BGE 99 Ia 473 - Allmend-Korporation Horgen | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
58. Urteil vom 7. März 1973 i.S. Allmend-Korporation Horgen gegen Gemeinde Horgen und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 22ter BV; Enteignung, Verhältnismässigkeit des Eingriffs. |
Für die Erstellung eines Schulhauses muss sich das Gemeinwesen nicht mit einer Baurechtsdienstbarkeit begnügen. Es ist das volle Eigentum abzutreten. | |
Sachverhalt | |
A.- Die politische Gemeinde Horgen will im Gebiet der Allmend eine Schulhausanlage mit 40 Klassenzimmern und Nebeneinrichtungen erstellen. Sie beansprucht dafür einen Teil des Grundstücks Kat. Nr. 7349, welches der Allmend-Korporation Horgen, einer dem kantonalen öffentlichen Recht unterstehenden privatrechtlichen Körperschaft, gehört. Die Allmend-Korporation ist bereit, der Gemeinde ein Baurecht einzuräumen, weigert sich jedoch, das volle Eigentum am Land abzutreten.
| 1 |
Am 30. Dezember 1971 wies der Regierungsrat des Kantons Zürich in zweiter Instanz die von der Allmend-Korporation Horgen gegen das Enteignungsgesuch erhobene Einsprache ab und erteilte der Gemeinde Horgen das Enteignungsrecht für den Erwerb von ca. 34'000 m2 Land im südlichen Teil des genannten Grundstückes. Die Allmend-Korporation Horgen gelangte hiergegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, das die Beschwerde am 23. Juni 1972 abwies. Das Verwaltungsgericht fand, dass die Erstellung einer Schulhausanlage im Baurecht mit Nachteilen verbunden sei, die dem öffentlichen Interesse zuwiderliefen und von keinem besonders gewichtigen Privatinteresse an einer solchen rechtlichen Lösung überwogen würden. Die Erteilung des vollen Enteignungsrechts stelle deshalb keinen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsrechte der Allmend-Korporation Horgen dar.
| 2 |
B.- Die Allmend-Korporation Horgen (im folgenden kurz "Allmend-Korporation" genannt) führt gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Juni 1972 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) und Art. 4 BV. Es wird beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Enteignungsrecht auf die Einräumung eines Baurechts zu beschränken. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig, aus den nachstehenden Erwägungen.
| 3 |
C.- Die politische Gemeinde Horgen, vertreten durch die Schulpflege, und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der Beschwerde.
| 4 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
5 | |
6 | |
b) Dem Verwaltungsgericht wird auch eine Verletzung von Art. 4 BV vorgeworfen. Soweit dabei eine willkürliche Anwendung der für öffentliche Eigentumsbeschränkungen geltenden Grundsätze behauptet wird, deckt sich die Rüge mit derjenigen der Verletzung der Eigentumsgarantie und hat neben dieser keine selbständige Bedeutung. Auf den weiteren Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verweigert, ist nicht einzutreten, sofern damit eine formelle Rechtsverweigerung gemeint ist. Denn nach § 67 des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) kann man sich dagegen auf dem Wege der Revision wenden. Von diesem kantonalen Rechtsbehelf hat die Beschwerdeführerin keine Gebrauch gemacht, weshalb es für die staatsrechtliche Beschwerde am Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs fehlt (Art. 87 OG). In der Beanstandung, das Verwaltungsgericht habe einen von der Beschwerdeführerin beantragten Bericht über die im Baurecht erstellten Verwaltungsgebäude nicht eingeholt, ist nach der Beschwerdebegründung jedoch eher der Vorwurf einer materiellen Rechtsverweigerung wegen unzureichender Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse zu sehen. In diesem Sinne bezieht sich die Rüge auf die unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie zu beurteilende Frage, ob eine Beschränkung der Enteignung auf eine Baurechtsdienstbarkeit im öffentlichen Interesse steht.
| 7 |
8 | |
4. Eine Enteignung darf nur so weit gehen, als dies zur Erreichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zweckes notwendig ist. Dieses Prinzip der Verhältnismässigkeit des staatlichen Eingriffes ergibt sich unmittelbar aus Art. 22ter BV und ist in § 7 Abs. 1 des zürcherischen Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 (AbtrG) ausdrücklich festgehalten, wonach grundsätzlich niemand verpflichtet ist, von seinem Eigentum mehr abzutreten, als zur Ausführung und zweckmässigen Benutzung des zu erstellenden Werkes erforderlich ist. Das bedeutet, dass nicht das volle Eigentum entzogen werden darf, wenn sich der öffentliche Zweck auch mit einer privatrechtlichen Dienstbarkeit oder einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung erreichen lässt (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juli 1971 i.S. G., Erw. 3, in ZBl 73/1972 S. 19; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 4. unver. Aufl., Basel 1971, Nr. 342 III c, 433 II c; GRISEL, Droit administratif suisse, Neuchâtel 1970, S. 369; OSKAR BOSSHARDT, Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Enteignungsrecht, ZBl 65/1964 S. 399; HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, Art. 1 N 5).
| 9 |
a) Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind bei der Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips im konkreten Fall die Interessen des Grundeigentümers an der Erhaltung des Resteigentums dem Interesse des Enteigners am vollen Eigentumserwerb gegenüberzustellen. Das öffentliche Interesse verlange klare Verhältnisse. Wenn der Wert des Hauses offenbar den des Bodens übersteige, so solle keine Spaltung des Eigentums an Bau und Boden eintreten; entsprechend dem in Art. 673 ZGB niedergelegten allgemeinen Rechtsgedanken solle vielmehr der Boden als der weniger wertvolle Teil ins Eigentum des Bauherrn überführt werden. Das Baurecht nach Art. 675 und 779 - 779 1 ZGB habe trotz der weitgehenden Befugnisse des Bauberechtigten gegenüber dem vollen Eigentum den Nachteil, dass es zeitlich befristet sei. Das Gemeinwesen müsste sich demzufolge nach Ablauf der Baurechtsdauer ein neues Baurecht einräumen lassen (Art. 779 1 Abs. 2 ZGB) und hiefür nötigenfalls wiederum den Enteignungsweg beschreiten. Auf der andern Seite verbleibe dem Grundeigentümer, auf dessen Boden ein Schulhaus im Baurecht erstellt werde, nur die "nuda proprietas", wobei er nicht damit rechnen könne, dass die Dienstbarkeit je wieder wegfalle. Sein Interesse an der Erhaltung des Grundeigentums beschränke sich somit im wesentlichen auf die Sicherung der Grundrente. Gegenüber diesem Privatinteresse überwiege das öffentliche Interesse, ein dem öffentlichen Wohle dienendes Werk ohne die mit dem Baurecht verbundenen Hemmnisse und administrativen Mehraufwendungen erstellen zu können. Die Beschwerdeführerin bestreitet die vom Verwaltungsgericht angeführten Nachteile für das Gemeinwesen und ist der Ansicht, dass sich der Zweck zumindest ebensogut erreichen lasse, wenn das Schulhaus im Baurecht erstellt werde. Die von der Gemeinde verlangte volle Enteignung des für das Werk benötigten Bodens gehe daher über das unbedingt Notwendige hinaus und stelle angesichts der von der Verfassung gebotenen restriktiven Handhabung öffentlicher staatlicher Eigentumsbeschränkungen einen unverhältnismässigen Eingriff dar. Ob die volle Enteignung oder nur die Einräumung eines Baurechts zulässig sei, entscheide sich einzig darnach, was zur Erreichung des öffentlichen Zweckes notwendig sei und dürfe nicht aufgrund einer Interessenabwägung zwischen Grundeigentümer und Gemeinwesen beurteilt werden.
| 10 |
b) Seit jeher hat in Praxis und Lehre die Beanspruchung von privatem Boden für den Bau einer Schulhausanlage zu den typischen Fällen gehört, in denen die volle Enteignung zulässig ist. Die Beschwerdeführerin glaubt jedoch, dass sich angesichts der zunehmenden Bodenverknappung und insbesondere auch mit Rücksicht auf die Bedeutung, die das Rechtsinstitut des Baurechts seit seiner Neugestaltung im Jahre 1965 gewonnen hat (Art. 779 - 779 1 ZGB), eine andere Betrachtungsweise aufdränge. Auch wenn eine solche Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bei der Abwägung der in Frage stehenden öffentlichen und privaten Interessen zu berücksichtigen ist, so führt dies jedoch nicht zu einer solchen Gewichtsverlagerung, dass nunmehr in der vollen Enteignung grundsätzlich ein unverhältnismässiger Eingriff ins Privateigentum zu erblicken wäre. Wie im folgenden dargetan wird, ist die Erstellung einer Schulhausanlage im Baurecht mit Nachteilen verbunden, die dem Gemeinwesen nur dann zuzumuten wären, wenn ein besonders schützenswertes Interesse des Grundeigentümers an der ihm verbleibenden Verfügungsmöglichkeit vorangestellt werden müsste.
| 11 |
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fordert das öffentliche Interesse an einem Werk unter anderem auch, dass dieses auf möglichst zweckmässige Weise erstellt wird. Das gilt nicht nur in technischer Hinsicht, sondern es müssen auch die rechtlichen Belange so ausgestaltet sein, dass das Gemeinwesen nicht mit unverhältnismässigen Lasten und Kosten beschwert wird (BGE 90 I 331; Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juli 1971 i.S. G., Erw. 3 c, in ZBl 73/1972 S. 20). Der Grundsatz der Notwendigkeit des Eingriffs bedeutet somit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass nur gerade der Eingriff ins Eigentum zulässig sei, der zur Verwirklichung des öffentlichen Werkes unbedingt notwendig ist, sondern es ist der zur zweckmässigen Realisierung des Werkes erforderliche Eingriff zulässig. Eine Missachtung der gebotenen restriktiven Handhabung staatlicher Eigentumsbeschränkungen liegt darin nicht. Das Prinzip der Verhältnismässigkeit erschöpft sich jedoch nicht in dem Erfordernis, dass der Eingriff in die Eigentumsrechte zur Erreichung des verfolgten Zwecks notwendig sein muss, sondern verlangt auch eine Abwägung der im konkreten Fall einander entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen. Je gewichtiger das öffentliche Interesse an einer Eigentumsbeschränkung ist, desto mehr tritt das private Interesse an der Erhaltung des Grundeigentums in den Hintergrund. Eine solche Interessenabwägung hat das Bundesgericht stets vorgenommen (das genannte Urteil vom 12. Juli 1971 in ZBl 73/1972 S. 20; BGE 97 I 647 Erw. 5, 799, BGE 93 I 250 Erw. 3; BOSSHARDT a.a.O. S. 399). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei einzig auf den Gesichtspunkt der Notwendigkeit des Eingriffs abzustellen und eine Interessenabwägung zwischen Gemeinwesen und Privatem dürfe nicht erfolgen, geht fehl und kann denn auch nicht näher dargetan werden.
| 12 |
c) Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid zutreffend ausführt, enthält die Baurechtsdienstbarkeit alle zivilrechtlichen Befugnisse, deren das Gemeinwesen bedarf, um eine Verwaltungsbaute, wie z.B. ein Schulhaus, zu erstellen und zu betreiben; Inhalt und Umfang des Baurechts können so umschrieben werden, dass der Bau im Laufe der Jahre wenn nötig erneuert und erweitert werden kann. Das Baurecht gewährleistet auch den Fortbestand dieser Befugnisse, sofern ihm keine Grundpfandrechte im Range vorgehen und damit die Gefahr einer vorzeitigen Löschung des Baurechts ausgeschaltet ist (vgl. die Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Änderung der Vorschriften betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr vom 9. April 1963, BBl 1963 I 993; Komm. HAAB zum ZGB Art. 675 N 3; MEIER-HAYOZ, Komm. zum ZGB, Art. 675 N 14). Das Baurecht kann jedoch als selbständiges Recht auf höchstens hundert Jahre begründet werden (Art. 779 1 Abs. 1 ZGB), und mit seinem Ablauf fallen die Bauwerke dem Grundeigentümer heim (Art. 779 c ZGB). Die öffentlichen Bedürfnisse, denen das Gemeinwesen auf dem Gebiet der Schule zu genügen hat, sind dagegen zeitlich nicht begrenzt. Gerade eine Schulhausanlage wie die hier in Frage stehende wird auf Dauer angelegt, und der dafür beanspruchte Boden wird durch das Werk voll ausgenützt. Der Wert des Baues übersteigt denn auch, wie in der Beschwerde gleichfalls nicht bestritten wird, den Wert des Bodens. Die Gemeinde müsste somit das Baurecht nach seinem Ablauf verlängern und dafür allenfalls wiederum den Enteignungsweg beschreiten (Art. 779 1 Abs. 2 ZGB). Unter diesen Umständen aber ist die Abtretung einer blossen Baurechtsdienstbarkeit statt des vollen Eigentums am Boden mit Umtrieben und Mehraufwendungen verbunden, die mit dem Gebot einer rationellen Verwaltung nicht zu vereinbaren sind und damit dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen. Zudem widerspricht insbesondere das mit dem Baurecht verbundene Abrechnungsverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer den geltenden Prinzipien über die Finanzrechnung, wonach gerade die Ausgaben für Schulhäuser typische ausserordentliche Ausgaben sind, die nicht jährlich wiederkehren (§ 13 der zürcherischen Verordnung über das Rechnungswesen der Gemeinden vom 11. November 1926). Das Baurecht auf lange Dauer kommt zudem wesentlich teurer zu stehen. Erfahrungsgemäss erreicht die Summe der jährlich zu leistenden Baurechtszinse bereits nach etwa zwanzig Jahren den vollen Verkehrswert des Landes; nach dem von der Beschwerdeführerin verlangten Baurechtszins aufgrund des halben Bodenpreises würde der heute für die volle Entschädigung zu leistende Betrag in etwa vierzig Jahren erreicht. Auch ist es üblich, den Baurechtszins an die veränderten Bodenwertverhältnisse anzupassen, und jedenfalls wäre er spätestens bei der Verlängerung des Baurechts aufgrund der dannzumal geltenden Bodenpreise neu festzusetzen (vgl. VICTOR MÜLLER, Der Baurechtszins und seine grundpfandrechtliche Sicherung, Diss. Zürich 1968 S. 21 ff.; GÜNTHER WITT, Das Baurecht, Basel 1970, S. 151; H. P. FRIEDRICH, Das Baurecht des Zivilgesetzbuches im Dienste öffentlicher Aufgaben, ZBl 68/1967 S. 290 f.). Die Pflicht des Staates, bei Enteignung volle Entschädigung zu leisten (Art. 22ter Abs. 3 BV), bedeutet jedoch nur, dass der Verkehrswert des Bodens im Zeitpunkt des Enteignungsverfahrens zu entschädigen ist (vgl. BGE 93 I 142 ff. Erw. 7 a u. b). Von solchen Überlegungen hat sich auch der Bundesrat in einem Entscheid leiten lassen, in welchem er das Enteignungsbegehren für einen Panzerstellungsraum in vollem Umfang geschützt hat; er fand, dass dem Bund nicht zuzumuten sei, bedeutende öffentliche Mittel in ein Werk zu investieren auf das Risiko hin, mit dem Enteigneten nach Jahr und Tag über die weitere Benützungsberechtigung erneut verhandeln zu müssen (Verwaltungspraxis der Bundesbehörden Heft 32/1964-1965 Nr. 100). Nach der Praxis zum deutschen Bundesbaugesetz, welches in § 92 ausdrücklich bestimmt, dass die Enteignung auf die Belastung des Grundstücks mit einem Recht zu beschränken ist, sofern dies zur Verwirklichung des Enteignungszweckes ausreicht, ist ein Baurecht bzw. Erbbaurecht auf dem beanspruchten Grundstück überhaupt nicht möglich, wenn es sich um sogenannte Gemeinbedarfsflächen handelt (Kommentar HEITZER-ÖSTERREICHER zum Bundesbaugesetz, 2. Aufl. Berlin 1965, § 92 Anm. 2).
| 13 |
Diese Gründe des öffentlichen Interesses, die der Erstellung einer Schulhausanlage im Baurecht entgegenstehen, sind allerdings zu einem wesentlichen Teil finanzieller Natur. Dem Gebot einer zweckmässigen und rationellen Verwaltung kommt aber doch eine solche Bedeutung zu, dass nur ein ganz besonderes privates Interesse an der Beibehaltung eines Restes der Verfügungsgewalt am Eigentum es überwiegen und den Eingriff der vollen Enteignung als unverhältnismässig und damit verfassungswidrig erscheinen lassen könnte. Der Enteignete müsste dartun können, dass die ihm neben der Baurechtsdienstbarkeit verbleibende Verfügungsbefugnis noch eine erhebliche Restnutzung des Grundstücks ermögliche, an der ein schützenswertes Interesse anzuerkennen wäre. So wäre z.B. denkbar, dass sich der Enteignete eine unter- oder oberirdische Nutzungsmöglichkeit vorbehalten möchte, die sich neben dem öffentlichen Werk ohne weiteres vertragen würde und angesichts deren Bedeutung dem Gemeinwesen die Beschränkung auf die Enteignung bloss einer Baurechtsdienstbarkeit zuzumuten wäre (vgl. das Urteil des Bundesgerichts i.S. Gauger vom 12. Juli 1971 Erw. 3 c in ZBl 73/1972 S. 20). Auch in solchen Fällen, wie z.B. dann, wenn der Enteignete eine unterirdische Parkgarage erstellen will, wird diesem privaten Interesse in der Regel aber wohl damit hinreichend Rechnung getragen werden, dass der Staat als Enteigner ihm die Einräumung eines Baurechts zusichert. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Verzicht der Gemeinde auf das volle Eigentum offensichtlich nicht erfüllt sind. Die Beschwerdeführerin macht überhaupt nicht geltend, einen neben der geplanten Schulhausanlage verbleibenden Rest des Grundstückes noch nutzen zu wollen. Sie beruft sich einzig auf ihr Interesse an der Erhaltung des Eigentums als solchen. Die Erhaltung der "nuda proprietas" ist jedoch ein Interesse, das angesichts desjenigen des Gemeinwesens am vollen Verfügungsrecht unerheblich ist. Der damit verbundene Vorteil ist der, dass die Enteignete statt zu einer Enteignungsentschädigung in der Höhe des Verkehrswertes des Bodens zur Zeit des Enteignungsverfahrens in den Genuss eines den steigenden Bodenwerten sich anpassenden Baurechtszinses käme und somit an einer künftigen Wertsteigerung ihres Bodens noch teilhaben könnte. Auf eine solche Leistung seitens des Staates besteht aufgrund der Eigentumsgarantie aber kein Anspruch, weshalb darin auch kein schützenswertes privates Interesse gesehen werden kann. Es lässt sich sogar sagen, dass die Beanspruchung des vollen Eigentums wirtschaftlich gar keinen schwereren Eingriff darstellt als die Enteignung einer Baurechtsdienstbarkeit (so auch das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem in DöV 1964 S. 611 publizierten Urteil). Die Beschwerdeführerin stellt zwar in Abrede, mit ihrem Begehren einen solchen wirtschaftlichen Vorteil zu verfolgen. Wie ihren Ausführungen zu entnehmen ist, soll ihr schützenswertes besonderes Interesse an der Erhaltung der "nuda proprietas" in der Tatsache liegen, dass sie als eine seit alters her bestehende Korporation statutarisch verpflichtet sei, ihr Eigentum zu erhalten. Abgesehen davon, dass eine Erhaltung des nackten Eigentums einzig aus diesem Grunde sich in einer rein abstrakten Bedeutung erschöpfen würde, kann die Beschwerdeführerin keine andere Behandlung für sich beanspruchen als andere private Grundeigentümer, die nicht weniger bestrebt sein können, ihr Eigentum zu erhalten. Als eine dem kantonalen öffentlichen Recht unterstehende privatrechtliche Körperschaft unterliegt die Beschwerdeführerin dem Enteignungsrecht wie alle andern privaten und öffentlichen Eigentümer. Freilich kann der Enteigner aus irgendwelchen politischen Überlegungen gegenüber einer solchen Korporation auf die volle Enteignung verzichten und sich mit einer komplizierteren und aufwendigeren rechtlichen Lösung abfinden. Das Bundesgericht hat unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie nur zu prüfen, ob die volle Enteignung einen unverhältnismässigen Eingriff darstellt, was nach dem Gesagten nicht der Fall ist.
| 14 |
15 | |
16 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |