BGE 116 Ia 237 - Cand. iur. F. | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 12. Oktober 1990 |
i.S. F. gegen Obergericht des Kantons Bern |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
1. Schweizer und Ausländer können sich in gleicher Weise auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen; ausgenommen vom Schutzbereich dieses Grundrechts sind allein fremdenpolizeiliche Anordnungen (E. 2; Änderung der Rechtsprechung). |
2. Es ist mit der Handels- und Gewerbefreiheit in der Regel vereinbar, den Ausländer vom Anwaltsberuf auszuschliessen (E. 3). | |
Sachverhalt | |
A. F., Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, ist in der Schweiz aufgewachsen und studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Am 25. Oktober 1989 ersuchte er das Obergericht des Kantons Bern um rechtsverbindliche Feststellung, ob er als deutscher Staatsangehöriger bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen zum Anwaltsberuf zugelassen werde.
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Mit Verfügung vom 24. Januar 1990 stellte das Obergericht des Kantons Bern fest, F. könne nicht zum Anwaltsberuf zugelassen werden. Das Obergericht verwies auf die Art. 3 und 7 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Fürsprecher vom 6. Februar 1984 (Fürsprechergesetz), wonach die Ausübung des Anwaltsberufs Schweizer Bürgern vorbehalten wird. Diese Regelung halte vor dem Bundesverfassungsrecht stand.
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Eine gegen diese Feststellungsverfügung erhobene staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
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b) Der Ausländer kann damit persönlich Grundrechtsträger sein, er ist es nur in bestimmten sachlich abgegrenzten Bereichen nicht. Das Bundesgericht hat mit dieser Präzisierung der Rechtsprechung den persönlichen Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit in enge Beziehung zum sachlichen gebracht. In BGE 114 Ia 311 E. 3b ging es noch einen Schritt weiter. Hinsichtlich der fremdenpolizeilichen Zulassung ausländischer Arbeitskräfte fasste es den Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit rein sachlich, nicht mehr in Abhängigkeit von der Person des Beschwerdeführers. Es erklärte, weder der Ausländer selbst noch sein schweizerischer Arbeitgeber könnten sich bei Anwendung des Fremdenpolizeirechts auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen.
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Die früher (BGE 106 Ib 133) in Erwägung gezogene Konzeption, wonach es darauf ankäme, ob Beschwerdeführer ein Ausländer oder ein Schweizer sei, hat das Bundesgericht damit verworfen. Das deckt sich mit der in der Literatur neuerdings von MARKUS HUG (Der Ausländer als Grundrechtsträger, Diss. Zürich 1989, insbesondere S. 118-127) vertretenen Auffassung, nach der nicht der Ausländer als Person von der Anrufung eines bestimmten Grundrechts allgemein ausgeschlossen sein soll, sondern bestimmte ausländerspezifische Sachfragen den Schutzbereich des Grundrechts nicht betreffen.
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Sowohl Art. 69ter BV wie das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG; SR 142.20) unterscheiden zwischen Niederlassung und Aufenthalt. Die Aufenthaltsbewilligung ist befristet und kann mit Bedingungen verbunden werden (Art. 5 Abs. 1 ANAG); die Niederlassungsbewilligung ist demgegenüber unbefristet und bedingungsfeindlich (Art. 6 Abs. 1 ANAG). Können dem Niedergelassenen keine Bedingungen auferlegt werden, so unterliegt er insbesondere hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit keinerlei fremdenpolizeilichen Schranken. Das heisst zwar nicht, dass es zum vornherein unzulässig wäre, bestimmte Berufe Schweizer Bürgern vorzubehalten. Wenn aber der Ausländer unter arbeitsmarktlichen und demographischen Gesichtspunkten ohne jede Einschränkung zur Erwerbstätigkeit zugelassen ist, so ist kein verfassungsrechtlicher Grund ersichtlich, der es gebieten würde, den Ausländer vom Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit auszunehmen. Vielmehr müssen sich Einschränkungen seiner Erwerbstätigkeit, die nicht auf dem Fremdenpolizeirecht des Bundes beruhen und sich auf Art. 69ter BV stützen lassen, an der Handels- und Gewerbefreiheit messen. Das heisst, sie müssen auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
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Ob der Ausländer (anders als der Schweizer) auf Grundlage des kantonalen Rechts von der Ausübung eines bestimmten Berufes ausgeschlossen werden kann, ist nicht Frage seiner Legitimation zur Ergreifung der staatsrechtlichen Beschwerde, sondern der materiellen Schranken des Grundrechts der Handels- und Gewerbefreiheit.
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Erwägung 3 | |
3.- a) Die Erteilung des Fürsprecherpatents und der Berufsausübungsbewilligung bei ausserkantonalem Ausweis ist im Kanton Bern an die Voraussetzung des Schweizerbürgerrechts geknüpft (Art. 3 und Art. 7 Abs. 1 Fürsprechergesetz). Die gesetzliche Grundlage für die Verweigerung der Zulassung zur Fürsprecherprüfung zieht der Beschwerdeführer denn auch nicht in Zweifel.
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Soweit das Bürgerrechtserfordernis dem Konkurrenzschutz dient, lässt es sich zum vornherein nicht mehr aufrechterhalten, wenn sich (wie in E. 2 dargetan) der Ausländer auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen kann. Im Unterschied zu Art. 4 BV verbietet dieses Grundrecht den Kantonen wirtschafts- und standespolitische Massnahmen, die lediglich der Abschirmung gegen Konkurrenz dienen (BGE 114 Ia 36; 113 Ia 282; je mit Hinweisen).
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Das Argument der engen Vertrautheit mit den Verhältnissen des Landes ist bei einem in der Schweiz aufgewachsenen Ausländer, der hier die Schulen besucht und überdies an einer hiesigen Universität studiert hat, nicht von grossem Gewicht. Unterschiede zu einem Schweizer Bürger sind diesbezüglich nicht erheblich, auch wenn sie bei anderen Ausländern von grösserer Bedeutung sein mögen.
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Der Staat erwartet vom Anwalt, der vor seinen Gerichten das Recht für die Klienten erstreiten soll, dass er sich als Bürger in die Rechtsordnung einfügt und sich an deren Fortbildung beteiligt. Der Klient erwartet, dass der Anwalt, den er mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt, dem Richter oder (im Verwaltungsverfahren) dem Beamten als Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten gegenübertreten kann. Vor allem diese Erwartungshaltung nicht zu enttäuschen, kann für den kantonalen Gesetzgeber Anlass sein, den Ausländer vom Anwaltsberuf auszuschliessen. Insoweit liegt die bernische Regelung im öffentlichen Interesse.
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