (377)Sachverhalt
 
A.- Der Verein Leserkampf betreibt in Zürich über eine private Telefonnummer mit der Fernkennzahl 01 seit März 1975 die "Telefonziitig"; diese vermittelt täglich ein dreiminütiges Bulletin mit Nachrichten und einem Veranstaltungskalender. Am 28. Februar 1977 lehnte die Staatskanzlei des Kantons Zürich das Begehren des Vereins Leserkampf ab, die "Telefonziitig" mit den der Presse sowie Radio und Fernsehen zugestellten Unterlagen zu beliefern. Der Rekurs an den Regierungsrat blieb ohne Erfolg. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. November 1977 beantragt der Verein Leserkampf, der angefochtene Regierungsratsbeschluss vom 28. September 1977 sei aufzuheben, und es sei die Staatskanzlei des Kantons Zürich zu verpflichten, den Beschwerdeführer in die Presseliste aufzunehmen. Er rügt nur eine Verletzung von Art. 4 BV ausdrücklich. Zumindest implizitBGE 104 Ia, 377 (377) BGE 104 Ia, 377 (378)macht er aber auch geltend, der angefochtene Entscheid verletze die Meinungsäusserungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit.
1
 
Auszug aus den Erwägungen:
 
Erwägungen:
2
 
Erwägung 1
 
3
 
Erwägung 2
 
2.- Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Verwaltung gehört grundsätzlich nicht zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen. Deren Tätigkeit und die Verhandlungen der exekutiven Behörden sind im allgemeinen nicht öffentlich. Das gilt grundsätzlich auch für Pressemitteilungen und Pressekonferenzen (anders bezüglich der Presse: GURADZE, Die EMRK, Berlin und Frankfurt a.M. 1968, S. 144 und 146), es sei denn, die kantonale Verfassung oder das Gesetz erkläre sie als allgemein zugänglich; das wird vorliegend nicht geltend gemacht. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden. Der Beschwerdeführer kann demnach lediglich geltend machen, der angefochtene Entscheid, wonach ihm die Zustellung der Pressemitteilungen verweigert wird, verletze Art. 4 BV (BGE 104 Ia 97 E. 5c, 102 E. 12a).
4
 
Erwägung 3
 
3.- Die kantonalen Behörden wollen nur die gedruckte Presse sowie Radio und Fernsehen mit Informationen beliefern,BGE 104 Ia, 377 (378) BGE 104 Ia, 377 (379)nicht aber die "Telefonziitig". Ob diese Unterscheidung vor der Rechtsgleichheit im Sinne von Art. 4 BV standhält, überprüft das Bundesgericht ohne Einschränkung der Kognition, weil die getroffene Unterscheidung unmittelbar einen verfassungsmässigen Anspruch der Bürger berührt.
5
a) Die anerkannten Massenmedien werden nicht um ihrer selbst willen mit Unterlagen bedient, sondern weil sie als Informationsträger die Verbindung zwischen dem informierenden Gemeinwesen und der Öffentlichkeit herstellen und damit einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten. Um dem Gebot der Rechtsgleichheit zu genügen, müssen mit den Presseunterlagen alle diejenigen Medien beliefert werden, die geeignet sind, regelmässig von den Behörden vermittelte Informationen an die Öffentlichkeit zu tragen, wenn der Gesuchsteller gewillt ist, die verlangten Unterlagen in einem gewissen Umfang in das Informationsorgan zu verarbeiten. Sofern der Informationsempfänger dieser Aufgabe nicht in genügendem Masse nachkommt oder die Informationen missbräuchlich verwendet, kann er von der Bedienung mit Unterlagen wieder ausgeschlossen werden (vgl. BGE 104 Ia 99 E. 9, 101 E. 12).
6
b) Dass das Telefon im allgemeinen als Medium geeignet ist, Informationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, beweist der seit Jahren bestehende telefonische Nachrichtendienst der Depeschenagentur. Der Umstand, dass die Dauer der Bulletins auf drei Minuten beschränkt ist, vermag die Geeignetheit des Telefons als Informationsmedium nicht in Frage zu stellen. Während der Nachrichtendienst der Depeschenagentur in der ganzen Schweiz gleichermassen angerufen werden kann (Telefonnummer 167 und 168), beschränkt sich der Anruferkreis der "Telefonziitig" wohl im wesentlichen auf die Region Zürich. Dort kann sie aber von jedermann für verhältnismässig wenig Geld (lokale Telefongebühr)jederzeit gehört werden. Nach den unbestrittenen Angaben des Beschwerdeführers wählen täglich über 200 Anrufer aus der Region Zürich die Nummer der "Telefonziitig", um deren dreiminütige Tagesdienste zu hören. In ihrem ersten Betriebsjahr betrug die Anrufszahl 74'000. Damit erreicht sie eine namhafte Öffentlichkeit und erscheint objektiv geeignet, als Informationsträger zu dienen (vgl. zur Frage, wann ein Presseerzeugnis als für die Öffentlichkeit bestimmt bezeichnet werden kann: BGE 96 I 589; 31 I 393). Die gegenteilige Feststellung des Regierungsrates hält vor Art. 4 BV nicht stand.BGE 104 Ia, 377 (379)
7
BGE 104 Ia, 377 (380)c) Bei dieser Sachlage müssen der "Telefonziitig" die Unterlagen, die andern Medien zugestellt werden, ebenfalls geliefert werden, wenn sie die Absicht äussert, die mit der Zustellung der Unterlagen verbundene Informationsaufgabe zu erfüllen. Der Beschwerdeführer will nach seinen Angaben mit der "Telefonziitig" aktuelle Informationen und Kommentare über Geschehnisse vornehmlich aus Stadt und Kanton Zürich verbreiten. Der Regierungsrat macht geltend, dass Vereinsmitglieder und Sympathisanten des Leserkampfes einen beträchtlichen Anteil der Anrufer bildeten. Dieser Einwand wäre dann begründet, wenn sich die "Telefonziitig" im wesentlichen auf vereinsinterne Informationen beschränken würde. Ob dies zutrifft, oder ob sie die weitergehende Informations- und Meinungsbildungsaufgabe in genügender Weise wahrnehmen wird, lässt sich erst abschliessend beurteilen, wenn sie die verlangten Unterlagen während einer gewissen Zeitdauer in die Bulletins verarbeiten konnte.
8
 
Entscheid:
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann.BGE 104 Ia, 377 (380)
9
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).