![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 29.05.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
37. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 5. Oktober 1983 |
i.S. Erbengemeinschaft Candrian gegen Gemeinde Flims und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Ausnützungsziffer; anrechenbare Grundstückfläche; Baugesetz der Gemeinde Flims. |
Liegt ein Grundstück zwar vollständig in der Bauzone, ist es jedoch in zwei Flächen verschiedener Erschliessungsetappen unterteilt, so darf bei der Überbauung der Fläche in der Erschliessungsetappe I die in der Erschliessungsetappe II liegende Fläche nicht in die Berechnung der Ausnützungsziffer einbezogen werden, es sei denn, eine ausdrückliche Vorschrift lasse diese Ausnahme zu (E. 2-4). | |
![]() | |
A.- Die Parzelle Nr. 2457 des Grundbuches Flims mit einer Fläche von ca. 6600 m2 Fläche liegt an der Kantonsstrasse nach Fidaz. Gemäss dem Bauzonenplan der Gemeinde Flims von 1981 gehört sie mit ihrer ganzen Fläche der Bauzone A an (Ausnützungsziffer 0,25; Art. 40 Baugesetz der Gemeinde Flims vom 27. März 1977, BauG). Nach dem Strassenplan der Gemeinde Flims von 1981 befindet sich indessen der untere, an die Kantonsstrasse angrenzende Teil der Parzelle im Ausmass von ca. 2030 m2 in der Erschliessungsetappe I (EE I), der obere Teil im Ausmass von ca. 4570 m2 hingegen in der Erschliessungsetappe II (EE II) (vgl. Art. 20 und 21 BauG).
| 1 |
Die Erben Candrian, Eigentümer der Parzelle, planen auf dem Parzellenteil der EE I den Bau von zwei Mehrfamilienhäusern, von denen eines bei der Kantonsstrasse, das andere jedoch an die Trennlinie zwischen EE I und EE II zu stehen käme. Damit dieses Projekt unter Beachtung der zulässigen Ausnützungsziffer verwirklicht werden könnte, wäre eine Grundstückfläche von 3600 m2 erforderlich. Da der Parzellenteil in der EE I jedoch nur 2030 m2 umfasst, müssten zusätzlich aus der EE II noch 1570 m2 beansprucht werden. Die Grundeigentümer ersuchten daher die Gemeindebehörde um einen Vorentscheid über die Zulässigkeit dieser Nutzungsübertragung. Die Baubehörde Flims beantwortete das Gesuch abschlägig. Einen Rekurs der Grundeigentümer wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 14. Juli 1982 ab.
| 2 |
Das Bundesgericht weist die von den Erben Candrian gestützt auf Art. 4 und 22ter BV erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab.
| 3 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
| 4 |
Erwägung 2 | |
5 | |
![]() | 6 |
Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass die von der Gemeinde Flims vorgenommene Erschliessungsetappierung einer gesetzlichen Grundlage ermangle, hingegen rügen sie, Art. 21 und 18 BauG bildeten keine genügende gesetzliche Grundlage für das Verbot der Beanspruchung von baulicher Ausnützung einer in der 2. Etappe gelegenen Bodenfläche, da das Ausnützungsübertragungsverbot im Ergebnis auf eine Nutzungsetappierung hinauslaufe. Ob dies zutrifft, kann offengelassen werden. Es genügt, wenn sich aus den Art. 19 ff. BauG mit genügender Deutlichkeit ergibt, dass die Gemeinde die Nutzungsübertragung verbieten kann.
| 7 |
Erwägung 3 | |
3.- Die Frage, ob eine Nutzungsübertragung von einer Zone in eine solche mit anderen Nutzungsvorschriften zulässig sei, hat das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung verneint. Es hat als zulässig erklärt, in die Berechnung der überbaubaren Fläche eines Grundstückes angrenzendes, nicht überbautes Land eines Dritten einzubeziehen, unter der Bedingung, dass dieses nicht schon bei der Berechnung der überbaubaren Fläche einer anderen Liegenschaft berücksichtigt worden ist und hiefür später nicht mehr in Frage kommen kann. Vorausgesetzt wurde jedoch, dass die fraglichen Grundstücke oder Grundstückteile der nämlichen Zone angehören und den gleichen Nutzungsvorschriften unterstehen (BGE 101 Ia 289 ff., 96 I 542). Liegen hingegen zwei benachbarte Grundstücke in verschiedenen Bauzonen, so ist es gerechtfertigt, bei der Ermittlung der anrechenbaren Landfläche des einen ![]() ![]() | 8 |
Erwägung 4 | |
9 | |
Die Unterteilung von Bauzonen in verschiedene, räumlich abgegrenzte Abschnitte (Etappen) ist ein planerisches Mittel, um den Nachteilen, die sich aus der Ausscheidung eines grossen oder überdimensionierten Baugebietes ergeben können, zu begegnen (BGE 104 Ia 140 E. 4). Sie entspricht dem in Art. 15 RPG enthaltenen Planungsgrundsatz, die Bauzonen auf den voraussichtlichen Bedarf von 15 Jahren zu beschränken. Die Gemeinde kann für Erschliessungsetappen planerische Weisungen erteilen. Es wäre mit den Grundsätzen einer geregelten baulichen Entwicklung einer Gemeinde kaum vereinbar, wollte man den einzelnen Privaten die für seine Bauprojekte erforderlichen Parzellierungen und ![]() ![]() | 10 |
Diesen Grundsätzen entspricht die in Flims geltende Regelung. Der Strassenplan vom März 1981 unterteilt die Bauzone A in die durch die Kantonsstrasse erschlossene EE I und in die weiter von der Kantonsstrasse entfernte EE II. Die Art. 20 und 21 BauG enthalten die für die 1. und 2. Etappe massgebenden Vorschriften. Diese sind sehr verschieden. Nach Art. 20 ist für die EE I primär die Gemeinde erschliessungspflichtig; in diesem erschlossenen und baureifen Gebiet kann ohne Verzug nach den Regeln der Bauzone A gebaut werden. Demgegenüber besteht nach Art. 21 für die EE II umgekehrt grundsätzlich eine Erschliessungsmöglichkeit nur zu Lasten der Grundeigentümer. Doch sind diese auch dann, wenn sie die Kosten aufbringen wollen, nicht völlig frei in ihrem Vorgehen. Sie haben vielmehr vor Baubeginn sämtliche Erschliessungsanlagen nach den von der Gemeinde in Berücksichtigung des Gemeinderichtplanes erteilten Weisungen zu erstellen. Die Gemeinde kann ferner die Baubewilligung davon abhängig machen, dass zunächst ein Quartierplan geschaffen wird. Eine Umteilung der Gebiete der EE II in die EE I nimmt die Gemeinde nur nach Bedarf vor.
| 11 |
Die Flimser Regelung bedeutet, dass für die Gebiete in der EE I einerseits und für diejenigen in der EE II andererseits wesentliche Unterschiede in der Möglichkeit baulicher Nutzung bestehen. Es ist müssig, darüber zu streiten, ob diese Vorschriften dem Gehalte nach als Erschliessungsetappierung oder als Baugebietsetappierung zu betrachten sind. Entscheidend ist hier, dass die Regelung in Art. 21 BauG die Überbauung des Bodens in der EE II zwar schon vor einer Umteilung in die EE I grundsätzlich zulässt, dass der genannte Artikel sie aber aus ortsplanerischen Gründen doch praktisch in mancher Hinsicht erschwert.
| 12 |
Die Beschwerdeführer machen geltend, durch das Bauvorhaben werde die Erschliessung der EE II nicht beeinträchtigt, und wollten dies anlässlich eines Augenscheins demonstrieren. Dieses Argument ist jedoch unerheblich. Die Beschwerdeführer sind in jenem Gebiet nicht alleinige Grundeigentümer mit Eigentum in beiden ![]() ![]() | 13 |
Diese Erschwernisse haben denn auch die Beschwerdeführer dazu geführt, bei ihrer Projektierung eine direkte Überbauung ihres in der EE II gelegenen Grundstückteils zu vermeiden und den Standort auch des zweiten Gebäudes noch in der EE I, wenn auch entlang der Trennlinie, vorzusehen. Die Gemeindebehörde erklärt, dass noch weitere Grundeigentümer sich in ähnlicher Lage wie die Beschwerdeführer befinden. Würde man Ausnützungsübertragungen von der EE II in die EE I zulassen, so hätte dies die genau gleiche Folge wie eine Übertragung von Zone zu Zone. Auch hier würden längs der Trennlinie nach rein zufälligen Kriterien überdimensionierte Baukuben in unbestimmter Zahl und gemäss verschiedenen Ausnützungsziffern entstehen. Gerade das aber will beim Fehlen einer besonderen Vorschrift die Rechtsprechung des Bundesgerichtes verhindern. Eine Ausnützungsübertragung kann nur in Betracht fallen, wo eine ausdrückliche baurechtliche Vorschrift dies gestattet. Nachdem das in Flims nicht der Fall ist, entspricht der von der Gemeindebehörde getroffene und vom Verwaltungsgericht geschützte Vorentscheid einer sinn- und zweckgemässen Auslegung des Baugesetzes. Er entbehrt weder im Blick auf Art. 22ter BV der gesetzlichen Grundlage noch ist er willkürlich. Gegenteils erscheint er auch bei freier Überprüfung als zutreffend. ![]() | 14 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |