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Informationen zum Dokument  BGE 117 Ia 506  Materielle Begründung
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Regeste
Erwägung:
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77. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. November 1991 i.S. P. und K. gegen Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 88 OG, Art. 380 und Art. 381 ZGB.  
 
BGE 117 Ia, 506 (506)Erwägung:
 
Nach Art. 88 OG steht die Befugnis zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde Bürgern (Privaten) hinsichtlich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Zur staatsrechtlichen Beschwerde ist demnach nur legitimiert, wer durch den angefochtenen Hoheitsakt in rechtlich geschützten eigenen Interessen beeinträchtigt wird; zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen wie auch zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen ist die Beschwerde nicht gegeben (BGE 115 Ia 78 E. 1c, BGE 114 Ia 311 E. 3b, BGE 113 Ia 249 E. 2 und 428 E. 1, mit Hinweisen). Wie das Bundesgericht in BGE 107 Ia 343 entschieden hat, werden die Eltern des Mündels durch die Wahl des Vormunds in ihren rechtlich geschützten Interessen nicht beeinträchtigt. Zwar sind sie nach Art. 381 ZGB berechtigt, einen Vormund ihres BGE 117 Ia, 506 (507)Vertrauens zu bezeichnen; diesem Vorschlag ist stattzugeben, sofern nicht wichtige Gründe dagegen sprechen. Art. 381 ZGB ist jedoch ausschliesslich im öffentlichen und nicht im privaten Interesse derjenigen Personen, die einen Vormund vorschlagen können, aufgestellt worden. Die Vormundschaft ist eine öffentliche Angelegenheit, und ihre Ausgestaltung lässt die persönliche Rechtsstellung der Eltern des Mündels unberührt. Dass die Wahl des Vormunds gemäss Art. 388 ZGB von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden kann, vermag daran nichts zu ändern; dabei handelt es sich um eine für das Gebiet des Vormundschaftsrechts geltende Sondervorschrift, die auf das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht anwendbar ist. SCHNYDER/MURER weisen freilich darauf hin, dass das Vorschlagsrecht den Eltern des Mündels auch um ihrer Persönlichkeit willen zustehe (N 70 zu Art. 388 ZGB; vgl. auch KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 242 Anm. 120). Das Interesse der Eltern daran, dass ihrem Vorschlag Folge gegeben werde, fällt aber gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wahl eines möglichst geeigneten Vormunds nicht ins Gewicht und ist jedenfalls rechtlich nur insoweit geschützt, als die Eltern überhaupt Vorschläge machen und die Wahl des Vormunds gestützt auf Art. 388 Abs. 2 ZGB anfechten können. Es vermag daher die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde nicht zu begründen.
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Die gleichen Überlegungen müssen auch gelten, wenn es um die Anwendung von Art. 380 ZGB geht, wonach die Behörde bei der Wahl des Vormunds einem tauglichen nahen Verwandten des Bevormundeten den Vorzug zu geben hat, sofern nicht wichtige Gründe dagegen sprechen. Zwar ist im Randtitel von Art. 380 ZGB von einem "Vorrecht" ("droit de préférence") die Rede. Damit kann aber nicht gemeint sein, dass die Verwandten geradezu einen Anspruch darauf hätten, zum Vormund gewählt zu werden. Das Vorrecht wird nicht im Interesse des Verwandten gewährt, sondern in jenem des Mündels bzw. im öffentlichen Interesse, weil der Gesetzgeber von der Vermutung ausgeht, ein Verwandter sei als Vormund am besten geeignet (EGGER, N 1 zu Art. 380/381 ZGB; vgl. auch SCHNYDER/MURER, N 5 sowie 50 ff. zu Art. 380/381 ZGB). Der bei der Wahl zum Vormund übergangene Verwandte ist daher zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde ebenfalls nicht legitimiert. In diesem Sinn hat das Bundesgericht bereits in dem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Oktober 1944 i.S. Stebler entschieden (zustimmend EGGER, BGE 117 Ia, 506 (508)N 6 zu Art. 388 ZGB, sowie Birchmeier, Bundesrechtspflege, S. 373).
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Im vorliegenden Fall haben einerseits der Vater des bevormundeten Kindes, anderseits eine Grosstante, die das Amt des Vormunds für sich beansprucht, gegen die Wahl des Vormunds staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Beiden geht nach dem Gesagten die Beschwerdelegitimation ab. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist demzufolge nicht einzutreten.
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