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Informationen zum Dokument  BGE 116 Ia 237 - Cand. iur. F.  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 119 Ia 35 - Bürgerrechtserfordernis bei Anwaltszulassung

Zitiert selbst:
BGE 106 Ib 125 - Shala
BGE 114 Ia 307 - Star Unterhaltungsbetriebe AG
BGE 106 Ia 100 - Kröcher und Möller I

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. a) Nach der früheren Rechtsprechung konnte sich auf die H ...
3. a) Die Erteilung des Fürsprecherpatents und der Berufsaus ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Oktober 1990 i.S. F. gegen Obergericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Handels- und Gewerbefreiheit; Zulassung zum Anwaltsberuf.  
2. Es ist mit der Handels- und Gewerbefreiheit in der Regel vereinbar, den Ausländer vom Anwaltsberuf auszuschliessen (E. 3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 Ia, 237 (238)F., Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, ist in der Schweiz aufgewachsen und studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Am 25. Oktober 1989 ersuchte er das Obergericht des Kantons Bern um rechtsverbindliche Feststellung, ob er als deutscher Staatsangehöriger bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen zum Anwaltsberuf zugelassen werde.
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Mit Verfügung vom 24. Januar 1990 stellte das Obergericht des Kantons Bern fest, F. könne nicht zum Anwaltsberuf zugelassen werden. Das Obergericht verwies auf die Art. 3 und 7 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die Fürsprecher vom 6. Februar 1984 (Fürsprechergesetz), wonach die Ausübung des Anwaltsberufs Schweizer Bürgern vorbehalten wird. Diese Regelung halte vor dem Bundesverfassungsrecht stand.
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Eine gegen diese Feststellungsverfügung erhobene staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen:
 
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b) Der Ausländer kann damit persönlich Grundrechtsträger sein, er ist es nur in bestimmten sachlich abgegrenzten Bereichen nicht. Das Bundesgericht hat mit dieser Präzisierung der Rechtsprechung den persönlichen Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit in enge Beziehung zum sachlichen gebracht. In BGE 114 Ia 311 E. 3b ging es noch einen Schritt weiter. Hinsichtlich der fremdenpolizeilichen Zulassung ausländischer Arbeitskräfte fasste BGE 116 Ia, 237 (239)es den Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit rein sachlich, nicht mehr in Abhängigkeit von der Person des Beschwerdeführers. Es erklärte, weder der Ausländer selbst noch sein schweizerischer Arbeitgeber könnten sich bei Anwendung des Fremdenpolizeirechts auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen.
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Die früher (BGE 106 Ib 133) in Erwägung gezogene Konzeption, wonach es darauf ankäme, ob Beschwerdeführer ein Ausländer oder ein Schweizer sei, hat das Bundesgericht damit verworfen. Das deckt sich mit der in der Literatur neuerdings von MARKUS HUG (Der Ausländer als Grundrechtsträger, Diss. Zürich 1989, insbesondere S. 118-127) vertretenen Auffassung, nach der nicht der Ausländer als Person von der Anrufung eines bestimmten Grundrechts allgemein ausgeschlossen sein soll, sondern bestimmte ausländerspezifische Sachfragen den Schutzbereich des Grundrechts nicht betreffen.
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c) In BGE 108 Ia 148 hat das Bundesgericht ausländerspezifische Einschränkungen der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit generell vom Schutz durch die Handels- und Gewerbefreiheit ausgenommen. Das ist insofern nicht unproblematisch, als damit der Geltungsbereich eines verfassungsmässigen Rechts nicht durch die Bundesverfassung selbst, sondern - von Kanton zu Kanton verschieden - durch Gesetz und Verordnung bestimmt würde (HUG, a.a.O., S. 240; ALFRED KÖLZ, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1982, ZBJV 120/1984 S. 336 f.). In BGE 114 Ia 312 konkretisierte das Bundesgericht den Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit indessen im Lichte der Bundesverfassung. So steht nach Art. 69ter Abs. 1 BV die Gesetzgebung über Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer dem Bunde zu. Neben der Fernhaltung unerwünschter Personen hat diese Verfassungsnorm auch eine demographische und arbeitsmarktpolitische Zielsetzung (MALINVERNI, Kommentar BV, N. 20 zu Art. 69ter). Das lässt bei Anwendung des Fremdenpolizeirechts für einen grundrechtlichen Schutz der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit keinen Raum.
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Sowohl Art. 69ter BV wie das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG; SR 142.20) unterscheiden zwischen Niederlassung und Aufenthalt. Die Aufenthaltsbewilligung ist befristet und kann mit Bedingungen verbunden werden (Art. 5 Abs. 1 ANAG); die Niederlassungsbewilligung ist demgegenüber unbefristet und bedingungsfeindlich (Art. 6 Abs. 1 ANAG). Können dem Niedergelassenen keine BGE 116 Ia, 237 (240)Bedingungen auferlegt werden, so unterliegt er insbesondere hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit keinerlei fremdenpolizeilichen Schranken. Das heisst zwar nicht, dass es zum vornherein unzulässig wäre, bestimmte Berufe Schweizer Bürgern vorzubehalten. Wenn aber der Ausländer unter arbeitsmarktlichen und demographischen Gesichtspunkten ohne jede Einschränkung zur Erwerbstätigkeit zugelassen ist, so ist kein verfassungsrechtlicher Grund ersichtlich, der es gebieten würde, den Ausländer vom Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit auszunehmen. Vielmehr müssen sich Einschränkungen seiner Erwerbstätigkeit, die nicht auf dem Fremdenpolizeirecht des Bundes beruhen und sich auf Art. 69ter BV stützen lassen, an der Handels- und Gewerbefreiheit messen. Das heisst, sie müssen auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
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d) Die Berufung des Ausländers auf die Handels- und Gewerbefreiheit zuzulassen, soweit er auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt fremdenpolizeilich zugelassen ist, rechtfertigt sich auch aufgrund des menschenrechtlichen Teilgehalts von Art. 31 BV. Neben der wirtschaftspolitischen Grundentscheidung für ein System des freien Wettbewerbs und der Schaffung eines einheitlichen schweizerischen Wirtschaftsraums garantiert die Handels- und Gewerbefreiheit die freie Wahl und Ausübung eines Berufs. Ist es zwar verfassungsrechtlich nicht vorgezeichnet, in welcher Beziehung der schweizerische Wirtschaftsraum zum ausländischen steht, und kann sich der Ausländer hinsichtlich der fremdenpolizeilichen Zulassung insoweit nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, so ist doch beim niedergelassenen Ausländer hinsichtlich seiner beruflichen Entfaltung ein Unterschied zum Schweizer Bürger nicht auszumachen.
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Ob der Ausländer (anders als der Schweizer) auf Grundlage des kantonalen Rechts von der Ausübung eines bestimmten Berufes ausgeschlossen werden kann, ist nicht Frage seiner Legitimation zur Ergreifung der staatsrechtlichen Beschwerde, sondern der materiellen Schranken des Grundrechts der Handels- und Gewerbefreiheit.
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b) Im zitierten Urteil vom 24. Februar 1984, in dem das Bundesgericht - von Härtefällen abgesehen - den Ausschluss der Ausländer vom Anwaltsberuf als zulässig erklärt hat, ist das Bürgerrechtserfordernis (unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV) mit dem Schutz der einheimischen Anwälte vor ausländischer Konkurrenz sowie der nötigen Vertrautheit mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen des Landes gerechtfertigt worden.
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Soweit das Bürgerrechtserfordernis dem Konkurrenzschutz dient, lässt es sich zum vornherein nicht mehr aufrechterhalten, wenn sich (wie in E. 2 dargetan) der Ausländer auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen kann. Im Unterschied zu Art. 4 BV verbietet dieses Grundrecht den Kantonen wirtschafts- und standespolitische Massnahmen, die lediglich der Abschirmung gegen Konkurrenz dienen (BGE 114 Ia 36; BGE 113 Ia 282; je mit Hinweisen).
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Das Argument der engen Vertrautheit mit den Verhältnissen des Landes ist bei einem in der Schweiz aufgewachsenen Ausländer, der hier die Schulen besucht und überdies an einer hiesigen Universität studiert hat, nicht von grossem Gewicht. Unterschiede zu einem Schweizer Bürger sind diesbezüglich nicht erheblich, auch wenn sie bei anderen Ausländern von grösserer Bedeutung sein mögen.
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c) Zu beachten gilt es allerdings, dass nach Art. 64 Abs. 3 und Art. 64bis Abs. 2 BV die Kantone die Gerichtsorganisation, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung ordnen. Mit der kantonalen Verfahrenshoheit steht die Regelung des Anwaltsberufs in enger Verbindung. Der Anwalt ist "Mitarbeiter der Rechtspflege" (BGE 106 Ia 104 /5). Er steht in dieser Funktion in enger Beziehung zum Staat und nimmt eine für den Rechtsstaat tragende Aufgabe wahr. Es entspricht daher jedenfalls zurzeit herrschender Rechtsanschauung, dass der Anwalt mit diesem Staat durch das Bürgerrecht verbunden sein soll. Das gilt sowohl für einen Grossteil der Kantone wie auch für zahlreiche Staaten des Auslands.
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Der Staat erwartet vom Anwalt, der vor seinen Gerichten das Recht für die Klienten erstreiten soll, dass er sich als Bürger in die Rechtsordnung einfügt und sich an deren Fortbildung beteiligt. Der Klient erwartet, dass der Anwalt, den er mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt, dem Richter oder (im Verwaltungsverfahren) dem Beamten als Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten gegenübertreten kann. Vor allem diese Erwartungshaltung BGE 116 Ia, 237 (242)nicht zu enttäuschen, kann für den kantonalen Gesetzgeber Anlass sein, den Ausländer vom Anwaltsberuf auszuschliessen. Insoweit liegt die bernische Regelung im öffentlichen Interesse.
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d) Sie trifft auch den schon längere Zeit in der Schweiz weilenden Ausländer nicht in unverhältnismässiger Weise, soweit ihm die Möglichkeit offen steht, das Schweizer Bürgerrecht zu erlangen. Im Falle des Beschwerdeführers, der erklärtermassen das Bürgerrecht erwerben könnte, nicht aber erwerben will, ist sie keinesfalls unverhältnismässig.
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e) Der Ausschluss vom Anwaltsberuf lässt sich aus diesen Gründen mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbaren.
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