BGE 107 Ia 234 - Wyss | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
47. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. November 1981 i.S. Wyss gegen Gemeinderat Altdorf und Regierungsrat des Kantons Uri (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Meinungsäusserungs- bzw. Informationsfreiheit Einsicht in das Steuerregister. | |
Sachverhalt | |
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"Die Steuerorgane haben über die Verhältnisse der Steuerpflichtigen, von denen sie in Ausübung ihres Amtes Kenntnis erhalten, sowie über die Verhandlungen in den Behörden strenge Verschwiegenheit zu beobachten. Die Schweigepflicht besteht nicht gegenüber anderen inländischen Steuerbehörden. Das Recht des Steuerpflichtigen, Einsicht in die Steuerregister zu verlangen, bleibt vorbehalten."
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"Steuerauszüge und die Bekanntgabe von Einzelheiten, die im Register nicht enthalten sind, sind verboten. Dem Steuerpflichtigen steht die Einsicht in das Steuerregister jener Gemeinde offen, in welcher er unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist."
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Regula Wyss verlangte am 24. September 1979 auf der Gemeindekanzlei Altdorf Einblick in das Steuerregister bezüglich zweier Altdorfer Steuerzahler. Nachdem ihr der Einblick bezüglich eines Unselbständigerwerbenden gewährt worden war, verweigerte man ihr diesen bezüglich eines Altdorfer Arztes mit dem Hinweis, dass sie als Arbeitnehmerin nur in die Steuerfaktoren von Arbeitnehmern, nicht aber von Selbständigerwerbenden Einsicht nehmen könne. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies sowohl der Gemeinderat Altdorf als auch der Regierungsrat des Kantons Uri ab.
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Regula Wyss führt staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Regierungsrates vom 11. November 1980 sei aufzuheben und Art. 2 der Vollziehungsverordnung sei die künftige Anwendbarkeit zu versagen. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
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Der Gemeinderat von Altdorf verzichtet auf eine Vernehmlassung und der Regierungsrat des Kantons Uri beantragt die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt werden. Auf den Antrag der Beschwerdeführerin, Art. 2 der Vollziehungsverordnung sei die künftige Anwendbarkeit zu versagen, kann deshalb nicht eingetreten werden. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall von der beanstandeten Verordnungsbestimmung nicht negativ betroffen, weil sie deren einschränkende Voraussetzung (Steuerpflicht am Ort, wo die Einsichtnahme verlangt wird) erfüllt.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gewährleistet die Meinungsäusserungsfreiheit die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Meinungsäusserungsfreiheit umfasst daher auch die Informationsfreiheit als Anspruch, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten (BGE 105 Ia 182 E. 2a mit Hinweisen). ob die Steuerregister als allgemein zugängliche Informationsquellen zu betrachten sind, ergibt sich aus dem kantonalen Recht. Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts der Gesetzes- oder Verordnungsstufe lediglich auf Willkür, da vorliegend kein schwerer Eingriff in das in Frage stehende Grundrecht zur Beurteilung steht (BGE 105 Ia 184 E. 3b mit Hinweis).
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Die erwähnte geltungszeitliche Interpretation des Einsichtsrechtes nach Art. 57 StG ist vom Regierungsrat als letzter kantonaler Instanz offensichtlich erstmals im vorliegenden Fall angewandt worden. Dieser Schluss ist nicht nur daraus zu ziehen, dass sich der Regierungsrat auf keinerlei Präjudizien stützt, sondern insbesondere aus dem im Zusammenhang mit der Kostenfrage gemachten Hinweis, es habe im Interesse des Gemeinwesens (d.h. der Gemeinde Altdorf) gelegen, dass die Beschwerdeinstanz (d.h. der Regierungsrat) Gelegenheit bekam, das Problem zu überdenken. Wenn ferner der Regierungsrat im gleichen Zusammenhang erklärt, es liege am unklaren Wortlaut des Gesetzes und an der dadurch bewirkten bisherigen Praxis der Behörden, wenn die Beschwerdeführerin zur Auffassung verleitet wurde, es stehe ihr ein formelles und voraussetzungsfreies Einsichtsrecht zu, so ist das wohl dahin zu verstehen, dass auch bei den untergeordneten Steuerbehörden noch keine Praxis im Sinne der nunmehrigen Gesetzesinterpretation des Regierungsrates bestand. Bezeichnenderweise ist denn auch das Einsichtsbegehren der Beschwerdeführerin vom Gemeindesteueramt und danach vom Gemeinderat mit je einer abweichenden Begründung abgelehnt worden, und der Regierungsrat seinerseits hat beide Begründungen als unhaltbar bezeichnet. Selbst im Rundschreiben der kantonalen Steuerverwaltung an die Gemeindesteuerämter vom 28. Februar 1977 ist noch mit keinem Wort von einer Vorbedingung im Sinne eines wie immer gearteten Interessennachweises die Rede.
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b) Zur Begründung seiner Praxisänderung geht der Regierungsrat davon aus, dass sich in der Praxis betreffend die Öffentlichkeit des Steuerregisters erstmals im Steuergesetz von 1955 eine gewisse Sensibilisierung des Problems angedeutet habe, und zwar in der Hinsicht, dass nunmehr das Amtsgeheimnis in Steuersachen, welches bis anhin einer positiven Regelung gar nicht gewürdigt worden sei, in Art. 50 Abs. 1 neu eingeführt und in den Vordergrund gerückt worden sei. Ausserdem habe der Regierungsrat in seinem Beschluss vom 1. Mai 1957 erklärt, dass die Veröffentlichung des Steuerregisters mit den Bestimmungen des Steuergesetzes nicht vereinbar sei. Diese Hinweise besagen aber keineswegs, dass sich die Verhältnisse bzw. die Anschauungen zur Frage des bis anhin unbedingten Einsichtsrechtes des Steuerpflichtigen ins Steuerregister wesentlich geändert hätten. Selbst wenn vor 1955 überhaupt keine Schweigepflicht in Steuersachen bestanden haben und diese Schweigepflicht erst 1955 neu eingeführt worden sein sollte, zeigt doch gerade die lapidare Kürze, mit welcher das Einsichtsrecht ins Steuerregister vorbehalten wurde, dass diesbezüglich am bis anhin praktizierten Rechtszustand nichts geändert werden sollte. Es handelt sich um eine auf zwei Fakten, nämlich auf die Höhe von Einkommen und Vermögen beschränkte Ausnahmebestimmung zur generellen Schweigepflicht, die sich ihrerseits auf alle übrigen, für den Steuerpflichtigen weitaus wichtigeren Details der Steuerakten erstreckt. Auch im Regierungsratsbeschluss vom 1. Mai 1957, welcher die Unzulässigkeit der Veröffentlichung des Steuerregisters feststellte, wurde das Einsichtsrecht als solches ohne jede Einschränkung vorbehalten. In der Folgezeit hat sich an der Praxis der Steuerbehörden zum Einsichtsrecht ohne Interessennachweis bis zum nunmehr angefochtenen Entscheid des Regierungsrates nichts geändert. Offenbar ist aber auch beim Stimmbürger in diesem Punkt kein Gesinnungswandel eingetreten, ist doch im neuen, heute noch geltenden Steuergesetz von 1965 das Einsichtsrecht wörtlich aus dem Gesetz von 1955 übernommen worden und selbst bei der neuesten Revision von 1980 unverändert geblieben.
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c) In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch aus gesamtschweizerischer Sicht nicht die Rede davon sein kann, dass das Einsichtsrecht in die Steuerregister ohne Interessennachweis der heutigen allgemeinen Auffassung widerspreche und überholt sei. Die Steuerregister sind lediglich in den drei Kantonen Basel-Stadt, Genf und Glarus geheim. Das gleiche gilt für das Wehrsteuerrecht des Bundes. Nur mit Interessennachweis (in mehr oder weniger strenger Form) wird das Einsichtsrecht gewährt von den vier Kantonen Appenzell-I.Rh., Basel-Land, Graubünden, St. Gallen. Die acht Kantone Appenzell-A.Rh., Nidwalden, Schaffhausen, Schwyz, Thurgau (evt. sogar Veröffentlichung), Wallis, Waadt und Zürich kennen das Einsichtsrecht ohne Interessennachweis, und in den restlichen zehn Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Jura (als neuer Kanton), Luzern, Neuenburg, Obwalden, Solothurn, Zug und Tessin ist in irgend einer Form die öffentliche Auflage und teils sogar die Veröffentlichung der Steuerregister vorgesehen.
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d) Der Regierungsrat begründet denn auch seine Praxisänderung lediglich mit seiner eigenen Auffassung, dass die Steuerkontrolle intensiver und der Steuerpflichtige datenschutzempfindlicher geworden sei und dass das Recht auf Einsicht in die Steuerregister mit einem sehr grundlegenden, rechtsgrundlagemässig mit Verfassungsrang abgestützten Menschenrecht auf Wahrung der persönlichen Sphäre kollidiere. Dass das ohne Interessennachweis gewährte Einsichtsrecht in das Steuerregister einen Rechtsgrundsatz von Verfassungsrang verletzen würde, ist bisher noch nie anerkannt worden und es ist auch nicht anzunehmen, dass dies je der Fall sein wird, solange acht Kantone die Einsicht ohne diese Vorbedingung gewähren und in weiteren zehn Kantonen die Steuerregister sogar (mehr oder weniger) öffentlich aufgelegt werden.
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Der Beschwerdeführerin wird keine Parteientschädigung zugesprochen, da sie vor Bundesgericht nicht durch einen Anwalt vertreten ist und eine Umtriebsentschädigung nicht geltend macht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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