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Informationen zum Dokument  BGE 114 Ib 44  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. a) Die vorliegende Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des ...
2. a) Gemäss Art. 8 GSchG können die Kosten von Massnah ...
3. In der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden Verf&uum ...
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5. Im weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, die Ver ...
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8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. März 1988 i.S. Firma X. gegen Politische Gemeinde O. und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 8 GSchG. Verunreinigung des Grundwassers durch Perchlor- und Trichloräthylen; Kostentragungspflicht. Bestätigung der Rechtsprechung zu Art. 8 GSchG.  
- Der Inhaber eines Betriebs, in welchem die eine Gewässerverschmutzung bewirkenden chlorierten Kohlenwasserstoffe verwendet wurden, ist auch Verhaltensstörer und damit Verursacher im Sinne von Art. 8 GSchG.  
- Zeitlicher Geltungsbereich von Art. 8 GSchG (E. 2c/bb).  
- Vorbehalt in bezug auf die endgültige Kostentragung (E. 3).  
- Die Kostenansprüche aus Art. 8 GSchG verjähren nicht, solange der polizeiwidrige Zustand andauert und solange ein Anspruch auf dessen Beseitigung besteht (E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 114 Ib, 44 (45)Anlässlich einer im Herbst 1985 durchgeführten Trinkwasseruntersuchung stellte das kantonale Laboratorium fest, dass das dem Pumpwerk N. entnommene Trinkwasser eine weit über der Toleranzgrenze von 25 µg/l für alle chlorierten Kohlenwasserstoffe liegende Konzentration aufwies, nämlich 12 µg/l Perchloräthylen und 248 µg/l Trichloräthylen.
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Nachdem Bodenmessungen auf dem Betriebsareal der Firma X. deutliche Konzentrationserhöhungen ergeben hatten, gelangte letztere mit Schreiben vom 8. November 1985 an das Bezirksamt Wil und wies darauf hin, sie habe vor Jahren in ihrem Betrieb Trichloräthylen zu Reinigungszwecken verwendet. Deshalb müsse angenommen werden, dass durch unvorsichtiges Handhaben dieser Reinigungsmittel Teilmengen verschüttet worden seien. Die Ursache der Rückstände auf ihrem Betriebsareal müsse allerdings, soweit sie nicht sogar auf Arbeiten vor der am 1. Dezember 1962 erfolgten Betriebsübernahme zurückzuführen sei, schon viele Jahre zurückliegen, weil seit einigen Jahren nur noch kleine Mengen derartiger Reinigungsmittel in geschlossenen Räumen verbraucht würden.
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Am 18. Dezember 1985 verfügte der Gemeinderat von O., dass die Firma X. für die Sanierung und die allfällige Beseitigung des durch BGE 114 Ib, 44 (46)die Verschmutzung verseuchten Erdmaterials sowie die Kosten der damit im Zusammenhang stehenden, vom kantonalen Amt für Gewässerschutz angeordneten oder mit Zustimmung der Versicherung beschlossenen Untersuchungen, Expertisen usw. haftbar gemacht werde. Zur Begründung führte der Gemeinderat aus, dass die festgestellte Gewässer- und Erdreichverunreinigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entweder durch einen verheimlichten Betriebsunfall oder aber durch eine Missachtung der Gewässervorschriften seitens der Firma X. verursacht worden sei, weshalb sie als Alleinverursacherin dafür einzustehen habe.
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Die Firma X. zog diesen Entscheid an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen weiter und verlangte dessen Aufhebung. Die Streitsache wurde in der Folge zuständigkeitshalber an die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen übermittelt. Diese wies den Rekurs am 4. Februar 1987 ab. Die
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Firma X. erhob gegen diesen Entscheid am 2. März 1987 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Die Begründung dazu wurde innerhalb der gesetzten Frist am 14. April 1987 nachgereicht. Das Verwaltungsgericht erliess jedoch am 24. September 1987 einen Nichteintretensentscheid, nahm die von der Firma X. eingereichte Beschwerdeschrift als eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegen und leitete diese gemäss Art. 107 Abs. 2 OG zusammen mit den ergangenen Akten an das Bundesgericht weiter.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. a) Die vorliegende Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen gestützt auf Art. 107 Abs. 2 OG dem Bundesgericht zur Beurteilung überwiesen. Die Beschwerdeführerin hatte im Kanton innerhalb 30 Tagen seit der Eröffnung des angefochtenen Entscheides beim kantonalen Verwaltungsgericht erklärt, sie erhebe Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Begründung erfolgte jedoch erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäss Art. 106 Abs. 1 OG, aber noch vor dem vom kantonalen Gericht gesetzten Termin. Es wäre somit zu prüfen, ob damit die Anforderungen von Art. 108 Abs. 2 OG erfüllt sind. Da indessen die Verwaltungsrekurskommission im angefochtenen Entscheid auf den Rechtsweg an das kantonale Verwaltungsgericht verwies und weil sich diese Rechtsmittelbelehrung als unzutreffend herausstellte, dürfte der Beschwerdeführerin selbst dann, wenn sich ihre BGE 114 Ib, 44 (47)Begründung, gemessen am Bundesrecht, als unzureichend bzw. als verspätet erweisen sollte, kein Nachteil erwachsen (Art. 107 Abs. 3 OG).
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b) Der angefochtene Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen stützt sich auf Art. 8 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (GSchG). Er ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid im Sinne von Art. 98 lit. g OG. Ein Ausschlussgrund gemäss Art. 99 ff. OG liegt nicht vor. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig (Art. 10 GSchG). Das Bundesgericht hat die Anwendung des Bundesrechts (Art. 104 lit. a OG), einschliesslich der Angemessenheit der Verfügung (Art. 10 GSchG), zu überprüfen. Da der angefochtene Entscheid von einer Rekurskommission im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG gefällt worden ist, ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhaltes gebunden, soweit er nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (vgl. BGE 106 Ib 202 E. 1a mit Hinweis sowie Art. 16 und Art. 50 des kantonalen Gerichtsgesetzes vom 2. April 1987).
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2. a) Gemäss Art. 8 GSchG können die Kosten von Massnahmen, welche die zuständigen Behörden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gewässerverunreinigung sowie zur Feststellung und zur Behebung einer Verunreinigung treffen, den Verursachern überbunden werden. Als "Verursacher" gelten nach bundesgerichtlicher Praxis die Störer im polizeirechtlichen Sinn, wobei zwischen Verhaltens- und Zustandsstörer unterschieden wird. Obschon der Begriff des Störers entwickelt wurde, um zu bezeichnen, wer polizeirechtlich verpflichtet ist, eine Gefahr oder Störung zu verhindern oder zu beseitigen, wird daran auch angeknüpft, wenn zu bestimmen ist, wer die Kosten für die Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes zu tragen hat (Urteil des Bundesgerichtes vom 12. Februar 1986, E. 1 mit Hinweisen, veröffentlicht im ZBl 88/1987, S. 302). Diese notwendigen Massnahmen umfassen nicht nur diejenigen, welche vom Störer selber hätten vorgekehrt oder veranlasst werden können und lediglich wegen zeitlicher Dringlichkeit direkt von der zuständigen kantonalen Behörde angeordnet worden sind, sondern auch solche, welche von vornherein technisch und rechtlich nur von den polizeilichen Organen und den ihnen beigeordneten Spezialdiensten vorgenommen oder angeordnet werden können (Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1981, E. 2b mit Hinweisen, veröffentlicht im ZBl BGE 114 Ib, 44 (48)83/1982, S. 543; vgl. auch BGE 102 Ib 206 E. 2). Damit hat die Rechtsprechung berücksichtigt, dass Art. 8 GSchG nicht mehr rein polizeilich begründet ist, sondern eine darüber hinausreichende Haftpflicht normiert. Andererseits wurde zur Einschränkung des Kreises der Kostenpflichtigen das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Verursachung der Gefahr oder der Störung aufgestellt. Danach kommen als polizeirechtlich erhebliche Ursachen nur solche Handlungen in Betracht, die bereits selber die Grenze zur Gefahr überschritten haben; entferntere, lediglich mittelbare Verursachungen scheiden aus. Verhaltensstörer in diesem Sinn ist deshalb nur jemand, dessen Verhalten unmittelbar die Gefahr gesetzt hat. Beim Zustandsstörer muss dementsprechend die Sache selber unmittelbar die Gefahrenquelle gebildet haben (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Februar 1986, E. 1, und Urteil vom 7. Oktober 1981, E. 2a, je mit Hinweisen, veröffentlicht im ZBl 88/1987, S. 302 und 83/1982, S. 542). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung trotz der in der Lehre vereinzelt vorgebrachten Kritik im Urteil vom 12. Februar 1986 i.S. T. erneut bestätigt (ZBl 88/1987, S. 301 ff.). Auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, diese Praxis in Frage zu stellen.
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b) Der Sachverhalt des vorliegenden Falles stellt sich wie folgt dar: Verschiedene Sondierbohrungen haben ergeben, dass die Deckschichten und das Grundwasser im Gebiet des südlichen "Zahnersmülermoos" zwischen dem Pumpwerk N., dem Dorfbach und dem Grundstück Nr. 848 der Firma X. chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) enthalten. Die Linie gleicher Konzentration (über 100 µg/l Grundwasser) bildet innerhalb dieses Bereichs ein eiförmiges Gebilde mit Schwerpunkt bei den Kernbohrungen auf der Parzelle der Firma X. Die Mächtigkeit der Linse erfasst mit abnehmender Konzentration nach unten den ganzen Grundwasserleiter von durchschnittlich 14 m Wassersäule. Bei Pumpbetrieb strömt das mit CKW angereicherte Grundwasser aus dem Bereich der Parzelle Nr. 848 gegen das Pumpwerk N. Ist dieses abgestellt, so bewegt sich das verschmutzte Grundwasser Richtung NE gegen den Dorfbach. Zudem zeigte sich, dass das in den Proben aus dem Grundwasser beobachtete Verhältnis Trichloräthylen/Perchloräthylen unter Berücksichtigung des verschiedenen Dampfdrucks mit einer Probe aus dem Lösungsmittellager der Firma X. weitgehend übereinstimmt. Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse kommt der vom Baudepartement des Kantons St. Gallen und der Gemeinde O. zugezogene Experte in BGE 114 Ib, 44 (49)seinem Gutachten vom 5. Mai 1986 zum Schluss, dass der Verschmutzungsherd eindeutig in der Parzelle Nr. 848 liege und dass die Struktur der Verschmutzung auf eine schon seit Jahren bestehende, ziemlich gleichmässige Zufuhr von CKW schliessen lasse. In einer am 16. Juni 1986 der Gemeinde O. gegenüber abgegebenen "Interpretation des Unfallgeschehens" nennt der gleiche Experte zwei mögliche Abläufe des "Unfallgeschehens", nämlich die Möglichkeit des "schleichenden Verlaufs" und diejenige des "einmaligen Ereignisses (Unfall)". Bei der Variante "schleichender Verlauf" könnten beim Reinigen von Werkstücken in der Halle oder unmittelbar daneben im Freien wiederholt kleine Mengen von CKW abgetropft und versickert sein. Es scheine auch möglich, dass die verwendeten CKW (hauptsächlich Trichloräthylen) in gasförmiger Phase in den Boden eingedrungen seien. Betonböden bildeten kein Hindernis für die im Betrieb X. verwendeten CKW. Dem Begriff des "einmaligen Ereignisses (Unfall)" würde dagegen ein unachtsames Ausleeren oder Auslaufen einer grösseren Menge CKW entsprechen. Unter Umständen könne dieses Ereignis auch mehrere Male aufgetreten sein. Aufgrund wissenschaftlicher Kriterien über biologische Abbauprozesse für Trichloräthylen müsste im vorliegenden Fall nach der vom Gutachter am 16. Juni 1986 vertretenen Auffassung vor einem Jahr ein Unfall mit mindestens 120 kg Trichloräthylen passiert sein, bzw. es müsste vor ca. 1 1/2 Jahren ein Fass von 200 l ausgelaufen sein. In seinen Schlussfolgerungen erklärte der Experte, nach den heutigen Kenntnissen sei es nicht möglich, allein aus den Konzentrationsverteilungen von CKW im Grundwasser und in den Deckschichten zu entscheiden, ob ein Lösungsmittel allmählich oder in einem oder mehreren Schüben "(unfallmässiges Ausleeren oder rasches Auslaufen)" ins Grundwasser gelangt sei. Diese "Interpretation des Unfallgeschehens" vom 16. Juni 1986 verfasste der Experte zuhanden der Gemeinde O. nach einer Sitzung im Gemeindehaus von O. vom 12. Juni 1986, an welcher Vertreter der Gemeinde O., der Dorfkorporation N., des Kantons St. Gallen, Experten, Vertreter der Versicherung sowie der Inhaber der Firma X. anwesend waren. Dabei bestritt der Vertreter der Versicherung, dass seine Gesellschaft leistungspflichtig sei. Es handle sich beim Schadenereignis nicht um einen Unfall, etwa vergleichbar mit einem Benzin-/Ölunfall. Die Firma X. habe von 1962 bis 1973 Stahlkonstruktionen entfettet. Dabei seien die Lösungsmittel nicht programmwidrig versickert. Die erwähnte "Interpretation des Unfallgeschehens" BGE 114 Ib, 44 (50)des Gutachters ist somit in diesem versicherungsrechtlichen Zusammenhang zu sehen.
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Die Beschwerdeführerin wendet zwar ein, der Sachverhalt sei zu wenig abgeklärt. Sie erhebt diesen Vorwurf aber weniger gegen die Verwaltungsrekurskommission als gegen die Gemeinde O., die ihre Verfügung vom 18. Dezember 1985 vor Kenntnis der rechtserheblichen Tatsachen getroffen habe. In diesem Zusammenhang erweist sich der Einwand aber als unbegründet (vgl. dazu E. 3). Zudem bestreitet sie nicht eigentlich die Untersuchungsergebnisse und die Schlussfolgerungen im Gutachten des Experten vom 5. Mai 1986, sondern macht geltend, es sei noch ungeklärt, wie die CKW in den Boden gelangten, allmählich oder in einem oder mehreren Schüben. Wie die folgenden Erwägungen zeigen, ist dies aber für die Anwendung von Art. 8 GSchG unerheblich.
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c) Der Gemeinderat O. hat die Beschwerdeführerin "für die Sanierung und die allfällige Beseitigung des verseuchten Erdmaterials (unter, in unmittelbarer Nähe des Betriebs und in der Umgebung)" haftbar gemacht. Ebenso wurde sie haftbar gemacht "für alle in diesem Zusammenhang entstehenden Untersuchungskosten, Expertisen etc., soweit sie vom kantonalen Amt für Gewässerschutz oder mit direkter Zustimmung der Versicherung angeordnet wurden". Schliesslich wurde bestimmt, dass über die Art und Grösse der vorzunehmenden Wasser- und Erdreichsanierungen die Fachleute mit Zustimmung des kantonalen Amtes für Gewässerschutz entscheiden würden.
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Es ist im folgenden zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 8 GSchG für diese Kosten entweder als Zustandsstörerin oder als Verhaltensstörerin haftbar gemacht werden darf.
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aa) Zustandsstörer ist, wer über die Sache, welche den ordnungswidrigen Zustand bewirkt, rechtliche oder tatsächliche Gewalt hat. Als solcher fällt in erster Linie der Eigentümer, aber auch der Mieter, der Pächter, der Verwalter und Beauftragte in Betracht. Anknüpfungspunkt der Zustandshaftung ist somit die Verfügungsmacht, die es dem Gewalthaber ermöglicht, die Sache in ordnungsgemässem Zustand zu halten oder den Gefahrenherd zu beseitigen. Als Grund für die Verantwortlichkeit des Eigentümers wird ebenfalls genannt, dass er die Vorteile seiner Sache geniesse und daher auch die mit ihr verbundenen Nachteile selber zu tragen habe und nicht der Allgemeinheit aufbürden könne. Nach herrschender Lehre ist es unerheblich, wodurch der polizeiwidrige Zustand der Sache verursacht worden ist. Die Störung kann durch BGE 114 Ib, 44 (51)Dritte, Naturereignisse, höhere Gewalt und Zufall entstanden sein. Entscheidend ist allein die objektive Tatsache, dass eine Störung vorliegt und dass die Sache selbst unmittelbar die Gefahrenquelle bildet (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Februar 1986, E. 1b mit Hinweisen, veröffentlicht im ZBl 88/1987, S. 303).
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Für die Verwaltungsrekurskommission steht die Beschwerdeführerin als Zustandsstörerin fest. Diese sei Eigentümerin der mit Tri- und Perchloräthylen stark angereicherten Grundstücke, weshalb sie aufgrund ihres Herrschaftsverhältnisses zur störenden Sache als Zustandsstörerin zu gelten habe.
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Dieser Auffassung ist beizupflichten. Die Beschwerdeführerin erfüllt die vorgenannten Voraussetzungen des Zustandsstörers im Sinne von Art. 8 GSchG. Sie ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 848, welche eindeutig als Verschmutzungsherd identifiziert worden ist (vgl. E. 2b). Als solche hat sie die Verfügungsmacht, die Gefahrenquelle, welche sich zweifellos zu einem erheblichen Teil noch im räumlichen Einzugsbereich ihrer Eigentumsherrschaft befindet, zu beseitigen. Der Einwand, der Verschmutzungsbereich liege ausserhalb ihrer Herrschaftsrechte, erweist sich somit nur als teilweise zutreffend und vermag die Beschwerdeführerin ohnehin nicht zu entlasten, weil allein ihr Grundstück den ordnungswidrigen Zustand, d.h. die heute bestehende Gewässerverschmutzung bewirkt hat. Ausserhalb ihres Einflussbereiches erfolgt die Sanierung durch das Gemeinwesen, aber auf ihre Kosten. Die Beschwerdeführerin verkennt auch, dass Schutzobjekt von Art. 8 GSchG das im Boden liegende Grundwasser ist und nicht erst das durch das Pumpwerk an die Oberfläche beförderte Trink- und Gebrauchswasser. Störer kann somit nicht das Gemeinwesen sein, dem der Grundwasserstrom gehört, und erst recht kann nicht der Pumpbetrieb als Ursache angesehen werden, weil - wie in der Beschwerde behauptet wird - ohne diesen keine chlorierten Kohlenwasserstoffe ins Pumpwerk N. gelangt wären.
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bb) Verhaltensstörer ist, wer durch eigenes Verhalten oder durch das unter seiner Verantwortung erfolgte Verhalten Dritter unmittelbar eine polizeiwidrige Gefahr oder Störung verursacht. Verhalten ist Tun oder Unterlassen, wobei ein Unterlassen die Verhaltenshaftung nur begründet, wenn eine besondere Rechtspflicht zu sicherheits- oder ordnungswahrendem Handeln besteht (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Februar 1986, E. 1a mit Hinweisen, veröffentlicht im ZBl 88/1987, S. 302).
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BGE 114 Ib, 44 (52)Die Verwaltungsrekurskommission kommt zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe auch als Verhaltensstörerin zu gelten, denn es sei erwiesen, dass sie die durch die Lösungsmittel herbeigeführte Gewässerverschmutzung verursacht habe.
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Die Beschwerdeführerin gibt zu, "hauptsächlich" vor dem 1. Juli 1972 chlorierte Kohlenwasserstoffe zu Reinigungszwecken gebraucht zu haben. Sie räumt damit ausdrücklich ein, auch nach diesem Datum noch solche Kohlenwasserstoffe als Reinigungsmittel verwendet zu haben. Konkret gibt sie an, dass zwischen 1962 und 1973 regelmässig Bauteile mit chlorierten Kohlenwasserstoffen gereinigt worden seien. Damit erweist sie sich aber als Verhaltensstörerin im Sinne von Art. 8 GSchG. Dass sich ihr polizeiwidriges Verhalten grösstenteils auf einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten des neuen Gewässerschutzgesetzes bezieht, ändert nichts an der Anwendbarkeit der Haftungsnorm von Art. 8 GSchG. Unter diese Vorschrift fallen auch Gewässerverunreinigungen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli 1972 verursacht worden sind, deren Sanierung sich aber erst nach diesem Zeitpunkt als notwendig erweist. Eine solche Gesetzesanwendung stellt, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, nach der Praxis des Bundesgerichts keine unzulässige Rückwirkung dar (BGE 106 Ia 258 E. 3a mit Hinweisen). Gesetzgeber wollte somit in Art. 8 GSchG die Grundlage dafür schaffen, dass die Kosten von Massnahmen unter anderem zur Behebung von am 1. Juli 1972 schon bestehenden oder künftig entstehenden Gewässerverunreinigungen den Verursachern überbunden werden können.
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cc) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es nicht darauf an, ob ihr Betrieb in einem polizeiwidrigen Zustand gewesen sei oder ob sie oder ihre Angestellten irgendwelche Verhaltensvorschriften verletzt haben. Art. 8 GSchG normiert eine Kostentragung für bestimmte Massnahmen, unabhängig davon, ob der in Pflicht Genommene sich eine Rechtswidrigkeit zuschulden kommen liess oder nicht (vgl. CLAUDE ROUILLER, L'exécution anticipée d'une obligation par équivalent, Note sur les Art. 7 et 8 LPEP, in Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 591 ff., S. 598). Dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn ein Verhaltensstörer wegen einer Unterlassung verpflichtet werden soll.
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dd) Schliesslich beschwert sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass die Vorinstanz nicht auf das Problem der Konkurrenz, der Mehrheit von Störern, eingegangen sei. Sie hat dies zu Recht nicht getan, da keine solchen bekannt sind. Die Beschwerdeführerin BGE 114 Ib, 44 (53)nennt zwar als weitere mögliche Störer gewisse Behörden von Gemeinde und Kanton (Gewässerschutzamt, Fabrikinspektorat und allgemein die mit dem Vollzug des Gewässerschutzgesetzes beauftragten Personen) und wirft ihnen vor, sie hätten es zu Unrecht unterlassen, Auflagen für die Verwendung gefährlicher Lösungsmittel zu verfügen. Indessen beruft sie sich auf keine gesetzlichen Bestimmungen, welche für die genannten staatlichen Stellen eine solche besondere Rechtspflicht zu sicherheits- oder ordnungswahrendem Handeln normieren würden. Damit fehlt aber eine wesentliche Voraussetzung, damit das beanstandete Unterlassen überhaupt als Störung im Sinne von Art. 8 GSchG qualifiziert werden kann. Eine analoge Argumentation gilt auch in bezug auf den Lösungsmittelproduzenten (vgl. dazu BGE 113 Ib 236 E. 4b/aa-dd).
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3. In der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden Verfügung des Gemeinderates O. vom 18. Dezember 1985 wird festgestellt, die Firma X. werde für die Sanierung des Grundwassers und die allfällige Beseitigung des verseuchten Erdmaterials im Bereich ihrer Betriebsliegenschaft sowie für alle in diesem Zusammenhang entstehenden Untersuchungskosten haftbar gemacht. Die Verwaltungsrekurskommission hat die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Feststellungsverfügung als erfüllt erachtet. Insbesondere hält sie das rechtliche Interesse der Gemeinde O. an der Feststellung der grundsätzlichen Ersatzpflicht der Beschwerdeführerin für gegeben, zumal sich - mangels Kenntnis des Ausmasses der zur Beseitigung der Gewässerverschmutzung notwendigen Massnahmen - die daraus erwachsenden Kosten noch nicht bestimmen bzw. durch gestaltende Verfügung auf die Beschwerdeführerin überbinden liessen. Des weiteren sei ein aktuelles Interesse der Gemeinde an der sofortigen Feststellung der grundsätzlichen Ersatzpflicht anzunehmen, weil ihr nur aufgrund der vorgängigen Ausräumung der Ungewissheit über die Ersatzpflicht ermöglicht werde, hinsichtlich der einzelnen Sanierungsmassnahmen ein möglichst einvernehmliches Vorgehen mit der Ersatzpflichtigen zu wählen. Im übrigen verlange auch die Rechtssicherheit, dass ein Feststellungsentscheid über die grundsätzliche Frage der Ersatzpflicht ergehen könne. Würde nämlich die Zulässigkeit einer solchen Verfügung verneint, bestünde lediglich die Möglichkeit, nach Durchführung der einzelnen Gewässerschutzmassnahmen durch entsprechende Leistungsverfügungen die jeweiligen Massnahme-Kosten der Beschwerdeführerin zu überbinden. Bei BGE 114 Ib, 44 (54)Zulässigkeit des Feststellungsentscheides könne eine widersprüchliche Rechtslage vermieden werden, weil durch Feststellungsverfügung einheitlich über die grundsätzliche Frage der Ersatzpflicht entschieden werde und bei den späteren Leistungsverfügungen lediglich noch die Notwendigkeit der einzelnen Massnahmen oder die Angemessenheit der Kosten in Frage gestellt werden könne. Diese Ausführungen überzeugen. Sie stimmen mit der Praxis des Bundesgerichts überein. So wurde im Entscheid vom 7. Oktober 1981 i.S. X. AG (ZBl 83/1982, S. 547 f.) ebenfalls eine grundsätzliche Haftung der genannten Gesellschaft bejaht. Allerdings fügte das Bundesgericht bei, ob ihr schliesslich der volle Betrag überbunden werden könne, lasse sich endgültig erst beurteilen, wenn die Kosten im einzelnen feststünden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Überwälzung des vollen Betrages als wirtschaftlich nicht mehr tragbar erweise und eine entsprechende Reduktion vorgenommen werden müsse. Dabei sei wohl auch noch zu berücksichtigen, wie weit die Schadenersatzleistung versichert oder überhaupt versicherbar gewesen sei (vgl. dazu CLAUDE ROUILLER, a.a.O., insbesondere S. 604). Dieser Vorbehalt muss auch im vorliegenden Fall angebracht werden.
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4. Die Beschwerdeführerin beharrt auch im bundesgerichtlichen Verfahren darauf, die ihr gegenüber geltend gemachten Ersatzansprüche seien verjährt. Das Gewässerschutzgesetz enthält für die Kostenersatzansprüche, welche aus der Feststellung und der Behebung der Verunreinigungen entstehen, keine Verjährungsbestimmungen. Wie die Verwaltungsrekurskommission indessen zutreffend darlegt, ist die Verjährbarkeit im Schutzbereich der Polizeigüter von vornherein ausgeschlossen, solange der polizeiwidrige Zustand andauert und ein Anspruch auf dessen Beseitigung besteht (BGE 105 Ib 268 E. 3b mit Hinweisen). Da der von der Beschwerdeführerin verursachte und grösstenteils noch im Einzugsbereich ihres Grundeigentums liegende Gewässerverschmutzungsherd heute noch besteht und weil damit der polizeiwidrige Zustand fortdauert, ist ihre sich aus Art. 8 GSchG ergebende Haftpflicht nicht verjährt. Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt unbegründet.
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5. Im weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, die Verfügung des Gemeinderates O. sei insoweit als nichtig zu betrachten, als sie neben der Firma X. auch gleichzeitig deren Haftpflichtversicherung für haftbar erkläre. Auch diese Rüge ist nicht stichhaltig. Die Vorinstanz führt hiezu einleuchtend aus, BGE 114 Ib, 44 (55)die unklare Bezeichnung des Adressaten in der Verfügung, "die Firma X. bzw. ihre Haftpflichtversicherung werden ... haftbar gemacht", vermöge keine Anfechtbarkeit oder gar Nichtigkeit der Verfügung zu begründen. Aus dem Text der Verfügung gehe klar hervor, dass die Firma X. als Verhaltens- und Zustandsstörerin ins Recht gefasst werden solle. Ausführungen dazu, inwieweit die Genannte ihre hieraus resultierenden Kosten auf einen Versicherungsträger werde abwälzen können, seien bei dieser Sachlage zwar überflüssig gewesen, begründeten jedoch keinen rechtserheblichen Mangel der Verfügung. Es ist in der Tat einzuräumen, dass der Gemeinderat O. im Dispositiv seiner Verfügung vom 18. Dezember 1985 die Haftpflichtversicherung der Firma X. besser nicht aufgeführt hätte. Die von der Vorinstanz gestützt auf die Erwägungen der betreffenden Verfügung gegebene Interpretation des Verfügungsdispositivs erscheint indessen als zutreffend. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zu dieser Rüge ohnehin nur die Versicherungsgesellschaft legitimiert gewesen wäre; allein sie, die aber nicht Partei des Verfahrens ist, hätte insoweit ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung bzw. Änderung der Verfügung des Gemeinderates gehabt (vgl. Art. 103 lit. a OG).
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Ob eine solche Reduktion tatsächlich am Platze ist, kann derzeit noch nicht gesagt werden. In der vorstehenden Erwägung 3 wurde indessen gestützt auf das von der Beschwerdeführerin erwähnte Verhältnismässigkeitsprinzip ein Vorbehalt zum angefochtenen Entscheid angebracht. Im Umfang der dort gemachten Ausführungen ist daher dem Eventualbegehren stattzugeben. Unter Berücksichtigung des genannten Vorbehaltes erscheint jedoch der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission als gerechtfertigt. Die Beschwerde ist in diesem Sinne abzuweisen.
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