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Informationen zum Dokument  BGE 113 Ia 341  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
1. a) Der Zweckverband Kreisspital-Verband Bülach ist nach A ...
2. a) Eine Gemeinde ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechu ...
3. Die Beschwerdeführerinnen machen zur Hauptsache geltend,  ...
4. Zum einen machen die Beschwerdeführerinnen geltend, mit d ...
5. a) Die Beschwerdeführerinnen beanstanden weiter, dass der ...
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52. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. September 1987 i.S. Politische Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Niederglatt gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Gemeindeautonomie; Revision der Statuten eines Zweckverbandes.  
 
Sachverhalt
 
BGE 113 Ia, 341 (342)Unter dem Namen "Kreisspital-Verband Bülach" besteht im Kanton Zürich ein Zweckverband im Sinne von § 7 des Gesetzes über das Gemeindewesen des Kantons Zürich. Dem Zweckverband sind die Gemeinden des Bezirkes Bülach sowie einzelne Gemeinden des benachbarten Bezirkes Dielsdorf, so die politischen Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Niederglatt angeschlossen. In bezug auf den Verbandszweck, die Möglichkeit eines Austrittes einer Gemeinde aus dem Zweckverband und das Verfahren zur Änderung der Statuten sahen diese in der Fassung vom 23. April 1969 folgende Bestimmungen vor:
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"§ 1 - Bestand und Zweck
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Die Politischen Gemeinden ... (Aufzählung) bilden zusammen unter dem Namen Kreisspital-Verband Bülach einen Zweckverband) ... zu dem Zwecke, in Bülach gemeinsam eine Krankenanstalt zu unterhalten, welche die Bezeichnung 'Kreisspital Bülach' trägt.
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§ 3 - Austritt
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Jeder Verbandsgemeinde steht es frei, nach Ablauf von 10 Jahren, vom Beitritt an gerechnet, den Austritt aus dem Verband zu erklären. Eine solche Kündigung ist bei einjähriger Kündigungsfrist nur auf das Ende eines Rechnungsjahres statthaft.
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Die austretende Gemeinde geht ihrer Rechte am Verbandsvermögen verlustig.
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Ob und in welchem Betrage sie eine Auflösungssumme zu leisten hat, wird der Vereinbarung der Spitalkommission mit ihr überlassen...
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§ 5 - Abstimmung der Verbandsgemeinden
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Der Abstimmung durch die Verbandsgemeinden bleiben vorbehalten:
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a) Änderung dieser Statuten ...
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Für derartige Beschlüsse ist notwendig, aber auch genügend, dass zwei Drittel der Gemeinden zustimmen ..."
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Infolge der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse und insbesondere der neuen Definition von Versorgungsregionen und -einrichtungen im Rahmen der Zürcher Krankenhausplanung wurden die Statuten des Zweckverbandes einer Revision unterzogen. Der Revision vom 3. Oktober 1985 stimmte eine Mehrheit von zwei Dritteln der Verbandsgemeinden zu. Der Verbandszweck und die Austrittsmöglichkeit einzelner Gemeinden sind darin wie folgt umschrieben:
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BGE 113 Ia, 341 (343)"§ 2 - Zweck
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Der Kreisspital-Verband Bülach stellt die erweiterte medizinische Grund- und Basisversorgung der Bevölkerung der Verbandsgemeinden und der Spitalregion Zürcher Unterland sicher. Dazu werden das Kreisspital Bülach als Schwerpunktspital und die dezentralisierten Krankenheime gemeinsam betrieben.
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§ 3 - Mitgliedschaft
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Über die Bedingungen bei Ein- und Austritten aus dem Zweckverband entscheiden die Gemeinden auf Antrag der Spitalkommission...
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§ 7 - Abstimmungen der Verbandsgemeinden
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Der Abstimmung der Verbandsgemeinden bleiben vorbehalten:
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- Änderung der Statuten
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- Beschlussfassung über Ein- und Austritte von Gemeinden in den bzw. aus dem Zweckverband ...
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Für derartige Beschlüsse ist es notwendig, aber auch genügend, dass zwei Drittel der Gemeinden zustimmen ..."
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Die Politischen Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Niederglatt stimmten den neuen Statuten u.a. deshalb nicht zu, weil diese die Erstellung eines für sie ungünstig gelegenen Krankenheimes in Bassersdorf ermöglichen sollten.
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Mit Beschluss vom 1. April 1987 stellte der Regierungsrat des Kantons Zürich fest, dass die nach den alten Statuten erforderliche Zustimmung von zwei Dritteln der Verbandsgemeinden zustande gekommen sei. Er genehmigte daher die neuen Statuten. Mit deren Genehmigung durch den Regierungsrat traten sie in Kraft. Gegen diesen Genehmigungsentscheid des Regierungsrates reichten die Politischen Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Niederglatt beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie rügen eine Verletzung ihrer Gemeindeautonomie und machen eine Verletzung von Art. 4 BV geltend. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen:
 
1. a) Der Zweckverband Kreisspital-Verband Bülach ist nach Art. 1 sowohl der alten wie auch der neuen Statuten ein Zweckverband des öffentlichen Rechts im Sinne von § 7 des Gesetzes des Kantons Zürich über das Gemeindewesen (Gemeindegesetz, GG). Den Verbandsgemeinden obliegen nach den Statuten Verpflichtungen auf dem Gebiete des Spitalwesens. Mit der Revision der Statuten werden diese Verpflichtungen teilweise geändert. Aufgrund des angefochtenen Genehmigungsbeschlusses des Regierungsrates treten die neuen Statuten in Kraft (§ 23 der neuen Statuten). Er trifft die beschwerdeführenden Gemeinden damit in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen hoheitlicher Gewalt. Die Beschwerdeführerinnen sind daher nach der Rechtsprechung legitimiert, BGE 113 Ia, 341 (344)mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung ihrer Autonomie zu rügen. Ob ihnen im betreffenden Sachbereich tatsächlich Autonomie zusteht, ist keine Frage der Legitimation, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 111 Ia 252 E. 2, BGE 110 Ia 198 E. 1, mit Hinweisen). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen weitern Erörterungen Anlass. Auf die vorliegende Beschwerde kann daher eingetreten werden.
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b) Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, der Genehmigungsbeschluss des Regierungsrates verletze sie in ihrer Autonomie. Die Verletzung erblicken sie darin, dass die neuen Statuten genehmigt worden sind, obwohl sie ihnen nicht zugestimmt haben. Sie bestreiten zwar nicht, dass die nach den alten Statuten für eine Statutenänderung benötigte Zustimmung von zwei Dritteln der Verbandsgemeinden vorhanden ist, und sie machen daher nicht geltend, der Regierungsrat habe die alten Statutenbestimmungen falsch ausgelegt und angewendet. Sie behaupten indessen, dass die alten Statuten in bezug auf das Änderungsverfahren mit der in der Kantonsverfassung und im Gemeindegesetz garantierten Gemeindeautonomie in Widerspruch stünden. Damit verlangen die drei Gemeinden eine vorfrageweise Überprüfung der alten Statuten auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit. Dies ist nach der neuesten Praxis des Bundesgerichts zulässig (BGE 113 Ia 204 E. c). Denn die Statuten einer öffentlichrechtlichen Körperschaft haben rechtssatzähnlichen Charakter mit bindender Wirkung für die beteiligten Verbandsgemeinden. Die Zulässigkeit der Überprüfung wird auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass die beschwerdeführenden Gemeinden den alten Statuten bei der Gründung des Zweckverbandes oder beim Eintritt zugestimmt haben. Die allfällige Bejahung der Verfassungswidrigkeit der Statuten hat aber lediglich zur Folge, dass sie im konkreten Fall nicht angewendet werden und dass ausschliesslich der angefochtene Genehmigungsbeschluss aufgehoben wird (BGE 113 Ia 204 f.).
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Art. 48 KV räumt den Gemeinden allgemein das Recht ein, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der Verfassung und Gesetze BGE 113 Ia, 341 (345)selbständig zu ordnen. Nach § 5 des Gesetzes über das Gesundheitswesen (Gesundheitsgesetz) erfüllen die Gemeinden die Aufgaben, die ihnen die Gesundheitsgesetzgebung überträgt. § 39 Abs. 1 Gesundheitsgesetz bestimmt, welche Spitäler der Kanton errichtet und betreibt. Gemäss § 39 Abs. 2 Gesundheitsgesetz ist die Errichtung und der Betrieb anderer als kantonaler Krankenhäuser Sache der Gemeinden. Für den Betrieb eines Krankenhauses bedarf es einer Bewilligung der Direktion des Gesundheitswesens, die nur aus schwerwiegenden Gründen verweigert oder entzogen werden kann (§ 43 Gesundheitsgesetz). In gesundheitspolizeilicher Beziehung unterstehen die Krankenhäuser der Aufsicht der Gesundheitsdirektion (§ 42 Abs. 1 Gesundheitsgesetz). § 40 Gesundheitsgesetz sieht Staatsbeiträge an Bau und Betrieb von Krankenhäusern vor. Voraussetzungen, Arten und Höhe der Beiträge werden durch die kantonale Subventionsverordnung geregelt.
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Nach dieser Ordnung kommt den zürcherischen Gemeinden auf dem Gebiet des Krankenhauswesens eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu. Diese wird freilich faktisch dadurch eingeschränkt, dass es der Kanton als Subventionsgeber in der Hand hat, bestimmend einzugreifen. Da die gesetzliche Ordnung den Gemeinden einen Aktionsbereich einräumt, worin sie in bedeutendem Masse selbständig tätig sein können, ging das Bundesgericht davon aus, es stehe ihnen im Spitalwesen eine gewisse Autonomie zu (Urteil vom 11. Dezember 1974 i.S. Gemeinde Dübendorf, in: ZBl 76/1975 S. 298/299). Die Autonomie der beschwerdeführenden Gemeinden ist daher zu bejahen.
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b) Ist eine Gemeinde in einem Sachbereich autonom, so kann sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde dagegen zur Wehr setzen, dass die kantonale Behörde im Genehmigungs- und Rechtsmittelverfahren ihre Prüfungsbefugnis überschreitet. Die Gemeinde kann sodann verlangen, dass die kantonale Behörde materiell die kommunalen, kantonalen und bundesrechtlichen Vorschriften nicht verletze, die den Sachbereich, in dem Autonomie besteht, ordnen.
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Das Bundesgericht prüft den Entscheid der kantonalen Behörden auf Willkür hin, soweit Gesetzes- oder Verordnungsrecht in Frage steht; mit freier Kognition entscheidet es, wenn es sich um Verfassungsrecht des Bundes oder der Kantone handelt (BGE 111 Ia 132 E. 4a, 253 E. 3, BGE 110 Ia 200 E. b, BGE 109 Ia 45 E. b, mit Hinweisen). - Nach Art. 48 der zürcherischen Kantonsverfassung BGE 113 Ia, 341 (346)ist die Autonomie der Gemeinden innerhalb der Schranken von Verfassung und Gesetzgebung garantiert; soweit sich die Beschwerdeführerinnen auf eine Verletzung des Gemeindegesetzes berufen, kommt lediglich eine Willkürprüfung in Betracht. Die beschwerdeführenden Gemeinden rufen indessen auch Art. 47bis der Kantonsverfassung an, wonach die Gemeinden sich zu Zweckverbänden zusammenschliessen können. In dieser Hinsicht ist eine freie Prüfung der vorliegenden Beschwerde nicht zum vornherein auszuschliessen. Wie es sich damit verhält, kann indessen offengelassen werden, da die vorliegende Beschwerde auch bei beschränkter Kognition gutzuheissen ist. Lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür ist indessen die Auslegung der neuen und der alten Statuten zu prüfen.
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Das Bundesgericht hat sich im Urteil i.S. Einwohnergemeinde Egerkingen (BGE 113 Ia 200, insbes. E. 3) ausführlich zur Frage ausgesprochen, ob es unter dem Gesichtswinkel der Gemeindeautonomie zulässig sei, dass die Statuten eines Zweckverbandes aufgrund eines Mehrheitsentscheides der Verbandsgemeinden geändert werden. Es hat in diesem Entscheid ausgeführt, das Erfordernis der Einstimmigkeit für Statutenrevisionen vermöge auf der einen Seite den Schutz der einzelnen beteiligten Gemeinden in optimaler Weise zu garantieren. Es könnten ihr dann von der (allenfalls qualifizierten) Mehrheit keine ihr nicht genehmen Statuten aufgezwungen werden; dadurch werde das Vertrauen der Verbandsgemeinden in den Verband und dessen Tätigkeit gestärkt. Auf der andern Seite könne das Einstimmigkeitsprinzip die Handlungsfähigkeit des Verbandes lähmen. Deshalb erleichtere ein Mehrheitsverfahren etwa eine Anpassung an veränderte Umstände oder eine Weiterentwicklung der Aufgaben. Dieser Grundkonflikt zwischen Schutzbedürfnis der einzelnen Gemeinden und der Handlungsfähigkeit des Verbandes werde in den einzelnen Kantonen etwa in BGE 113 Ia, 341 (347)dem Sinne gelöst, dass grundlegende Bestimmungen der Statuten nur unter Zustimmung aller beteiligten Gemeinden revidiert werden könnten, während Statutenbestimmungen von untergeordneter Bedeutung mit (einfacher oder qualifizierter) Mehrheit einer Revision unterzogen werden dürfen. Zu den grundlegenden Statutenbestimmungen könnten solche gezählt werden, welche die Stellung der Verbandsgemeinden grundsätzlich und unmittelbar betreffen, wie etwa die Umschreibung des Verbandszweckes, des Kostenverteilers, der Haftung und Auflösung und ähnliches mehr. In die gleiche Richtung weise die Literatur, welche in bezug auf die Frage des Einstimmigkeits- bzw. des Mehrheitsprinzips bei Statutenrevisionen eine Differenzierung nach deren Bedeutung befürworte (Hinweise auf die Literatur in: BGE 113 Ia 209 E. d).
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Aufgrund dieser Überlegungen ist im folgenden die Beschwerde der drei Gemeinden zu Gemeinden zu prüfen.
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a) Vorerst ist die Rechtsnatur des Kreisspital-Verbandes Bülach näher zu untersuchen. Das zürcherische Gemeinderecht kennt zwei Zweckverbandsarten, den Zweckverband kraft freiwilligen Zusammenschlusses gemäss Art. 47bis Abs. 1 KV und § 7 Abs. 1 GG einerseits und den zwangsweisen Zusammenschluss gemäss Art. 47bis Abs. 2 KV und § 7 Abs. 2 GG andererseits. Die zwangsweise Verbindung von Gemeinden ist nur zulässig, wenn ohne sie die Durchführung wichtiger Gemeindeaufgaben in Frage gestellt wäre (vgl. MAX METTLER, Das Zürcher Gemeindegesetz, 3. Auflage, S. 34). Die drei beschwerdeführenden Gemeinden sind nicht nur Mitglieder des Kreisspital-Verbandes Bülach, sondern auch des entsprechenden Verbandes Dielsdorf; die spitalmässige Versorgung ist daher bei ihnen auch ohne den Bülacher Verband nicht in Frage gestellt. Aus ihrer Sicht handelt es sich deshalb dabei um einen sogenannten freiwilligen Zweckverband. Daran vermag auch die Verfügung der Direktion des Gesundheitswesens über die Einzugsbereiche der kommunalen und regionalen Krankenhäuser vom 22. November 1973 nichts zu ändern; mit dieser Verfügung wurden zwar u.a. die Einzugsbereiche der drei beschwerdeführenden Gemeinden je hälftig für das Kreisspital Bülach und das BGE 113 Ia, 341 (348)Bezirksspital Dielsdorf festgelegt. Hiebei handelt es sich nur um eine subventionsrechtliche Festlegung ohne grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf das Wesen der Zweckverbände als Rechtsträger der beiden erwähnten Spitäler.
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b) Zu prüfen ist ferner die Bedeutung der Statutenrevision mit Bezug auf das Recht einer einzelnen Gemeinde, ihre Mitgliedschaft beim Zweckverband zu kündigen. Gemäss § 3 der alten Statuten stand es jeder Vertragsgemeinde frei, nach Ablauf von 10 Jahren, vom Beitritt an gerechnet, den Austritt aus dem Verband zu erklären. § 3 Abs. 2 der alten Statuten bestimmte sodann, die austretende Gemeinde gehe ihrer Rechte am Verbandsvermögen verlustig; ob und in welchem Betrage sie eine Auflösungssumme zu leisten habe, werde der Vereinbarung der Spitalkommission mit der betreffenden Gemeinde überlassen. Die kantonale Direktion des Innern vertritt in ihrer Vernehmlassung entgegen den Beschwerdeführerinnen die Meinung, der Wortlaut der neuen Statuten, insbesondere von § 3, schliesse die Möglichkeit der einseitigen Kündigung keineswegs aus. Dabei wird übersehen, dass § 3 der neuen Statuten nicht isoliert für sich allein betrachtet werden darf. Zutreffend ist nur, dass diese Statutenvorschrift bestimmt, über die Bedingungen bei Austritten aus dem Zweckverband hätten die Gemeinden auf Antrag der Spitalkommission zu befinden. In § 7 der neuen Statuten wird sodann bestimmt, für die Beschlussfassung über Austritte von Gemeinden sei die Abstimmung der Verbandsgemeinden vorbehalten. Damit ergeben sich zwei bedeutende Änderungen im Verhältnis zu den alten Statuten. Es besteht kein Kündigungsrecht mehr, sondern ein Austrittsgesuch bedarf der mehrheitlichen Zustimmung aller Verbandsgemeinden. Ferner werden die Modalitäten des Austrittes nicht mehr der Vereinbarung der Spitalkommission mit der austrittswilligen Gemeinde vorbehalten, sondern einseitig durch Entscheid aller Mitgliedergemeinden bestimmt. Für eine andere Auslegung finden sich weder im Wortlaut der neuen Statuten noch in den Revisionsakten irgendwelche Anhaltspunkte. Es ist daher davon auszugehen, dass mit der Statutenrevision das freie Austrittsrecht der einzelnen Verbandsgemeinden tatsächlich aufgehoben worden ist.
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c) Statutenbestimmungen über die Möglichkeit und die Modalitäten des Austritts einer Gemeinde aus einem Zweckverband sind für den Verband selber und die beteiligten Verbandsgemeinden von zentraler Bedeutung. Sie können insbesondere für die einzelne Gemeinde im Hinblick auf die Frage, ob sie einem Zweckverband BGE 113 Ia, 341 (349)beitreten wolle oder nicht, ausschlaggebend sein. Die Beschränkung der Austrittsmöglichkeiten ist von derartigem Gewicht, dass sie entgegen dem Willen einer Verbandsgemeinde nicht ohne Verletzung der Gemeindeautonomie beschlossen und in Kraft gesetzt werden kann. Dies trifft im vorliegenden Fall insbesondere deshalb zu, weil, wie oben dargelegt, der Austritt nach den neuen Statuten in das Belieben der übrigen Gemeinden gestellt ist.
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Art. 47bis Abs. 1 KV räumt den Gemeinden das Recht ein, sich freiwillig zu Zweckverbänden zusammenzuschliessen. Daraus kann abgeleitet werden, dass sich diese von der Bindung auch wieder sollen lösen können (METTLER, a.a.O., S. 42; MARKUS FELDMANN, Eingemeindungen und Zweckverbände, in: ZBl 35/1934 S. 561 ff., insbes. S. 564). An diesem Recht vermögen auch Statutenbestimmungen, welche für eine Statutenrevision ein Mehrheitsverfahren vorsehen, nichts zu ändern. Das Bundesgericht ist denn auch in einem Entscheid aus dem Jahre 1974 stillschweigend davon ausgegangen, dass eine Gemeinde aus einem Spital-Verband austreten könne (ZBl 76/1975 S. 302). Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, der Austritt könne einer Verbandsgemeinde grundsätzlich nicht verweigert werden (vgl. MARCEL SCHENKER, Das Recht der Gemeindeverbände, Diss. St. Gallen 1986, S. 303; PETER GRÜTER, Die schweizerischen Zweckverbände, Diss. Zürich 1973, S. 118 ff.). Die Beschränkung des Austritts mit der Möglichkeit, dass ein Austritt aufgrund eines Mehrheitsentscheides überhaupt verhindert wird, kann deshalb ohne Zustimmung der betroffenen Gemeinden nicht in Kraft gesetzt werden.
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Aufgrund dieser Erwägungen verletzte es im vorliegenden Fall die Autonomie der beschwerdeführenden Gemeinden, dass die neuen Statuten mit der in ihnen enthaltenen Einschränkung der Austrittsmöglichkeiten entgegen ihrem Willen genehmigt wurden. Die Rüge der Verletzung der Gemeindeautonomie erweist sich daher in dieser Hinsicht als begründet. Demnach ist der angefochtene Genehmigungsbeschluss unter Gutheissung der Beschwerde aufzuheben.
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Vorerst ist die Bedeutung der Statutenänderung in dieser Hinsicht zu prüfen. - Entgegen der Auffassung der kantonalen Direktion des Innern in ihrer Vernehmlassung kommt einmal der Neufassung des Verbandszweckes weit mehr als nur redaktionelle BGE 113 Ia, 341 (350)Bedeutung zu. Dies zeigt sich in erster Linie aufgrund des klaren und eindeutigen Wortlautes der entsprechenden Statutenbestimmungen. So ist in § 1 Abs. 1 der alten Statuten als Verbandszweck nur der Betrieb einer Krankenanstalt in Bülach (Kreisspital Bülach) erwähnt, während § 2 der neuen Statuten ausdrücklich bestimmt, vom Kreisspital-Verband Bülach würden neben dem Kreisspital Bülach als Schwerpunktspital dezentralisierte Krankenheime betrieben. Die vorgesehene Errichtung der letzteren bildete aufgrund der Akten im übrigen gerade Ausgangspunkt der Revision der Verbandsstatuten. Vorgeschichte und Wortlaut der Revision zeigen damit deutlich, dass deren eigentliches Ziel die Schaffung einer einwandfreien rechtlichen Grundlage für die neu vorgesehenen Krankenheime, insbesondere dasjenige in Bassersdorf, bildete. - Es ist bei dieser Sachlage daher davon auszugehen, dass die Statuten auch in bezug auf die Umschreibung des Verbandszweckes eine erhebliche Änderung erfahren haben.
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Nach den obenstehenden Erwägungen ist eine derartige Erweiterung des Verbandszweckes entgegen dem Willen der beschwerdeführenden Gemeinden unter dem Gesichtswinkel ihrer Autonomie nicht unbedenklich. Es ist indessen zu beachten, dass die Beschwerdeführerinnen diesen Punkt nicht selbständig aufgreifen und in dieser Hinsicht nicht ausdrücklich eine Verletzung ihrer Gemeindeautonomie geltend machen. Sie erachten vielmehr den Ausschluss des Austrittsrechts deshalb um so stossender, weil der Verbandszweck ausgedehnt worden ist und gestützt darauf ein Spital in Bassersdorf errichtet werden soll, der den Einwohnern der beschwerdeführenden Gemeinden von geringem oder überhaupt keinem Nutzen ist. Bei dieser Sachlage braucht nicht näher geprüft zu werden, ob die Genehmigung der neuen Statuten durch den Regierungsrat nicht auch unter diesem Gesichtswinkel aufzuheben wäre.
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b) Schliesslich machen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung des Gleichheitsprinzips nach Art. 4 BV und damit des elementaren Gerechtigkeitsgebotes geltend. Diese Verfassungsverletzungen erblicken sie darin, dass sie durch den Verlust des einseitigen Kündigungsrechts dazu gezwungen werden können, sich am neuen Krankenheim Bassersdorf zu beteiligen, obwohl sie davon wegen dessen abgelegenen Standorts und wegen der bisherigen Beteiligung am Spitalverband Dielsdorf nicht profitieren könnten. Auch diese Frage kann im vorliegenden Fall offengelassen werden, da die Beschwerde bereits aus den in Erwägung 4 festgehaltenen Überlegungen gutzuheissen ist.
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