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Informationen zum Dokument  BGE 108 Ib 489  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Der Präsident der Schätzungskommission hat im angefo ...
2. In ihrer Beschwerde weisen die Enteigneten darauf hin, dass si ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
83. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Juni 1982 i.S. Erben Bertschy-Ringier gegen SBB, Kreis 2, und Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 9
 
 
Regeste
 
Art. 76 EntG; vorzeitige Besitzeinweisung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 108 Ib, 489 (489)Die Schweizerischen Bundesbahnen haben im Rahmen eines Sanierungsprogrammes in der luzernischen Gemeinde Meggen drei Niveau-Übergänge (Bodenmattweg, Eiholzweg und Benzholzstrasse) aufgehoben und beabsichtigen, die bereits bestehende Unterführung Habsburgstrasse, die nunmehr auch den Fahrverkehr von der Benzholzstrasse aufnehmen muss, durch ein neues, um einige Meter verschobenes und grösseres Unterführungs-Bauwerk zu ersetzen. Gleichzeitig soll die Habsburgstrasse erweitert, mit einem Trottoir versehen und ihre Linienführung auf einer Länge von knapp 200 m bis zur Einmündung in die Seestrasse verbessert werden.
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Für die durch die neue Unterführung bedingte Verlegung der Habsburgstrasse benötigen die SBB ca. 875 m2 der Parzelle BGE 108 Ib, 489 (490)Nr. 257 (GB Meggen) im Halte von insgesamt 24'559 m2, die zur Zeit zum übrigen Gemeindegebiet gehört und im Eigentum der Erben Bertschy-Ringier steht. Da sich die Grundeigentümer zur Abtretung dieser Fläche nicht bereit erklärten, leitete der Präsident der Schätzungskommission, Kreis 9, ein abgekürztes Enteignungsverfahren ein. Die Enteigneten erhoben gegen das Projekt Einsprache und bestritten, dass den SBB für die Verlegung der Habsburgstrasse das Enteignungsrecht zustehe; eventuell wurde eine Planänderung beantragt.
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Nach Durchführung der Einigungsverhandlung bewilligte der Schätzungskommissions-Präsident den SBB auf ihr Begehren hin die vorzeitige Inbesitznahme jenen Teils des Grundstückes Nr. 257, der nach den Enteignungsplänen nördlich des Querprofils 4 liegt. Gegen diesen Entscheid haben die Erben Bertschy-Ringier Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, welche vom Bundesgericht abgewiesen wird.
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Aus den Erwägungen:
 
1. Der Präsident der Schätzungskommission hat im angefochtenen Entscheid zunächst ausgeführt, dass die Entschädigungsforderung auch nach der Besitzergreifung noch ohne Schwierigkeit beurteilt werden könne und somit die in Art. 76 Abs. 4 Satz 1 EntG umschriebene Voraussetzung erfüllt sei. Im weiteren sei auch dargelegt worden, dass dem Unternehmen ohne die vorzeitige Inbesitznahme bedeutende Nachteile entstünden (Art. 76 Abs. 1 EntG), und erlitten die Enteigneten durch die Besitzergreifung offensichtlich keine Schäden, die bei nachträglicher Gutheissung ihrer Einsprache nicht wieder gutzumachen wären (Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG). Indessen hat der Kommissions-Präsident präzisiert, dass die Bedingungen für eine vorzeitige Inbesitznahme nur insoweit gegeben seien, als der Bau des Unterführungswerkes selbst und des nördlichen Teils der Habsburgstrasse bis zur Einmündung der Fridolin-Hofer-Strasse in Frage stünde; die Erstellung des südlichen Teils der Gemeindestrasse sei hingegen nicht dringend.
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BGE 108 Ib, 489 (491)Bei der Revision des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 (in Kraft seit 1. August 1972) hat der Gesetzgeber im Bestreben, das Verfahren zu beschleunigen, neu die Möglichkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung vor rechtskräftiger Erledigung der Einsprachen geschaffen (Art. 76 Abs. 4 EntG; Botschaft des Bundesrates vom 20. Mai 1970 BBl 1970 I S. 1026 f., Kreisschreiben des Bundesgerichtes vom 8. September 1975, publ. in BGE 101 Ib 173; vgl. zur alten Regelung HESS, N. 4 zu Art. 76 EntG). Vorausgesetzt wird einzig, dass bei nachträglicher Gutheissung der Einsprache keine nicht wieder gutzumachenden Schäden entstehen (Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG). Nun hätten im vorliegenden Verfahren, falls den Einsprechern recht gegeben würde, die SBB einzig den früheren Zustand der Wiesenparzelle wieder herzustellen - was ohne weiteres möglich wäre - und den allenfalls durch die Inanspruchnahme der Parzelle entstandenen Schaden zu vergüten. Nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden offensichtlich nicht. Dass sich die Massnahmen zur Wiederherstellung als kostspielig erweisen könnten, ist für die Beschwerdeführer ohne Belang; Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG schützt nur die Enteigneten, nicht den Enteigner, der allein das mit der Besitzergreifung verbundene Risiko trägt (vgl. nicht publ. Entscheide vom 7. September 1972 i.S. Vérolet und vom 8. Mai 1974 i.S. Stämpfli). Aus dem gleichen Grunde ist auch der Einwand abzuweisen, die Ausführung des Werkes präjudiziere den Entscheid über die Einsprache und das Planänderungsgesuch. Über die Begehren der Einsprecher ist - erstinstanzlich durch das Departement, zweitinstanzlich durch das Bundesgericht - ausschliesslich aufgrund der vorgetragenen rechtlichen Argumente zu befinden, ohne Rücksicht darauf, ob die Bauarbeiten schon in Angriff genommen worden seien oder nicht.
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Übrigens machen die Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend, die Ausnahmebestimmung von Art. 51 EntG hätte Anwendung finden müssen (vgl. BGE 101 Ib 173), und bestreiten auch nicht, dass die SBB im Gegensatz zu anderen im öffentlichen Interesse tätigen Unternehmungen das Enteignungsrecht schon von Gesetzes wegen besitzen (Art. 3 des Eisenbahngesetzes; vgl. BGE 105 Ib 202 E. 1e).
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