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Informationen zum Dokument  BGE 119 Ia 71 - Stürm  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 122 I 222 - Adir Cumali II

Zitiert selbst:
BGE 117 Ia 472 - Vermummungsverbot
BGE 117 Ia 465 - Zurückgehaltener Heiratsantrag
BGE 99 Ia 262 - Minelli I

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. a) Die Meinungsäusserungsfreiheit ist durch das ungeschri ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Februar 1993 i.S. Stürm gegen Instruktionsrichter I der Bezirke Ering und Gundis und Kantonsgericht des Kantons Wallis (staatsrechtliche Beschwerde)
 
 
Regeste
 
Briefverkehr, Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 8 und 10 EMRK; Nichtweiterleitung von Briefen eines Untersuchungsgefangenen.  
 
Sachverhalt
 
BGE 119 Ia, 71 (72)Walter Stürm befindet sich im Kanton Wallis in Untersuchungshaft. Im Juli 1992 war er aus gesundheitlichen Gründen in die Gefängnisabteilung des Kantonsspitals Genf verlegt worden. Dort verfasste er am 24. Juli 1992 einen Brief an Frau F., Redaktorin der "Wochen-Zeitung" in Zürich, und am 27. Juli 1992 ein Schreiben an Frau S., die für Amnesty International tätig ist. Der Instruktionsrichter I der Bezirke Ering und Gundis teilte Stürm mit Verfügung vom 31. Juli 1992 mit, dass er die Schreiben wegen der darin enthaltenen unanständigen und ehrverletzenden Äusserungen nicht an die Adressatinnen weiterleite. Stürm legte dagegen am 6. August 1992 Beschwerde beim Kantonsgericht des Kantons Wallis ein. Eine weitere Verfügung des Instruktionsrichters hatte Stürm am 3. August 1992 mit einer Beschwerde beim Kantonsgericht angefochten. Es handelte sich um die Verfügung vom 29. Juli 1992, mit der es der Instruktionsrichter ablehnte, eine Tonbandkassette, die ein Radioredaktor zusammen mit einem Brief und einem Fragebogen an Stürm gesandt hatte, an diesen weiterzuleiten. Mit Urteil vom 2. Oktober 1992 wies das Kantonsgericht die Beschwerden vom 3. und 6. August 1992 ab, büsste Stürm für die missbräuchliche Beschwerde vom 6. August 1992 mit Fr. 80.-- und auferlegte ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Entscheids.
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Stürm reichte gegen das Urteil des Kantonsgerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs und Verletzung des Rechts auf freien Briefverkehr und freie Meinungsäusserung ein. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und hebt den Entscheid des Kantonsgerichts und die Verfügungen des Instruktionsrichters auf, soweit sie die Nichtweiterleitung der Tonbandkassette und des Briefes vom 24. Juli 1992, die Auferlegung einer Busse, der Kosten des Beschwerdeverfahrens und derjenigen des kantonsgerichtlichen Entscheids betreffen. Im übrigen weist es die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintritt.
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BGE 119 Ia, 71 (73)Aus den Erwägungen:
 
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Die Verfügung des Instruktionsrichters, die Briefe des Beschwerdeführers vom 24. und 27. Juli 1992 würden nicht an die Adressatinnen weitergeleitet, bedeutet eine Beschränkung des Rechts auf freien Briefverkehr und einen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit. Ob auch die Verfügung betreffend die Nichtweiterleitung der Tonbandkassette in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fällt, erscheint als fraglich, geht es doch hier nicht um eine schriftliche Form des Verkehrs, sondern um eine mündliche Kommunikation durch das Mittel eines Tonträgers. Die Frage kann indessen dahingestellt bleiben, da die beanstandete Massnahme jedenfalls vom Anwendungsbereich des Art. 10 EMRK erfasst wird und die in dieser Vorschrift genannten Eingriffsvoraussetzungen im wesentlichen mit jenen von Art. 8 EMRK übereinstimmen.
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b) Nach Art. 8 Ziff. 2 und Art. 10 Ziff. 2 EMRK - ebenso wie aufgrund des ungeschriebenen Verfassungsrechts des Bundes (BGE 117 Ia 479 E. 3d) - ist ein Eingriff in den Briefverkehr und in die Meinungsäusserungsfreiheit nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist. Dass es sich dabei um ein Gesetz im formellen Sinn handelt, ist nicht nötig. Es genügt ein Gesetz im materiellen Sinn, etwa eine Verordnung oder ein Reglement (BGE 117 Ia 469; Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 20. Juni 1988 i.S. Schönenberger/Durmaz, Serie A, Band 137, Ziff. 24, vom 25. März 1983 i.S. Silver u.a., Serie A, Band 61, Ziff. 86, 89 = EuGRZ 1984, S. 150, und vom 21. Februar 1975 i.S. Golder, Serie A, Band 18, Ziff. 45 = EuGRZ 1975, S. 100). Die hier in Frage stehenden Eingriffe ergingen in Anwendung von Art. 73 Abs. 1 des BGE 119 Ia, 71 (74)Reglements vom 13. Juli 1983 über die Strafanstalten des Kantons Wallis, welche Vorschrift jeden Verkehr des Untersuchungsgefangenen mit der Aussenwelt der Kontrolle des Untersuchungsrichters und der Direktion unterstellt. Diese Norm bildet nach der erwähnten Rechtsprechung eine genügende gesetzliche Grundlage für eine Beschränkung des Briefverkehrs und der Meinungsäusserungsfreiheit.
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c) Ausserdem ist ein Eingriff in das verfassungsmässige Recht auf freie Meinungsäusserung nur dann zulässig, wenn er im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (BGE 117 Ia 479 E. 3d mit Hinweisen). Im gleichen Sinne, jedoch etwas detaillierter werden diese Eingriffsvoraussetzungen in den Art. 8 Ziff. 2 und 10 Ziff. 2 EMRK umschrieben. Danach sind Beschränkungen des Rechts auf freien Briefverkehr und freie Meinungsäusserung statthaft, wenn sie eine Massnahme darstellen, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutze eines der in Art. 8 Ziff. 2 und Art. 10 Ziff. 2 EMRK angeführten Zwecke notwendig ist. Als Zweck eines Eingriffs werden in diesen Vorschriften u.a. die Verteidigung bzw. Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer genannt. Damit eine Massnahme "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" ist, muss sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) einem "dringenden sozialen Bedürfnis" entsprechen und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten berechtigten Zweck stehen (Urteile des EGMR vom 20. Juni 1988 i.S. Schönenberger/Durmaz, a.a.O., Ziff. 27, vom 24. März 1988 i.S. Olsson, Serie A, Band 130, Ziff. 67 = EuGRZ 1988, S. 598, und vom 25. März 1983 i.S. Silver u.a., a.a.O., Ziff. 97c = EuGRZ 1984, S. 151/152). In der Beschwerdesache Silver und Mitbeteiligte stellte sich die Frage, ob es mit Art. 8 EMRK vereinbar sei, Briefe von Strafgefangenen, in denen die Gefängnisverwaltung in einer ungehörigen und beleidigenden Ausdrucksweise kritisiert wurde, nicht weiterzuleiten. Sie wurde verneint. Dass in einem Brief Ausdrücke verwendet werden, die darauf abzielen, die Behörden verächtlich zu machen oder absichtlich zu beleidigen ("visant à attirer le mépris sur les autorités" ou usant de "termes délibérément injurieux pour les autorités pénitentiaires"), genügt nach der Ansicht des EGMR für sich allein nicht, um ihn zurückzubehalten. Anders ist es, wenn der Briefschreiber mit Gewaltanwendung droht. In einem solchen Fall erachtet der EGMR die Nichtweiterleitung des Briefes als notwendig für die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (Urteil des EGMR vom BGE 119 Ia, 71 (75)25. März 1983 i.S. Silver u.a., a.a.O., Ziff. 64, 99c und 103 = EuGRZ 1984, S. 152 f.; ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 216). Die restriktive Auslegung von Art. 8 Ziff. 2 EMRK in bezug auf Beschränkungen des Briefverkehrs wegen ungebührlicher oder beleidigender Äusserungen gilt nach einem Urteil des EGMR vom 25. Februar 1992 auch für die Korrespondenz von Untersuchungsgefangenen. In diesem Urteil hatte die Kontrollbehörde jene Passagen des Briefes einer Untersuchungsgefangenen unleserlich gemacht, in denen die Haftbedingungen und das Verhalten von Wachebeamten des Gefängnisses kritisiert und dabei die Ausdrücke "Affenpack" und "Spanner" verwendet worden waren. Der EGMR hielt die Massnahme für unverhältnismässig und bejahte eine Verletzung von Art. 8 EMRK (Urteil vom 25. Februar 1992 i.S. Pfeifer und Plankl, Serie A, Band 227, Ziff. 43-48 = EuGRZ 1992, S. 101). In ähnlicher Weise wie der Strassburger Gerichtshof geht das Bundesgericht bei der Beurteilung der Frage, wann der Brief eines Untersuchungsgefangenen wegen ungebührlichen Inhalts zurückbehalten werden darf, von einer engen Interpretation des Begriffs der Ungebühr aus und erachtet diese nur dann als gegeben, wenn die schriftlichen Mitteilungen geeignet sind, den Haftzweck oder die Gefängnisordnung zu gefährden (BGE 99 Ia 288; 101 Ia 148; Urteil vom 3. Dezember 1975, publ. in EuGRZ 1976, S. 84). Gegen eine allzu freizügige Praxis, nach der auch beleidigende Kritik an Behörden es nicht rechtfertigen würde, ein Schreiben eines Untersuchungsgefangenen zurückzubehalten, werden in der Literatur gewisse Vorbehalte angebracht (ROBERT HAUSER, Die Untersuchungshaft im Lichte des Verfassungsrechts und der Menschenrechtskonvention, ZStR 95/1978, S. 267; BRUN-HAGEN HENNERKES, Die Grundrechte des Untersuchungsgefangenen, Diss. Freiburg i.Br. 1966, S. 97/98). Nach der Auffassung HAUSERS bleibt es den Anstaltsinsassen kaum unbekannt, wenn ehrverletzende Briefe geduldet und weitergeleitet werden, und dadurch kann nach der Meinung dieses Autors die Ordnung verletzt oder gefährdet werden. Das ungehinderte Durchlassen grob unkorrekter Briefe untergrabe nämlich die Autorität der zensurierenden Behörde und stelle eine straffe Führung der Untersuchung und der Anstalt in Frage. Ferner dürfe auch ein Justizbeamter verlangen, dass er in seiner Menschenwürde geachtet werde. Beleidigungen vermöchten das Minimum von gegenseitigem Einvernehmen nicht zu gewährleisten, sondern führten zu Verstimmungen, worunter schliesslich die Erforschung der materiellen BGE 119 Ia, 71 (76)Wahrheit zu leiden habe. In ähnlichem Sinne argumentiert HENNERKES, der sich auf den Standpunkt stellt, kein Grundrecht gestatte die Begehung von Straftaten (Ehrverletzungen) oder die Verbreitung lügenhafter Aussagen, und wenn Briefe mit beleidigenden oder offensichtlich unwahren Äusserungen zurückgehalten würden, bedeute das keine Verletzung eines Rechts des Untersuchungsgefangenen.
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d) Es ist im Lichte dieser Erwägungen zu prüfen, ob die Nichtweiterleitung der hier in Frage stehenden Briefe eine notwendige Massnahme im Sinne der Art. 8 Ziff. 2 und 10 Ziff. 2 EMRK darstellt.
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aa) In seinem Brief vom 24. Juli 1992, der an Frau F., Redaktorin der "Wochen-Zeitung", gerichtet ist, schreibt der Beschwerdeführer, dass er am 22. Juli 1992 "durch die Bullen hierher ins Kantonsspital Genf gekarrt" worden sei, dass die Haftbedingungen auch hier der Menschenrechtskonvention nicht entsprächen und dass seine Familie eine Reise durch die ganze Schweiz machen müsse, um ihn in Genf zu besuchen. Er führt in diesem Zusammenhang aus: "Aber wenn der Nilper in Sitten denkt, er könne mich durch derartige Schikanen klein kriegen, dann ist der falsch gewickelt, aber das ist er ja auf jeden Fall." Im weiteren enthält das Schreiben die folgende Passage: "Wegen der Briefbeilage, die der X. uns geklaut hat, musste ich eine staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht schreiben. Denn den Krähen gleich, die einander ja bekanntlich kein Auge aushacken, hat das Kantonsgericht meine Beschwerde gegen den X. unter abenteuerlichsten juristischen Verrenkungen abgewiesen. Die Begründung dieser X.-Kollegen war derart, dass ich in der staatsrechtlichen Beschwerde die Frage stellen musste, ob diese Herren nur einfach blöd seien oder ob die mich verarschen wollten."
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Im Brief vom 27. Juli 1992, der an die für Amnesty International tätige S. adressiert ist, kritisiert der Beschwerdeführer zunächst die Haftbedingungen im Falle des Mitangeschuldigten R. Er führt aus, dieser habe 75 Monate unter der Verantwortung von Untersuchungsrichter X. unter "allerübelsten Haftbedingungen" im Kanton Wallis in Untersuchungshaft gesessen, bis er endlich vor Gericht gestellt worden sei. Zufolge dieser "unendlich lange andauernden Folterhaftbedingungen" sei R. im Februar 1992 nicht mehr in der Lage gewesen, allein zu duschen, und praktisch unfähig gewesen, sich zu artikulieren. Im Anschluss daran schreibt der Beschwerdeführer: "Für mich sind deshalb Leute wie der UR X. nichts anderes als Schreibtischmörder, die sich von einem Adolf Eichmann nur durch die Anzahl der Opfer unterscheiden." Hernach kritisiert er die Haftbedingungen in seinem Fall und hält dabei fest: "So dauerte mein Aufenthalt in diesem Folterloch nur einige Wochen, die BGE 119 Ia, 71 (77)aber genügten, um zu begreifen, dass das Schwein nicht der mich fälschlicherweise belastende R. war." Im weiteren erwähnt er, dass er beim Kantonsgericht Beschwerde gegen einen Entscheid des Instruktionsrichters vom 16. Juni 1992 eingereicht habe, mit dem dieser einen von ihm aufgegebenen Brief nicht weitergeleitet, sondern in den Papierkorb geworfen habe. Er schreibt in diesem Zusammenhang: "Da aber im Wallis die Polizei und die Justiz eine grosse Familie ist, wo, den Krähen gleich, keiner dem andern ein Auge aushackt, hat das Kantonsgericht meine Beschwerde abgewiesen. Die Begründung dieser Abweisung war derart haarsträubend, dass ich in der dann gemachten Beschwerde an das Bundesgericht schreiben musste, ich müsse mich nach dem Lesen dieser Begründung fragen, ob man beim Kantonsgericht nur einfach blöd sei oder ob man mich verarschen wolle, eine andere Deutung dieses kantonsrichterlichen Geschreibes sei nicht möglich."
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bb) Das Kantonsgericht hielt im angefochtenen Entscheid fest, der Beschwerdeführer äussere sich in diesen Schreiben unnötig und ungebührlich über die Walliser Justizbehörden, werfe ihnen Vetternwirtschaft vor und bezeichne sie als blöd. Den Untersuchungsrichter bezeichne er als "Nilper", "Schwein" und "Schreibtischmörder", der sich "von einem Adolf Eichmann nur durch die Anzahl der Opfer" unterscheide. Das Kontrollrecht des Instruktionsrichters gemäss Art. 73 Abs. 1 des Reglements über die Strafanstalten des Kantons Wallis umfasse auch das Recht, Briefe eines Untersuchungsgefangenen mit ausschliesslich oder vorwiegend ehrenrührigem oder drohendem Inhalt nicht weiterzuleiten. Wer sich auf den freien konventionskonformen Briefverkehr als Grundrecht berufe, dürfe nicht gleichzeitig die Grundrechte Dritter verletzen. Der Vorwurf an einen Richter, ein Schreibmörder im Stil eines Adolf Eichmann zu sein, sei offensichtlich ehrverletzend. Der Instruktionsrichter habe sich daher mit guten Gründen geweigert, den Brief weiterzuleiten.
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cc) Was den Brief vom 27. Juli 1992 anbelangt, so behauptet der Beschwerdeführer, er habe die Formulierung betreffend den Schreibtischmörder "in mindestens 10 andern Briefen an Medienschaffende benutzt", ohne dass die Kontrollbehörde das beanstandet hätte. Diese Behauptung wird in keiner Weise belegt, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. Unbehelflich sind ferner die Ausführungen, mit denen der Beschwerdeführer darzutun versucht, dass die Behauptung des Kantonsgerichts, er habe den Instruktionsrichter als "Schreibtischmörder" und als "Schwein" bezeichnet, unzutreffend sei. Es kommt nicht darauf an, wie er selber die in seinem Brief vom 27. Juli 1992 gemachten Äusserungen interpretieren will. Massgebend ist einzig, wie sie von einem BGE 119 Ia, 71 (78)unbefangenen Leser nach den Umständen verstanden werden mussten. Geht man hievon aus, so ist dem Text des Briefes klar zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer darin den Instruktionsrichter als "Schreibtischmörder", der sich "von einem Adolf Eichmann nur durch die Anzahl der Opfer" unterscheide, und ausserdem als "Schwein" bezeichnete. Der gegenüber einem Richter erhobene Vorwurf, ein Schreibtischmörder im Stil eines Adolf Eichmann zu sein, stellt eine massiv ehrverletzende Äusserung dar. Auch die Behauptung, der Instruktionsrichter sei ein Schwein, muss als krass ehrverletzend eingestuft werden, geht es doch hier um eine grobe Beschimpfung. Das Bundesgericht warf im Urteil BGE 101 Ia 148 die Frage auf, ob nicht auch Briefe eines Untersuchungsgefangenen als "ungebührlich" zurückbehalten werden dürften, die "krass unanständige Bemerkungen" oder "unflätige Beleidigungen" enthielten. Es liess die Frage damals offen, weil sich in jenem Fall in den beanstandeten Briefen keine derartigen Äusserungen fanden. Im hier zu beurteilenden Fall betrifft nun der gerügte Eingriff einen Brief, der solche "unflätigen Beleidigungen" oder anders ausgedrückt krass ehrverletzenden Äusserungen enthält. Wird ein Schreiben, das einen krass ehrverletzenden Inhalt aufweist, von der Kontrollbehörde nicht angehalten, so wird sich das unter den Anstaltsinsassen rasch herumsprechen, und es könnte andere dazu animieren, in gleicher Art zu korrespondieren. Das könnte zu einer Spannung zwischen den Gefangenen und dem Anstaltspersonal führen und damit die Ordnung im Gefängnis gefährden. In diesem Sinne erachtete es das Bundesgericht im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung als zulässig, dass der Brief eines Strafgefangenen nicht weitergeleitet wurde, dem ein von Anstaltsinsassen unterzeichnetes Rundschreiben mit ehrverletzendem Inhalt beigefügt war (Urteil vom 24. Januar 1992 i.S. B., E. 3b/bb, publ. in Rivista di diritto amministrativo e tributario ticinese II-1992, Nr. 23, S. 51 f.). Sodann findet das Grundrecht des Untersuchungsgefangenen, sich in Briefen frei zu äussern, seine Schranken in dem Recht der persönlichen Ehre der mit der Strafsache befassten Beamten. Wohl mag der Untersuchungsgefangene ein besonderes Bedürfnis haben, dem aufgestauten Unmut über seine Situation in der Weise Luft zu machen, dass er in seinen Briefen zu wenig schmeichelhaften Ausdrücken greift, mit denen er seiner Kritik an den Gefängnisbehörden, dem Haftrichter oder andern Beamten Ausdruck verleiht. Dem ist Rechnung zu tragen, und der Brief eines Häftlings darf deshalb nicht schon dann zurückbehalten werden, wenn er eine unsachliche, unanständige, ungehörige oder ungebührliche Kritik an einem Justizbeamten enthält (vgl. den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 11. Oktober 1980 i.S. Silver u.a., BGE 119 Ia, 71 (79)Serie B, Band 51, S. 87 u. 96, N. 356 u. 406). Wann die zulässige Grenze überschritten ist, kann nicht allgemein umschrieben werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im hier zu beurteilenden Fall wurde die zulässige Grenze überschritten, denn die vom Beschwerdeführer gegenüber dem Instruktionsrichter erhobenen Vorwürfe, ein "Schreibtischmörder" im Stil eines "Adolf Eichmann" und ein "Schwein" zu sein, stellen einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre dieses Beamten dar. Was das Vorgehen der Kontrollbehörde anbelangt, so wäre es wohl vorzuziehen gewesen, wenn sie entweder die beanstandeten Ausdrücke unkenntlich gemacht und den Brief hernach in dieser korrigierten Form weitergeleitet hätte, oder aber den Brief unter genauem Hinweis auf die unzulässigen Passagen an den Beschwerdeführer zurückgesandt hätte, um diesem Gelegenheit zu geben, eine verbesserte Fassung des Briefes an die Adressatin abzusenden. Es steht indes der Behörde in diesem Bereich ein gewisser Spielraum des Ermessens offen, weshalb nicht gesagt werden kann, es sei eine unverhältnismässige Massnahme, dass der Instruktionsrichter keine dieser Möglichkeiten gewählt, sondern sich zur Nichtweiterleitung des Briefes entschlossen hat. Die Beschwerde ist in diesem Punkt im Sinne der Erwägungen abzuweisen.
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dd) Anders verhält es sich hinsichtlich der Nichtweiterleitung des Schreibens vom 24. Juli 1992, in welchem keine Ausdrücke wie "Schreibtischmörder" oder "Schwein" verwendet werden. Der Beschwerdeführer bezeichnet in diesem Brief den Instruktionsrichter als "Nilper". Was mit diesem Wort gemeint ist, weiss man nicht und kann auch dahingestellt bleiben, da es jedenfalls nicht zulässig wäre, das Schreiben deswegen zurückzubehalten. Im weiteren wird die Formulierung verwendet, der Instruktionsrichter habe die Briefbeilage (die er damals nicht weitergeleitet, sondern in den Papierkorb geworfen hatte) "geklaut". In Anbetracht des Umstandes, dass es hier nicht um das Briefpapier als Sache, sondern um die Weiterleitung einer brieflichen Mitteilung ging (vgl. das Urteil des Bundesgerichts vom 23. Oktober 1992 i.S. Stürm, S. 10), kann angenommen werden, der Beschwerdeführer wolle mit dem genannten Ausdruck nicht die Anschuldigung eines Diebstahls erheben, sondern bloss behaupten, der Instruktionsrichter habe das Schriftstück verschwinden lassen. Es kann in diesem Punkt nicht von einer ehrverletzenden und schon gar nicht von einer krass ehrverletzenden Äusserung gesprochen werden. Das gleiche gilt für die Kritik, die der Beschwerdeführer gegenüber dem Walliser Kantonsgericht im Zusammenhang mit einem abweisenden Beschwerdeentscheid vorbringt. Die Nichtweiterleitung des Briefes vom 24. Juli 1992 stellte daher BGE 119 Ia, 71 (80)keine notwendige Massnahme im Sinne der Art. 8 und 10 EMRK dar. In diesem Punkt ist die Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf freien Briefverkehr und freie Meinungsäusserung gutzuheissen.
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